3.5 Johann.

3.5 Johann.

Albrecht Achilles ist der letzte hohenzollernsche Fürst gewesen, der die fränkischen Lande und die Mark Brandenburg unter seinem Regiment vereinigt hat; von seinem Tode ab sind diese beiden Besitzmassen des Hauses für drei Jahrhunderte getrennt geblieben. In der Mark nahm sein Nachfolger Johann (1486—1499) wieder mehr die Tendenzen Friedrichs II. auf, nur war sein Streben noch ausschließlicher der inneren Ordnung des Landes und der Befestigung seiner Herrschaft gewidmet; äußere Verwicklungen vermied er geflissentlich. Als König Matthias von Ungarn gestorben war (1490), ist er weder auf die schlesischen Ansprüche seiner Schwester zurückgekommen, noch hat er die seiner Gemahlin, Margarete von Sachsen, geltend gemacht. Das Ehebündnis Barbaras mit dem König Wladislaw von Böhmen wurde mit seiner Zustimmung gelöst, so dass nun dieser jagellonische Fürst die Witwe des Königs von Ungarn heiraten und 1490 auch die Stefanskrone für sich erwerben konnte. Zum Dank für die dabei geleistete Hilfe gab er 1493 (31. Mai) seine Zustimmung dazu, dass Johann das Amt Zossen auf Wiederkauf an sich brachte, und verzichtete (9. September) auf die Wiedereinlösung von Krossen, Züllichan, Bobersberg, Sommerfeld für die Lebzeiten Johanns und seiner beiden Söhne. Noch nachgiebiger erwies sich Johann Pommern gegenüber, als Herzog Bogislaw X., der eine Tochter des Polenkönigs Kasimir II. geheiratet hatte (1491) und sich der moralischen Unterstützung Maximilians erfreute, die Leistung der Lehnshuldigung weigerte. Johann ließ es nicht wieder auf einen Krieg ankommen; die Aussichten waren zu schlecht gegenüber einem Fürsten, der die große Macht des jagellonischen Hauses in Polen, Böhmen und Ungarn auf seiner Seite hatte. Die Frage wurde einem Notabelausschuss (Notabeln (französisch les notables ‚die Angesehenen‘) waren die Angehörigen der sozialen Oberschicht, deren Ansehen auf einem hohen Rang, besonderen Verdiensten oder einem großen Vermögen beruhte. Entscheidend für die Mitgliedschaft in diesem „Personenkreis“ war die Berufung durch den französischen König. Die Mitglieder waren am politischen Prozess des Staates beteiligt. Im übertragenen Sinn bezeichnete Notabeln auch die höher gestellten Bürger), der damals üblichen Form des Rates, vorgelegt und der Kurfürst beschritt im Einklang mit der Ansicht der Mehrheit den Weg gütlicher Verhandlungen, die von den Räten beider Fürsten zu Königsberg i. N. eröffnet wurden und zu dem Vertrage von Pyritz vom 26. März 1493 geführt haben. Brandenburg verzichtete auf die Investitur und den Lehnseid; andererseits aber erklärte Herzog Bogislaw X., das Pommern trotzdem ein brandenburgisches Lehen sein und bleiben solle.

Es war ein zweifelloser Rückzug Brandenburgs in dieser vielleicht wichtigsten Frage seiner auswärtigen Beziehungen; aber er war durch die ungünstige politische Lage bedingt. Es war kaum zu erwarten, dass Pommern das Lehnsverhältnis in Zukunft anerkennen werde; schon Bogislaw X. selbst hat den Versuch gemacht, die Belehnung durch den Kaiser und damit die Anerkennung der Reichsunmittelbarkeit zu erlangen — ein Ziel, das 1521 auch wirklich erreicht worden ist.

