6.2 Der Aufbau des Gesamtstaats 1648 – 1688
Es gibt viele Staaten in Europa, die durch die Mitwirkung ihrer ständischen Vertretungen zu festerer Einheit gelangt sind, als sie anfänglich in der Regel vorhanden war. In England ist das Parlament seit dem 13. Jahrhundert ein Bollwerk der Staatseinheit gewesen; ebenso später die Reichstage in Schweden, in Polen, in Ungarn. Auch in Frankreich haben die Generalstände bei dem Staatlichen Einigungswerk der Capetinger und Balois wirksame Hilfe geleistet. In Österreich hat man im 16. Jahrhundert wenigstens einen Versuch zur Bildung von Generalständen gemacht; er ist freilich gescheitert. In dem brandenburgisch-preußischen Staat des großen Kurfürsten und seiner Nachfolger im 17. und 18. Jahrhundert finden wir nichts von einem solchen Versuch. Er wäre auch vergeblich gewesen. Die Länder, aus denen das Hohenzollernreich sich zusammensetzte, waren einander zu fremd, zu weit voneinander getrennt und abgelegen, zu stark und starr in ihrem landschaftlichen Sondergeiste befangen, als das ihre ständischen Vertretungen zur engeren Verbindung oder gar zur Staatlichen Verschmelzung der einzelnen Landesteile hätten mitwirken können. Wäre es nach dem Sinn der Stände gegangen, so wäre der Staat der Hohenzollern ein lockerer Bund halbselbständiger Kleinstaaten geblieben, wie es etwa die Republik der Vereinigten Niederlande im 17. und 18. Jahrhundert war. Der Einheitsstaat, der im 17. Jahrhundert vorbereitet, im 18. gefördert, im 19. vollendet wurde, ist gegen den Willen der einzelnen Landschaften und ihrer ständischen Vertretungen geschaffen worden, und der Große Kurfürst ist der Urheber dieser großen Umwandlung geworden. Ob ihm dabei die Idee eines Einheitsstaates mit zentralisierter Verwaltung, wie er sich später ausgebildet hat, schon ganz klar vor Augen stand, wird man bezweifeln dürfen: in seinem politischen Testament von 1667 hat sie noch keinen deutlichen Ausdruck gefunden. Aber der Wille zur Macht, den er seinem Staate eingepflanzt hat, und die Werkzeuge zur Verwirklichung dieser Machtbestrebungen, Heer und Finanzverwaltung, drängten zur einheitlichen Zusammenfassung aller Kräfte und Mittel, die in den einzelnen Landen vorhanden waren. Aus diesem Streben nach einer machtvollen Staatlichen Einheit ist in Brandenburg-Preußen der Absolutismus hervorgegangen. Indem die Staatseinheit, die allein zur Entfaltung militärisch-politischer Macht befähigte, gegen den Willen der Stände durchgesetzt wurde, ergab sich als eine ganz natürliche Folge die Herabdrückung der Landtage zu bloßen Provinzialvertretungen von mehr kommunalem als politischem Charakter, während die Fürstenmacht in dem Gesamtstaat, den sie allein aufgerichtet, fortan in der Hauptsache ganz unumschränkt zu gebieten hatte. Unter diesem allgemeinen Gesichtspunkt muss man die Kämpfe des großen Kurfürsten mit den Ständen seiner Lande ansehen, die einen großen Teil seiner Regierungszeit und namentlich die nächsten Jahrzehnte nach 1660 ausfüllen. Sie haben eine ähnliche Bedeutung wie die Kämpfe, die Richelieu einige Jahrzehnte vorher mit den französischen Provinzialständen geführt hatte.
Es handelt sich dabei nicht um eine despotische Laune oder um die einfache Nachahmung eines auswärtigen Vorbildes, sondern um eine große historisch-politische Notwendigkeit. Es galt in dieser eisernen Zeit, in dem Rivalitätskampf der großen Mächte, die eigene Selbstständigkeit zu erringen und zu behaupten, Hammer zu werden, wo man früher Amboss gewesen war. Das war auch die Vorbedingung für eine selbständige Entwicklung im Innern, für die Aufrechterhaltung des evangelischen Glaubens, für wirtschaftliche Wohlfahrt, für Recht und Gesittung von heimischer Art. Der Dreißigjährige Krieg ist für das Haus Brandenburg die große Schule geworden, in der es den Wert und die Unentbehrlichkeit der politischen Macht für alle Zwecke des öffentlichen Lebens kennen und schätzen gelernt hat. Und es hat in dieser Schule zugleich auch das Hauptmittel kennen gelernt, das nach der damaligen Weltlage allein tauglich war, zu solcher Macht den Weg zu bahnen: den miles perpetuus, das stehende Heer. Seit dem großen Kurfürsten steht die Armee im Mittelpunkte des Staatsinteresses. Sie ist das Rückgrat für den sich ausbildenden Staatskörper und für seine Verwaltungsorganisation geworden. Die Armee aber kostete Geld, und den Geldbeutel hatten zunächst noch überall die Stände der einzelnen Landschaften in der Hand. Die aber begriffen weder die Notwendigkeit eines Heeres in Friedenszeiten, das ja in deutschen Landen damals eine ganz neue Erscheinung war, noch verstanden sie den Gedanken einer Staatlichen Machtpolitik, der ja bis zum Dreißigjährigen Kriege hin dem deutschen Leben fremd gewesen war. Sie standen darum auch der fürstlichen Gesamtstaatsidee verständnislos gegenüber; sie wollten ihr Sondertum, ihr landschaftliches Stillleben, ihre von naivem Klassenegoismus beherrschte Wohlfahrtspolizei nicht mit den unbekannten Segnungen des größeren machtvollen Gesamtstaats vertauschen. Darum ist die neue Staatsbildung nicht möglich gewesen ohne eine große Verfassungsumwälzung, eine Revolution von oben. Im Namen der politischen Notwendigkeit und des öffentlichen Wohls trat der Kurfürst den überlebten Rechtsanschauungen einer absterbenden Epoche des Staatslebens entgegen. Dass diese einst ihr gutes Recht gehabt hatten, darf dabei nicht übersehen werden. Der machtlose territoriale Kleinstaat mit der den Landesfürsten einengenden ständischen Verfassung war nun einmal die Lebensform, welche die Geschicke des deutschen Volkes mit sich gebracht hatten. Die Idee des waffengewaltigen Großstaats und der fürstlichen Machtvollkommenheit erschien als etwas Neues und Unerhörtes, das stehende Heer als Werkzeug des Despotismus oder einer verabscheuenswürdigen Eroberungspolitik. Es war ein spießbürgerlicher Standpunkt, aber die allermeisten vertraten ihn. Nur wenige kühne Geister erhoben sich damals zu den Gedanken, denen die Zukunft gehören sollte.
Dieser politische Gesichtspunkt ist der wesentlichste für das Verständnis jener Kämpfe zwischen Fürstentum und Ständetum. Ein sozialer Zug fehlt nicht in dem Bilde, aber er hat eine untergeordnete Bedeutung. Gewiss waren die Stände nicht immer die Vertreter der wirklichen Gesamtinteressen ihrer Länder. Sie waren meist von einem kurzsichtigen, engherzigen Klassengeist erfüllt; sie glaubten vielfach als privilegierte Personen das Recht zu haben, das öffentliche Wesen für ihre egoistischen Zwecke auszubeuten; sie haben übel für die unteren Klassen gesorgt. Aber nicht an diesen sozialen Missbräuchen und Gebrechen sind die alten ständischen Verfassungen zugrunde gegangen, sondern an der Tatsache, dass sie den politischen Anforderungen einer neuen, auf den militärischen Großstaat zustrebenden Zeit nicht gerecht zu werden vermocht haben. Man darf sich den Sturz der ständischen Verfassungen doch nicht so denken, als sei die monarchische Gewalt mit den unteren Klassen im Bunde gewesen. Die unteren Klassen in Stadt und Land waren noch viel zu unentwickelt, als das sie im öffentlichen Leben als Machtfaktor hätten in Betracht kommen können. Der monarchische Absolutismus hat allerdings häufig die Interessen und namentlich das Recht des kleinen Mannes wahrgenommen gegen die Selbstsucht der höheren Klassen, die im ständischen Staat das Regiment geführt hatten. Aber diese soziale Fürsorge hat sich doch nur in den Grenzen des bestehenden Systems, der überlieferten ständischen Gesellschaftsordnung betätigt. Die alte ständische Gesellschaftsordnung ist zwar durch den Absolutismus langsam untergraben und schließlich seit 1807 gründlich reformiert worden; aber im 17. und 18. Jahrhundert blieb sie in der Hauptsache bestehen, auch unter dem absolutistischen Regiment. Nicht die sozialen Privilegien des Adels im Rechts- und Wirtschaftsleben sind unter dem Großen Kurfürsten angegriffen worden, sondern der kurzsichtige Missbrauch seines politischen Mitregierungsrechts. Der Adel wurde nur soweit zurückgedrängt, dass die Bahn für die Machtpolitik des neuen militärischen Großstaats frei wurde. Seine sozialen Vorrechte wurden ihm belassen und zum Teil aufs Neue bestätigt. Die alte ständische Gesellschaftsordnung mit den Privilegien des Adels und der Zünfte blieb bestehen. Es war überhaupt kein Kampf bis zur Vernichtung, sondern nur eine Kraftprobe, bei der die Überlegenheit der fürstlichen Gewalt von vornherein entschieden war. Die überwundenen ständischen Gewalten sind dann später in den Dienst des neuen Staates gestellt worden.
Das ist der allgemeine Sinn dieser ständischen Kämpfe. Betrachten wir nun ihren Verlauf im Einzelnen!
