7.4 Die auswärtige Politik von 1720—1740 und der Ausgang Friedrich Wilhelms I.

7.4 Die auswärtige Politik von 1720—1740 und der Ausgang Friedrich Wilhelms I.

Die auswärtige Politik Friedrich Wilhelms I. zeigt im Jahre 1725 einen jähen Umschwung, der ihn an die Seite der Gegner des Kaisers, England und Frankreich, gebracht hat. Diese Wendung hing mit einer allgemeinen Veränderung in der Gruppierung der europäischen Mächte zusammen. Trotz der Friedensschlüsse von 1713, 1714 und 1720 hatten die Reibungen in Westeuropa keineswegs aufgehört, und 1724 schien man wieder vor dem Ausbruch eines Krieges zu stehen. Man suchte ihn, wie es damals üblich zu werden begann, durch einen Kongress der großen Mächte zu verhüten, der 1724 in Cambray zusammentrat. Dieser Kongress hat zwar die Fragen, die seine Berufung veranlasst hatten, nicht gelöst, aber er endete mit einer überraschenden Umkehrung des bisherigen Allianzsystems. Spanien machte jetzt Front gegen England, das ihm in Westindien wie in Gibraltar immer unbequemer wurde, und schloss mit seinem alten Gegner, dem Kaiser, ein Bündnis zu Wien 1725; katholische Reichsstände, wie Bayern, Köln, Pfalz, Trier, sind später dem Bündnis beigetreten. Dagegen schlossen sich alsbald die früheren Gegner, England und Frankreich, ebenfalls zu einem Bündnis zusammen, dem auch Hannover angehörte; und diesem Bündnis ist Friedrich Wilhelm l. am 3. September 1725 zu Herrenhausen bei Hannover beigetreten. Es war ein auffallender Parteiwechsel, veranlasst durch die fortdauernden Schikanen des Kaiserhofes gegen Preußen in Reichssachen und anderen Angelegenheiten, mehr aus Gefühls- als Interessenpolitik entsprungen: Friedrich Wilhelm I., verärgert wie er war, hatte sich von seinem hannöverschen Schwager, dem König Georg II. von England und dessen Bundesgenossen überrumpeln lassen; der alte, erfahrene Leiter der auswärtigen Geschäfte in Preußen, der Geheime Rat Rüdiger von Ilgen, hatte keinen Anteil an diesem Abkommen gehabt. An Österreich und seine Verbündeten schloss sich nach dem Tode Peters des Großen auch noch dessen Witwe, die Kaiserin Katharina I. von Russland, an, und so standen im Herbst 1725 zwei große europäische Bündnisse einander gegenüber, zwischen denen es fast zum Kriege gekommen wäre. Preußen war dabei in einer sehr gefährlichen Lage; und Friedrich Wilhelm I. merkte bald, dass die Engländer und Franzosen ihn nur als Sturmbock gegen die großen östlichen Militärmächte gebrauchen wollten. Er nahm die erste Gelegenheit wahr, seine Stellung wieder zu ändern. Als die Freundschaft zwischen dem Kaiser und Spanien ins Wanken geriet und die Interessengemeinschaft der bourbonischen Häuser in Frankreich und Spanien sich wieder geltend machte, trat er von dem Bündnis mit den Westmächten zurück und schloss am 12. Oktober 1726 auf seinem Jagdschloss Wusterhausen einen Vertrag mit dem Kaiser, der zwei Jahre später nach heftigen Parteikämpfen am Hofe zu einem sehr engen Bündnis fortgebildet wurde durch den Berliner Vertrag vom 23. Dezember 1728. Dieses Bündnis war in der Hauptsache das Werk des außerordentlichen kaiserlichen Gesandten Grafen Seckendorff, eines schlauen, geriebenen Diplomaten, der sich durch die Maske eines offenherzigen Biedermannes und als Protestant und Kriegskamerad von Malplaquet her das persönliche Vertrauen Friedrich Wilhelms I. zu gewinnen verstanden hatte; einen wirksamen Helfer hatte er an dem Minister Grumbkow gefunden, dem alten General-Kriegskommissar und Feldmarschall, der im Solde Österreichs stand und auf dessen Rat Friedrich Wilhelm I. auch in den auswärtigen Angelegenheiten zu hören pflegte, namentlich nach dem Tode des alten, erfahrenen Ilgen, der kurz zuvor gestorben war, und dessen Nachfolger in dem neubegründeten auswärtigen Departement der Lage noch nicht recht gewachsen waren. In dem Berliner Vertrag wird ein vollständiges politisches Zusammengehen der beiden Mächte festgestellt, namentlich auch in den Reichsangelegenheiten. Preußen erneuerte die schon 1726 geleistete Garantie der Pragmatischen Sanktion Karls VI. und stellte dem künftigen Gemahl seiner Erbtochter Maria Theresia bei der nächsten Kaiserwahl seine Kurstimme in Aussicht. Dafür versprach der Kaiser dem Könige seine Unterstützung in der seit einiger Zeit wieder akut gewordenen Sache der Sukzession in Jülich-Berg. Das Haus Pfalz-Neuburg, das seit 1685 auch in den Besitz der Kurpfalz gekommen war, stand kurz vor dem Erlöschen. Nach dem Tode des alten Kurfürsten Karl Philipp (1742), der keine männlichen Erben hatte, musste die Kurpfalz an die Linie Sulzbach kommen; zweifelhaft war, welches Schicksal dann die niederrheinischen Lande des Hauses haben würden. Preußen behauptete, das mit dem Erlöschen des Hauses auch der mit diesem geschlossene Vergleich von 1666 hinfällig werde, und beanspruchte die niederrheinische Erbschaft für sich; allerdings hat Friedrich Wilhelm I. seine Sache von vornherein dadurch geschwächt, dass er in Anbetracht der zu erwartenden Schwierigkeiten sich zu einem billigen Vergleich erbot, indem er 1724 erklärte, sich mit Berg und Ravenstein begnügen zu wollen; an dieser Forderung aber hielt er auf das hartnäckigste fest. Gegen ihn machte Pfalz-Sulzbach das weibliche Erbfolgerecht geltend: eine Tochter Karl Philipps war mit dem voraussichtlichen Erben aus der Sulzbacher Linie verheiratet; auf eine Teilung, wie sie Friedrich Wilhelm I. vorgeschlagen hatte, wollte man sich hier nicht einlassen. Außerdem erhob auch das Haus Österreich Ansprüche: Karl VI. war der Sohn einer neuburgischen Prinzessin, der Tochter des Pfalzgrafen Philipp Wilhelm. Der Kaiser dachte wohl kaum daran, diesen Anspruch wirklich durchzusetzen; aber als eine bequeme Handhabe bei diplomatischen Verhandlungen über die Angelegenheit konnte er immerhin gebraucht werden. Diese Angelegenheit, eine von den vielen damals schwebenden politischen Fragen, über die man niemals zu diplomatischer Einigung gelangte, steht im Mittelpunkt der politischen Bemühungen Friedrich Wilhelms I. seit dem Ausgang des nordischen Krieges, ähnlich wie eben damals für Karl VI. die Frage der Pragmatischen Sanktion. Und ebenso wie Karl VI. hat er seinen Anspruch nicht sowohl durch militärischen Nachdruck, als vielmehr auf dem trügerischen Wege diplomatischer Verhandlungen und Garantien durchzusetzen gesucht. Schon in dem Bündnis von Herrenhausen hatte er sich von den Westmächten, mit denen er sich damals verband, die Zusicherung geben lassen, dass sie sich für Einsetzung eines unparteiischen Schiedsgerichts verwenden und sich jeder gewaltsamen Beeinträchtigung der preußischen Rechte widersetzen würden. In dem Vertrage von Wusterhausen war die Garantie der Pragmatischen Sanktion von preußischer Seite nur unter der Bedingung ausgesprochen worden, das der Kaiser sich bemühen werde, binnen sechs Monaten die Zustimmung des Hauses Sulzbach zu der Erwerbung von Berg und Ravenstein durch Preußen zu erwirken — eine Bedingung, die dann nicht erfüllt worden ist. In dem Berliner Vertrage von 1728 erklärte nun der Kaiser, das er beim Eintreten des Erbfalles seine persönlichen Ansprüche auf Jülich dem Hause Sulzbach, die auf Berg und Ravenstein aber dem König von Preußen übertragen und dann jedem der beiden zur Erwerbung des ihm überlassenen Stückes der Erbschaft seine Hilfe leihen werde. Falls das Haus Sulzbach auf diesen Vorschlag nicht eingehen würde — und das war der wichtigste Punkt bei der ganzen Abmachung — behielt sich der Kaiser seine eigenen Ansprüche auf Jülich vor, die Preußen dann ebenso garantieren sollte, wie der Kaiser das Anrecht Preußens auf Berg und Ravenstein. Das war, wie man sieht, nicht eben ein hoher Grad von Sicherheit für die Verwirklichung der preußischen Ansprüche. Die Sache wurde aber noch unsicherer und verwickelter dadurch, dass der Kaiser die rechtliche Entscheidung der ganzen Frage beim Eintritt des Erbfalls und beim Scheitern eines Vergleichsversuches dem Reichshofrat vorbehalten hatte, der, wie bekannt, damals ein politisches Werkzeug des Kaisers war. Der Kaiser nahm also — das war der Sinn dieses Vorbehalts — Kraft seines oberstrichterlichen Amtes die Entscheidung der Streitfrage für sich in Anspruch. Natürlich konnte diese Entscheidung auch gegen Preußen ausfallen. Für diese Möglichkeit hatten die preußischen Unterhändler, Borcke und Kuyphausen, eine Sicherungsklausel in den Vertrag hineinbringen wollen, des Inhalts: das, falls der Spruch des Reichshofrats gegen Preußen ausfalle, der Kaiser sich verpflichten müsse, Preußen ex propriis mit einem angemessenen Äquivalent zu entschädigen, d. h. von seinen eigenen Landen etwas an Preußen abzutreten. Indessen auf das Drängen des österreichischen Unterhändlers Seckendorff hatte der König schließlich verfügt, das die Klausel aus der endgültigen Ausfertigung des Vertrages fortbleiben solle. Selbst ein geradliniger, ehrlicher Charakter, verließ er sich auf die Redlichkeit des Kaisers und seines Gesandten. Er fesselte sich an die österreichische Sache und lies dabei dem Kaiser die Hintertür offen, durch die er seinen Verpflichtungen leicht entschlüpfen konnte.

