1.3 Genealogische Ausblicke
An diese Erörterungen über den Ursprung des hohenzollernschen Hauses wollen wir hier gleich noch einige genealogische Betrachtungen knüpfen, die die verwandtschaftlichen Zusammenhänge des Fürstenhauses im Ganzen zum Gegenstand haben.
Wir folgen zunächst dem Stammbaum und den Verzweigungen des hohenzollernschen Geschlechts, die er zeigt.
Von dem alten selbstständigen Zweige der Grafen von Zollern-Hohenberg, die seit 1125 erwähnt werden, ist oben schon kurz die Rede gewesen; es mag genügen, hier zu bemerken, dass dieser Zweig, in dem die Namen Burkhard und Albrecht sehr häufig vorkommen, 1486 erloschen ist.
Auch von der Trennung der fränkischen und der schwäbischen Linie des Haupthauses ist schon gelegentlich gesprochen worden; wir wollen zunächst die jüngere schwäbische Linie verfolgen. Die Linie der Grafen von Zollern, die sich später (seit dem 13. Jahrhundert) auch Hohenzollern nennen, beginnt mit Friedrich IV., der 1204 in der Teilung mit seinem älteren Bruder Konrad den Hauptteil der schwäbischen Besitzungen mit der Stammburg erhielt. Es verdient hervorgehoben zu werden, dass er sich seit 1248 ebenso wie die fränkische Linie eines Siegels bediente, das statt des alten Nürnberger Löwen den schwarz-weiß quadrierten Schild des hohenzollernschen Gesamthauses zeigt. Eine jüngere Linie dieses Hauses stellen die Grafen von Zollern-Schalksburg dar, die etwa um 1266 erscheinen und 1408 im Mannestamm erloschen sind.
Karl I., Graf von Zollern-Hohenzollern teilte 1575 den Gesamtbesitz des Landes unter seine drei Söhne: Eitelfriedrich IV. erhielt Hechingen, Karl II. Sigmaringen, Christoph Haigerloch. Sie sind die Stifter der drei danach benannten Linien geworden, deren Besitz heute wieder vereinigt ist. Am frühesten erlosch die Linie Haigerloch, 1634. Von dieser hatte sich noch wieder eine Nebenlinie in Schlesien abgezweigt (mit dem Sitze in Königsberg bei Schweidnitz); sie war aber schon 1622 wieder erloschen.
Unter den Grafen von Hohenzollern-Hechingen, die zum Teil im Reichsdienst hohe Stellen bekleideten, wie Johann Georg ( 1623), Präsident des Reichskammergerichts zu Speyer und Präsident des kaiserlichen Reichshofrats, und die, wie eben dieser, auch schon zum Teil persönlich mit der Reichsfürstenwürde ausgezeichnet waren, ragt besonders hervor Friedrich Wilhelm, des Heiligen Römischen Reichs Generalfeldmarschall (1726), der von Kaiser Leopold I. die Ausdehnung der Reichsfürstenwürde auf alle Mitglieder des Hauses und ihre Nachkommen auswirkte (1692) und mit dem brandenburgischen Hause ein Pactum gentilicium (= Erbvereinigung) schloss, auf Grund dessen das fürstliche Haus fortan wieder, wie schon in seinem Anfang, den Titel und das Wappen der Burggrafen von Nürnberg führte. Der letzte Spross dieser Linie, Fürst Friedrich Wilhelm Konstantin, entsagte zusammen mit dem Vertreter der Sigmaringer Linie, Karl Anton, durch Staatsvertrag vom 7. Dezember 1849 der Regierung zugunsten der Krone Preußens. Seit 1850 führten beide Linien auf Grund einer königlichen Ordre den Titel „Hoheit“; dem Fürsten Karl Anton von Sigmaringen, der 1858 – 1862 Präsident des preußischen Staatsministeriums war, wurde für sich und seine Nachkommen 1861 der Titel „Königliche Hoheit“ zugestanden. Nach dem Tode des letzten Hechinger Fürsten vereinigte er wieder den ganzen Hausbesitz der Schwäbischen Linie in seiner Hand und nahm den einfachen Titel „Fürst von Hohenzollern“ an. Er starb 1885; sein Nachfolger wurde Fürst Leopold, der einstmals zur spanischen Thronkandidatur in Aussicht genommene Prinz, dem 1905 sein Sohn, Fürst Wilhelm, gefolgt ist. Der jüngere Sohn des Fürsten Karl Anton, Prinz Karl, wurde 1866 Fürst, 1881 König von Rumänien, nach …
seinem kinderlosen Tode (1914) hat der Thronfolger Ferdinand, ein jüngerer Sohn des Fürsten Leopold, die Regierung angetreten.