Am mildesten war der Verlauf in der Kurmark Brandenburg, wo die landesherrliche Autorität am stärksten befestigt, das Herrscherhaus den Ständen am längsten vertraut war. In den ersten Jahren der kurfürstlichen Regierung war manches nach dem Wunsche der Stände geschehen: die Bemühungen um den Waffenstillstand mit Schweden, die Reduktion der Armee, das Moratorium. Es war auch gelungen, den alten Streit zwischen Ritterschaft und Städten um den beiderseitigen Anteil an den Steuerleistungen endlich zu schlichten durch den sogenannten Quotisationsrezess von 1643: danach bezahlten die Städte fortan 59, die Ritterschaft (d. h. die Bauern) 41 vom Hundert. Das ständische „Kreditwerk“, die alte ständische Schulden- und Steuerverwaltung, deren Kassen zu Anfang des großen Krieges zahlungsunfähig geworden waren, wurde von dem neuen Kontributionswesen ganz abgesondert gehalten. Man versuchte es wieder in Ordnung zu bringen, doch ist das erst nach Jahrzehnten unter Leitung kurfürstlicher Kommissare gelungen. Mit der Rückkehr des Kurfürsten in die Mark, mit den neuen Werbungen von 1644 begann ein etwas schärferer Wind zu wehen; zum Konflikt aber kam es erst, als nach dem allgemeinen Friedensschluss der Kurfürst die von den Ständen verlangte Abdankung der Truppen verweigerte, vielmehr von neuem Geld zu ihrer Unterhaltung forderte. Der Tod des alten Kanzlers v. Götzen (1650), der Sturz Burgsdorffs (1651), die beide bei den Ständen wohl gelitten gewesen waren, trugen zur Verschärfung der Stimmung bei. Es handelte sich um die prinzipielle Frage, ob, entgegen altem Herkommen, Truppen in Friedenszeiten gehalten werden sollten; das erschien der Landesvertretung wie eine Verewigung der Kriegslast und eine Vereitelung der Hoffnungen, die man auf den Frieden gesetzt hatte. Der Landtag sträubte sich lange gegen die Bewilligung der Mittel zur Unterhaltung der Truppen, die der Kurfürst beibehielt; inzwischen half sich der Kurfürst damit, die nicht bewilligten Summen durch Exekution einzutreiben. Einen entschlossenen Widerstand bis zum Äußersten haben die Stände nicht geleistet; sie baten und lamentierten, bewilligten auch wohl einmal Mittel auf 2 oder 3 Monate und verlangten vor allem immer von neuem die Erledigung ihrer „Gravamina“, ihrer Beschwerden und Wünsche, die hauptsächlich Standesinteressen des Adels betrafen. Fast vier Jahre hindurch währte die gespannte Lage; endlich, nach langen Verhandlungen, nachdem der Landtag von 1652 siebenmal vertagt worden war, kam es zu einer Vereinbarung, die in dem berühmten Landtagsabschied vom 5. August 1653 enthalten ist. Die Hauptsache war, dass die Stände dem Kurfürsten, zunächst auf sechs Jahre, eine Summe von 530.000 Talern jährlich zur Unterhaltung seiner Truppen bewilligten. Dagegen hat nun freilich der Kurfürst den Ständen sehr weitgehende Zugeständnisse machen müssen. Alle ihre alten Rechte und Privilegien wurden ihnen bestätigt. In erster Linie kam der grundbesitzende Adel dabei in Betracht. Das Vorrecht des Adels auf den Besitz von Rittergütern, seine Herrenstellung im Gutsbezirk, seine obrigkeitlichen Rechte über die Bauern, seine Steuer- und Zollfreiheit, seine Verfügung über die Frondienste der Bauern, das ganze gutsherrlich-bäuerliche Verhältnis in der schärferen Form, die es im und 18. Jahrhundert zeigt — das alles ist eigentlich damals erst endgültig bestätigt und festgestellt worden. Man fürchtete offenbar in den Kreisen des Adels, das die Unregelmäßigkeiten der Kriegszeit, wo die Gutsherrschaften vielfach außerstande gewesen waren, einen regelmäßigen Betrieb der Wirtschaft aufrechtzuerhalten, oder sonst die Zügel locker gelassen hatten, dazu benutzt werden möchten, die bäuerlichen Lasten und Verpflichtungen hie und da dauernd zu ermäßigen. Man bestand daher auf der Bestimmung, dass die „Leibeigenschaft“ (so nannte man damals, was später amtlich als „Erbuntertänigkeit“ bezeichnet wurde) überall dort, wo sie herkömmlich sei, bestehen bleiben solle, wobei von einer genaueren Aufzählung der Landesteile Abstand genommen wurde; und man schob dem Bauer, der seine Freiheit behauptete, die Beweislast zu. Wahrscheinlich haben diese Bestimmungen dazu gedient, das den Bauern hie und da stärkere Lasten aufgebürdet wurden als vorher üblich war, wozu ebenso die Verminderung ihrer Zahl wie die Vermehrung des Umfanges der Rittergüter einen Anlass bot. Der weiteren Ausdehnung des Rittergutsbesitzes durch Auskaufen oder Relegierung widerspenstiger Bauern wurde noch kein Riegel vorgeschoben. Alle diese Bestimmungen enthielten eigentlich kaum etwas gänzlich Neues; sie hatten nur den Zweck und die Wirkung, die allgemeinen wirtschaftlich-sozialen Entwicklungstendenzen, die sich in den agrarischen Verhältnissen der ostelbischen Länder geltend machten und die eine Förderung der gutsherrlichen Interessen auf Kosten der bäuerlichen bedeuteten, von hemmenden Fesseln zu befreien und ihnen zum Durchbruch zu verhelfen. In der Mark Brandenburg sieht man besonders deutlich, wie die politische Konjunktur vom Adel dazu ausgenutzt wurde. Immerhin aber haben sich die gutsherrlich bäuerlichen Verhältnisse dort keineswegs ungünstiger für die Bauern gestaltet als in andern ostelbischen Ländern, wie denn z. B. später, im 18. Jahrhundert an Stelle der ungemessenen, d. h. täglichen Frondienste der Bauern, die in Pommern und Preußen üblich waren, in der Mark Brandenburg in der Regel nur 3- bis 4-tägige Wochendienste geleistet wurden.
Der Rezess von 1653 wurde fortan von den märkischen Ständen als die Grundlage der Landesverfassung, als das Bollwerk ihrer Privilegien betrachtet. Das hat einen guten Sinn in Hinsicht auf die sozialrechtliche Stellung des Adels, aber politisch bedeutet er das Ende der ständischen Epoche. Zwar hat der Adel sein altes Recht, in Fragen der auswärtigen Politik zu Rate gezogen zu werden, niemals aufgegeben; die darauf bezügliche Klausel von 1540 ist auch noch in dem Rezess von 1653 ausdrücklich wiederholt worden; aber das hatte jetzt keine praktische Bedeutung mehr, wo der Kurfürst ein vielfacher Landesherr war und zu europäischer Bedeutung aufstieg. In Wahrheit zog sich der Adel aus seiner bisherigen politischen Stellung zurück, um seine wirtschaftlich-sozialen Interessen umso erfolgreicher wahrzunehmen. Er gab seinen Widerstand gegen die Begründung eines militärisch-monarchischen Großstaats auf, um sich dafür in den Kreisen seines lokalen Herrentums umso stärker zu befestigen. Die sechsjährige Bewilligung musste natürlich später verlängert werden; in den Verhandlungen von 1662 sieht man bereits, wie die Stände sich mit der Vorstellung abfinden, dass diese Last nie wieder verschwinden werde. Sie ist dann von Zeit zu Zeit durch Erhöhung der Summen noch erheblich erschwert worden. Unendlich viel ist noch später darüber verhandelt und gestritten worden; aber das Prinzip, das das fürstliche Heer vom Lande zu unterhalten sei, stand fest, und das Resultat ist gewesen, dass die dazu bestimmte Steuer, die man mit dem während des Krieges üblich gewordenen Namen als „Kontribution“ bezeichnete, allmählich zu einer dauernd fixierten Leistung wurde, die seit dem Ausgang des 17. Jahrhunderts keiner Bewilligung mehr bedurfte.
Der Landtag von 1653 ist der letzte allgemeine Landtag, der in der Kurmark gehalten worden ist. In der folgenden Zeit finden wir — abgesehen von den Huldigungslandtagen beim Regierungsantritt eines neuen Herrschers, die mehr nur eine äußerlich-formale Bedeutung hatten — nur noch Verhandlungen mit Ausschüssen und Deputationstage, zu denen Abgeordnete des Adels von den Kreistagen gesandt wurden. Das ständische Leben in der Kurmark zog sich mehr und mehr in die Kreise zurück, die seit dem großen Kriege eine bedeutsame Wirksamkeit entfaltet hatten, namentlich in allem, was mit den Truppenmärschen, Lieferungen, Einquartierung, Kontribution usw. zusammenhing. Die Kreise waren ritterschaftliche Korporationen, die eine Art Selbstverwaltung führten. Die mit dem Stehenden Heer dauernd werdende Kontribution stand dabei im Mittelpunkt. Ein aus den eingesessenen Gutsbesitzern genommener Kreiskommissar des Kurfürsten, in größeren Kreisen, wie Altmark und Uckermark, auch mehrere solcher Kommissarien mit einem Direktor an der Spitze, führten in Fühlung mit den Kreistagen der adligen Gutsbesitzer die Verwaltungsgeschäfte; hier hat das spätere Landratsamt seine Wurzel. Die späteren Landrate sind nichts anderes als die Nachfolger dieser Kreiskommissarien; der erste König hat ihnen auf ihren Antrag 1701 jenen vornehmeren Titel verliehen, der in der ständischen Zeit eigentlich die Notabeln bezeichnet hatte, die der Fürst aus der Landschaft zu Rate zog. Von der Mark Brandenburg aus ist dann das aus dem Kreiskommissariat stammende Landratsamt auf die anderen Provinzen des Staates allmählich übertragen worden; aber nur in einigen dieser Provinzen wurde es, wie in der Kurmark, zum Mittelpunkt einer ritterschaftlichen Selbstverwaltung der Kreise.