In der Reichspolitik ist Kurfürst Johann nicht maßgebend hervorgetreten. Die Interessen seines Hauses wiesen ihn auf ein gutes Einvernehmen mit den Kaiser hin; aber seine Stellung zu Maximilian war weniger frei und selbstbewusst als die seines Vaters Albrecht zu Friedrich III. An den Bestrebungen der reichsständischen Reformpartei, deren Führer der Kurfürst von Mainz Berthold von Henneberg war, hat er keinen nennenswerten Anteil genommen; Reichstage hat er nur selten persönlich besucht und gerade die bedeutendsten nicht. Seine Hauptsorge war die Befriedung seines Landes, die Ausrottung des Raubwesens, das unter dem Adel der Mark wie der benachbarten Länder wieder überhandgenommen hatte. Schon zu Lebzeiten seines Vaters war er in der Priegnitz 1482 mit Unterstützung der Stände dagegen eingeschritten. Unter Führung des Bischofs von Havelberg, Wedigo von Putlitz, und des Landeshauptmanns der Altmark, Wilhelm von Pappenheim, hatten damals städtische Milizen, unterstützt von gutgesinnten Edelleuten, 15 Raubburgen gebrochen. Das Fehdewesen, das erst 1495 durch den ewigen Landfrieden im Reiche endgültig ein für alle Mal verboten wurde, diente vielfach den Räubereien als Deckmantel. Viele Edelleute beanspruchten auf ihrem Gebiet ein Geleitsrecht und überfielen Reisende, die ihr Geleit nicht durch Geldzahlung erkauft hatten; auch nahmen sie das Recht in Anspruch, auswärtige Räuber auf ihren Schlössern zu hegen, wie es in der Zeit der Quitzows geschehen war. Demgegenüber war es das Bestreben Johanns, durch Bündnisse mit den Nachbarfürsten ein gemeinschaftliches Einschreiten gegen das Raubwesen zu ermöglichen, dem natürlich die Zersplitterung der obrigkeitlichen Gewalt in so viele oft miteinander verfeindete Landesherrschaften Vorschub leistete. Solche Vereinbarungen bestanden mit Pommern, mit Magdeburg, mit Sachsen und Hessen, mit Braunschweig Lüneburg, auch mit Ungarn (wegen Schlesiens) unter Matthias Corvinus. Mit Hilfe von Sachsen gelang es so 1488, eine berüchtigte Räuberbande unschädlich zu machen. Ganz ausgerottet wurde das Unwesen des Raubrittertums noch nicht. Es war eine Übergangszeit, in der der Adel, der bisher in der Hauptsache noch immer ein Kriegerstand gewesen war, beim Verfall des ritterlichen Kriegswesens und der Lehnskriegsverfassung andere Grundlagen für seine wirtschaftliche Existenz suchen musste. Er begann eben damals in der Mark Brandenburg und den andern ostelbischen Landen sich der Landwirtschaft zuzuwenden, seine Gutsherrlichkeit über die abhängigen Bauern zu befestigen und auch wirtschaftlich auszunutzen. Es deutet auf eine allgemeine Verschlechterung in der rechtlich sozialen Lage der Bauern, wenn 1484 die Ritterschaft in der Altmark es durchsetzt, das niemand fremde Bauern ohne Wissen und Willen des Herrn, von dem sie weggezogen sind, aufnehmen und hausen dürfe; in den mehr östlichen Teilen des Landes scheint dieser Grundsatz damals schon in Geltung gestanden zu haben. Mit dem Anbruch friedlicher Zeiten begann der Ackerbau lohnender zu werden als bisher. Die Preise für Getreide stiegen, namentlich auch infolge des wachsenden Auslandsbedarfs, und der Adel war im Wettbewerb mit den Städten bemüht, sich diese Konjunktur zunutze zu machen. Auf sein Betreiben geschah es doch wohl, das in dem Landtagsabschied von 1488 der bisher von den Städten geübte Zwang, das die Bauern ihr Getreide zum Verkauf nur auf den städtischen Markt bringen durften, wo es der Preissetzung durch die städtische Obrigkeit unterlag, abgestellt wurde. Die Bestimmung deutet wohl auf den wachsenden Getreidehandel des Adels, der als Vorbote der im 16. Jahrhundert sich ausbildenden Gutswirtschaft zu betrachten ist. Der Kurfürst scheint dabei auf Seiten des Adels gestanden zu haben. Eine eigentliche fürstliche Wirtschaftspolitik gab es in den Territorien damals wohl hie und da schon; aber in der Mark Brandenburg stand sie noch in den ersten Anfängen und nahm sehr unsicher ihre Stellung zwischen den Interessen von Stadt und Land, von Rittern und Bauern. Die Interessen des grundbesitzenden Adels deckten sich ja vielfach mit den Interessen des fürstlichen Domänenbesitzes. Und auch vom rein obrigkeitlichen Standpunkte aus musste der Kurfürst damals und mussten auch seine Nachfolger noch froh sein, wenn der Adel, der nicht mehr vom Waffenhandwerk leben konnte, statt seine kriegerischen Instinkte in einem landverderblichen Raub- und Fehdewesen weiterhin zu betätigen, sich der Landwirtschaft zuwandte, sich auf seinen Gütern häuslich einrichtete und sich eine neue friedliche Grundlage für eine standesgemäße Existenz schuf. Mochte auch die Masse des Bauernstandes darunter leiden — ihr Los war früher, in den Zeiten, wo Raub und Brand namentlich die Bewohner des offenen Landes so vielfach heimgesucht hatten, schwerlich ein besseres gewesen.