Die Mitglieder der älteren Hauptlinie werden uns in der folgenden Darstellung als Burggrafen von Nürnberg namentlich dann als brandenburgisch-preußische Regenten zu beschäftigen haben; hier wollen wir nur die Abzweigungen von dieser Hauptlinie ins Auge fassen.
Auf Grund der von Kurfürst Albrecht Achilles verfügten Teilung folgten seine beiden jüngeren Söhne Friedrich und Sigmund als Markgrafen von den fränkischen Besitzungen des Hauses, der erste in Ansbach, der zweite in Bayreuth. Nachdem dann aber Sigmund ohne männliche Erben 1495 verstorben war, fiel der ganze fränkische Besitz an den Markgrafen Friedrich („den Älteren“); er ist der Stammvater der beiden älteren markgräflichen Linien Anspach und Bayreuth, die sich in Markgraf Georg Friedrich, dem Kurator in Ostpreußen und Herzog von Jägerndorf, wieder vereinigten, um dann mit seinem Tode (1603) im Mannesstamm zu erlöschen.
Einer der Söhne Friedrich des Älteren, Albrecht, war 1511 zum Hochmeister des Deutschen Ordens gewählt worden und wurde 1525 durch die Säkularisation des Ordenslandes der erste Herzog von Preußen. Er ist der Stifter der preußischen Linie der Hohenzollern, die aber schon mit seinem geisteskranken Sohn Albrecht Friedrich im Mannesstamm ausgestorben ist (1618).
Die jüngeren Linien Ansbach und Bayreuth sind auf Grund der Vereinbarungen im Geraer Hausvertrag (1599) und in dem Vertrage von Ouolzbach (1603) zur Regierung gelangt: ihre Stifter sind die beiden ältesten Söhne des Kurfürsten Johann Georg aus seiner dritten Ehe, die Markgrafen Christian und Joachim Ernst, von denen der erste in Bayreuth, der andere in Ansbach nachfolgte. Die Bayreuther Linie ist mit dem Tode des Markgrafen Friedrich Christian 1759 im Mannesstamm erloschen; der Markgraf von Ansbach, Christian Friedrich Karl Alexander, vereinigte die beiden Lande wieder unter seiner Regierung; er verzichtete aber zugunsten der Krone Preußens in einem Vertrage von 1791, lange vor seinem Tode, der erst im Jahre 1806 eingetreten ist.
Keine eigentliche Landeshoheit war mit zwei andern Abzweigungen von dem brandenburgischen Hause verbunden, indem zwei jüngere Söhne des Großen Kurfürsten aus seiner zweiten Ehe mit Dorothea von Holstein, Markgraf Philipp Wilhelm und Markgraf Albrecht Friedrich, mit Land und Leuten in Schwedt und in der Johanniter Ballei (= Verwaltungsbezirk oder eine Ordensprovinz eines Ritterordens) Sonnenburg ausgestattet wurden. Ein Sohn des ersten Markgrafen von Schwedt, Friedrich Wilhelm ( 1771), hat Friedrich dem Großen durch allerlei Unordnungen mehrfach Anlass zu scharfen Eingreifen in seine Herrschaft gegeben; mit dessen Sohn Friedrich Heinrich ist die Linie 1788 erloschen. Aus der Sonnenburger Linie, die ebenfalls das 18. Jahrhundert nicht überdauert hat, sind zwei Söhne des Stifters in den beiden ersten Schlesischen Kriegen gefallen: Markgraf Friedrich bei Mollwitz und Markgraf Friedrich Wilhelm 1744 vor Prag.
