6.3 Im Kampfe mit Ludwig XIV.
Seit dem Pyrenäenfrieden (1659) ist die politische Lage Europas durch das entschiedene Übergewicht Frankreichs gekennzeichnet, das als der erste geschlossene Großstaat, als die erste Militärmacht der Welt mit dem Beginn der Selbstregierung Ludwigs XIV. (1661) in eine neue, an Macht und Glanz alle andern Staaten überstrahlende Epoche seiner Geschichte eintrat. In den folgenden Jahrzehnten hat jede von den Mächten Europas zu Frankreich Stellung nehmen müssen, sei es, das sie sich vor seiner Übermacht beugte oder sie zu bekämpfen versuchte. Es ist bekannt, wie übel in diesem Zeitalter Ludwigs XIV. das Deutsche Reich die erste große Probe auf das politische System des Westfälischen Friedens bestanden hat: der letzte Rest einer einheitlichen politischen Betätigung des deutschen Volkes ist damals in den großen Fragen der europäischen Politik verloren gegangen. Auch der Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg hat trotz des lebendigen Gefühls für die Ehre des deutschen Namens nicht eigentlich als deutscher, sondern als europäischer Fürst seine Stellung genommen; als ein nationaler Held im Sinne eines selbstlosen Vorkämpfers deutscher Reichsinteressen gegen das Frankreich Ludwigs XIV. kann er nicht aufgefasst werden; auch in diesen Verwicklungen war das Interesse seines Hauses und Staates der Leitstern seiner beweglichen, den veränderten Verhältnissen der Weltlage sich anpassenden Politik. Er hatte bei der Wahl Kaiser Leopolds, als der Rheinbund gegründet wurde, zu den entschiedenen Gegnern des französischen Einflusses im Reiche gehört; aber auf die Dauer fand er es doch nicht vorteilhaft, außer aller Verbindung mit der maßgebenden europäischen Macht zu bleiben; 1665 ist er dem unter Frankreichs Protektion stehenden Bunde beigetreten, aber nicht um den Einfluss Frankreichs in den deutschen Angelegenheiten zu verstärken, sondern eher um ihn zu vermindern: denn je mehr Fürsten dem Rheinbund beitraten, desto lockerer wurde sein innerer Zusammenhang, desto unzuverlässiger erwies er sich als Instrument der französischen Politik. Die beständig drohende Gefahr einer Einmischung Frankreichs in die deutschen Angelegenheiten hat der Kurfürst eben damals zu verhüten gesucht: sein Auftreten gegen den Bischof von Münster im Jahre 1665, den er von dem Angriff auf die Niederlande abhielt, hing namentlich mit der Befürchtung zusammen, das Frankreich, damals mit den Niederlanden befreundet, im Fall eines solchen Angriffs seine Truppen in die rheinisch-westfälischen Lande würde einrücken lassen. Übrigens sehen wir den Kurfürsten damals wie mit Frankreich so auch mit Österreich im Bunde: das Bündnis mit dem Kaiser von 1658 ist 1666 erneuert worden. Die endgültige Auseinandersetzung mit Pfalz-Neuburg (1666) war der Anfang zu einem freundschaftlichen Verhältnis mit diesem lange bekämpften Nachbarn; der Kurfürst wusste sehr wohl, dass weder der Kaiser noch Frankreich ihm einen größeren Besitz am Niederrhein gönnen werde. In demselben Zeitpunkt (1660) sehen wir Brandenburg zugleich im Bündnis mit Schweden wie mit Dänemark, mit den Niederlanden wie mit England. Auf alle diese Bündnisse kommt nicht viel an; keines von ihnen hat große politische Wirkungen gehabt. Aber in ihrer Gesamtheit zeigen sie doch die damalige Tendenz der brandenburgischen Politik: nämlich die, mit allen Mächten gut zu stehen, an keine sich ausschließlich zu binden, in der Mitte zwischen den großen Mächten eine selbständige Haltung einzunehmen, freie Hand zu behalten, um dann je nach den Konjunkturen sich entscheiden und handeln zu können. In seinem politischen Testament von 1667 hat der Kurfürst es geradezu als die Aufgabe der brandenburgischen Politik bezeichnet, die Balance zu halten zwischen dem Kaiser und Spanien auf der einen, Frankreich und Schweden auf der andern Seite; die Sicherung der evangelischen Glaubensfreiheit und der fürstlichen Selbstständigkeit erscheint dabei als das unverrückbare Ziel; in dieser Haltung hoffte der Kurfürst seine Macht am leichtesten vermehren zu können.