Bald nach der Herstellung dieses Bündnisses zwischen Preußen und Österreich kam es wieder zu einer gefährlichen Spannung zwischen den großen Mächten Europas. Der Kongress von Soissons war 1728 ergebnislos verlaufen, aber wiederum vollzog sich jetzt ein Umschwung in der Gruppierung der Mächte: in dem Vertrag von Sevilla (9. November 1729) traten die drei westeuropäischen Mächte, Spanien, Frankreich, England im Bunde miteinander dem Kaiser und seinen Verbündeten, Preußen und Russland, gegenüber. Es handelte sich dabei namentlich um die Absicht des Kaisers, eine neue ostindische Kompanie mit dem Sitz in Ostende zu begründen, was England und die übrigen Kolonialmächte nicht dulden wollten. Andere Streitpunkte, die Preußen näher angingen, traten hinzu.

Zwischen den Hohenzollern und den Welfen in Berlin und Hannover bestand, trotz der wiederholten verwandtschaftlichen Verbindung zwischen den beiden Häusern, eine alte Rivalität. Friedrich Wilhelm I. war der Schwager Georgs II., der 1727 den englischen Thron bestieg; seine Gemahlin Sophie Dorothee hat ihre engen Beziehungen zu dem hannöversch-englischen Hofe nie aufgegeben. Trotz dieses verwandtschaftlichen Zusammenhangs ist unter der Regierung Friedrich Wilhelms I. das politische Verhältnis der beiden Höfe ein immer schlechteres geworden. Den Anlass dazu hatte namentlich die Einmischung Hannovers in Mecklenburg und in Ostfriesland gegeben. In diesen beiden Ländern, auf die Preußen Erbanspruch und Anwartschaft besaß, war es infolge eines Streites zwischen Fürst und Ständen zur Reichsexekution gekommen: und Hannover, das beide Male dabei beteiligt gewesen war, hatte dann seine Truppen im Lande stehen lassen und sich dadurch einen Einfluss angemaßt, der die preußischen Interessen schwer verletzte. Dazu kam noch ein Grenzstreit zwischen Preußen und Hannover und die Verhaftung preußischer Werber, die sich auf hannoverschem Gebiet Übergriffe erlaubt hatten. Friedrich Wilhelm I., empört und aufs äußerste gereizt, lies ein Korps von 44.000 Mann gegen die hannöversche Grenze marschieren. Auch auf der Gegenseite rüstete man sich. Beide Gegner suchten die Hilfe ihrer Bundesgenossen nach. Friedrich Wilhelm I. hatte einen Moment die groteske Idee, den Streit mit dem verhassten Schwager persönlich, im ritterlichen Zweikampf, mit dem Säbel in der Faust auszufechten. Vermittler legten sich dazwischen; es kam schließlich zu einem Schiedsgericht, und Preußen gab in der Hauptsache nach, was für sein Ansehen in der Welt und seinen politischen Ruf nicht eben förderlich war. Das Verhältnis Preußens zu Hannover blieb ein sehr feindseliges und verschärfte die Spannung der europäischen Lage: der Westen und der Osten Europas standen sich kampfbereit gegenüber; man erwartete im Jahre 1730 den Ausbruch eines allgemeinen Krieges.

Mit dieser großen europäischen Krisis trifft nun ein Konflikt im Hause und am Hofe Friedrich Wilhelms I. zusammen, dessen Schärfe man nur auf dem Hintergrund der allgemeinen Lage ganz zu würdigen vermag.

Friedrich Wilhelm I. war mit seinem Sohn und Thronerben, dem Kronprinzen Friedrich, der damals 18 Jahre alt war, schon seit vielen Jahren in ein Missverhältnis geraten, das mit der Zeit immer schärfere Formen angenommen hatte. Es war seine Absicht, und er verfolgte sie mit der ganzen Leidenschaft und dem despotischen Eigensinn seines Wesens, dass dieser sein Nachfolger einmal der Fortsetzer seiner Lebensarbeit werden sollte: ein guter Christ, ein sparsamer Haushälter und ein strammer Soldat. Und von alledem drohte der Kronprinz, sobald er in die Jahre einer selbständigen Entwicklung kam, das Gegenteil zu werden.