Die Familienverbindungen der Hohenzollern, die sich anfänglich auf die Kreise des hohen Adels deutscher Nation beschränken, denen das Haus selbst entstammte, reichen schon früh, schon seit der merauschen Heirat (1248) in die höhere Sphäre des Reichsfürstenstandes hinein, denen auch die Hohenzollern selbst bald zugezählt wurden. An die zahlreichen Verbindungen mit den Fürstenberg, Hohenlohe, Leiningen, Öttingen, Ortenberg, Salm, Sahn, Solms, Zimmern – reihen sich solche mit den Fürstenhäusern von Anhalt und Sachsen, von Braunschweig und Oldenburg, von Hessen und Nassau, von Holstein und Mecklenburg, von Pfalz, Baden, Bayern, Württemberg, usw. Es gibt wohl kein deutsches Fürstenhaus, das nicht mit den Hohenzollern in mehr oder weniger vielfältigen verwandtschaftlichen Beziehungen steht, wenn auch naturgemäß die Konfession hier zur Zeit dem 16. Jahrhundert eine nicht übersteigbare Schranke gezogen hat. Die jüngeren Söhne, die nicht mit Land und Leuten ausgestattet werden konnten, traten in der katholischen Zeit in der Regel in den geistlichen Stand ein und wurden Bischöfe oder Deutsch-Ordensritter; nicht allen freilich gelang es dabei, zu einer großen Stellung emporzusteigen, wie sie der Kardinal und Kurfürst Albrecht, der Bruder des Kurfürsten Joachim I., als Erzbischof von Mainz und Magdeburg einnahm, der vielgerühmte Gönner der Humanisten, oder der Hochmeister Albrecht, der sich dann zum Herzog von Preußen machen ließ. Die Töchter wurden bei der Verheiratung grundsätzlich nicht mit Land und Leuten, sondern mit Geld ausgestattet und mussten auf die Erbfolge ausdrücklich verzichten. Dagegen ist die Heiratspolitik in dem Zollernhause selbst, namentlich im 16. Jahrhundert, oft von dem Bestreben geleitet worden, mit der Hand einer Fürstentochter aus ansehnlichem Hause zugleich Gutzessionsansprüche zu gewinnen, die zum Teil später auch zur Erfüllung gelangt sind. An männlichen Erben hat es in den Hauptlinien niemals gefehlt. Der Kinderreichtum mancher Ehen in diesem Hause ist außerordentlich groß. An der Spitze steht der Sigmaringer Graf Karl II. ( 1606), der mit zwei Frauen 25 Kinder erzeugte; sein Enkel Meinrad I. ( 1681) hatte 19 Kinder von einer Frau; es war eine geborene Gräfin Törring-Seefeld. Aber auch in der brandenburgischen Linie hatte Kurfürst Johann Georg aus seinen drei Ehen 23 Kinder, von denen allerdings mehrere in früher Jugend verstorben sind, wie denn überhaupt in der älteren Zeit mit der großen Zahl der Geburten auch eine uns heute sehr groß erscheinende Kindersterblichkeit Hand in Hand ging. Von den 14 Kindern des Königs Friedrich Wilhelm I. und seiner Gemahlin Sophie Dorothea von Hannover sind 10 zu ihren Jahren gekommen; das elfte in der Gesamtzahl, Prinz August Wilhelm, ist der Stammvater der späteren preußischen Könige geworden. Die hohenzollernsche Dynastie ist eine der dauerhaftesten in der europäischen Geschichte; sie gleicht darin der capetingischen. Von welcher Bedeutung das für die Festigung der monarchischen Staatsordnung und für die Begründung einer politischen Einheit in Land und Welt ist, zeigt ein Vergleich zwischen Frankreich und Preußen einerseits und dem alten Deutschen Reiche andererseits. Wären die Dynastien der Sachsen, Salier und Staufer so langlebig gewesen wie die der Capetinger in Frankreich oder später die der Hohenzollern in Brandenburg-Preußen, so wäre das Deutsche Reich schwerlich in eine solche Auflösung geraten, wie sie seit dem 13. Jahrhundert eingetreten ist, wenn auch die Gründe dafür zum Teil auf anderem Gebiet und tiefer liegen.