Die politische Windstille dieser Jahre nahm ein Ende, als Ludwig XIV. im Frühjahr 1667 den Versuch machte, die niederländischen Provinzen Spaniens auf Grund des sogenannten Devolutionsrechts in seine Hand zu bringen. Die allgemeine Empörung, die darüber im Reiche wie in ganz Europa sich erhob, hat auch den Bestand des Rheinbundes erschüttert; man begann den Gedanken einer großen Koalition gegen Ludwig XIV. zu fassen. Der publizistische Vorkämpfer dieses Planes war damals der österreichische Gesandte im Haag, Franz von Lisola, der Vermittler des Wehlauer Vertrags. Seine berühmte Flugschrift: „Le bouclier d’ Etat et de Justice“ forderte zu einem Zusammenschluss aller Mächte gegen Frankreich auf, das die Freiheit Europas bedrohe. In dieser Bahn hat sich nun auch die Politik des brandenburgischen Kurfürsten für eine Zeitlang bewegt. Er machte den Versuch, eine Koalition gegen Frankreich zustande zu bringen. Kaiser und Reich, Spanien und die Niederlande sollten sich nach seiner Absicht gegen Ludwig XIV. vereinigen. An allen diesen Höfen hat er für einen solchen Plan werben lassen; aber überall ohne Erfolg: die französische Diplomatie hatte es zu gut verstanden, die Höfe an das Interesse Frankreichs zu fesseln.
Für den Kurfürsten stand bei diesen Bemühungen ein ganz besonderes politisches Interesse im Vordergrund. Eben damals machte die französische Diplomatie die lebhaftesten Anstrengungen, um in Polen, wo Johann Kasimir soeben die Krone niedergelegt hatte, einem französischen Thronbewerber, dem Prinzen Condé, die Nachfolge zu verschaffen. Das war eine sehr gefährliche Aussicht für den brandenburgischen Kurfürsten. Ein tatkräftiger französischer Prinz auf dem polnischen Thron, zusammenwirkend mit dem französischen Einfluss von Westen her, hätte die Machtstellung des Hauses Brandenburg gleichsam zwischen zwei Feuer bringen und namentlich auch der Souveränität in Preußen gefährlich werden können. Durch ein Zugeständnis in dieser Angelegenheit hat es nun Ludwig XIV. verstanden, die brandenburgische Politik in eine andere Richtung zu lenken. Sein Gesandter Vaubrun machte in Berlin das Anerbieten, dass man die französische Kandidatur in Polen fallen lassen wolle, wenn der Kurfürst sich dagegen zur Neutralität in dem bevorstehenden Devolutionskriege verpflichten werde. Auf diese Bedingungen wurde in der Tat am 15. Dezember 1667 ein Vertrag zwischen dem Kurfürsten und Ludwig XIV. geschlossen. In Polen ist dann nach längerem Wahlkampf ein eingeborener Edelmann, Michael Wiesnowiecki, zum König gewählt worden, dessen schwache Regierung den Interessen Brandenburgs förderlich war. Infolge seines Neutralitätsvertrages mit Frankreich ist der Kurfürst auch dem protestantischen Dreibund (Niederlande, England, Schweden) ferngeblieben, der 1668 Ludwig XIV. zwang, von dem Plan einer Eroberung der spanischen Niederlande Abstand zu nehmen. Er verpflichtete sich sogar in einem neuen ganz geheimen Vertrage mit dem französischen Könige, der am 31. Dezember 1669 abgeschlossen wurde und zunächst auf zehn Jahre gelten sollte, seinem Verbündeten nach dem Tode des Königs von Spanien zur Erwerbung der spanischen Niederlande mit einem Hilfskorps von 10.000 Mann, womöglich unter seiner persönlichen Führung, beizustehen, wogegen Frankreich Subsidienzahlungen von 40.000 Talern jährlich samt Werbegeldern für den Kriegsfall zu zahlen versprach und außerdem die Erwerbung eines Cleve benachbarten Stückes von Geldern dem Kurfürsten in Aussicht stellte. So hatte sich also der Kurfürst insgeheim schon an Frankreich angeschlossen, und Ludwig XIV. hoffte ihn auch zum Verbündeten in dem Kriege gegen die Republik der Niederlande zu gewinnen, die als der eigentliche Herd des Widerstandes gegen seine belgischen Pläne nun das nächste Ziel seiner Angriffspolitik wurde und, verlassen von ihren früheren Verbündeten, England und Schweden, allein der Rache des übermächtigen Nachbarn preisgegeben zu sein schien. Kurköln, das bereits von Ludwig XIV. für ein Bündnis gegen die Niederlande gewonnen worden war, übernahm die Vermittlung. Der kurkölnische Minister Wilhelm von Fürstenberg kam in geheimer Sendung nach Berlin und schlug für den Fall des Anschlusses von Brandenburg eine Teilung der Niederlande vor, bei der der Kurfürst ein paar Grenzprovinzen erhalten sollte. Der Kurfürst hat lange geschwankt. Er dachte erst an eine Vermittlung zwischen Frankreich und den Niederlanden; aber die Berichte seines Gesandten in Versailles, v. Krockow, ließen keinen Zweifel, dass der Krieg gegen die Niederlande dort beschlossene Sache