Friedrich wurzelte mit allen Fasern seines Wesens in dem Boden der Aufklärung. Durch eine ursprüngliche Wahlverwandtschaft seiner Natur fühlte er sich zu allem hingezogen, was eine freiere Lebensauffassung, eine reichere Lebensführung, die Übung und Ausbildung der höheren intellektuellen Kräfte verhieß. Sein erster Erzieher, Duhan de Jandun, war ein geistig und weltmännisch gebildeter Franzose, ein Reformierter, der ganz jung nach Berlin gekommen war, im Grunde seines Herzens einer freieren religiösen Auffassung zugetan. Er hat einen viel stärkeren Einfluss auf den Prinzen ausgeübt als die militärischen deutschen Erzieher, die später an seine Stelle traten; er hat namentlich auch seinen Hang zu den Büchern, zur französischen Literatur, der wissenschaftlichen wie der belletristischen, in einem Maße gefördert und befriedigt, wie es keineswegs im Sinne des königlichen Vaters lag. Philosophische Spekulationen beschäftigten den Geist des Prinzen schon früh und raubten ihm die Einfalt des Glaubens. Seine Hinneigung zu der Prädestinationslehre, die dem Vater besonders anstößig war, steht offenbar im Zusammenhang mit den philosophischen Ansichten der Deterministen, die die Freiheit des Willens leugneten. Sein Eifer für den Konfirmationsunterricht war nur gering; der Pietist A. G. Francke aus Halle, der einmal zur königlichen Tafel gezogen wurde, fand wenig Gefallen an dem ausweichenden, zurückhaltenden Wesen des frühreifen Knaben, der sich im Stillen mit der wesensverwandten Schwester Wilhelmine über den Gespensterglauben des frommen Herrn lustig machte und ihn mit altklugem Spott einen Pharisäer nannte. Das Bewusstsein, das alles, wonach seine Seele begehrte, im väterlichen Hause verboten war, gab dem Charakter des Prinzen etwas Verschlagenes und Verstecktes, das gerade Gegenteil kindlicher Einfalt und Offenheit, wie sie der Vater wünschte und mit steigendem Unmut gerade bei diesem seinem ältesten Sohn vermisste. Das Exerzieren machte dem Prinzen nicht lange Vergnügen; den König verdross es im Innersten, als man ihm zutrug, das der Kronprinz die Uniform als seinen Sterbekittel (suaire) bezeichnet und verächtlich beiseite geworfen habe, um in den heimlich angeschafften Schlafrock von Goldbrokat zu schlüpfen und sich am Flötenspiel zu ergötzen, das er hinter dem Rücken des Vaters von dem Dresdener Meister Quanz sich hatte beibringen lassen. Der Schlafrock wanderte ins Feuer und das Flötenspiel wurde verboten. Bald darauf kam heraus, das der Kronprinz Schulden gemacht hatte; ein väterliches Donnerwetter samt einem scharfen Edikt gegen das Leihen an Prinzen war die Folge. Frühzeitige Beziehungen zum weiblichen Geschlecht erregten Empörung und Besorgnis bei dem äußerst sittenstrengen Vater, der gerade in diesem Punkte sehr empfindlich war. Sein Misstrauen  war schon längst geweckt, und nahm seit dem Besuch bei dem an Verführung reichen Dresdener Hofe (1728) noch zu. Die schlimmsten Befürchtungen wurden in ihm rege. Er sah seinen Sohn auf dem Wege des Verderbens; er sah die Zukunft seines Staates geopfert; er sah sich selbst mit Undank belohnt für all seine väterliche Liebe und Sorge, die freilich von einer rauen Hülle verdeckt wurde. Der Kronprinz seinerseits glaubte, der Vater könne ihn nun einmal nicht leiden und verfolge ihn mit unversöhnlichen Hass. Es kam zu Misshandlungen, selbst vor Hof und Gesinde; eine immer größere Verstocktheit des Prinzen war die Folge. Zugleich aber begann der in dem persönlichen Charaktergegensatz begründete Zwiespalt auch eine bedenkliche politische Wendung anzunehmen.

Die Königin hegte ehrgeizige Pläne für ihre Kinder. Vor allem wünschte sie ihre älteste Tochter Wilhelmine einst auf dem britischen Thron zu sehen. Die englischen Verwandten wiederum wünschten für die königliche Prinzessin Amalie die Hand des preußischen Kronprinzen. Friedrich Wilhelm I. war anfänglich nicht geradezu dagegen, obwohl die englische Schwiegertochter mit den luxuriösen Gewohnheiten des Hofes von St. James ihm Bedenken erregte. In dem Vertrag von Herrenhausen 1725 war die Verbindung schon für die Zukunft verabredet worden. Aber das Blatt wandte sich, nachdem er von der Seite Englands und Frankreichs wieder auf die Seite des Kaisers übergetreten war. Der englische Heiratsplan erschien jetzt den Westmächten als ein Mittel, den König von Preußen mit seiner ansehnlichen Armee wieder in ihr Lager zurückzuführen. Andererseits aber setzte Österreich alle Hebel an, um diese Pläne zu durchkreuzen. Die Verhinderung der englischen Heirat wurde jetzt geradezu die Hauptaufgabe für Seckendorff und Grumbkow. Es entwickelte sich nun am Berliner Hofe ein überaus lebhaftes und verworrenes Intrigenspiel, in dem von englischer und französischer wie von kaiserlicher Seite kein Mittel der Kabale, der Lüge, des Verrats verschmäht worden ist. Die europäischen Mächte rissen sich um Preußens Bundesgenossenschaft und seine Armee; die königlichen Kinder mit ihren Heiratsplänen und Zukunftshoffnungen sind die Opfer dieses höchst ruchlos geführten diplomatischen Kampfes geworden. Kronprinz Friedrich schwärmte für die englische Cousine, die er nie gesehen hatte und verabscheute mit der Mutter und der Schwester Seckendorff und Grumbkow auf das gründlichste. Die Königin und ihre Kinder näherten sich den fremden Gesandten und suchten durch sie den Heiratsplan zu fördern. Zu besonders bedenklichen Vertraulichkeiten scheint es gegenüber dem französischen Gesandten Rottenbourg gekommen zu sein, der an seine Regierung von Plänen berichtet, die erwogen worden seien für den Fall, das der König plötzlich stürbe oder irrsinnig würde; denn Friedrich Wilhelm I. war damals von schweren Krankheitsanfällen heimgesucht. Mag in diesen Berichten, denen Ernest Lavisse in seinem Buche La Jeunesse du Grand Frédérie wohl zu unbedingten Glauben geschenkt hat, manches unrichtig gesehen oder übertrieben sein, so bleibt doch des Bedenklichen genug übrig; und es scheint, dass auch das Misstrauen des Königs durch Andeutungen, die er darüber erhielt, noch verschärft worden ist.