An der Schicksalsrolle des deutschen Hochadels, einem so großen Teil der Throne Europas mit seinen Mitgliedern zu besetzen, hat auch das Gesamthaus der Hohenzollern seinen Anteil, der sich freilich auf den schon erwähnten Fall des Königs von Rumänien beschränkt. Auch die Zahl der brandenburgischen und preußischen Fürstentöchter, die auf fremden, außerdeutschen Thronen gesessen haben, ist nicht sehr groß; weitaus die Mehrheit ist an deutsche Fürsten verheiratet worden, wie auch die Männer des Zollernhauses mit Vorliebe Frauen aus deutschen Fürstenhäusern zur Ehe genommen haben. Auf den dänischen Thron gelangte schon im Jahre 1445 die brandenburgische Prinzessin Dorothea, Tochter Johanns des Alchimisten, durch die Vermählung mit König Christoph III.; nach dessen frühen Tode ( 1448) ist sie auch die Gemahlin seines Nachfolgers auf dem Throne, des ersten dänischen Oldenburgers, König Christian I., geworden. Ein Sohn dieses Paares, der Herzog Friedrich von Schleswig-Holstein-Gottorp, nochmals König Friedrich I. von Dänemark, war in seiner ersten Ehe wiederum mit einer brandenburgischen Prinzessin vermählt, Markgräfin Anna, Tochter des Kurfürsten Johann. Sie ist schon vor der Erhebung ihres Gemahls auf den dänischen Königsthron verstorben, 1514, aber sie ist die Mutter eines dänischen Königs geworden: Christian III. Eine zweite dänische Königin aus dem brandenburgischen Hause war die Markgräfin Katharina, Tochter des Kurfürsten Joachim Friedrich, die mit König Christian IV. vermählt war; beide Königinnen liegen in der alten Grabeskirche des dänischen Königshauses, dem Dom von Roskilde, begraben. Eine Tochter Johann Sigismunds, ebenfalls Katharina mit Namen, war in erster Ehe mit dem Fürsten Bethlen Gabor von Siebenbürgen verheiratet (seit 1626); eine andere Tochter desselben Kurfürsten, Marie Eleonore, vermählte sich 1620 mit Gustav Adolf König von Schweden; der frühe Tod des innigst geliebten Gemahls auf dem Schlachtfelde von Lützen Hat sie in eine unheilbare Melancholie versenkt ( 1655). Eine andere schwedische Königin aus dem Hohenzollernhause ist Luise Ulrike, die Schwester Friedrich des Großen, die Gemahlin des Gottopers, König Adolf Friedrich ( 1782). Beide Königinnen sind in der Riddarholmskirche in Stockholm beigesetzt, „wo Schwedens Ehre schlummert unterm Marmor“. In das niederländische Haus Oranien heirateten ebenfalls zwei Töchter des preußischen Königshauses, beide mit dem Namen Wilhelmine; die eine war die Tochter des Prinzen August Wilhelm, die Schwester König Friedrich Wilhelms II., vermählt mit dem Wilhelm V. von Nassau-Oranien, dem späteren Erbstatthalter der Niederlande; die Rücksicht auf ihre Person spielt eine Rolle in dem Feldzug ihres königlichen Bruders nach den Niederlanden zur Wiederherstellung der von einer feindlichen Partei unter französischer Einwirkung vertriebenen Oranier ( 1806); die andere war die Tochter des Königs Friedrich Wilhelm II., vermählt mit dem Erbprinzen Wilhelm Friedrich, der 1815 unter dem Namen Wilhelm I. König der Niederlande geworden ist. Auf den russischen Kaiserthron saß als Gemahlin Nikolaus I. die preußische Prinzessin Charlotte, Tochter König Friedrich Wilhelms III., als russische Kaiserin Alexandra Feodorowna genannt (sie war zur griechisch-katholischen Kirche übergetreten). Eine Tochter des Kaisers Friedrich, also eine Schwester unseres Kaisers, ist bekanntlich die Gemahlin des Königs Konstantin von Griechenland; auch sie hat das griechisch-orthodoxe Bekenntnis angenommen.
Von fremden außerdeutschen Königstöchtern, die mit brandenburgischen-preußischen Herrschern ein Ehebündnis geschlossen haben, erwähnen wir die dänische Gemahlin des Kurfürsten Joachim I. (Elisabeth, Tochter des Königshaus von Dänemark, 1555), ferner die zweite, polnische Gemahlin des Kurfürsten Joachim II. (Hedwig, Tochter des Jagiellonenkönigs Sigismund I., 1573); eine andere jagiellonische Prinzessin, eine Tochter König Kasimirs II., war mit Friedrich dem Älteren von Ansbach-Bayreuth vermählt gewesen und ist die Mutter Albrechts, des ersten Herzogs von Preußen, geworden. Der Vater der hannoverschen Gemahlin des Königs Friedrich Wilhelm I. (Sophie Dorothea) ist erst lange der Vermählung seiner Tochter König von England geworden (Georg I.); die erste königliche Prinzessin von England, die sich nach Preußen verheiratet hat, ist Victoria, die Gemahlin des späteren Kaiser Friedrich, die bekanntlich aber von beiden Seiten aus deutschem Blute stammt. Der großen Mehrzahl nach stammen also die Gemahlinnen der brandenburgischen und preußischen Herrscher aus deutschen Fürstenhäusern, seit der Reformation aus protestantischen. Ein besonderer Fall war die Vermählung des Kronprinzen Friedrich Wilhelm (IV.) mit der katholischen bayerischen Königstochter Elisabeth (1823), die erst nach Jahren zum evangelischen Bekenntnis übergetreten ist.