war. Die Entscheidung ist dem Kurfürsten sehr schwer geworden. Sicherlich hätte er im Bunde mit Frankreich seine eigenen nächsten Interessen bedeutend fördern können. Er hatte durchaus keinen Anlass, sich für die Niederländer aufzuopfern; im Gegenteil, er hatte Unbill genug von ihnen erfahren. Mit der Hoefiiserschen Schuld, die mit Zins und Zinseszins zu einer enormen Höhe angewachsen war, hatten sie ihn in geradezu wucherischer Weise geplagt. Sie hatten sich noch immer geweigert, die clevischen Festungen, die sie, zum Teil als Bürgschaft für diese Schuld, besetzt hielten, zu räumen. Sie waren in beständiger Verbindung mit den unzufriedenen Elementen im Lande geblieben. Das alles stellten dem Kurfürsten die französischen Gesandten vor, die nun zu unmittelbaren Verhandlungen nach Berlin kamen, erst Verjus, dann Guiche. Es war eine verlockende Aussicht, den Druck der niederländischen Nachbarschaft loszuwerden, die clevischen Festungen wiederzubekommen, vielleicht ein Stück der Niederlande dazu; und in der Subsidienfrage, die von großer Bedeutung war, erwiesen sich die Franzosen splendider (splendid = gebefreudig) und gefälliger, als die krämerhaften Unterhändler der Republik. Aber andererseits lag doch in der Verwirklichung der französischen Pläne eine ungeheure Gefahr. Wenn die Republik der Niederlande vernichtet wurde, wenn der französische Militärstaat Ludwigs XIV. in Cleve der unmittelbare Nachbar des Kurfürsten wurde — wer sollte ihn denn vor dem gleichen Schicksal der Vergewaltigung schützen, das jetzt den Niederländern bereitet wurde? Das Streben nach dem linken Rheinufer begann damals in der französischen Politik bereits deutlich hervorzutreten. Mit der Republik der Vereinigten Niederlande wäre das letzte Bollwerk gefallen, das dem französischen König damals noch auf dem Kontinent wie auf den Meeren entgegentrat. Die Alleinherrschaft Frankreichs wäre dann schwer abzuwenden gewesen, und mit der Freiheit des Handels wären auch die Handels- und Seemachtspläne des brandenburgischen Kurfürsten im Keime erstickt worden. „Mit der Republik“ — so hat er damals geäußert — „leben und sterben die Kommerzien“, und ein andermal: „sei Holland gefallen, so sehe er die Zeit kommen, wo Ludwig XIV. deutsche Fürsten in die Bastille werfen würde wie seine französischen Grandseigneurs.“ Am schwersten aber wogen wohl die konfessionellen Bedenken. Ludwig XIV. hatte kein Hehl daraus gemacht, das der katholischen Kirche wiedergewonnen werden sollte, was ihr in den ketzerischen Niederlanden entrissen worden war. Die Tendenzen katholischer Restauration verbanden sich mit den Plänen französischer Machtausdehnung. Und wo fanden diese Tendenzen damals in der Welt noch wirksamen Widerstand? In England drohte das Königtum der Stuarts im Bunde mit Frankreich den Katholizismus wiederherzustellen; das protestantische Schweden stand wieder im Solde Frankreichs. Am Kaiserhofe, bei den meisten Reichsfürsten herrschten dieselben katholischen Restaurationsbestrebungen. Der Untergang der niederländischen Republik wäre in diesem Zeitpunkt ein unverwindbarer Schlag gegen die politische Stellung der Protestanten in ganz Europa gewesen. Diese Erwägungen sind schließlich für den Kurfürsten ausschlaggebend gewesen, allerdings erst nach langem schwanken und Verhandeln. Wie immer in solchen kritischen Zeiten spalteten sich damals der Hof und der Geheime Rat in zwei Parteien, die sich untereinander auf das gehässigste befehdeten. Die meisten Räte, an ihrer Spitze Otto von Schwerin, waren für den Anschluss an Frankreich. Sie sahen in Frankreich die aufsteigende Macht, der man doch keinen Einhalt gebieten könne, und wollten, das Brandenburg versuchen sollte, in Verbindung mit dieser Macht selbst größer und mächtiger zu werden. Dagegen waren die Militärs, die Feldmarschälle Derfflinger, Sparr und andere für die Niederlande, für den Krieg gegen Frankreich. Selbst im Familienkreise des Kurfürsten machte sich die Spaltung bemerklich. Sein Schwager, der Fürst Johann Georg von Anhalt (der erste Anhaltiner im Dienst des Hauses Brandenburg), gehörte zu der hollandfreundlichen Militärpartei; seine zweite Gemahlin, Dorothea, eine geborene Herzogin von Holstein, verwitwete Herzogin von Braunschweig, stand auf der französischen Seite. Sie war nicht eigentlich eine politische Frau; aber an den Intrigen des Hofes ist sie doch immer stark beteiligt gewesen; und man glaubte, dass sie zuzeiten einen maßgebenden Einfluss auf ihren Gemahl auszuüben vermöge; deswegen lag den fremden Gesandten immer viel daran, sie zu gewinnen.