Dass die Haltung des Kurfürsten Johann in dem Interessenkonflikt des Adels und der Städte keine schlechthin den Städten abgünstige gewesen sein kann, erhellt aus einem großen Zugeständnis, das ihm die Städte auf demselben Landtag von 1488 gemacht haben. Was sein Vater von ihnen nicht erlangen konnte, das ist ihm damals zuteil geworden: die Bewilligung einer Biersteuer oder Ziese, der ersten indirekten Steuer, die wir in der Mark finden. Das Braugewerbe war damals schon und noch lange nachher geradezu der wichtigste Nahrungszweig der Städte, und sein Produkt eignete sich daher besonders zum Gegenstand einer ergiebigen Besteuerung. Von jeder Tonne wurde ein Groschen bezahlt. Zwei Drittel davon, 8 Pfennige, waren für den Kurfürsten, ein Drittel, 4 Pfennige, für die Stadtobrigkeiten bestimmt, die denn auch durch ihre Organe eine Kontrolle über die kurfürstlichen Steuererheber ausübten. Ohne Kampf ist freilich auch diese wichtige Neuerung nicht durchgesetzt worden. Die altmärkischen Städte, namentlich Stendal, erkannten die Verbindlichkeit des Beschlusses für sich nicht an und widersetzten sich den kurfürstlichen Zieseeinnehmern. Es bedurfte erst der Gewalt, um sie zum Gehorsam zu bringen. Es ist die letzte Phase in dem Kampf der Hohenzollern mit den Städten der Mark. Die Biersteuer blieb eine dauernde Einrichtung; man nannte sie im 16. Jahrhundert das „alte Biergeld“. Prälaten und Ritterschaft waren frei davon; aber sie durften dafür auch kein Bier zum Verkauf brauen, — eine Vorschrift, die allerdings später oft übertreten wurde und eine Quelle unendlicher Streitigkeiten zwischen Stadt und Land geworden ist. Man kann wohl sagen, dass Kurfürst Johann mit seiner alle auswärtigen Händel vermeidenden, auf die innere Befriedung und Festigung des Landes und seiner Wohlfahrt gerichteten Politik ein Regent nach dem Herzen der Stände war. Unter seinen Räten begegnen auch mehr Namen von märkischen Edelleuten als früher, — so der Obermarschall Busso v. Alvensleben, Berndt v. Rohr, Johann v. Schlabrendorff u. a.; das fränkische Beamtentum beginnt zurückzutreten. Freilich, der Kanzler, der 1483 auf Sesselmann folgte, war noch fränkischer Herkunft, einer jener „gemieteten Doktoren“, wie sie damals überall an den Fürstenhöfen erscheinen, Sigmund Zerer, übrigens der letzte Doktor des geistlichen Rechts, der diesen Posten bekleidet hat. Die kanonistischen Juristen spielen in Rat und Gericht unter Johann noch eine Hauptrolle, wie Liborius von Schlieben und Dietrich von Bülow, die später beide Bischöfe von Lebus geworden sind. Die „Legisten“, die Doktoren des römischen Zivilrechts, die Hauptträger der Rezeption des römischen Rechts, treten in der Mark Brandenburg erst im 16. Jahrhundert maßgebend hervor. Das Kammergericht bestand auch unter Albrecht und Johann fort, und zwar getrennt vom Hofgericht; es beruht auf einem Missverständnis, wenn manche Rechtshistoriker die Verbindung beider Gerichtshöfe um das Jahr 1484 angenommen haben. Es scheint, das man das Kammergericht, in dem ja die Räte des Kurfürsten urteilten, auf eine breitere und verfassungsmäßig befestigte