Ganz abgesondert von dem Kontributionswesen blieb die Verwaltung des ständischen Kreditwerks, die alte Schulden- und Steuerverwaltung aus dem 16. Jahrhundert. Nachdem die Auseinandersetzung mit den Gläubigern im Stile eines Konkursverfahrens beendet war, wurde das ganze Institut unter kurfürstliche Aufsicht gestellt, indem ein Mitglied des Geheimen Rats als Direktor an die Spitze trat. Der große Ausschuss wurde von 50 auf 12 Personen verringert; die Verordneten Kollegien zur Verwaltung der Kassen blieben bestehen. In dieser Form ist die „Kurmärkische Landschaft“, wie man das Kreditwerk später nannte, erhalten geblieben bis auf die Hardenbergsche Finanzreform (1820). Der Große Kurfürst hatte beabsichtigt, es ganz zu verstaatlichen, aber sein Nachfolger hat diesen Rest von ständischer Finanzverwaltung erhalten; eine irgendwie erhebliche politische Bedeutung hatte er nicht mehr. Die Hufenschöße, die Städtesteuern und das Biergeld, die seiner Verwaltung unterstanden, waren geringfügig im Vergleich mit den neuen Steuern, den „Kriegsgefällen“, die für die Erhaltung des Heeres bestimmt waren. Neben der Kontribution, die wir schon kennen, handelt es sich dabei noch um eine ganz neue Steuerart, die Akzise. Die Akzise ist nicht, wie man gewöhnlich glaubt, eine bloße Verbrauchssteuer, sondern ein zusammengesetztes System verschiedener Steuern, unter denen aber allerdings die indirekten Abgaben auf fast alle Gegenstände des Verbrauchs, Getränke, Lebensmittel, Kaufmannswaren, die Hauptrolle spielen. Dies System, dessen Name auf das französische Wort Assise (Steuer) zurückgeht, hatte sich namentlich in Holland bewährt und wurde damals als neuentdeckte Goldgrube von den Finanzschriftstellern gepriesen. Was es besonders empfahl, das war die Tatsache, dass es eine allgemeine Steuer war, die auch den Adel treffen sollte, weshalb man sie in Holland auch die „gemeene middelen“ oder „modigenerales“ nannte. Der Übelstand, dass Konsumtionsabgaben die ärmere Bevölkerung verhältnismäßig stärker belasten, als die wohlhabenden Klassen, wurde dadurch reichlich aufgewogen. Außerdem hatte dies System das Bequeme, dass die Zahlungen nicht zu einem bestimmten Termin, sondern unmerklich beim Verbrauch zu leisten waren, und dass die Steuerexekution, die damals viel böses Blut machte, dabei vermieden wurde. Endlich war noch der große Vorzug damit verbunden, dass der Ertrag der Verbrauchssteuern mit dem Wachstum der Bevölkerung und des Verkehrs von selbst wachsen musste, ohne dass es neuer Bewilligungen bedurfte, die doch von den Ständen immer nur mit großer Mühe zu erlangen waren.
Es war nun eigentlich die Absicht des Kurfürsten, dieses neue Steuersystem an die Stelle der aus dem Kriege herrührenden, mit den Ständen mühsam immer von Neuem zu vereinbarenden Kontribution zu setzen, von der der Adel befreit war. Aber diese Absicht hat er nicht durchzusetzen vermocht; sie scheiterte in der Mark Brandenburg an dem zähen Widerstande des Adels, der eben deshalb die Akzise bekämpfte, weil sie dem adligen Privilegium der Steuerfreiheit ein Ende gemacht haben würde. Der Kurfürst musste sich schließlich 1667 damit begnügen, das neue Steuersystem in den Städten einzuführen, während auf dem platten Lande die Kontribution bestehen blieb. So wurde der Grund gelegt zu der zwiespältigen Besteuerung von Stadt und Land, die das alte Preußen charakterisiert. Der hergebrachte Gegensatz zwischen Stadt und Land, ihre administrative Trennung ist durch diese verschiedenartige Besteuerung noch verschärft und für anderthalb Jahrhunderte befestigt worden. Das Verbot des Handwerks und des Handels auf dem platten Lande — mit einigen geringfügigen Ausnahmen — musste als eine Konsequenz dieser verschiedenen Besteuerungsarten beibehalten werden bis ins 19. Jahrhundert hinein.
Übrigens gelangte die Akzise 1667 in den Städten noch nicht allgemein und zwangsweise zur Einführung. Es wurde ihnen nur anheimgestellt, das nach dem Quotisationsrezess auf sie entfallende Steuerquantum (59 Prozent) durch die „gemeinen Mittel“ aufzubringen. Aber die Städte wandten sich ganz allgemein dem neuen Steuersystem zu, das ihren Verhältnissen angemessener war als die bisherige Kontribution. Mit den Verbrauchssteuern auf alle Lebensmittel und Kaufmannswaren verbanden sich niedrige direkte Umlagen auf die städtischen Acker, auf das Vieh, auf die Handwerksbetriebe nach der Zahl der Gesellen u. dgl. mehr. Auch der Handelsverkehr, der in Holland durch das Klasseninteresse der Kaufleute freigeblieben war, wurde mit Hilfe einer Bewegung in der Berliner Bürgerschaft einer Abgabe von ½ vom Hundert, einer Art kaufmännischer Gewerbesteuer, unterworfen. Seit 1682 ist dann die Akzise, die bisher von den städtischen Behörden verwaltet worden war, in eine obligatorische Staatssteuer verwandelt worden, deren Überschuss über das bisherige Steuerkontingent der Städte nun nicht mehr den Gemeinden, sondern den kurfürstlichen Kassen zufloss. Die Städte mussten nun völlig gegen das platte Land abgeschlossen werden, durch Mauern oder Palisaden. Die Torschreiber hatten den Verkehr zu überwachen, bei den Einnehmern in der Stadt war nach den von ihnen ausgestellten Zetteln die Akzise zu entrichten, in Stadt und Umgegend waren Kontrolleure und Visitatoren tätig. Und zugleich erscheint ein neuer wichtiger kurfürstlicher Beamter, der die Aufsicht über die Akziseverwaltung in einer Anzahl von Städten führt, der „Kriegs- und Steuerkommissarius“ oder „Commissarius loci“ genannt. Er ist das Organ geworden, durch welches nicht bloß die Akzise, sondern später, wie wir noch sehen werden, das ganze städtische Wesen der fürstlichen Verwaltungskontrolle unterworfen worden ist. Einen relativen Abschluss der Gesetzgebung auf diesem Gebiet bezeichnet die kurmärkische Akziseordnung von 1684, die der ganzen weiteren Entwicklung des Instituts zugrunde liegt.
So war es dem Adel gelungen, sich diesem neuen Steuersystem zu entziehen, das also nur für die Städte zur Anwendung kam. Aber die vollständige wirtschaftliche und finanzielle Trennung, die damit zwischen Ritterschaft und Städten eintrat, unter denen nun jede Interessengemeinschaft aufhörte, hat dem alten landständischen System den Todesstoß versetzt. Die Städte hatten fortan kein Interesse mehr an den Bewilligungen der Landschaft; und so kam es, das — abgesehen von dem alten Kreditwerk der „Kurmärkischen Landschaft“ — in der Mark Brandenburg das kreisständische Leben an die Stelle des alten landständischen trat.
Schwieriger als in der Mark Brandenburg war die Auseinandersetzung mit den Ständen in den rheinisch-westfälischen Landen Cleve-Mark, wo die protestantische Partei an den Niederlanden, die katholische an Pfalz-Neuburg, dem Kaiser und Spanien einen Rückhalt fand; der Besitzstand war ja bis zum Jahre 1666 noch provisorisch. Es blieb nicht ohne nachteilige Einwirkung auf die brandenburgischen Lande, dass der Pfälzer in Düsseldorf seinen Ständen die Zügel weit lockerer ließ, als der Kurfürst. Der General v. Norprath, der von 1643 – 1646 als Statthalter des Kurfürsten in Cleve waltete, hat den Ständen gegenüber nichts ausgerichtet. Dann ist der Kurfürst selbst 6 Jahre hindurch im Lande gewesen, 1647 – 1653. In diese Zeit fällt die Unternehmung gegen Jülich von 1651, die so völlig gescheitert ist. Ihr zur Seite ging das Bestreben, ein festeres Verhältnis zwischen Landesherrschaft und Ständen herzustellen. Aber auch dies Bestreben hatte keinen günstigen Erfolg. Der große Rezess vom 9. Oktober 1649 und der dazu gehörige sogenannte Exekutionsrezess vom 14. Oktober 1653 bezeichnen eine völlige Niederlage der fürstlichen Gewalt. Das Recht der Stände, ohne fürstliche Berufung zu den jährlichen Landtagen zusammenzukommen, blieb bestehen. Es musste ihnen auch weiterhin gestattet werden, mit auswärtigen Mächten, namentlich den Generalstaaten der Niederlande und dem Pfalz-Neuburger, in unmittelbare Verhandlungen zu treten. Das Indigenatsrecht wurde von den Ständen in der schroffsten Form aufrechterhalten: der Kurfürst wurde gezwungen, alle nichteingeborenen Beamten, die er im Lande angestellt hatte, zu entlassen. Alle Beamten mussten fortan auf die ständischen Rezesse vereidigt werden. Auch ein anderer wichtiger Streitpunkt, die Frage des Garnisonrechts, wurde damals zuungunsten der fürstlichen Gewalt entschieden: der Kurfürst musste förmlich versprechen, dass er keine Truppen ins Land bringen, dass er keine Festungen darin bauen werde. Alle alten Privilegien wurden den Ständen bestätigt, mochten sie zur Observanz gekommen sein oder nicht. Die Regierung, die nun in Cleve neu gebildet wurde, erhielt einen halbständischen Charakter; die namhaftesten Mitglieder der protestantischen Partei fanden darin ihren Sitz; der Statthalter, Graf Johann Moritz von Nassau-Siegen, ein Verwandter des oranischen Hauses, bekannt durch seine Brasilienfahrt, war ein halber Niederländer. Nur wenige persönliche Anhänger des Kurfürsten befanden sich in den regierenden Kreisen des Landes; sie waren durch besondere, geheime Verpflichtung an die Person des Herrschers gebunden, so der Kanzler Weimann, das einzige Mitglied des Regierungskollegiums, auf das sich der Kurfürst unbedingt verlassen konnte; wie ein Verschwörer musste er seine landesherrlichen Interessen im Lande wahrzunehmen und zu fördern suchen.