Will man sich nun eine Vorstellung machen von der Art und Mannigfaltigkeit der Blutmischung in unserem Herrscherhause, so tut man am besten, einer Ahnentafel zu folgen, wie sie vor kurzem (1911) der Freiherr Axel Albrecht von Malzahn herausgegeben hat unter dem Titel: „Die 4096 Ahnen seiner Majestät des Deutschen Kaisers, Königs von Preußen, Wilhelm II.“. Dieses Werk, das trotz mancher von Fachgenealogen gerügter Mängel und Unvollkommenheiten immerhin eine ganz brauchbare Grundlage für unsere Betrachtungen darbietet, führt die Reihe der Ahnen bis zur zwölften Generation herauf, also bis ins 16. Jahrhundert hinein. Die Zahl 4096 bezieht sich nur auf die oberste Reihe der Ahnentafel – das ist eben die zwölfte Generation – ; sie ist theoretisch errechnet, ebenso wie die Zahl der sämtlichen auf den Tafeln dieses Werkes als Vorfahren des Kaisers durch alle Generationen hindurch aufgeführten Personen, die 8190 beträgt. Tatsächlich aber schrumpfen diese Zahlen außerordentlich stark zusammen infolge der jedem Genealogen wohlbekannten Erscheinung, die man als „Ahnenverlust“ zu bezeichnen pflegt und die darin besteht, dass in den höheren Generationen, etwa von der fünften ab, dieselben Namen sich vielfach wiederholen, infolge der auf dieser Stufe zwischen verschiedenen Gliedern der Ahnenreihe vorhandenen engen Verwandtschaft. So schrumpft jene Zahl von 8190 tatsächlich zusammen auf 1549 Personen, die als Vorfahren unseres Kaisers bis auf die zwölfte Generation vorkommen; der Ahnenverlust beträgt also 6641 Personen. Es ist nun natürlich von Bedeutung, festzustellen, wer von diesen Personen am häufigsten vorkommt; wir entnehmen der Einleitung des Freiherrn von Malzahn zu seinem großen Tafelwerk auch darüber einige Angaben: „An 70 Mal als Ahn des Kaisers erscheint, und zwar 33 Mal mit seiner ersten Gemahlin Gräfin Agnes von Barby und 37 Mal mit seiner zweiten Gemahlin Herzogin Eleonore von Württemberg. Es folgen Landgraf Philipp der Großmütige von Hessen und Gemahlin Herzogin Christine von Sachsen, welche 65 Mal vorkommen. Markgräfin Margarete von Brandenburg, Tochter des Kurfürsten Joachim I., ist 63 Mal vertreten, und zwar 5 Mal mit ihrem ersten Gemahl, Herzog Georg I. von Pommern und 58 Mal mit ihrem zweiten Gemahl Grafen Johann IV. von Anhalt. Es schließen sich an Graf Friedrich Magnus zu Solms-Laubach und Gemahlin Gräfin Agnes von Wied 61 Mal, Kurfürst Johann Georg von Brandenburg 58 Mal (davon 9 Mal mit seiner ersten Gemahlin Herzogin Sophie von Liegnitz, 21 Mal mit der zweiten Gemahlin Markgräfin Sabine von Brandenburg-Bayreuth und 28 Mal mit der dritten Gemahlin Gräfin Elisabeth von Anhalt), König Christian III. von Dänemark nebst Gemahlin Dorothea von Sachsen-Lauenburg 57 Mal, Graf Wilhelm der Reiche von Nassau nebst Gemahlin Gräfin Juliane von Stolberg 56 Mal, usw.“. Wie man sieht, lauter Angehörige des deutschen Fürstenstandes und hohen Adels. Freiherr von Malzahn hat ferner festgestellt, dass unter den Ahnen des Kaisers am stärksten das Haus Wettin vertreten ist, mit 70 verschiedenen Mitgliedern; es folgen die Häuser Brandenburg-Preußen und Holstein mit je 64, Braunschweig mit 53, Nassau mit 40, Wittelsbach und Solms mit je 39, Mecklenburg mit 35, Anhalt und Hohenlohe mit je 27, Reuß und Limpurg mit je 22, Mansfeld mit 21, Baden und Salm mit je 20 verschiedenen Mitgliedern.