Der Kurfürst selbst hat wohl eine Zeitlang daran gedacht, neutral zu bleiben und eine abwartende Stellung einzunehmen, in starker Rüstung bereit zustehen, um sich dann zuletzt der Partei anzuschließen, die das Übergewicht erlangen würde. Aber endlich überwogen doch die Beweggründe, die für die niederländische Partei sprachen, obwohl die Abneigung vor den niederländischen Staatsmännern, den republikanischen „Regenten“, diesen Repräsentanten der Kaufmannsaristrokratie und geschworenen Gegnern der Oranier, bei ihm immer wieder zum Durchbruch kam. Erst am 6. Mai 1672 ist — nach langen Unterhandlungen — der Bündnisvertrag mit Mynheer van Amerongen abgeschlossen worden. Der Kurfürst verpflichtete sich, den Niederlanden im Falle eines Angriffs mit einer Armee von 20.000 Mann, Fußvolk, Reiterei und Artillerie, beizustehen. Der Angreifer wird nicht genannt; dass Frankreich und seine Verbündeten gemeint waren, verstand sich natürlich von selbst. Die Generalstaaten übernahmen die Zahlung der Hälfte der Werbegelder und des Soldes für diese Truppen. In zwei Monaten sollte die Armee in den westfälischen Landen des Kurfürsten bereitstehen; er selbst sollte die Führung übernehmen; nach Empfang der Werbegelder sollte er dem Angreifer offen den Krieg erklären.
Inzwischen waren die Feindseligkeiten schon eröffnet worden. England, Frankreich, der Kurfürst von Köln und der Bischof von Münster hatten ihre Kriegsmanifeste erlassen, und Anfang Mai wurde der gemeinsame Angriff auf die Niederlande eröffnet. Der Kurfürst von Brandenburg war damals ihr einziger Verbündeter. Aber dieses Bündnis hat ihnen nicht viel geholfen. Es hat sie nicht vor der Niederwerfung durch den ersten Ansturm der Franzosen bewahrt. Bekannt ist die Katastrophe, die dann in Amsterdam eintrat: der Volksaufstand gegen das Patrizierregiment, das die Wehrlosigkeit des Landes verschuldet hatte, die Ermordung der Brüder de Witt, das Emporkommen des Oraniers Wilhelms III., eines Neffen des brandenburgischen Kurfürsten, der nun wieder als Statthalter und Generalkapitän an die Spitze der Armee und der Staatsleitung trat. Aber auch nach diesem Umschwung hat noch keine tatkräftige Mitwirkung des Kurfürsten stattgefunden. Er hat an Frankreich überhaupt nicht offen den Krieg erklärt. Er befand sich in einer schiefen Lage: er hatte eine Rolle übernommen, der er nicht gewachsen war, zumal auch die Subsidien nicht, wie verabredet, von den Niederlanden gezahlt wurden. Er hatte wohl kaum gedacht, dass er an der Seite der Niederlande allein bleiben würde; der schnelle Zusammenbruch ihrer Macht war ganz gegen seine Erwartungen. Er suchte einen Rückhalt in Deutschland. Er hat versucht, die wichtigsten Reichsstände, Mainz, die Braunschweiger, Sachsen, auch Dänemark zum Anschluss an die niederländische Sache zu bewegen. Es ist ihm nicht gelungen. Nur in Wien hatten seine Bündnisbestrebungen einen gewissen Erfolg. Mit dem Kaiser kam im Juni 1672 eine Allianz zustande. Aber diese Verbindung hat dann der brandenburgischen Politik eine ganz andere Richtung gegeben, als sie durch das Bündnis mit den Niederlanden ursprünglich eingeschlagen hatte. Es war eine Defensivallianz zur Aufrechterhaltung des Westfälischen Friedens und der Neutralität des Reiches. Sie war nicht eigentlich gegen Frankreich gerichtet, sondern gegen dessen deutsche Verbündete, den Kurfürsten von Köln und den Bischof von Münster. Durch deren Zusammenwirken mit den Franzosen war es dazu gekommen, das die clevischen Lande des Kurfürsten von feindlichen Truppen überzogen, die festen Plätze dort eingenommen und besetzt waren, obwohl der Kurfürst den Krieg an Frankreich noch gar nicht erklärt hatte, also der Form nach eigentlich noch neutral war. Gegen diese Verletzung seiner Neutralität wandte er sich nun im Bunde mit dem Kaiser. Zugleich aber hat er den Kaiser doch auch dazu gedrängt, ein Einverständnis mit den Niederlanden zu suchen. Durch den Franzosenhass und den Kriegseifer des kaiserlichen Gesandten im Haag, Lisola, wurden diese Bemühungen wirksam unterstützt: auch der Kaiser schloss im Herbst 1672 ein Bündnis mit der Republik. Aber die Kriegserklärung an Frankreich wurde vom Kaiser wie von Brandenburg noch immer vermieden. Sie gaben sich den Anschein, als ob sie mit Frankreich in Frieden lebten und nur gegen dessen Verbündete, Köln und Münster, im Interesse der Reichsneutralität Krieg führten. Es war ein ganz unklares Verhältnis mit Frankreich, ein Krieg im Frieden. Die mäßige Rüstung, die in dem Vertrage zwischen Brandenburg und dem Kaiser in Aussicht genommen worden war, stimmte damit überein: jeder Teil sollte 12.000 Mann