Während des nordischen Krieges hat dann der Kurfürst trotz dieser Verhältnisse verstanden, sich der Mittel des Landes für seine militärisch-politischen Zwecke in weitgehender Weise zu bedienen. Große Rüstungen sind damals in Cleve-Mark angestellt worden; gegen 6.000 Mann hat der Kurfürst für den schwedisch-polnischen Krieg allmählich aus diesen Landen erhalten. Nach dem Kriege aber zeigte sich dann aufs deutlichste die Rückwirkung der politisch-militärischen Machtstellung des Kurfürsten auf das Verhalten der Stände. In zwei neuen Rezessen vom 24. August 1660 und vom 19. März 1661 erfuhr die Verfassungslage eine erhebliche Veränderung zugunsten des Kurfürsten, der den zweiten Landtag in Person verabschiedete. Unterhandlungen mit fremden Mächten wurden nun nicht mehr geduldet; der bisherige Resident der Stände bei den Generalstaaten, der durch seine zeitgeschichtlichen Sammlungen bekannte Lieuwe van Aitzema, wurde verabschiedet. Beschwerden über Verletzung ständischer Rechte sollten fortan nur an den Kurfürsten selbst, nicht an eine andere Macht, auch nicht an den Kaiser, gerichtet werden dürfen. Der Fall Wilich hatte dazu Veranlassung geboten. Die Landtage traten zwar noch alljährlich ohne besondere Berufung zusammen, hatten aber vorher den kurfürstlichen Behörden davon Anzeige zu machen. Der Rezess von 1660 stellt im Ganzen eine Revision des früheren von 1649 dar, in der alles dasjenige, was auf den veränderten Zustand der Dinge nicht mehr passte, ausgelassen war. So fehlt hier der Artikel über die Vereidigung der Beamten auf die alten ständischen Rezesse; es ist nur gesagt, dass sie auf den Inhalt des neuen gegenwärtigen Rezesses instruiert werden sollen. Es fehlt ferner die Zusage des Rezesses von 1649, das ohne Zustimmung der Stände keine Truppen im Lande geworben oder daselbst eingeführt werden sollten; der Kurfürst bekam also die Möglichkeit, seine Truppen ins Land zu bringen, sie dort einzuquartieren und zu verpflegen; er setzte das früher aufgegebene fürstliche Garnisonsrecht durch. Das Indigenatsrecht allerdings wurde grundsätzlich bestätigt; alle Beamten mussten auch hinfort Landeskinder und im Lande „beerbt“, d. h. mit Grundbesitz angesessen sein. Die Rechte der Stände blieben also immer noch ziemlich bedeutend, aber den Widerstand gegen den militärischen Großstaat haben auch sie seit 1660 aufgegeben. Die Landtage übten zwar nach wie vor das Steuerbewilligungsrecht, aber auch hier machte sich die Konsequenz der Tatsache geltend, dass das Stehende Heer im Prinzip zugelassen worden war. Mit dem Heer sind auch hier die Steuern, die zu seiner Unterhaltung bestimmt waren, etwas Dauerndes, Regelmäßiges geworden. Es ist gelungen, in den nächsten Jahrzehnten die Stände an regelmäßige und ausreichende Geldbewilligungen zu gewöhnen, so dass die „Kontribution“ auch hier ganz allmählich den Charakter einer festen Einrichtung annahm. Eine Akzise war hier schon in manchen Städten eingeführt, aber noch nicht als Staatliche Steuer und in anderer Form, als in der Kurmark; eine Angleichung an das kurmärkische Muster, eine Verstaatlichung und Neuordnung der Akzise hat hier erst in der Zeit von 1713 – 1720 stattgefunden. Wie die ritterschaftliche Selbstverwaltung in den Kreisen, so machte sich hier die der „Meistbeerbten“, d. h. der größeren ritterlichen und bäuerlichen Grundbesitzer in den Ämtern und Kirchspielen geltend, auf den Amts- und Erbentagen. Rezeptoren, die von den Eingesessenen gewählt waren, besorgten die Steuereinnahme in den Ämtern und legten ihre Rechnung zugleich vor dem kurfürstlichen Obersteuerempfänger und einem ständischen Ausschuss ab.
Von großer Bedeutung für die Befestigung der brandenburgischen Herrschaft in diesen Gebieten war es, das sich der Kurfürst 1666 entschloss, einen endgültigen Ausgleich mit Pfalz-Neuburg herzustellen, der den bisherigen provisorischen Besitzstand zu einem dauernden machte; nur über die Herrschaft Ravenstein wurde noch einige Jahre lang verhandelt; der Kurfürst hat sie 1670 an Pfalz-Neuburg gegen eine Geldentschädigung abgetreten. Erst durch diese endgültige Regelung der Besitzfrage gewann Brandenburg in Cleve, Mark und Ravensberg einen festen völkerrechtlichen Boden, auf dem auch die neue Staatsrechtliche Ordnung sicherer ruhte. Eine gewisse spröde Absonderung dieser rheinisch-westfälischen Lande von dem übrigen Staatsgebiet des Kurfürsten blieb aber unter ihm und auch unter seinen Nachfolgern noch lange bestehen.
Am heftigsten ist der Kampf mit den Ständen in Ostpreußen gewesen. Er knüpfte sich hier unmittelbar an den Frieden von Oliva und die Erringung der Souveränität an. Die ständische Opposition bestritt die Rechtsgültigkeit und Verbindlichkeit der Souveränitätserklärung; sie behauptete, das zur rechtmäßigen Erwerbung der Souveränität die Zustimmung der Stände hätte eingeholt werden müssen; sie fuhr fort mit Polen zu konspirieren, indem sie immer aufs Neue versuchte, Polen zum Schutz der ständischen Libertät in Preußen gegen den Kurfürsten aufzuwiegeln, um die Souveränität schließlich doch noch wieder zu beseitigen. Denn die Staatsrechtliche Wirkung des völkerrechtlichen Aktes lag ja auf der Hand: sie bestand darin, das die ständische Opposition, des starken Rückhalts beraubt, den sie bisher an der Krone Polen gefunden hatte, der vordringenden landesherrlichen Macht nicht würde Widerstand leisten können. Hier in Ostpreußen wird es besonders deutlich, dass die Stände für ein altes Recht kämpften, das der Entwicklung des neuen militärisch-monarchischen Großstaates im Wege stand, der Kurfürst aber den Kampf nicht vermeiden konnte, eben weil er diesem Ziel zustrebte, dessen höhere Berechtigung heute nicht mehr erwiesen zu werden braucht, da ja der ganze politische Zustand der Gegenwart seit fast drei Jahrhunderten darauf beruht, das es erreicht wurde.
Die Krone Polen hat sich in diesen Verhältnissen ziemlich zweideutig, aber doch zugleich auch sehr vorsichtig benommen, so dass ein politischer Konflikt vermieden wurde. Eine Zeitlang schien es allerdings — im Jahre 1661 —, als würden die preußischen Stände es zu offener Rebellion treiben und militärische Hilfe aus Polen bekommen; und da Polen damals auch mit Schweden und Frankreich im Einverständnis war, so nahm die Lage für den Kurfürsten ein bedenkliches Aussehen an. In diesem gefährlichen Augenblick griff er ein ihm früher von dem Krongroßfeldherrn Lubomirski, dem einflussreichen Führer des polnischen Adels, entgegengebrachtes Projekt auf und fasste den Gedanken ins Auge, bei dem eben damals zur Erörterung kommenden Plane einer noch bei Lebzeiten Johann Kasimirs vorzunehmenden polnischen Königswahl seine eigene Kandidatur, zunächst nur in geheimen Verhandlungen mit dem Adel, aufzustellen, um diesen von einer Einmischung in die preußischen Angelegenheiten abzuhalten und zugleich die drohende Möglichkeit der Wahl eines französischen Prinzen wirksam zu bekämpfen. Die Beibehaltung seines evangelischen Glaubens war dabei für ihn selbstverständlich; sonst wollte er aber den Polen große Zugeständnisse machen und selbst die eben erkämpfte preußische Souveränität, dieses sonst so sorgsam behütete Kleinod seines Hauses, zum Opfer bringen. Es liegt auf der Hand, dass durch dieses Mittel nicht nur die Einmischung der Polen verhütet, sondern auch der Geist der Rebellion in Preußen wirksam gedämpft werden konnte. Wieweit es sich dabei um eine ernsthafte Absicht, wieweit um ein politisches Manöver handelt, steht dahin; zu greifbaren Resultaten haben die Verhandlungen nicht geführt, und merkwürdigerweise erlischt das Interesse des Kurfürsten an dem Plan in eben dem Moment, wo die gefährliche Spannung in Preußen sich gelöst hat; er ist später nicht wieder auf den Gedanken zurück gekommen. Die Gefahr einer polnischen Einmischung während der Krisis von 1661/62 ist glücklich vermieden worden; aber die Sympathien der Krone wie der Republik Polen gehörten den Rebellen in Preußen; die polnische Regierung hat damals und später noch, ohne sich geradezu bloßzustellen, die Bestrebungen der ständischen Opposition in Preußen unterstützt; sobald aber die Dinge eine ungünstige Wendung nahmen, hat sie sich zurückgezogen.