Auch in das habsburgische Kaiserhaus reicht die Ahnenreihe der Hohenzollernkaiser hinein, wenn auch die neuere Kritik jene alten Überlieferungen von der Ehe der beiden burggräflichen Brüder Konrad I. und Friedrich II. mit Clementia und Elisabeth von Habsburg als Fabel bei Seite geschoben hat. Unzweifelhaft ist Kaiser Ferdinand I. einer der Ahnherrn des hohenzollernschen Kaiserhauses durch seine Tochter Marie ( 1583), die mit dem Herzog Wilhelm von Jülich-Cleve-Berg vermählt war und die Mutter jener Marie Eleonore geworden ist, die den letzten preußischen Herzog Albrecht Friedrich zum Gemahl hatte; die Verwandtschaft ist außerdem noch durch die Häuser Pfalz-Zweibrücken, Sachsen-Gotha, Braunschweig-Bevern und Anhalt-Zerbst vermittelt, so dass Kaiser Ferdinand I. fünfmal unter den Ahnen unseres Kaisers erscheint. Gerade durch einige der deutschen Fürstenhäuser, deren Mitglieder am häufigsten unter den Ahnen der Hohenzollernkaiser erscheinen, führt nun auch ein genealogischer Zusammenhang in verschiedene ausländische Dynastien hinüber. So durch die Holsteiner und Oldenburger nach Dänemark und Russland, durch die Braunschweiger nach Großbritannien.
Dass König Christian III. von Dänemark ( 1559) eine in der Ahnenreihe unseres Kaisers mit am stärksten vertretene Persönlichkeit ist, wurde bereits erwähnt; aber auch Christian I. ( 1481), Friedrich I. ( 1533), Friedrich II. ( 1588), Christian IV. ( 1648), Friedrich III. ( 1670) sind mehr oder minder häufig darin vertreten. Von den schwedischen Königen erscheint am häufigsten der berühmte Stifter der Wasadynastie, König Gustav I. ( 1560), dessen Töchter nach Mecklenburg, Ostfriesland, Baden verheiratet worden waren; aber auch sein Sohn Karl IX. ( 1611), ferner die zwei Brüder Karl X. Gustav ( 1660) und Karl XI. ( 1697) befinden sich unter den Ahnen unseres Kaisers. Von den alten polnischen Königen ist der Jagellone Kasimir II. ( 1492) mehrmals vertreten. Mit dem russischen Kaiserhause wird eine allerdings nur einmalige Verbindung hergestellt durch die Kaiserin Augusta, deren Mutter Maria Pawlowna bekanntlich eine Tochter des Kaisers Paul I. war. Von Paul geht die Ahnenreihe über dessen Vater Peter III. und dessen Mutter, die Großfürstin Anna, bis auf Peter den Großen und die Vorfahren des Hauses Romanow zurück – ein mehr interessanter als genealogisch bedeutsamer Zusammenhang. Wichtiger ist die Verwandtschaft mit dem hannoverschen Königshaus von England, die durch Prinzess Victoria, Kaiser Friedrichs Gemahlin, und früher schon durch Sophie Dorothea, die Gemahlin Friedrich Wilhelm I., Tochter König Georgs I., vermittelt ist. Die drei ersten George des englisch-hannoverschen Hauses sowie die Königin Victoria sind dadurch zu Ahnen unseres Kaisers geworden. Aber wie das Haus Hannover selbst, so hängt auch das Hohenzollernhaus zugleich mit dem Hause Stuart zusammen: Jakob I. zählt mit zu den Ahnen unseres Kaisers durch seine Tochter Elisabeth, die an Friedrich V., Kurfürsten von der Pfalz, vermählt und Mutter jener Sophie von der Pfalz war, die in das hannoversche Haus heiratete, Mutter der preußischen Königin Sophie Charlotte, Großmutter der Königin Sophie Dorothea wurde. Weist die Abstammung Jakobs I. väterlicherseits durch Lord Dornley auf die jüngere Linie des Hauses Stuart zurück, so sie mütterlicherseits über Maria Stuart zu König Jakob V. von Schottland und dessen Vorfahren auf den Thron; Jakob V. ist aber zugleich auch von Mutterseite mit den französischen Balois verwandt. Seine Mutter Margarete Tudor war die Schwester König Heinrichs VIII. von England, die Tochter Heinrich VII., des Begründers der Tudordynastie; und dessen Großmutter war die Witwe des Königs Heinrich V. von England, die durch Shakespeares Darstellung so bekannt gewordene Katharina, die in zweiter Ehe den Owen Tudor geheiratet hatte. Sie selbst aber war eine Tochter Karls VI., also eine Balois, und durch den Stifter dieser Linie, Karl von Balois, den Sohn Philipp III., mit dem älteren capetingischen Hause verwandt. Von besonderem Interesse ist der Zusammenhang mit dem Hause Nassau-Oranien, durch den auch edelstes französisches Blut dem