ins Feld stellen. Der Kaiser hat dann freilich 16.000 Mann gestellt, aber für einen Krieg gegen Frankreich wäre auch diese Zahl noch immer viel zu gering gewesen. Wie übrigens am kaiserlichen Hofe dieses Bündnis und der ganze Krieg aufgefasst wurde, das erhellt am deutlichsten aus einem Wort des kaiserlichen Prinzipalministers, des Fürsten Lobkowitz, das der schwedische Gesandte Esaias Pufendorf nach Stockholm berichtet hat: Kurbrandenburg sei wie ein wildes, ungezähmtes Pferd; man müsse ihm, um es zu moderieren, ein anderes gezähmtes und gelindes Roß beigesellen, damit es sich nicht à corps perdu in eine Partei würfe. Also auf ein Lavieren zwischen den beiden großen Parteien war es in Wien im Grunde abgesehen; und dieser vorsichtigen, halbherzigen Politik hat sich der Kurfürst durch seinen Vertrag mit dem Kaiser angeschlossen, anfänglich wohl ohne die Tendenz ganz zu durchschauen. Er hat sich damit, um ein Wort von Bismarck zu gebrauchen, eine Rückversicherung schaffen wollen; aber er hat sich auch zugleich für die Hauptaktion die Hände gebunden und sich die Erfüllung seiner Verpflichtungen gegen die Niederlande unmöglich gemacht. Denn das kann nicht geleugnet und nicht beschönigt werden: was der Kurfürst in diesem Kriege geleistet hat, entsprach nicht dem, was die Niederlande nach dem Bündnis vom 6. Mai 1672 von ihm erwarten durften. An gutem Willen hat er es freilich nicht fehlen lassen. Er hat immer wieder den Plan vertreten, über den Rhein zu gehen, die Observationsarmee des Marschalls Turenne zu schlagen und die Vereinigung mit dem Prinzen von Oranien zu suchen. Aber der kaiserliche General Montecuccoli hatte gemessene Befehle, es nicht so weit kommen zu lassen; und dem Kurfürsten blieb nichts übrig als sich zu fügen, wenn er sich nicht nutzlos für die Niederländer opfern wollte. Was der Kaiser wollte, war lediglich die Aufrechterhaltung der Reichsneutralität, und auch das Interesse des Kurfürsten erforderte in erster Linie die Bekämpfung der Übergriffe von Köln und Münster. Darum drang er, nachdem er sich überzeugt hatte, das es zur Überschreitung des Rheins doch nicht kommen werde, selbst darauf, dass man nach Westfalen zurückgehe, um die Grafschaft Mark, in die der Bischof von Münster eingebrochen war, zu befreien und seine übrigen westfälischen Besitzungen zu schützen. Aber auch hier sind die Kaiserlichen zu einer energischen Kriegführung nicht zu bringen gewesen, weder unter der Führung von Montecuccoli noch unter der seines Nachfolgers Bournonville. Die Wirkung war nur, das jetzt Köln und Münster von dem niederländischen Kriegsschauplatz abgezogen wurden und dass auch Turenne sich nun veranlasst sah, nach Westfalen zu marschieren. Zu einer Schlacht ist es aber gegen keinen dieser Gegner gekommen. Einmal — Anfang Februar 1673 — standen die Verbündeten bei Soest dem französischen Marschall kampfbereit gegenüber; aber der kluge, methodische Stratege fand es vorteilhafter, einer Waffenentscheidung auszuweichen und die Gegner durch Märsche und Manöver zu ermüden und mürbe zu machen. Mitte Februar gaben die Verbündeten das Spiel auf. Es war ein völliger Misserfolg. Cleve blieb von den Franzosen besetzt; die Grafschaft Mark und Ravensberg standen den Feinden offen. Der Kurfürst fasste den Plan, sich von dem Kaiser zu trennen und sich mit Frankreich zu verständigen, mit dem man nun ja tatsächlich doch im Kriege gewesen war. Den Vorschlag eines Waffenstillstandes, den der Kurfürst zunächst machte, lehnte Ludwig XIV. ab, aber zu Friedensunterhandlungen war er gern bereit. Sie haben noch bis in den Sommer 1673 hinein gewährt. Den Vermittler machte der Pfalzgraf von Neuburg, Philipp Wilhelm; dessen Gesandter, Dr. Stratmann, hat in Paris die Präliminarien mit den französischen Bevollmächtigten vereinbart; am 6. Juni 1673 wurde der endgültige Friedensvertrag zwischen Brandenburg und Frankreich in dem Hauptquartier Ludwigs XIV. zu Vossem in der Nähe von Löwen unterzeichnet. Der Kurfürst verzichtete darauf, den Niederländern noch weiter Hilfe gegen Frankreich zu leisten. Der ganze Krieg wurde wie eine Art von Missverständnis behandelt. Dem Kurfürsten wurden alle vom Feinde besetzten Lande zurückgegeben, auch die clevischen Festungen; nur Wesel und Rees behielt Ludwig XIV. in Händen, bis der Friede mit den Niederlanden geschlossen sein werde. England, Köln, Münster, die Verbündeten Ludwigs XIV., wurden in den Frieden mit eingeschlossen, Köln und Münster, ohne darüber befragt worden zu sein, gegen ihren Willen und zu ihrem größten Verdruss; sie hatten sich einfach dem Machtgebot ihres französischen Verbündeten zu fügen.