Der offene Konflikt in Preußen begann nach vielen Umtrieben und beständigem Querulieren der Stände auf dem ersten Landtage, den der Kurfürst nach dem Frieden von Oliva hielt, zu Königsberg, 1661. Die Erwerbung der Souveränität machte eine neue Huldigung notwendig, und der Kurfürst ließ den Ständen eine Art von Verfassungsurkunde (vom 14. November 1661 datiert) vorlegen, die seine Auffassung des neuen Verhältnisses zwischen Fürst und Ständen zum Ausdruck bringt. Sie ist durchaus maßvoll und weit entfernt von dem Versuch, eine Gewaltherrschaft unter Ausschluss der Stände aufzurichten. Mit Nachdruck wird darin betont, dass der Kurfürst jetzt das dominium directum mit dem dominium utile konsolidiert habe (in diesen privatrechtlichen Begriffen bewegte sich das Lehnsstaatsrecht der Zeit) und das er damit das jus supremi et absoluti dominii genieße. Damit war aber die hergebrachte landständische Verfassung wohl verträglich. Die Rechte des Landtages sollten ungeschmälert bleiben; nur verlangte der Kurfürst, das fortan keine Versammlung der Stände, auch nicht in den Ämtern und Städten, ohne seine Berufung und Erlaubnis sollte gehalten werden dürfen. Das Indigenatsrecht, das hier wie überall als das Palladium der landständischen Freiheiten galt, wurde grundsätzlich anerkannt; nur den Kanzlerposten wollte der Kurfürst unter Umständen auch durch eine nichteingeborene Person gelehrten Standes besetzen dürfen. Besonders unangenehm mag dem Adel gewesen sein, das der Kurfürst in Aussicht stellte, neben den adligen Amtshauptleuten, die ja auch die Verwaltung der Domänengüter in Händen hatten und oft in ihrem eigennützigen Privatinteresse führten, sollten, wie in der Kurmark, Amts- und Kornschreiber angestellt werden, damit das Rechnungswesen und die Kontrolle der Domanialwirtschaft wirksamer gehandhabt werden könne.
Der Konflikt entstand nun dadurch, dass die Stände sich weigerten, auf der Grundlage dieses neuen Staatsrechtlichen Zustandes die Huldigung zu leisten. Vergeblich bemühte sich der Statthalter des Kurfürsten, Fürst Bogislaw Radziwill, und sein besonders zu dem Landtage entsandter Kommissarius, der Geheime Rat Otto von Schwerin, den Widerstand durch gütliches Zureden zu beschwichtigen. Eine lebhafte Agitation wurde von den Führern der Unzufriedenen im Lande entfaltet. In den drei Städten Königsberg war die Seele des Widerstandes der Schöppenmeister von Kneiphof, Hieronymus Roth. Er war Vorsitzender des alten Stadtgerichts, hatte aber zugleich die politische Funktion, den Versammlungen der Gemeinde zu präsidieren und ihre Beschlüsse und Wünsche vor dem Rat zu vertreten. In dieser Stellung ist Roth, ein unbedingter Anhänger der alten Ordnung, ein starrer und verbissener Rechtsfanatiker, daneben ein energischer und populärer Volksmann, der Führer der Widerstandsbewegung geworden. Er hatte seinen Anhang namentlich in den Zünften, die mit der wirtschaftlichen Polizei und dem Steuer- und Zollwesen damals vielfach unzufrieden waren. Der oppositionelle Rat aber in allen drei Städten ließ sich die Agitation dieses Demagogen gegen die verhasste fürstliche Gewalt gern gefallen. Dem kurfürstlichen Kommissarius Schwerin gegenüber, der ihn vor sich gefordert hatte, brauchte Roth die stärksten Ausdrücke über die Tyrannei des neuen Souveräns. Man wusste, dass er in geheimen Beziehungen mit Polen stand, von dem er selbst militärisches Einschreiten zum Schutz der alten preußischen Verfassung gefordert hat. Schwerin verlangte infolgedessen von dem zuständigen Rat die Auslieferung des Agitators; aber sie wurde verweigert. Roth ging dann nach Warschau, kehrte aber bald wieder zurück und blieb in Königsberg. Der Rat schützte ihn, und Gewalt anzuwenden wagte Schwerin nicht.
Die unhaltbare Lage änderte sich erst durch den Entschluss des Kurfürsten, selbst nach Preußen zu kommen und seine Forderungen nötigenfalls mit Gewalt durchzusetzen. Im Oktober 1662 erschien er mit 2.000 Mann von Danzig her zur See in Königsberg. Rat und Bevölkerung verharrten bei ihrem Widerstand; aber zum offenen Ausbruch der Empörung ist es nicht gekommen. Der Kurfürst hatte die Vertreter des Rats zu sich aufs Schloss entboten. Auf dem Schlosshof standen 3.000 Mann in voller Bereitschaft; von dem Fort Friedrichsburg, das der Kurfürst früher abwärts am Pregel, Kneiphof gegenüber, hatte anlegen lassen, waren die Kanonen auf die Stadt gerichtet. Inzwischen gelang es einem militärischen Streifkommando, den Schöppenmeister Roth, der sich verborgen gehalten, bei einem Straßenauflauf aber unvorsichtigerweise am Fenster gezeigt hatte, in seiner Wohnung zu verhaften und in kurfürstliches Gewahrsam zu bringen. Damit war eine der Hauptforderungen der kurfürstlichen Regierung erfüllt. Die Stadt blieb ruhig; die Aufregung legte sich allmählich; es zeigte sich doch, dass die Masse der Bevölkerung gar nicht so übel gesinnt war. Nur die verhetzten Zunftmeister, die an den Räten einen Rückhalt fanden, hatten den Widerstand ins Werk gesetzt. Jetzt aber, wo sie sahen, dass die Regierung zur Anwendung von Gewalt entschlossen war, wichen sie zurück. Und nachdem die Städte Königsberg sich gefügt hatten, kam es auch zu einer Verständigung mit dem Adel. Der Kurfürst bestätigte — mit großer Mäßigung, mit richtigem Blick für das zurzeit Erreichbare — die Privilegien der Stände, soweit sie mit den Zielen seiner fürstlichen Regierung vereinbar waren, durch die Assekurationsakte vom 12. März 1663; dagegen erkannten die Stände seine Souveränität an und leisteten auf dieser Grundlage von neuem die Huldigung. Der Landtagsabschied vom 1. Mai 1663 gab dem Verhältnis die weitere rechtliche Grundlage. Das Indigenatsrecht wurde anerkannt; aber es wurde mit dem bisher geltenden Grundsatz gebrochen, das nur Lutheraner zu den öffentlichen Ämtern zuzulassen seien; der Kurfürst setzte es durch, das er auch seine reformierten Glaubensgenossen, zu denen er mehr Vertrauen besaß, in Preußen anstellen durfte, so z. B. Mitglieder der Familie Dohna, die wegen ihres reformierten Bekenntnisses bisher von allen preußischen Landesämtern ausgeschlossen gewesen war. Die Oberräte wurden nun daran gewöhnt, in allen wichtigen Sachen an den Kurfürsten zu berichten; ihr früheres, fast ganz selbständiges Regiment hatte ein Ende. Auch zu den geforderten Geldbewilligungen ließen sich die Stände jetzt herbei. Die Oberstände bewilligten 180.000 Taler, die Städte Königsberg 100.000 Taler, die durch indirekte Steuern aufgebracht werden sollten.
Damit war dieser erste Konflikt beigelegt. Das Opfer wurde der gefangene Schöppenmeister Roth. Er wurde des Hoch- und Landesverrats angeklagt. Eine besonders gebildete Kommission, der die Untersuchung des Falles aufgetragen wurde, fand ihn schuldig, empfahl aber dem Kurfürsten, in Anbetracht der sehr verwickelten und unklaren Rechtslage, Gnade für Recht ergehen zu lassen. Der Kurfürst war auch dazu bereit, nur verlangte er, dass Roth ein förmliches Gnadengesuch einreichen müsse. Aber dazu hat sich der Steifnackige, von seinem Recht überzeugte Mann niemals zu entschließen vermocht; und so blieb er sein Leben lang als Staatsgefangener auf der Festung Peitz, wohin man ihn gebracht hatte, in nicht allzu strenger Haft; 1678 ist er dort gestorben; in Königsberg hat man ihn bald vergessen.