Zollernstamme zugeführt worden ist. Der große Oranier, Wilhelm der Schweigsame, der 1584 zu Delft von Mörderhand fiel, ist nicht weniger als 13 Mal unter den Ahnen unseres Kaisers vertreten, und zwar zehnmal mit seiner dritten Gemahlin Charlotte, Tochter des Herzogs von Montpensier, und dreimal mit seiner vierten Gemahlin Luise, Tochter des berühmten Admirals Coligny, des Opfers der Bartholomäusnacht von 1572. In diesem Verwandtschaftskreise bekundet sich in recht verhängnisvoller Weise die damalige politische Bedeutung des reformierten Bekenntnisses, als dessen heroische Vorkämpfer diese beiden Männer, Wilhelm von Oranien und der Admiral von Coligny, den Märtyrertod gefunden haben. Die Mutter der Luise von Coligny, das von C. F. Meyer so heroisch gezeichnete „Weib des Admirals“, war eine Montmoreney, Charlotte de Laval ( 1568); und auch der Admiral selbst, Coligny-Chatillon, stammte durch seine Mutter aus diesem stolzen, uralten und vielleicht vornehmsten Adelsgeschlecht Frankreichs, dessen Vorfahren also auch mit unter die Ahnen des Kaiserhauses zu rechnen sind.
Höchst bedeutend ist auf der anderen Seite der Ahnenreihe, die sich an Wilhelms dritte Gemahlin Charlotte von Montpensier knüpft. Das Haus der Herzöge von Montpensier (1608 im Mannesstamm erloschen) stellt eine jüngere Linie des französischen Königshauses dar: es war begründet von einem Nachkommen Ludwigs des Heiligen, der auch den Namen Ludwig führte ( 1520) und die Erbtochter des Grafen von Montpensier heiratete, der gleichfalls ein Nachkomme des Heiligen Ludwig war. Durch diesen Zusammenhang kommt also auch wieder Hugo Tapet, der Stifter des altfranzösischen Königshauses, unter die Ahnen unseres Kaisers.
Die oranische Abstammung der Hohenzollern wird nicht bloß durch Luise Henriette vermittelt, die Gemahlin des Großen Kurfürsten und Tochter des Prinzen Friedrich Heinrich von Oranien ( 1667), die eine Enkelin des großen Oraniers und seiner vierten Gemahlin Luise von Coligny war; auch der Große Kurfürst selbst, ihr Gemahl, stammte aus oranischem Blut: seine Mutter, Elisabeth Charlotte von der Pfalz, war eine Tochter der mit dem Kurfürsten Friedrich IV. von der Pfalz vermählten Prinzessin Luise Juliane von Oranien, und diese wieder entstammte der dritten Ehe des großen Oraniers Wilhelm I. mit Charlotte von Montpensier. Auf dieselbe Ahnenreihe führt auch die mütterliche Abstammung der Königinnen Sophie Charlotte, Gemahlin König Friedrich Wilhelms I., zurück. Die Prinzessin Sophie von der Pfalz, die Tochter des unglücklichen böhmischen Winterkönigs Friedrich V. von der Pfalz, eines Sohnes der Oranierin Luise Juliane, war die Mutter der einen und die Großmutter der andern (mütterlicherseits). Verstärkt wird diese Blutmischung noch durch die Abstammung der Kaiserin Augusta von denselben Verwandtschaftskreis der Häuser Oranien, Coligny, Montpensier. Die Kaiserin Augusta stammte ebenso wie ihr Gemahl aus den beiden Ehen des Oraniers Wilhelm I., also auch aus den Häusern Montpensier und Coligny, und durch diese von den Capetingern und den Montmorency. Vermittelt wird diese Abstammung durch zwei Fürstenpaare, deren weiblicher Teil aus dem hohenzollernschen Hause selbst stammt: es sind zwei Töchter Friedrich Wilhelms I., die Prinzessinnen Philippine Charlotte und Sophie von Preußen, von denen die eine dem Herzog Karl I. von Braunschweig-Wolfenbüttel, die andere dem Markgrafen Friedrich Wilhelm von Brandenburg-Schwedt vermählt dar. Das erste dieser Paare stellt die mütterlichen Großeltern des Großherzogs Karl August von Weimar, das andere die des Kaisers Paul I. von Russland dar. Es wiederholt sich hier aber nicht bloß das Abstammungsverhältnis, wie es für Friedrich Wilhelm gilt, sondern der eine der beiden genannten Fürsten hat noch besondere genealogische Beziehungen zu dem oranischen Hause. Der Markgraf Friedrich Wilhelm I. von Brandenburg-Schwedt, der übrigens auch noch ein Enkel des Großen Kurfürsten war, hatte zum Großvater mütterlicherseits den Fürsten Johann Georg II. von Anhalt-Dessau, der mit einer Tochter des Prinzen Friedrich Heinrich von Oranien, Henriette Katharina, vermählt war.