Ein wesentlicher Punkt für den Kurfürsten war auch diesmal wieder die Geldfrage. Es eröffnet einen tiefen Blick in die Bedingungen seiner Politik und Kriegführung, wenn man sieht, wie er in demselben Moment, wo er im Haag seine Absicht vom Kriege zurückzutreten anzeigte, zugleich die Forderung stellte, das ihm die vertragsmäßigen Subsidien, ohne die er sein Heer nicht beisammenhalten konnte, nachbezahlt würden, und wie dann, als die Niederländer das verweigerten, Frankreich die Zahlung von Subsidiengeldern übernahm, noch bevor der Vertrag mit Brandenburg zum Abschluss gekommen war. Jetzt, beim Friedensschluss, versprach Ludwig XIV. dem Kurfürsten in einem geheimen Artikel, bei dem künftigen Frieden mit den Niederlanden für die brandenburgischen Subsidienforderungen eintreten zu wollen. Und als ein besonderer Beweis des königlichen Wohlwollens wurde dem Kurfürsten eine Geldunterstützung von 800.000 Livres gewährt, die zum Teil sofort, zum Teil im Laufe der nächsten Jahre gezahlt werden sollte.
Der Kurfürst hatte also durch diesen Separatfrieden von Vossem sich von seinem Verbündeten, dem Kaiser, getrennt, weil dessen Interessen doch auf die Dauer mit den seinigen nicht übereinstimmten. Es war eine jener jähen Wendungen, die für seine Politik überhaupt charakteristisch sind. Es gibt allerdings in dem Vertrage von Vossem einen Artikel, in dem der Kurfürst sich freie Hand ausbedungen hat für den Fall, das seine Verpflichtungen dem Reiche gegenüber in Frage kommen würden; und er hat später, 1674, behauptet, der Friede von Vossem hindere ihn nicht an der Erfüllung seiner reichsfürstlichen Pflichten. Aber dieser Artikel ist dermaßen verklausuliert, das seine Bedeutung sehr fragwürdig ist. Die Auffassung, als habe der Kurfürst nur auf die Gelegenheit gewartet, den Krieg gegen Ludwig XIV. wieder zu erneuern, als sei die Wendung von 1674 in jenem Artikel schon vorbereitet worden, trifft schwerlich zu. Die Franzosen jedenfalls glaubten, dem Kurfürsten die Hände gebunden zu haben auch bei einem Angriff auf das Reich. Andererseits aber hat sich der Kurfürst doch wohl eine Handhabe schaffen wollen für den Fall eines politischen Umschlags, wie er denn auch wirklich später erfolgt ist. Jedenfalls hat er sich nicht dazu drängen lassen, nun gemeinsame Sache mit Frankreich gegen die Niederlande zu machen. Die französische Diplomatie bot alle Mittel auf, es dahin zu bringen. Bald nach dem Abschluss des Friedens erschien Verjus wieder in Berlin und sparte das Geld nicht, um in der Umgebung des Kurfürsten Stimmung für die französischen Wünsche zu machen. Auch die Kurfürstin erhielt große Geschenke und erwartete noch größere. Man nahm an einem derartigen Verhalten damals noch keinen Anstoß. Es war eine Ausnahme, dass der Oberpräsident Schwerin, ein Mann von besonders zartem Gewissen, mit Hinweis auf seinen Eid als Geheimer Rat die angebotenen französischen Gelder zurückwies, obwohl er von jeher ein überzeugter Anwalt des französischen Bündnisses gewesen war. Die alte Parteiung am Hofe und im Rate begann von neuem. Der Kurfürst selbst, missmutig, beschämt über den unrühmlichen Ausgang des Feldzugs, zog sich tage- und wochenlang auf einsame Jagdschlösser zurück, wohin ihm nur seine Gemahlin folgen durfte; ganz ausnahmsweise hat er einmal zu Himmelstädt bei Stolp auch den französischen Gesandten empfangen, aber ohne dass es zu einer engeren Annäherung gekommen wäre. Auf welcher Linie sich in dieser Zeit des Schwankens und Abwartens die Pläne des Kurfürsten bewegten, zeigt vielleicht am deutlichsten ein Bündnis mit Schweden, das damals (Dezember 1673) geschlossen worden ist. Es kommt auf die Idee der dritten Partei, der bewaffneten Mediation zurück, die im geeigneten Augenblick einschreitet, um den Dingen eine entscheidende Wendung zu geben. Das Seltsame dabei war nur, dass es beiden Teilen anheimgestellt war, auf welche Seite sie sich schlagen wollten, wenn der Vermittlungsversuch misslang: — eine diplomatische Unklarheit ganz im Stil der Zeit, die nicht ohne Bedeutung für die spätere Verwicklung zwischen Brandenburg und Schweden geblieben ist.