Basis zu stellen versucht hat, indem man zu den periodischen Sitzungen Räte vom Lande, aus den verschiedenen Ständen, neben den Hofräten hinzuzog und den Vorsitz einem „Kammerrichter“ übertrug. Georg von Waldenfels erscheint in dieser Stellung 1476 und 1477. Aber die Einrichtung scheint keinen Bestand gehabt zu haben; das tägliche Gericht der am Hofe anwesenden Räte, als ein minder schwerfälliger und kostspieliger Apparat, behauptete sich in der Stellung des obersten kurfürstlichen Gerichts, und an ihm blieb der Name „Kammergericht“ haften. Der Kurfürst hat noch zuweilen an der Spitze dieser Räte selbst sich an der Rechtsprechung beteiligt. Seine Regierung fällt in die Zeit, wo die neue humanistische Bildung von Italien aus nach Deutschland eindrang und auch die Mark Brandenburg erreichte, die in Bezug auf materielle und geistige Kultur vor den südlicheren Landschaften, wie Franken, noch weit zurücktrat. Kurfürst Johann ist ein Beförderer dieser Bewegung gewesen, obwohl er selbst noch nicht in ihrem Geiste erzogen war. Er hat keine klassische Bildung besessen, sondern war mehr als Ritter und Jäger aufgewachsen. Es ist eine Legende, für deren Verbreitung namentlich Melanchthon verantwortlich zu machen ist, das er einst in einer Fürstenversammlung eine vierstündige lateinische Rede gehalten habe, um die Könige von Ungarn und von Böhmen zu versöhnen, und das dann die Zuhörer bewundernd ausgerufen hätten: Er ist ein Cicero! ein wahrer Cicero! Dieser Beiname ist ebenso wie die Geschichte, von der er stammt, eine spätere gelehrte Erfindung. Die Zeitgenossen haben dem Markgrafen Johann zuweilen den Beinamen Magnus, d. h. der Große, der Starke, gegeben, weil er ein Mann von ungewöhnlich kräftigem Körperbau war. So zeigt er sich auch, in kriegerischer Rüstung, auf dem Grabmal, das ihm Joachim II. von dem Nürnberger Meister Peter Bischer in der Domkirche hat errichten lassen. Er ist der erste Hohenzoller, der in der Mark gestorben und begraben worden ist, zuerst Übrigens in der Klosterkirche zu Lehnin. Man könnte zweifeln, ob man ihn besser an den Schluss der alten oder an den Anfang einer neuen Epoche stellen soll. Er ist ein märkischer Territorialfürst wie Friedrich II. und wie alle die Nachfolger im 16. Jahrhundert. Aber er ist mit der Regierung seines Vaters Albrecht so eng verwachsen, das man ihn gern an diese ansschließt, und er hat andererseits in den 14 Jahren seiner eigenen Regierung trotz mancher Wandlungen im öffentlichen Leben doch nicht so neue Wege eingeschlagen, das er den Beginn einer neuen Epoche bezeichnete. Wenn er sich auf ein friedliches inneres Regiment beschränkte, so geschah das wohl nicht bloß aus Grundsatz, sondern auch, weil er früh ein kranker Mann gewesen ist; er ist nach langem Leiden, das offenbar auch seine Tatkraft vermindert hat, im Alter von 43 Jahren mit dem Symptom der Wassersucht, also wohl an einer Herzkrankheit, gestorben — der erste Fürst des hohenzollernschen Hauses, bei dem dies in den späteren Generationen sich häufig wiederholende Übel hervorgetreten ist.

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