Ein zweites, noch verhängnisvolleres Warnungsexempel musste statuiert werden, als mit dem Jahre 1669 ein zweiter Konflikt mit den ostpreußischen Ständen ausbrach, diesmal über die Frage neuer Geldbewilligungen für militärische Zwecke. Die Stände weigerten sich jahrelang, die geforderten Summen zu bewilligen, und es entstand wieder eine sehr gespannte Lage, in der nun abermals eine einzelne Persönlichkeit als besonders unbequem und gefährlich den Blitzstrahl der kurfürstlichen Ungnade auf sich zog. Das war der ehemalige Oberst, erst in polnischem, dann in kurfürstlichem Dienst, Christian Ludwig von Kalckstein, ein typisches Beispiel der gefährlichen Zuchtlosigkeit und Widerspenstigkeit, in die ein Teil des ostpreußischen Adels durch den Zusammenhang mit Polen geraten war. Früher als Amtshauptmann von Oletzko wegen Unterschlagung abgesetzt, dann wegen Majestätsverbrechens verurteilt, war er nach Warschau geflüchtet und trat dort als Beschwerdeführer der ostpreußischen Stände, wozu er freilich keinen formellen Auftrag hatte, vor dem polnischen Reichstag auf, der sich mit den Verträgen von 1657 und 1660 noch keineswegs ganz abgefunden hatte. Er war mehr ein polternder Renommist (Definition von Renommist im Wörterbuch Deutsch Prahlhans, Aufschneider) als ein ernst zu nehmender Verschwörer, aber auf die Dauer erschien sein Treiben doch gefährlich, weil es durch die Verbindung mit Polen die Widerspenstigkeit des ostpreußischen Adels nährte. Da man sich in Warschau weigerte, ihn auszuliefern, so ließ ihn der brandenburgische Resident Eusebius von Brandt mit List und Gewalt aufheben und über die Grenze schaffen. Er wurde dann wegen Hochverrats vor Gericht gestellt und — gegen die Privilegien des preußischen Adels — auch dem peinlichen Verhör auf der Folter unterworfen, weil man seine Mitverschworenen kennen lernen wollte. Das Gericht sprach ihn des Todes schuldig und der Kurfürst bestätigte das Urteil. 1672 ist er zu Memel hingerichtet worden. Es war mehr eine politische Maßregel als ein Akt der Rechtspflege; es war ein warnendes Beispiel, das seine Wirkung nicht verfehlt hat. Die Hoffnungen, die die Adelsopposition auf Polen gesetzt hatte, zerrannen mehr und mehr; 1673 und 1674 wurden unbewilligte Steuern ausgeschrieben und durch militärische Exekution beigetrieben; 1674 kam zu diesem Zweck der General von Görtzke mit Truppen nach Königsberg, die er dort einquartierte. Das freie Willigungsrecht war damit im Grunde schon zerstört, die Permanenz der Steuer im Prinzip schon begründet. Damals (1674/1675) wurde das Kriegskommissariat zur Verwaltung der Steuern eingerichtet, das später (1684) als Kriegskammer erscheint. Auf einen tatkräftigen Widerstand stießen alle diese Maßregeln nicht mehr. Im Anschluss an den siegreichen Schwedenfeldzug von 1679 ist dann 1679 – 1681 der Abschluss der Reform erfolgt, die den Absolutismus an die Stelle des alten ständischen Regiments setzte.
In diesem Kampf mit den ostpreußischen Ständen, wie mit den Ständen überhaupt, war das formale Recht nicht immer auf Seiten der Regierung. Es war mehr ein Kampf um die Macht als um das Recht; es handelte sich um die Begründung eines neuen Rechtszustandes an Stelle des alten, der einer vergangenen Epoche des Staatslebens angehörte. Die Praxis der Regierung war dabei vielfach wichtiger als grundgesetzliche Bestimmungen. Seit der Krisis, die durch die Jahre 1673 und 1674 bezeichnet ist, hat der Kurfürst die Landtage, die man zu Steuerbewilligungen mehr nur der Form nach zu berufen fortfuhr, in der Regel nicht viel über 14 Tage beisammen gelassen. Es waren meist sog. „Konvokationen“, mit minder zahlreicher Vertretung der Ritterschaft, von der hier nur je ein Deputierter aus den Ämtern erschien. Über andere Gegenstände als die von der Regierung vorgelegten Steuerforderungen durfte überhaupt nicht mehr verhandelt werden. Der Kurfürst machte Gebrauch von dem sogenannten Jus complanandi, das ihm erlaubte, wo es sich um Bestimmung der Steuerart handelte, bei Uneinigkeit der Stände die Entscheidung zu geben, indem er das Votum eines von den drei Ständen durch seinen Beitritt gegenüber dem der beiden andern zur Geltung brachte; er war damit überall, wo es gelang, die ständische Opposition zu spalten, Städte und Adel in Gegensatz zueinander zu bringen, seiner Sache sicher. Er hat auch sonst, um Beschlüsse herbeizuführen, wie er sie haben wollte, Mittel nicht gescheut, wie sie etwa Richelieu gegenüber den französischen Provinzialständen angewandt hat. Er hat Mitglieder des Landtags, die ihm verdächtig und missliebig waren, von den Verhandlungen ausschließen lassen, er hat die Organisation des Adels in den Amtsversammlungen, ihren Zusammenhang mit den Landtagen, zu zerstören oder wenigstens unwirksam zu machen versucht: er verlangte von den Deputierten der Ritterschaft, dass sie die Instruktionen, die sie von den Amtsversammlungen bei der Wahl erhalten hatten, vorher an seine Landtagskommissarien einsenden sollten, um die schlimmsten Opponenten von vornherein ausschließen zu können; er verbot den Deputierten, nach Schluss des Landtages vor den Amtsversammlungen ihren Rechenschaftsbericht zu erstatten, um sie freier von den Wählern, ihren Standesgenossen, und leichter zugänglich für die Einflüsse der Regierung zu machen. Belohnungen oder Drohungen und Zurücksetzungen mussten zuweilen dazu dienen, einen oder den andern Deputierten zur Überschreitung seiner Vollmacht zu veranlassen. Das Indigenatsrecht, das im Prinzip anerkannt war, wurde in der Praxis dadurch unwirksam gemacht, das es in vielen Fällen gelang, die Stände zur Erteilung des Indigenats an Ausländer, die man anstellen wollte, willig zu machen. Schließlich hat sich der Kurfürst auch später nicht gescheut, Steuern ohne Bewilligung zu erheben, so z. B. 1681, wenn auch im Allgemeinen der Schein des Bewilligungsrechts noch aufrechterhalten wurde.
Das Steuerwesen zeigt in Preußen ein sehr unklares und verworrenes Bild. Anfänglich gab es dort eine allgemeine Akzise, die zur Zeit des schwedisch polnischen Krieges (1656) eingeführt war, die also das platte Land ebenso wie die Städte traf. Hier war gerade der Adel immer für eine solche Landakzise und die Städte, namentlich Königsberg, dagegen. Der Grund lag darin, dass der Adel hier seit den Ordenszeiten niemals ganz steuerfrei gewesen war und dass eine allgemeine Akzise die größeren Städte viel stärker belastete als das Land. Die Bewilligungen der Oberstände und der Städte geschahen auch nach 1663 anfangs noch gemeinsam, aber immer nur für kurze Zeit. Die Stände scheuten nichts so sehr wie die Observanz, die aus fortgesetzten gleichmäßigen Bewilligungen entstehen konnte. Sie bewilligten nicht einmal für ein ganzes Jahr, sondern meist nur für einzelne Monate, für einzelne, besondere Bedürfnisse. Man hat den Eindruck, dass sie mit Fleiß die Steuerarten abwechseln lassen: Hufenschoß, Horn- und Klauenschoß, Generalakzise, Spezialakzise auf einzelne Verbrauchsgegenstände, Kopfsteuern usw. Es ist ein Chaos, in dem die Regellosigkeit als Prinzip hervortritt.
Eine wesentliche Veränderung des Zustandes erfolgte im Jahre 1680, wo es gelang, die Trennung Königsbergs von den übrigen ständischen Körperschaften im Steuerwesen herbeizuführen. Seit dieser Zeit steuerte das platte Land mit Einschluss der kleinen Städte nach dem Modus des sog. Hufenschoßes, der im Wesentlichen eine Grundsteuer war, die Städte Königsberg dagegen nach dem Modus der Akzise. Damit war auch hier das gemeinsame Interesse aller Stände an den Landtagsbewilligungen verschwunden, und die völlige „Separation“ Königsbergs vom Landtage, die nun seit 1681 eintrat, schwächte dessen politische Bedeutung ganz außerordentlich und wurde von den Oberständen oft beklagt; sie blieb aber dauernd bestehen. Diese Trennung bezog sich auch auf die Steuerverwaltung, die ja von alters her in den Händen der Stände selbst lag. Königsberg lieferte sein Kontingent direkt an die kurfürstliche Kasse, ohne dass es durch die Verwaltung des ständischen Landkastens ging. Die Akzise blieb in Königsberg noch lange Zeit hindurch Kommunalsache; erst 1708 ist sie in königliche Verwaltung überführt worden. Den ständischen Landkasten hat der Kurfürst 1681 aufgehoben; es war seine Absicht, an Stelle der ständischen eine rein fürstliche Steuerverwaltung einzuführen. Doch ist das zunächst noch nicht von Dauer gewesen: Friedrich III. hat die ständische Steuerverwaltung wiederhergestellt; erst unter Friedrich Wilhelm I. ist sie endgültig beseitigt worden. Die kleinen Städte nahmen anfangs an der Besteuerungsart des platten Landes teil; aber im Jahre 1687 hat der Kurfürst auch sie von dem Adel getrennt und ihnen die Akzise nach dem Muster von Königsberg auferlegt. Dabei ist es dann später nach manchen Schwankungen auch geblieben, so dass das Schlussresultat hier das Gleiche gewesen ist wie in der Kurmark: Akzise in den Städten, und zwar Akzise nach kurmärkischer Art, mit Torkontrolle; Grundsteuer auf dem platten Lande. Eine Reform des Hufenschoßes, von dem hier also der Adel nicht prinzipiell befreit war, wäre sehr notwendig gewesen, weil die Veranlagung zu dieser Steuer sehr ungleichmäßig war und viele Hufen dabei „verschwiegen“ wurden. Der Kurfürst hat sie auch versucht, er ist aber damit noch nicht durchgedrungen. Auch hier ist die Erreichung des von ihm aufgestellten Ziels erst unter Friedrich Wilhelm I. gelungen. Die Steuern des platten Landes mussten während der Regierungszeit des Großen Kurfürsten noch immer von den Landtagen bewilligt werden. Dabei setzte sich eine bestimmte Höhe allmählich gewohnheitsmäßig fest, und man sah die Steuer schließlich als eine feststehende Leistung an. Der Landtag von 1704 ist der letzte gewesen, der Steuern bewilligt hat; seit 1705 wurden sie einfach ohne Bewilligung in beständig gleicher Höhe forterhoben. Auch in Preußen gab es fortan nur noch Huldigungslandtage.