Es mochte für den Kurfürsten etwas sehr Ärgerliches und zugleich doch auch Anspornendes haben, das er erleben musste, wie eben jetzt, bald nach seinem Ausscheiden aus dem Kriege gegen Frankreich in der öffentlichen Meinung in Deutschland und auch am Reichstage sich ein Umschwung vollzog, wie er ihn gern bei seinem Eintritt in diese Verwicklungen herbeigeführt hätte. Die Übergriffe Ludwigs XIV. auf Reichsgebiet, die Einverleibung der Reichsstädte im Elsass und anderes derart regten die patriotischen Gefühle auf, die so lange geschlafen hatten. Die Flugschriftenliteratur nahm eine sehr scharfe Haltung gegen Ludwig XIV. an. Die Gefahren des französischen Übergewichts wurden lebhaft erörtert. Überall machte sich ein gesunder Franzosenhass bemerklich. Die brandenburgische Politik wurde von den Publizisten auf das bitterste verhöhnt und angegriffen; es war eine gemeine Rede im Reich, Kurbrandenburg leide am Wechselfieber. Es scheint doch, das diese Beurteilung dem Kurfürsten nicht gleichgültig gewesen ist, zumal er offenbar selbst mit seiner politischen Haltung nicht ganz zufrieden war und die Verminderung seines Ansehens auf der Hand lag. Diese Stimmung im Reich und der allgemeine Gang der Ereignisse ließen jetzt vollends den Anschluss an Frankreich als unstatthaft erscheinen. Am kaiserlichen Hofe drang mit dem Sturze des Fürsten Lobkowitz die franzosenfeindliche Kriegspartei durch. Man ließ die Fiktion fallen, als ob es sich nur um einen Defensivkrieg zum Schutze der Reichsneutralität handle; man suchte eine große Koalition gegen Ludwig XIV. herbeizuführen und in Verbindung damit auch den Reichskrieg. Der Kaiser verband sich wieder mit Spanien gegen Frankreich; ein Bündnis mit Dänemark wurde geschlossen; der Herzog von Lothringen, der aus seinem Lande vertrieben umherirrte, schürte überall im Reiche gegen Frankreich. Mainz und Trier schlossen sich an, endlich sogar Sachsen, das bisher durch französisches Geld gebunden gewesen war. Diese Koalierten traten nun zugleich in ein Bundesverhältnis zu den Niederlanden. Und nun fiel auch bald einer nach dem andern von den alten Verbündeten Ludwigs XIV. ab. Im März 1674 machte England seinen Frieden mit der Republik, im April Münster, im Mai Köln. Von allen deutschen Fürsten blieben nur zwei noch auf der Seite Frankreichs: Bayern und das Haus Braunschweig. Das Werben des französischen Gesandten um die Hilfe Brandenburgs wurde immer dringender, seine Angebote immer grösser. Selbst Wesel und Rees wurden dem Kurfürsten jetzt, ohne eine Gegenleistung, zurückgegeben. Aber gerade das hat vielleicht dazu beigetragen, ihn von dem Anschluss an Ludwig XIV. abzuhalten, weil es die momentane Schwäche Frankreichs enthüllte. Dazu kam der völkerrechtswidrige Einfall der Franzosen in die Pfalz, die Besetzung von Germersheim. Auch der Kurfürst war empört über diesen Gewaltakt. Und nun kamen die Dinge in Fluss. Am 24. Mai wurde in Regensburg der Reichskrieg gegen Frankreich erklärt; der Rheinfeldzug begann. Im Juni verloren die Verbündeten die Schlacht bei Sinsheim. Inzwischen war in Potsdam verhandelt worden; am 1. Juli 1674 kam das Bündnis zwischen Brandenburg und dem Kaiser zustande. Es verpflichtete den Kurfürsten zur Stellung von 16.000 Mann. Tatsächlich ist er aber diesmal über eine Verpflichtung hinausgegangen. Er führte 20.000 Mann ins Feld und übernahm selbst den Oberbefehl. Die Bezahlung der Subsidiengelder — wieder in Höhe der Hälfte des Bedarfs — übernahmen Spanien und die Niederlande. Die Truppen waren frisch, wohl ausgerüstet, von kriegerischem Geist erfüllt. Der Kurfürst hoffte die Schlappe des letzten Feldzuges wettmachen, das militärisch-politische Ansehen Brandenburgs in der Welt wiederherstellen zu können.
Aber es gab einen Artikel in dem Bündnis vom 1. Juli 1674, der auch diesmal solche Hoffnungen vereitelt hat. Der Artikel 24 bestimmte, dass die Operationen nach den Beschlüssen eines gemeinsamen Kriegsrats der Verbündeten geleitet werden sollten. Dem Namen nach führte der Kurfürst bei dem Heere der Verbündeten den Oberbefehl; tatsächlich aber waren ihm durch den Kriegsrat die Hände gebunden; der kaiserliche Feldherr Bournonville, der alte Bekannte des Kurfürsten von der unglückseligen westfälischen Kampagne von 1673 her, gab trotz der überschwänglichsten Versicherungen seiner Ergebenheit und Unterordnung die Verfügung über die kaiserlichen Truppen durchaus nicht aus der Hand. Der Schauplatz des nun folgenden Feldzuges ist vornehmlich das Elsass gewesen. Die Situation von 1672 wiederholte sich. Der Kurfürst wollte immer an den Feind, Bournonville hielt sich methodisch und auch wohl eifersüchtig zurück. Es kam zu keiner großen Entscheidung. Die Truppen litten unter zwecklosen Hin- und Hermärschen. Der Kurfürst selbst hatte den großen Schmerz, in dieser traurigen Kampagne seinen hoffnungsvollen ältesten Sohn, den 19 jährigen Kurprinzen Karl Emil zu verlieren, der in Straßburg erkrankte und starb. Als es schließlich, am 5. Januar 1675, endlich einmal zum Schlagen kam, bei Türkheim, gegen Turenne, da blieben die Franzosen Sieger. Bournonville zog ab, nachdem bis in die Dunkelheit gekämpft worden war, ohne dem Kurfürsten etwas zu melden; und es war nur ein Zufall, dass die Brandenburger es noch rechtzeitig merkten und auch ihrerseits sich der Vernichtung durch den nun weit überlegenen Feind entziehen konnten. Der Feldzug war verloren. Kaiserliche und Brandenburger schoben sich gegenseitig die Verantwortung dafür zu.