Infolge einer Anregung der Königin kam bald nach der Beilegung des hannöverschen Konflikts 1730 ein außerordentlicher englischer Gesandter, Sir Charles Hotham in besonderer Mission von London nach Berlin, um die Heiratsangelegenheit und damit die politischen Pläne seines Hofes zu fördern. Er hatte den Vorschlag zu machen, dass die englische Prinzessin nach der Vermählung mit dem preußischen Kronprinzen zur Statthalterin von Hannover ernannt werden und dass dann das kronprinzliche Paar dort in Hannover seinen Wohnsitz nehmen sollte. Dem Kronprinzen selbst erschien diese Möglichkeit in den reizendsten Farben, aber der Vater war anderer Ansicht. Er war in einer sehr schwierigen Lage. Er wollte seine Bundestreue dem Kaiser gegenüber ehrlich halten und doch andererseits dem Glück seiner Kinder und den Aussichten für sein Haus nicht hinderlich sein. Dieser innere Zwiespalt erzeugte in seiner Haltung ein Schwanken, das den Boden für die Ränke der Diplomaten und Hofleute aufs günstigste vorbereitete. Das Misstrauen gegen den Sohn, den er nicht aus den Händen und Augen lassen wollte, das Gefühl, den diplomatischen Treibereien nicht recht gewachsen zu sein, das aufbrausende Temperament des kranken Mannes, sein plötzlich losbrechender Jähzorn — das alles hat dazu beigetragen, der Sache die unheilvolle Wendung zu geben, die sie nun nahm. Der König entschloss sich endlich dazu, seine Zustimmung zur Heirat der Prinzessin Wilhelmine mit dem Prinzen von Wales zu geben und erklärte dem Gesandten, dass man sich diese Verbindung zur Ehre anrechnen werde; für die Verheiratung seines Sohnes aber sei die Zeit noch nicht gekommen; die werde erst in zehn Jahren erfolgen; man werde dann eine englische Prinzessin jeder andern vorziehen. Hotham ließ dem gegenüber keinen Zweifel, dass man in London entweder beide Heiraten wünschte oder gar keine; auch das Versprechen des Kronprinzen, das er, wenn er sein eigener Herr sei, nie eine andere Prinzessin als die englische Cousine heiraten werde, hat ihn von dieser ihm vorgeschriebenen Linie nicht abzudrängen vermocht. Seine Mission war beendet. Am 10. Juli 1730 hatte er seine Abschiedsaudienz beim König. Er nahm sich heraus, dem König dabei ein Aktenstück zu überreichen, das die Besoldung Grumbkows durch den Wiener Hof betraf. Der König war in der übelsten Laune, er nahm die Mitteilung mit dem stärksten Missfallen auf, warf das ihm dargebotene Papier mit einem sehr kräftigen Wort zu Boden und verließ das Zimmer, ohne den Gesandten zu verabschieden. In hochmütiger Steifheit pochte nun Hotham darauf, dass seine diplomatische Würde verletzt sei; er ist ohne Abschied einige Tage darauf von Berlin abgereist.

Der Bruch war noch nicht unheilbar. Aber da trat ein Ereignis ein, das alle Aussichten auf Verständigung abschnitt.

Kurz nach der Abreise des Engländers unternahm der König eine Reise nach Süddeutschland, auf der er im kaiserlichen Interesse auf verschiedene Höfe einwirken und namentlich auch mit dem pfälzischen Hofe zu Mannheim noch einmal eine Verständigung wegen der bergischen Sache herbeizuführen versuchen wollte. Der Kronprinz musste den Vater auf dieser Reise begleiten; er nahm die Gelegenheit wahr, einen längst geplanten Fluchtversuch ins Werk zu setzen, in der Absicht, nach England zu gehen, von wo aus man ihn auch mit Geldmitteln versehen hatte. In der Nacht zum 4. August sollte der Plan ausgeführt werden; man übernachtete in dem Dorfe Steinfurt bei Mannheim. Alber der Page, der die Pferde besorgt hatte, wurde von Reue erfasst und entdeckte dem König alles. Nun folgten furchtbare Tage für den Kronprinzen; er wurde vom Vater als Deserteur behandelt und vor ein Kriegsgericht gestellt, das nach der schleunigen Rückkehr in dem alten Schlosse zu Köpenick abgehalten wurde. Die Generäle, die es bildeten, verneinten die Schuldfrage wegen der Fahnenflucht, weil der Plan nicht zur Ausführung gekommen sei, und erklärten sich im Übrigen für nicht zuständig. Der Kronprinz selbst war besonnen genug, um bei dem Verhör alles zu vermeiden, was im Sinne bewusster Widersetzlichkeit hätte gedeutet werden können. Es ist nicht richtig, das der König eigentlich die Hinrichtung des Kronprinzen gewollt und das nur das Eingreifen des Kaisers ihm das Leben gerettet habe. Der König hat nur eine Zeitlang den Gedanken erwogen, Friedrich von der Thronfolge auszuschließen; diese Strafe hat der Kronprinz durch sein besonnenes Verhalten während der Untersuchung und durch die vollständige Unterwerfung unter den Willen des Vaters von sich abgewandt. Das kaiserliche Interzessionsschreiben ist überhaupt erst überreicht worden, nachdem der König zur Pardonnierung des Kronprinzen, d. h. zur Aufrechterhaltung seines Thronfolgerechts, sich entschlossen hatte. Es passte aber Seckendorff und Grumbkow, die Sache so darzustellen, als ob der künftige König von Preußen dem Kaiser Thron und Leben verdanke.

Strenger verfuhr man gegen den Vertrauten des Kronprinzen, der um sein Vorhaben gewusst und ihm Vorschub geleistet hatte, den Leutnant von Katte.

Er wurde wegen Majestätsverbrechens zum Tode verurteilt und vor dem Fenster des Kronprinzen, der in Küstrin gefangen gesetzt worden und selbst über sein Schicksal noch ganz im ungewissen war, hingerichtet, so dass Friedrich das Schreckliche mit ansehen sollte; er ist darüber in Ohnmacht gefallen. Noch länger als ein halbes Jahr dauerte es bis zur förmlichen Aussöhnung mit dem Vater. Es war eine Zeit, die von entscheidendem Einfluss auf den Charakter des Kronprinzen gewesen ist. Aller Vorzüge seiner Geburt und seiner hohen Stellung beraubt, war er damals ganz auf sich selbst gestellt und auf die Hilfsquellen seiner eigenen Natur angewiesen, die durch all den Schrecken wohl gebeugt, aber nicht gebrochen werden konnte. Von einer religiösen Sinnesänderung, wie sie der Vater bewirken wollte, kann bei ihm nicht die Rede sein. Friedrich blieb, der er war; seine Natur entwickelte sich, allen Widerwärtigkeiten zum Trotz und vielfach selbst wieder durch sie gefördert, nach ihrem eigenen inneren Lebensgesetz. In dieser harten Schule lernte er eine zähe Diplomatie im Dienst der eigenen allerpersönlichsten Interessen; das elastische, stahlharte seines Wesens, das sich später in den großen Weltverhältnissen bewährte, hat hier die erste schwere Probe bestanden. Die äußere Unterwerfung freilich war ganz vollständig; sie erstreckte sich selbst auf den Widerruf in der Gewissensfrage der Prädestinationslehre. Es war die Politik der Ohnmacht gegenüber einer Macht und einem Willen, gegen die kein Widerstand möglich war. Der Kronprinz hatte aus bitterster Erfahrung die realen Machtfaktoren kennen gelernt, die sein Leben beherrschten; fern von dem gefährlichen Ränkespiel des Hofes gewann er das Bewusstsein der Schranken, in denen er sich als Thronfolger zu halten hatte.