Kaiser Friedrich hatte also von Vater- und Mutterseite manchen Tropfen oranischen Blutes in den Adern; aber auch seine Gemahlin, die englische Prinzessin Victoria, steht in einem genealogischen Zusammenhang mit diesem Hause. Sie stammt väterlicherseits von einer Prinzessin Charlotte Amalie von Hessen-Phlippsthal ( 1801) ab, unter deren Ahnen sich dreimal der große Oranier Wilhelm I. mit seiner dritten Gemahlin, der Herzogin von Montpensier, findet, was also zugleich auf den carpetingischen Ursprung zurückweist, der für die Kaiserin Friedrich außerdem auch noch durch die mütterliche Abstammung auf anderem Wege sich ergibt.
Von besonderem Interesse ist es noch, die Ahnenreihe zu verfolgen, die sich aus der Abstammung unseres Königshauses von den habsburgischen Kaiser Ferdinand I. ergeben. Dessen Großmutter väterlicherseits, Maria von Burgund, Tochter Karls des Kühnen, führt auf die Balois und damit wiederum auf die Carpetinger zurück. Die mütterlichen Großeltern Kaiser Ferdinands, die „katholischen Könige“ Ferdinand von Aragonien und Isabella von Kastilien, haben die Herrscher der ältesten christlichen Königreiche der Pyrenäenhalbinsel aus dem 8. Jahrhundert zu ihren Ahnen. Beide stammen mütterlicherseits von Johann von Lancaster, einem Sohn König Eduards III. von England, und durch diesen und seine Vorfahren aus dem Hause Anjou-Platogenet von Wilhelm dem Er-(oberer) und den alten Normannenherzögen bis zu dem Wikinger Rollo ab, der auch unter den Ahnen der Eleonore von Boiton, Gemahlin Heinrichs II. von England sich findet. Ferdinand der Katholische stammte durch seinen Großvater mütterlicherseits von dem deutschen König Alfons X. von Kastilien ab ( 1284); dessen Mutter war Beatrix die Jüngere von Staufen, die Tochter Philipps von Schwaben, die Enkelin Friedrich I. und seiner Gemahlin Beatrix von Burgund. Von den Staufern führt die Ahnenreihe über die Stammmutter Agnes, Ottos des Großen und der Edith von England, auf die sächsischen Brunonen, die Billunger und Herzog Widukind von Sachsen, andererseits auf Alfred den Großen und dessen Vorfahren, die alten angelsächsischen Könige von Weffer, von Eckert bis hinauf zu Cerdic (6. Jahrhundert).
Alfred der Große stammte durch seine Mutter Judith, eine Tochter Karls des Kahlen, von Karl dem Großen ab. Auf dieselbe Abstammung führt auch der Zusammenhang mit Hugo Tapet, dessen Urgroßmutter Adelheid eine Tochter Ludwigs des Frommen war; auch der Staufer Friedrich Barbarossa, der ja ebenfalls zu den Ahnen unseres Kaisers gehört, stammte durch Agnes von Poitiers, die Gemahlin Kaiser Heinrichs III. über Otto Wilhelm von Burgund und Nevers ( 1027), Adalbert, König von Italien ( 966), Lothar II. und Lothar I., Beatrix von Burgund, die mit ihm unter den Ahnen unseres Königshauses erscheint, führt durch Rainald, den Bruder der Agnes von Poitiers, auf denselben Stamm zurück.
Der Zusammenhang des Blutes zwischen unserem Königshause und diesen entfernten Geschlechtern stellt in dem unübersehbar mannigfaltigen genealogischen Gewebe der Jahrhunderte zwar nur ein paar einzelne Fäden dar, aber er ist, obwohl wenig bekannt, doch zweifellos vorhanden; und die Fantasie unserer historisch interessierte Zeitgenossen wird gern bei der Vorstellung verweilen, dass alle die großen und glänzenden Gestalten der alten deutschen, ja europäischen Geschichte bis auf Karl den Großen und über ihn hinaus zu den Ahnen unseres Kaisers gehören.