In den übrigen Landen des Kurfürsten ist es zu ernsteren Konflikten mit den Ständen nicht gekommen. Die Angliederung von Hinterpommern vollzog sich unmittelbar nach dem Stettiner Rezess von 1653 ziemlich glatt; die Regimentsordnung von 1654, die eine neue Verwaltungsorganisation schuf, enthielt auch eine Bestätigung der ständischen Privilegien. An dauernde Kontributionsbewilligungen hatte sich das Land schon in der schwedischen Zeit gewöhnt; die Landtage waren schon abgekommen; die „Landstube“ in Stargard (der Hauptstadt des preußischen Pommern bis zur Erwerbung von Stettin 1721) bestand aus einer Versammlung der „Landräte“, die die Kreise vertraten. Auch in Minden und Ravensberg sowie in Halberstadt fügten sich die Stände bald in die Anforderungen der neuen Regierung. Das Herzogtum Magdeburg sollte — so war im Westfälischen Frieden bestimmt worden — bis zum Tode des sächsischen Prinzen August, der während des Krieges dort eingesetzt worden war, noch in dessen Besitz bleiben. Anders aber verhielt es sich mit der Stadt Magdeburg, die sich dem Territorialverbande des Erzstifts mehr und mehr entzogen hatte und eine reichsunmittelbare Stellung anstrebte. Der Kurfürst hatte durch den Westfälischen Frieden ein Recht darauf erworben, das die Stadt ihm die Erbhuldigung leistete; er verlangte außerdem, dass sie eine brandenburgische Garnison aufnehmen sollte, die seine Interessen an dieser wichtigen Stelle wahrnehmen konnte. Beides verweigerte die Stadt; und so ergriff der Kurfürst im Jahre 1666 eine günstige Gelegenheit, um seine Forderungen mit Gewalt durchzusetzen. Er hatte eben damals eine ansehnliche Truppenmacht versammelt, um durch eine bewaffnete Demonstration den unruhigen und kriegslustigen Bischof von Münster, Bernhard von Galen, von einer Unternehmung gegen die eben damals mit England in einen Krieg verwickelten Niederlande abzuhalten. Nachdem dieser Zweck erreicht war, zog er mit den Truppen vor Magdeburg und wiederholte seine Forderungen. Auf einen bewaffneten Widerstand aber wollte es die Stadt nicht ankommen lassen. Sie gab in den Verhandlungen, die zu Kloster Berge eröffnet wurden, nach: die Erbhuldigung wurde geleistet, brandenburgische Truppen besetzten die Zitadelle. Dieser Vergleich von Kloster Berge (28. Mai 1666), der obenan die Unterschrift des berühmten Bürgermeisters Otto Guericke trägt, des Erfinders der Luftpumpe, war für den Kurfürsten ein großer Erfolg, wegen der hervorragenden Wichtigkeit, die Magdeburg als Festung wie als Handelsplatz besaß; zugleich war dadurch auch die Nachfolge in dem übrigen Lande gesichert, die sonst unter Umständen noch hätte Schwierigkeiten machen können. Sie hat sich nach dem Tode des Prinzen August (1680) ganz glatt vollzogen; auch mit den Ständen, die hier nur noch durch Ausschüsse vertreten waren, ist es nicht zu Konflikten gekommen. Es bestand hier eine ähnliche ständische Schulden- und Steuerverwaltung wie in der Mark Brandenburg; und anders als dort waren ihr auch die neuen Kriegssteuern anheimgefallen. Ein engerer Ausschuss der Stände führte die Verwaltung, ein größerer Ausschuss die Aufsicht darüber. Das kurfürstliche Interesse wurde hier wie anderswo durch einen Ober-Kriegskommissarius vertreten.
An der Spitze aller dieser Länder, die, noch weit entfernt von administrativer Zentralisation, jedes seine besondere Verfassung und Verwaltung hatte, stand in der Regel ein Statthalter des Kurfürsten mit einer kollegialischen Behörde, die zugleich für Justiz und Verwaltung zuständig war, der „Regierung“; in Ostpreußen nahm das Kollegium der „Oberräte“ die Stelle der Regierung ein, in der Kurmark der Geheime Rat, der sich nun zugleich zur Zentralbehörde der ganzen Ländermasse entwickelte. Der Geheime Rat ist eigentlich erst unter dem Großen Kurfürsten zu einer über die Mark Brandenburg hinausreichenden Wirksamkeit gelangt. Die Ordnung von 1651, die eine feste Departementsverteilung unter den Räten bezweckte, zeigt schon die Zuständigkeit der Behörde in allen Ländern, die sich nun allmählich zu Provinzen eines Gesamtstaats umbildeten. Von großer Bedeutung dafür war vor allem die seit 1651 angebahnte, aber durch große Schwierigkeiten gehemmte, nur langsam und nicht ohne manche Rückschläge fortschreitende Zentralisierung der Finanzverwaltung. Am ersten ist sie auf dem Gebiet der Steuerverwaltung gelungen. Die Steuern, direkte wie indirekte, waren ja „Kriegsgefälle“, ausschließlich bestimmt zur Unterhaltung des Heeres. Die Einheit des Heeres zog auch die Einheit der Steuerverwaltung nach sich. Sie stellt sich namentlich in der Institution der Kriegskommissarien dar, die in mannigfaltiger Gestalt an allen wichtigen Punkten des Staatsgebiets die Interessen des neuen monarchischen Militärstaats wahrzunehmen haben: als „Kriegs- und Steuerkommissarien“ („Commissarii locorum“) in den Städten seit Einführung der Akzise, als „Kreiskommissarien“, „Marschkommissarien“, auch „Ämterkommissarien“ auf dem platten Lande, als „Oberkriegskommissarien“ an der Spitze der Provinzen, in Fühlung mit den ständischen Steuerverwaltungsorganen, in manchen Provinzen, wie in Ostpreußen und Cleve-Mark, auch schon in kollegialischer Organisation als „Kriegskammer“ oder „Kriegskommissariat“, bereit, den Ständen das Steuerwesen ganz aus den Händen zu nehmen, wie das ja in Ostpreußen vorübergehend bereits geschehen ist; endlich in der Zentralinstanz der General-Kriegskommissarius, der noch dem obersten Truppenkommandeur, General oder Feldmarschall, unterstellt, aber Mitglied des Geheimen Rates ist und seit 1674 eine General-Kriegskasse unter sich hat, in die die Überschüsse der provinziellen Obersteuerkassen abgeliefert werden. In diesen Beamten ist die Aufsicht über die Steuerverwaltung, die ja an den meisten Stellen noch in den Händen ständischer Organe lag, verbunden mit den Geschäften der militärischen Intendanturverwaltung. Ihre Bedeutung für das bürgerliche Leben wurde aber immer grösser, namentlich in den Städten, wo sie für den wirtschaftlichen Fortschritt und den Wohlstand der Bevölkerung, von dem ja das Steigen der Akziseeinkünfte abhing, verantwortlich gemacht wurden. So kam es, dass die wirtschaftliche Verwaltung und überhaupt alles, was man damals in dem sehr weit gespannten Begriff der „Polizei“ zusammenfasste, mehr und mehr in die Hände der Kommissariatsbehörden geriet oder durch ihre Wirksamkeit erst reicher entwickelt wurde.