Nachdem der Vater ihn wieder zu Gnaden angenommen hatte, musste er bei der Küstriner Kriegs- und Domänenkammer zunächst ein halbes Jahr lang als Auskultator und dann als Rat mit Sitz und Stimme im Kollegium arbeiten, um die innere Verwaltung von Grund aus kennen zu lernen. Er begann erst jetzt, sich mit den leitenden Gedanken, mit den eigentümlichen Interessen des preußischen Staatswesens zu durchdringen. Er durchschaute jetzt auch die selbstsüchtigen Zwecke der fremden Mächte; er hat fortan gegen sie eine Zurückhaltung bewiesen, die sie anfangs in Erstaunen setzte.

Von der englischen Heirat war natürlich jetzt keine Rede mehr weder für den Kronprinzen, noch für seine Schwester Wilhelmine. Mit voller Entschiedenheit wandte sich der König nun von diesen hochfliegenden Plänen ab. Sie erschienen ihm gewissermaßen als ein sträflicher Hochmut, der sich gerächt habe. Recht im Gegensatz zu einer so vornehmen Familienverbindung griff seine Wahl nun in die kleinfürstlichen, reichsdeutschen Kreise hinein. Prinzessin Wilhelmine wurde gezwungen, einen kleinen ungeliebten und wenig liebenswürdigen Vetter, den Markgrafen von Bayreuth, zu heiraten (1731), mit dem sie eine äußerst unglückliche Ehe geführt hat; Kronprinz Friedrich hat 1733 die Prinzessin Elisabeth Christine von Braunschweig-Bevern zur Frau nehmen müssen, die ihm nicht die geringste Neigung einflößte, die er vielmehr nur mit tiefem innerem Widerstreben, nicht ohne erneutes heftiges Aufbäumen seiner Natur gegen den ihr zugemuteten Zwang, aus der Hand des Vaters hinnahm, dem es genügte, das sie „ein modestes und gottesfürchtiges Mensch“ sei.

So hatte sich Friedrich Wilhelm eben im Moment der großen europäischen Krisis mit voller Entschiedenheit von jeder Verbindung mit den Westmächten losgesagt. Aber irgendwelchen Vorteil hat er von diesem bundestreuen Verhalten nicht gehabt. Der Preis seines Bündnisses sank in den Augen des Kaisers mit der abnehmenden Kriegsgefahr. Die große Krisis ist noch einmal in friedlichem Sinne ausgegangen. Im März 1731 entschloss sich Kaiser Karl VI., seinen Rückzug vor den Verbündeten von Sevilla anzutreten. Er gab die ostindische Kompanie und die österreichisch-belgischen Seemachtspläne auf und begnügte sich mit der Garantie der Pragmatischen Sanktion durch die Seemächte. Als dann im Januar 1732 auch noch die Reichsgarantie der Pragmatischen Sanktion erfolgt war (nur Bayern, Sachsen und Kurpfalz schlossen sich davon aus), da galt Preußen immer weniger in den Augen Österreichs; und der Kaiser begann, um das Haus Pfalz-sulzbach für sich zu gewinnen, diesem jetzt in der bergischen Frage auf Kosten Preußens entgegenzukommen. Auf einer Zusammenkunft zu Prag im August 1732 war Friedrich Wilhelm schwach genug, dem Ansinnen des Kaisers, das er auf die wichtige Hauptstadt von Berg, Düsseldorf, verzichten möge, sich schon halb und halb zu fügen.

Während England sich mit dem Kaiser vertragen hatte, war Frankreich, mit Spanien durch den bourbonischen Familienpakt von 1733 enger verbündet, im Gegensatz zu ihm geblieben. So war man nach manchen überraschenden Wandlungen wieder zu der Gruppierung der Mächte zurückgekehrt, wie sie vor dem Umschwung von 1725 bestanden hatte; und dies war nun die Situation, in der ein neuer europäischer Streitfall den längst erwarteten und immer wieder vermiedenen Krieg endlich doch noch zum Ausbruch gebracht hat.

Es handelte sich um die Thronfolge in Polen nach dem Tode Augusts II. (1732). Die Seemächte blieben neutral; Frankreich setzte sich für den Schwiegervater Ludwigs XV., Stanislaus Lesezinski, ein; Österreich und Russland verfochten die Thronfolge des Kurfürsten von Sachsen August III.; und Preußen musste infolge des Bündnisses von 1728 in dem nun ausbrechenden Kriege sich auf eben diese Seite schlagen, obwohl es durchaus kein Interesse daran hatte, das der sächsische Rivale auf den polnischen Thron gelangte. In den Verhandlungen der Verbündeten spielte Preußen nur eine geringfügige Rolle, sehr zum Missvergnügen Friedrich Wilhelms I. Er hätte gern durch die Entfaltung militärischer Macht ersetzt, was seinem Staate an politischem Gewicht fehlte: er bot dem Kaiser eine Truppenhilfe von 50.000 Mann an. Aber der Kaiser wollte Preußen nicht als selbständigen und anspruchsvollen Bundesgenossen neben sich sehen, sondern als bloße Auxiliarmacht; er wies das Angebot zurück und forderte nur 10.000 Mann. Friedrich Wilhelm I. war außer sich über diese Behandlung, deren Sinn er wohl durchschaute. Er machte nach seiner Gewohnheit seinem Ärger durch heftige Worte Luft; aber dann fügte er sich und gab die 10.000 Mann. Auch das Reich hat der Kaiser mit sich zu ziehen gewusst: 1734 wurde in Regensburg der Reichskrieg an Frankreich erklärt; nur die wittelsbachischen Fürsten schlossen sich aus: die Kurfürsten von Köln, Pfalz, Bayern. König Friedrich Wilhelm I. und der Kronprinz Friedrich sind selbst mit im Felde gewesen; in der Rheinkampagne von 1734 hat der Kronprinz zuerst den Krieg kennen gelernt. Aber Lorbeeren waren in diesem Kriege nicht zu ernten; der österreichische Feldherr, Prinz Eugen, war alt geworden und wagte keine großen Dinge mehr. Österreich hat das Spiel auch bald verloren gegeben. Am 3. Oktober 1735 wurden in Wien die Friedenspräliminarien unterzeichnet.

Österreich wich in den eigentlich wichtigen Fragen zurück: es gab Lothringen preis, das an Stanislaus Leszeinski und nach dessen Tode an Frankreich kommen sollte, es verlor Neapel und Sizilien, wo eine spanisch-bourbonische Sekundogenitur begründet wurde. Das Frankreich dagegen August III. als König von Polen anerkannte, kam mehr dem Ansehen Russlands als Österreichs zugute; die Hauptsache war für Österreich, das jetzt auch Frankreich die Garantie der Pragmatischen Sanktion aussprach. Auf dieser Grundlage ist dann 1738 auch der allgemeine Friede geschlossen worden. Preußen hat in diesem Kriege gar nichts gewonnen; es hat sich einfach von Österreich zu dessen Zwecken gebrauchen lassen.