Diese Kommissariatsbehörden, die den vorwärtsstrebenden Geist des Militärstaates recht eigentlich darstellen, haben sich früh von den Provinzialregierungen abgesondert und zu einem über das ganze Staatsgebiet hin verbreiteten Organismus zusammengeschlossen, durch den die Zentralinstanz, der General-Kriegskommissarius als Mitglied des Geheimen Rates, durchgreifender als auf anderen Verwaltungsgebieten im Sinne einer zentralisierten Verwaltung wirken konnte. Schwerer und langsamer ist die Zentralisation auf dem Gebiet der Domänenverwaltung, mit der auch die landesherrliche Regalienverwaltung verbunden war, gelungen. Es bedurfte hier erst der Schuldentilgung, der Einlösung verpfändeter Domänenstücke, der Verwandlung des alten naturalwirtschaftlichen Administrationssystems in ein modernes geldwirtschaftliches Pachtsystem, um einigermaßen übersehbare Zustände zu schaffen, die rechnungsmäßig erfasst und einer rationellen, mit festen jährlichen Voranschlägen („Etats“) arbeitenden Finanzgebarung unterworfen werden konnten. Dazu kam der passive Widerstand des partikularistischen Geistes der Provinzen, der sich nicht nur in den ständischen Vertretungskörpern, sondern auch in den landesherrlichen Behörden, den „Regierungen“ regte, und der sich anfänglich gar nicht von der alten Vorstellung losmachen konnte, das die Einkünfte des einzelnen Landes nur für dieses Land selbst und nicht für außerhalb desselben liegende Zwecke Verwendung finden dürften. Darum bedurfte es zugleich einer Loslösung der Provinzialbehörden für die Domänen- und Regalienverwaltung, der „Amtskammern“, von den Provinzialregierungen und ihrer Zusammenfassung unter einer ähnlichen Zentralbehörde, wie sie der General-Kriegskommissar darstellte. Das doppelte Ziel der Verwaltungsreform, dem man zustrebte, tritt denn auch schon unter der Regierung des Großen Kurfürsten deutlich hervor: einmal diese Zentralisation der Domänen-Verwaltungsbehörden und zweitens die Herstellung einer rechnungsmäßigen Übersicht über das Einkommen aus allen Provinzen und die Aufstellung eines ordentlichen Etats. Die Einführung des Pachtsystems ging damit Hand in Hand. Aber die Erreichung dieser Ziele ist unter der Regierung Friedrich Wilhelms noch nicht gelungen. Weder das Kollegium der „Staatskammerräte“, das 1651 bestellt wurde, noch die einzelnen Männer, die später mit dem Titel eines Hofkammerpräsidenten an die Spitze der Domänenverwaltung gestellt wurden, Raban von Canstein, Bodo von Gladebeck u. a., haben die schwierige Aufgabe zu lösen vermocht. Es bedurfte dazu erst eines so eminenten Verwaltungstalents, wie es der Freiherr Dodo von Knyphausen besaß, der 1683 als Hofkammerpräsident seine Wirksamkeit begann. Aber die Früchte seiner Verwaltung kamen erst unter dem Nachfolger Friedrich Wilhelms zur Reife; wir werden später noch davon zu sprechen haben. Nur ein Bedürfnis trat so dringend hervor, das es Befriedigung erlangte: das war die finanzielle Sicherstellung des Hofhalts, der mit dem, was man später Staatshaushalt nannte, bis dahin noch immer eng zusammenhing. Dieser Zusammenhang wurde auch jetzt noch nicht grundsätzlich aufgelöst; aber im Jahre 1673 wurde eine besondere Kasse begründet, in der gewisse ausgesonderte Domäneneinkünfte in Höhe von 300.000 Talern jährlich gesammelt und aufbewahrt wurden, um lediglich dem Zwecke zu dienen, die Mittel für den Hofhalt bereitzustellen, damit man nicht, wie es vordem wohl geschehen war, in Not und Verlegenheit geriet. Aus dieser Institution hat sich dann später (unter Friedrich Wilhelm I.) eine völlige Trennung von Hofhalt und Staatshaushalt entwickelt.
Neben der Finanzverwaltung und eng verbunden mit ihr steht in der Regierung des Kurfürsten die Heeresverwaltung an erster Stelle. Das Stehende Heer ist geradezu zum Rückgrat der ganzen inneren Verwaltung geworden, weil die Verwaltung zunächst und vor allem darauf gerichtet war, die finanziellen Mittel zur Unterhaltung des Heeres herbeizuschaffen und diese Unterhaltung selbst so zu regeln, das die bürgerliche Gesellschaft dabei bestehen konnte.
Mit dem Heer selbst und seiner Verfassung ist in den Zeiten des Großen Kurfürsten eine tiefgreifende Umwandlung vor sich gegangen, ganz ähnlich wie es damals in Frankreich durch Lonvois geschehen ist. Man kann diese Umwandlung bezeichnen als eine Verstaatlichung der Soldateska des Dreißigjährigen Krieges. Die Heere beruhten ja damals noch nicht auf Staatlichen Ordnungen, sondern auf Privatunternehmung, nach dem System der italienischen condotteria. Ein großer Truppenführer (Condottiere) wie Wallenstein oder auch einzelne Kriegsobersten stellten ganze Heere oder einzelne Regimenter auf und vermieteten sie sozusagen an die Fürsten, die Krieg führten. Es war eine kriegerisch-finanzielle Geschäftsunternehmung, bei der vor allem verdient werden sollte und bei der der fürstliche Kriegsherr oft genug von den Truppenführern übervorteilt und hinters Licht geführt wurde; die Fürsten hielten daher Musterkommissare, die den Obersten auf die Finger sehen mussten, ob die Regimenter komplett waren, ob nicht Strohmänner und unbrauchbare Leute sich darunter befanden. Es ist dies nur eine der vielfachen Erscheinungsformen der Kriegskommissare.
Nachdem nun das Heer ein Stehendes geworden war, wurde es eigentlich erst recht eine Staatliche Einrichtung. Der Kurfürst stellte nun selbst die Regimenter auf; er ernannte auch die Obersten, die sie kommandierten; aber die Obersten fuhren noch lange fort, die Regimentsoffiziere nach ihrem Belieben zu ernennen; und die Ergänzung der Mannschaften erfolgte durch die Kapitäne, die die Kompagnien führten. Das Offizierskorps war noch durchaus nicht das, was wir heute darunter verstehen; es fehlte noch das dienstliche Pflichtgefühl, die monarchische Gesinnung, der kameradschaftliche Standesgeist und vor allem die strenge Disziplin. Die Obersten selbst waren vielfach unbotmäßig, da sie immer noch auf Grund einer Kapitulation, d. h. eines spezialisierten Vertrags, angestellt wurden. Erst allmählich wurden sie dahin gebracht, sich in größere militärische Verbände einzuordnen und einen General oder Feldmarschall als ihren Vorgesetzten zu betrachten. Die unteren Offiziere aber waren mehr Privatangestellte der Obersten als Staatsdiener. Erst sehr allmählich und noch nicht vollkommen ist es dem Kurfürsten gelungen, die Ernennung der Offiziere in seine Hand zu bringen und hohe wie niedere Offiziere daran zu gewöhnen, seinen Befehlen ohne weiteres zu folgen. Ein Offizierskorps im modernen Sinne hat vor Friedrich Wilhelm I. noch nicht bestanden.
Die Ergänzung der Mannschaften beruhte noch auf dem herkömmlichen Prinzip der freien Werbung. Der Kurfürst hat zwar in der Not des schwedischen Krieges 1657 einmal den Plan erwogen, eine allgemeine Bewaffnung des Landvolkes vorzunehmen, doch ist daraus nichts geworden. Mit der ostpreußischen Bauernmiliz, den sog. Wibranzen, hat er in dem Kriege keine guten Erfahrungen gemacht. Der Gedanke eines „Defensionswerks“ von milizartigem Anstrich und unter ständischem Einfluss, wie er früher, zu Anfang des großen Krieges in der Mark aufgetaucht und in Ostpreußen auch zeitweise verwirklicht worden war, trat ganz zurück. Die Armee wurde von vornherein lediglich ein Instrument des Monarchen, das zwar aus den Mitteln des Landes erhalten wurde, auf das aber den Landständen keinerlei Einfluss eingeräumt war.
Die Stärke der Armee war unter dem Großen Kurfürsten noch eine sehr wechselnde, je nachdem Krieg oder Frieden war. Im Frieden wurde „reduziert“; kam es zum Kriege, so wurden neue Regimenter aufgestellt und die Armee verdoppelt und verdreifacht. Feste Stämme, die in Kriegszeiten nur ausgefüllt zu werden brauchten, gab es in Friedenszeiten noch nicht. Nach dem politischen Testament von 1667 scheint es sogar, als habe der Kurfürst damals gemeint, mit den Truppen auskommen zu können, die die Festungsbesatzungen bildeten. Er veranschlagte sie im Frieden auf etwa 7.000 Mann, im Kriege auf 15.000. Tatsächlich hat er aber später in Kriegszeiten erheblich mehr Truppen zur Verfügung gehabt, zuletzt etwa 30.000 Mann. Das war für seine Lande schon eine sehr bedeutende Macht, und ihre Unterhaltung hat nicht vollständig aus den Mitteln der Lande selbst bestritten werden können. Es ist eine sehr wichtige Tatsache, dass der große Kurfürst noch nicht imstande gewesen ist, die große Armee, die er brauchte, ganz aus eigenen Mitteln zu erhalten und einen längeren Krieg aus eigenen Mitteln zu führen. Er bedurfte dazu der Subsidien fremder Mächte, der Niederländer, der Spanier, Frankreichs, Österreichs. Das muss man in Erwägung ziehen, wenn man die auswärtige Politik Friedrich Wilhelms richtig beurteilen will. Das Bedürfnis nach Allianzen mit Subsidien Traktaten findet darin seine Erklärung; ebenso die geringe Rücksicht, die bei den Friedensschlüssen auf Brandenburg genommen wurde, trotz erheblicher militärischer Leistungen. Die Armee, das Instrument der neuen Machtpolitik, musste ihren Lebensunterhalt sozusagen selbst erwerben, und es verdient Bewunderung, dass sie trotzdem vom Großen Kurfürsten doch überwiegend nur in wirklich brandenburgischem Interesse verwandt worden ist — anders als unter dem Nachfolger, wo die allgemeine Lage dieselbe blieb. Der Gedanke der Macht war also eher da, als das Vermögen, die Machtmittel hervorzubringen; er ist das eigentliche Lebensprinzip des preußischen Staates geworden. Der Staat hat erst langsam in die Rüstung hineinwachsen müssen, die er sich angelegt hatte. Es bedurfte einer gewaltigen nachholenden Kulturarbeit, um die wirtschaftlichen Kräfte Preußens auf die Stufe seiner politischen Macht emporzubringen und sie den schweren Lasten, welche die Machtstellung mit sich brachte, einigermaßen anzupassen.