Als Österreich noch vor dem endgültigen Friedensschluss in einen Türkenkrieg verwickelt wurde (1730 – 39), deutete Graf Seckendorff, der das Oberkommando in diesem — übrigens sehr unrühmlich geführten — Kriege erhielt, dem König von Preußen im Vertrauen auf die persönliche Freundschaft mit ihm brieflich an, wie erwünscht für Österreich 20 preußische Bataillone und eine Anleihe von einigen Millionen sein würden. Friedrich Wilhelm wies das anfangs nicht ohne Befremden kurzerhand ab. Aber ein paar Monate später kam er selbst auf die Sache zurück, weil er darin eine günstige Gelegenheit fand, seinen alten Plan der Nachfolge in Berg zu fördern. Nicht Truppen, aber Geld bot er Österreich: eine Million 200.000 Taler — erklärte er — wolle er dem Kaiser als Beihilfe zum Türkenkrieg geben, à fonds perdu, „Kapital und Zinsen nicht eher als am jüngsten Tage zahlbar“; dafür aber verlangte er eine neue klare Garantie des Kaisers für Berg und Ravenstein. Allein der Kaiser war nicht geneigt, darauf einzugehen. Die Vergrößerung Preußens am Niederrhein lag nicht im österreichischen Interesse. Und ebenso wenig Entgegenkommen fand Preußen bei den übrigen Mächten. Auch Frankreich war einer Verstärkung der preußischen Stellung in der Nähe seiner Grenze abgeneigt; in den Niederlanden fürchtete man davon einen unangenehmen Druck auf die Republik; und England-Hannover war grundsätzlich gegen jede Vergrößerung Preußens namentlich in Westdeutschland. Dazu kam, dass das Haus Sulzbach jedes Zugeständnis ablehnte und, gestützt auf Frankreich, Österreich zwang, auf seine Wünsche Rücksicht zu nehmen. So traf das Begehren Friedrich Wilhelms in der bergischen Frage auf eine geschlossene Phalanx mächtiger Gegner. Österreich, Frankreich, England und die Niederlande vereinigten sich im Februar 1738 zu einem gemeinsamen Vergleichsvorschlag, der dem preußischen Hofe in der drohenden Form identischer Noten übergeben wurde. Der Inhalt war, das bei Eröffnung des Erbfalls die gesamte Jülich-bergische Ländermasse vorläufig dem Pfalzgrafen von Sulzbach übergeben werden sollte, unter Vorbehalt des preußischen Anspruchs. Es war ein Vorschlag, der Preußens Aussichten so gut wie ganz vernichtete. War der Gegner erst einmal im tatsächlichen Besitz der streitigen Lande, so war es sehr schwer, durch einen Prozess beim Reichshofrat oder durch diplomatische Verhandlungen die preußischen Ansprüche gegen ihn durchzusetzen. Das erkannte natürlich Friedrich Wilhelm I. sofort. Er sah seine liebsten Pläne an diesem einmütigen Widerstand der Mächte scheitern, und zwar durch eine diplomatische Verschwörung, die Österreich, sein Bundesgenosse, angestiftet hatte. Sein Grimm und Groll gegen den Kaiser, der ein so falsches Spiel mit ihm gespielt hatte, war grenzenlos. Er erging sich in lauten Klagen. Den „Chagrin“ über diesen Streich, den ihm die „Quadrille der Mächte“ gespielt hatte, hat er sein Lebtag nicht verwunden. Er war damals schon ein schwerkranker Mann. Der Ingrimm über diese Behandlung hat geradezu an seinem Leben gefressen. Auf den Kronprinzen, der sich inzwischen in Ruppin und Rheinsberg an der Spitze eines Regiments zum tüchtigen Offizier entwickelt hatte und mit dem er nun ganz ausgesöhnt war, hat er damals hingewiesen mit den Worten: „Da steht einer, der mich rächen wird.“

Den Vorschlag der Mächte hat Preußen zurückgewiesen, und weitere Verwicklungen sind zunächst nicht daraus entstanden. Friedrich Wilhelm I. aber wandte sich jetzt von Österreich ab: er habe sattsam erfahren, dass er von dieser Seite auf keine Förderung zu rechnen habe. Er knüpfte nun insgeheim mit Frankreich an. Kardinal Fleury ließ sich bereitfinden, Preußen die Erwerbung wenigstens eines Teils der Erbschaft zu garantieren in einem Vertrage vom 5. April 1739. Das tiefe Geheimnis, mit dem namentlich von französischer Seite diese Verhandlungen umgeben wurden, hatte seinen guten Grund. Denn ein Vierteljahr früher (Januar 1739) hatte Fleury bereits mit dem Kaiser einen — natürlich ebenfalls geheimen — Vertrag über dieselbe Angelegenheit geschlossen, der dem Inhalt des preußischen Vertrages schnurstracks zuwiderlief und wieder auf den Sinn der identischen Noten zurückkam. So hat Fleury beide Mächte, Österreich wie Preußen, betrogen. Es war ein letzter Misserfolg der Politik Friedrich Wilhelms I.

In der auswärtigen Politik liegt die Stärke Friedrich Wilhelms I. nicht. Er hatte zwar ein lebhaftes Gefühl für die Macht, einen starken Ehrgeiz, ein leicht reizbares politisches Ehrgefühl; er hat auch in dem Heer das Instrument für Preußens künftige Machtpolitik geschaffen; aber selbst Machtpolitik mit Erfolg zu treiben hat Friedrich Wilhelm I. nicht vermocht. Man kann sagen: seine Natur war zu gerade, zu ehrlich dazu. Es ist in ihm eine großartig naive Offenherzigkeit und Arglosigkeit, die ihn mehr als einmal das Opfer eines raffinierten diplomatischen Intrigenspiels hat werden lassen. Das Bewusstsein dieser seiner schwachen Seite machte ihn dann auch wohl gerade am unrechten Ort wieder misstrauisch und geneigt, boshaften und neidischen Einflüsterungen gegen die Männer seines Vertrauens Glauben zu schenken. Das hat in den inneren wie in den äußeren Geschäften manche Verwirrung und manchen Aufenthalt verursacht. In der auswärtigen Politik hat Friedrich Wilhelm nach dem Tode Ilgens, den er auch nicht ganz ohne Misstrauen betrachtete, den er aber doch auch einmal einen „alten habilen treuen brandenburgischen Vater“ genannt hat, keinen wirklich bedeutenden und zuverlässigen Ratgeber mehr gehabt. Ihm selbst aber fehlte die kühne, skrupellose Initiative, die seinen Nachfolger zu großen Unternehmungen befähigt hat. Ihm traten immer die moralischen Bedenken hindernd in den Weg. Er hätte am liebsten die Vorschriften des Christentums mit seinen politischen Interessen in Einklang gebracht; und es war eins der großen Lebensrätsel, die seinen einfachen Sinn immer wieder beschäftigten, das sich das so gar nicht als möglich erweisen wollte. Im Ganzen war die Grundrichtung seiner Politik durchaus friedfertig; aber es wurde ihm oft schwer, den Degen in der Scheide zu behalten. Er wollte Achtung in der Welt genießen, er wollte sich nicht kujonieren lassen, wie er wohl sagte; „Affront leide ich nicht!“ — ist eine seiner am häufigsten wiederkehrenden Wendungen. — „Ich will wohl ruhig sitzen, wenn sie mich in Frieden lassen“ — sagt er einmal — „aber wer mir beißt, den beiße ich wieder.“ Man darf sich aber durch die häufig sehr starken Worte Friedrich Wilhelms nicht täuschen lassen: ihnen sind nicht immer gleich starke Taten gefolgt. Eine wirklich große Machtentfaltung nach außen hat er noch nicht eigentlich für seine Aufgabe angesehen; er hatte das lebhafte Bewusstsein, erst müsse eine Macht im Innern gegründet werden. Die inneren Reformen, die mit der Ordnung des Staatshaushalts und der wirtschaftlichen Wohlfahrt der Bevölkerung zugleich auch die militärisch-politische Bereitschaft zum Ziel hatten, hat er von Anfang an als seine eigentliche Regierungsaufgabe betrachtet. Darum sah er jede auswärtige Verwicklung als eine Störung an und ging den Konflikten aus dem Wege, wo er es nur immer mit seiner Ehre und mit seinen Interessen glaubte vereinigen zu können. Er ist darin zweifellos weiter gegangen, als für das politische Ansehen Preußens gut war; sein Staat genoss nicht den Respekt bei den Mächten, der seiner militärischen Kraft entsprochen hätte; „die Preußen schießen nicht“, hieß es wohl im Reiche. Dennoch liegt in der Beschränkung auf die inneren Aufgaben, die aber freilich in einer relativ vollkommenen Weise gelöst worden sind, ein Moment historischer Größe, das nicht immer zutreffend gewürdigt worden ist.

Friedrich Wilhelm I. ist der eigentliche Begründer der altpreußischen Staatsordnung mit ihrer straffen Zucht und ihrer einseitigen, aber großartigen Richtung auf das, was als Grundlage militärisch-politischer Macht dienen kann. Seine Gewissenhaftigkeit, sein Pflichtgefühl, sein unbestechlicher Wirklichkeitssinn, sein Hang zum Soliden und Tüchtigen, seine Verachtung von Prunk und Schein haben den Charakter des Staatswesens, das er geschaffen hat, auf das nachhaltigste beeinflusst; und der echt preußische Grundsatz, dass jeder alle Kräfte zusammennehmen müsse, um seine „verfluchte Pflicht und Schuldigkeit“ zu tun, geht auf diesen rauen, aber von gesunden Instinkten geleiteten Volkserzieher zurück.

Friedrich Wilhelm I. hat sich noch immer zugleich als deutscher Fürst gefühlt. So wenig er dem österreichischen Hofe traute, so bewahrte er sich doch eine gewisse Ehrfurcht vor dem kaiserlichen Namen, wie sie sein Nachfolger nicht mehr gekannt hat. Man könne den Kaiser im Reich doch nicht beiseitesetzen — so führt er einmal im Jahre 1728 in einer eigenhändigen Aufzeichnung aus: „ein Haupt muss sein! Wer soll aber das Haupt sein? Wollen sie mir dazu machen? Gut, aber das wird Sachsen, Hannover, Bayern nicht leiden. Ergo wer soll das Haupt sein? Sachsen? Aber da lasse ich mir lieber mein Land brennen. Soll’s Hannover sein? Aber da lasse ich mir lieber Glied vor Glied abhauen als einen englischen Chef zu haben.“ Kurz, meint er, man fahre am besten, wenn man es beim Alten lasse und dem Kaiser seine verfassungsmäßige Stellung im Reich nicht antaste. So war Friedrich Wilhelm — damals wenigstens — gut kaiserlich; und er wäre es gern immer geblieben, wenn es nur mit seinen Interessen verträglich gewesen wäre. Trotzdem kann man auch bei ihm nicht eigentlich von einer deutsch-nationalen Politik sprechen. Politisch war er Partikularist, Preuße ganz und gar; er fühlte sich doch, ungeachtet seiner Stellung als Reichsfürst, in erster Linie immer als europäischer Souverän. Aber in seinem schlichten Wesen ist eine ganz entschiedene Vorliebe für das Deutsche. Seine Empfindungsweise, seine Religiosität, sein Familienleben, der ganze Zuschnitt seines Haushalts war deutsch, recht im Gegensatz zu der oberflächlichen Eleganz, der Frivolität, der Prunksucht und Sittenlosigkeit, die damals aus Frankreich herüberdrangen und das Leben der meisten deutschen Höfe vergifteten. Die Mätressenwirtschaft war ihm ein Gräuel. Er lebte in der Überzeugung, das Gott das Haus Brandenburg vor anderen gesegnet und erhöht habe, weil dieses Laster seit Generationen unter seinen frommen reformierten Vorfahren nicht im Schwange gewesen sei. Opern, Redouten, Maskeraden hielt er für Teufelswerk und wollte dergleichen in seinem Lande nicht dulden. Der calvinistische Grundsatz: „Bete und arbeite“ ist in seinem persönlichen Leben wie in seinen Regierungstendenzen ausgeprägt. Auch seine auswärtige Politik trägt einen stark protestantischen Zug. Er erinnert in manchen Stücken an die glaubensstarken, eifrig kirchlichen alten Betefürsten der Reformationszeit; nur freilich hebt ihn die Größe der Staatlichen Aufgaben doch wieder hoch über das kleinfürstliche Treiben des 16. Jahrhunderts empor, wie denn die Rangordnung der Staatszwecke auch in seiner frommen Seele sich ganz zugunsten der finanziellen und militärischen Bestrebungen verschoben hatte. Auch die Freuden des Weidwerks, die in seinem Leben eine große Rolle spielen, und der derbe, ehrbare Lebensgenuss, die ungezwungene Geselligkeit bei einem Kruge Bier im Tabakskollegium muten als eine Fortsetzung der Lebensweise jenes älteren deutschen Fürstentypus an. Für Kunst und Wissenschaft hatte er kein eigentliches Verständnis. Seine Bildung war trotz des sorgfältigen Unterrichts eine sehr mangelhafte geblieben. Latein verstand er nur wenig; sein deutscher Stil ist roh und ungefüge im Vergleich etwa zu der Schreibweise des Großen Kurfürsten, aber freilich auch wieder anziehend durch derbe und treffende Ursprünglichkeit des Ausdrucks. Er hat während seiner Gichtanfälle auch wohl gemalt; in Wusterhausen finden sich verschiedene solche offenbar von anderer Hand später überarbeitete Bilder mit der Unterschrift In tormentis pinxit F.W. R.; Kunstwert besitzen sie nicht. Von den Musikern sagte ihm namentlich Händel zu. Ganz ohne Verständnis war er für die Philosophie. Als man ihm von orthodoxer Seite den Philosophen Christian Wolf in Halle als einen Atheisten verdächtig gemacht und dessen Lehre vom Willensdeterminismus dahin erläutert hatte, das danach ein Grenadier, der desertiere, eigentlich vernünftigerweise nicht bestraft werden könne, weil es ja keinen freien Willen gebe, — da hat er 1723 den berüchtigten Befehl erlassen, durch den der große Gelehrte seiner Professur in Halle entsetzt und ihm bei Strafe des Galgens anbefohlen wurde, binnen 18 Stunden die preußischen Lande zu räumen. Wolf fand dann einen anderen Wirkungskreis in Marburg; und Friedrich Wilhelm hätte ihn später, als er besser über den Mann berichtet war, gern wieder nach Halle zurückgerufen; aber begreiflicherweise ist es bei seinen Lebzeiten nicht mehr dazu gekommen. Die Sozietät der Wissenschaften ist unter ihm in Verfall geraten; die Behandlung, die der Historiker Gundling und andere mehr oder wenige unwürdige Diener der Wissenschaft bei Hofe fanden, erinnert an die Rolle der alten Hofnarren. Mehr Achtung hatte der König vor den Vertretern der Naturwissenschaften und der Medizin; namentlich die letztere schätzte er wegen der Dienste, die sie seinem Heere leisten konnte: das anatomische Theater in Berlin, mit dem ein medizinischer Unterricht verbunden war, ist eine dauerhafte Gründung seiner Regierung gewesen.

Die Berichte der Zeitgenossen heben an dem Charakterbild Friedrich Wilhelms I. gerade die bizarren und grotesken Züge hervor, an denen es ja freilich reich war. In den eigentlichen Kern seines Wesens dringen sie nicht ein, vor allem auch nicht die Schilderung, die seine eigene Tochter Wilhelmine, die Markgräfin von Bayreuth, von der Tyrannei ihres Vaters und dem Leben in der Familie und am Hofe entworfen hat. Die Aufzeichnungen dieser unglücklichen und verbitterten Frau, der ihre Kindheit später im trübsten Licht erschien und die geneigt war, die Schuld an ihrem verfehlten Leben dem Vater zuzuschieben, der sie zu einer verhassten Heirat gezwungen hatte, weichen nachweislich in vielen Zügen von der Wahrheit ab und geben von dem Charakter Friedrich Wilhelms I. nur ein Zerrbild, dass gerade das Verständnis für die zentralen Interessen seines Lebens vermissen lässt. Das Raue und Derbe seiner Natur umhüllte ein warmes, lebhaft pulsierendes Gemütsleben, das zarteren und weicheren Empfindungen keineswegs unzugänglich war. Sein Christentum bestand in einem kindlichen Glauben ohne Kopfhängen und Pharisäertum; es ist in seinem Wesen eine gewisse keusche Herbigkeit, ein Sinn für moralische Reinlichkeit, der mit dem Strammen und Propren seiner äußeren Erscheinung wohl zusammenstimmt. Er war als Gatte von exemplarischer Treue, eine seltene Ausnahme in der damaligen Fürstenwelt; er war ein strenger, aber doch zärtlicher Vater von 3 Kindern, wenn ihn auch der harte Geist der Hauszucht jener Zeit und sein aufbrausendes Temperament wohl manchmal zu dem Haustyrannen gemacht haben, als den seine Tochter ihn geschildert hat. Sein ganzes Wesen hat etwas Ungestümes; er sprach und schrieb und handelte oft im Affekt. Er war von unermüdlicher Arbeitskraft und mutete sich in den Strapazen der Jagd wie bei der Regententätigkeit und beim militärischen Dienst oft zu viel zu. Er war ein starker Esser und Trinker und hat durch unvorsichtige Lebensführung wohl ebenso sehr wie durch das Übermaß der Arbeit die Gesundheit seines an sich kräftigen Körpers früh zerrüttet. Er ist nur 52 Jahre alt geworden. Ein Herzleiden ist wohl bei ihm wie bei dem Großen Kurfürsten und bei Friedrich dem Großen als die Todesursache anzusehen; auch die Gicht, das Familienerbübel, hat ihn oft heftig geplagt. Er war schon früh überzeugt, dass er nicht alt werden würde. Durch die Rastlosigkeit seines aufgeregten Lebens geht zuweilen etwas wie Todessehnsucht. Ein plötzlicher Umschlag aus heiterer Laune in melancholischen Trübsinn war nichts Seltenes bei ihm. Die Ausbrüche von Jähzorn, die seine Umgebung in Schrecken setzten, hängen wohl auch mit seinem körperlichen Leiden zusammen. Nachts litt er oft an quälenden Träumen und Beängstigungszuständen; am Tage suchte er sich dann etwa durch einen rasenden Ritt von solchen Anfechtungen zu befreien.

Alles in allem stellt sich sein Wesen als eine gewaltige, mit stoßweiser Heftigkeit sich auswirkende Energie dar, die doch trotz ihrer stürmischen Unruhe mit großer Stetigkeit und Konsequenz auf einen Punkt gerichtet war: auf die Begründung einer militärisch-monarchischen Staatsordnung, wie sie in dieser Straffheit und Schlagfertigkeit etwas Neues und Unerhörtes war. Das Heer und das Beamtentum sind die beiden Grundpfeiler des preußischen Staates, die er errichtet hat. Man könnte sagen, das Friedrich Wilhelm I. die militärische Disziplin, den unbedingten Gehorsam, die bis zur Grenze der Leistungsfähigkeit gehenden Anforderungen von dem militärischen Gebiet auf das der Zivilverwaltung übertragen hat. Er fühlte sich in erster Linie als Offizier und schimpfte die Zivilbeamten wohl gelegentlich Tintenklexer, Blakisten; trotzdem aber hat er selbst oft stundenlang in Akten, Etats und Rechnungen gearbeitet, wobei er leinene Schreibärmel zur Schonung über die Uniform zu ziehen pflegte. Als einmal einige Kriegs- und Domänenrate sich weigerten, von Königsberg nach Tilsit überzusiedeln, wo der König eine neue litauische Kammer begründet hatte, geriet er in heftigen Zorn über die Widerspenstigen und ließ sie zu zwölfmonatiger Festungshaft nach Friedrichsburg bringen. „Man muss coupe courte machen“, schrieb er bei dieser Gelegenheit; „die Leute wollen mir forcieren: sie sollen nach meine Pfeife danzen oder der Deuffel hole mir: ich lasse hängen und braten wie der Zar und tractiere sie wie Rebeller.“ Dann bricht aber doch etwas von naiver Gutherzigkeit durch: „Gott ist bekannt, das ich es ungerne tue und wegen die Bärenhäuter zwei Nacht nit recht geschlafen habe.“ schließlich aber wieder das entscheidende Argument: „Ich habe Kommando bei meiner Armee und soll nit Kommando haben bei die tausendsakramentsche Blakisten! Ich müsste ein Hundsfott sein, wenn ich das litte: ich bin der Herr und die Herren sein meine Diener!“ Wie er den Dienst auffasste, hat er bei dieser Gelegenheit in einem denkwürdigen Marginal ausgesprochen: „Man muss dem Herrn mit Leib und Leben, mit Hab und Gut, mit Ehr und Gewissen dienen und alles daran setzen als die Seligkeit; die ist vor Gott, aber alles das andere muss mein sein.“

In diesem Sinne hat Friedrich Wilhelm sein autokratisches Regiment geführt, bei dem die Beamten und Offiziere bis zum Minister und Feldmarschall hinauf nur Handlanger des königlichen Willens sein sollten. Bei seinem Regierungsantritt hat er den Ausspruch getan: er wolle selbst der Finanzminister und Feldmarschall des Königs von Preußen sein, das werde den König von Preußen erhalten. In der Zivilverwaltung wie im militärischen Dienst ging er überall bis in das Einzelne, wobei ihm eine außerordentliche Kenntnis des Details und sein Sinn für das praktische Leben zugutekamen. Aber er hat dabei nie den Überblick über das Ganze verloren. Allgemeine Grundsätze aufzustellen war nicht seine Sache, aber sie lagen seinen Vorschriften wie seinem Handeln zugrunde, und so steht seine Lebensarbeit vor uns wie ein Werk aus einem Guss. Der Staat und seine Verwaltung, wie er sie geschaffen hat, trägt bis zum heutigen Tage das unvertilgbare Gepräge seiner Persönlichkeit.

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