Es ist schwer und misslich, darüber zu urteilen. Militärische Fehler sind von dem Kurfürsten so gut gemacht worden wie von Bournonville. Aber die Hauptsache war doch, dass es an einer einheitlichen Leitung von vornherein fehlte. Der Kurfürst hatte tatsächlich in keinem Moment dieses Feldzuges ein wirkliches, unbeschränktes Kommando geführt.
Zunächst ging es nun nach Franken zurück in die Winterquartiere, die in der Nähe von Schweinfurt bezogen wurden. Aber schon auf dem Marsche dahin empfing der Kurfürst eine Nachricht, die seiner Tätigkeit bald eine andere Richtung geben und sie zu besseren Erfolgen führen sollte: am Weihnachtstage 1674 waren die Schweden in die Mark eingefallen.
Diese überraschende Wendung war ein Werk der französischen Diplomatie. Seit dem Vertrage vom Dezember 1673 war zwischen Brandenburg und Schweden nichts vorgefallen, was zum Streit hätte Anlass geben können. Ihre Vermittlungsversuche waren gescheitert. Nach jenem Vertrage konnte nun jeder von ihnen seine eigenen Wege gehen. Schweden trat auf die Seite Ludwigs XIV.; es erneuerte im Jahre 1674 seinen Subsidienvertrag mit Frankreich, der es verpflichtete, dem französischen König gegen alle seine Feinde Hilfe zu leisten. Von den Rechten, die dieser Vertrag ihm gab, machte nur Ludwig XIV. Gebrauch. Er plante eine umfassende Aktion gegen den brandenburgischen Kurfürsten. Er wollte den schwedischen Angriff ursprünglich mit einem polnischen verbinden. Der schwache König Michael war gestorben; unter französischem Druck, auch unter Mitwirkung des brandenburgischen Kurfürsten war im Mai 1674 der tüchtige Kronfeldherr Johann Sobieski zum König gewählt worden. Er stand ganz unter französischem Einfluss. Die Vorstellungen der französischen Diplomaten, dass jetzt für Polen eine günstige Gelegenheit sich biete, die Oberhoheit über Preußen wiederzugewinnen, fanden willigen Eingang bei ihm. Aber er befand sich damals in einem Kriege mit den Türken, der seine ganze Kraft in Anspruch nahm; und so hat es bei dem schwedischen Angriff auf Brandenburg sein Bewenden gehabt.
Der schwedischen Regierung des jungen Königs Karls XI. kam die Anforderung Frankreichs damals keineswegs gelegen; aber sie wurde von der kriegslustigen Armee, die auf dem deutschen Festlande stand, und ihrem Kommandeur, dem greisen Marschall Karl Gustav von Wrangel, vor eine vollendete Tatsache gestellt, indem der Einmarsch in die Uckermark trotz des in letzter Stunde erfolgten Gegenbefehls am Weihnachtstage vollzogen wurde; angeblich um im Interesse der französischen Sache einen freundschaftlichen Druck auf Brandenburg auszuüben. In der Mark aber spürte man bald, dass man den Feind im Lande hatte. Die Erinnerung an die Schwedennot des Dreißigjährigen Krieges mochte das Gefühl des Druckes noch steigern. Es scheint, das sich damals hier und da das Landvolk, wohl unter Führung der Gutsherren, gegen die fremden Dränger erhob. Die Kirche von Dannenberg bei Gardelegen bewahrt noch heute aus jener Zeit eine weißleinene Fahne mit dem kurbrandenburgischen roten Adler und der bekannten Inschrift: „Wir Bauern von geringem Gut — dienen unserm gnädigsten Kurfürsten mit unserm Blut.“ Von militärischer Bedeutung sind solche Unternehmungen allerdings nicht gewesen; die Schweden machten sich ziemlich vollständig zu Herren des offenen Landes; nur in den Festungen haben sich die geringen Besatzungen gehalten.
Dem Kurfürsten standen gleich beim Empfang der Nachricht von dem Einfall der Schweden sofort die Folgen vor Augen, die das möglicherweise haben könne: „Das kann den Schweden Pommern kosten“ — hat er damals geäußert. Die schwedische Fiktion, das man eigentlich nicht im Kriege mit Brandenburg sei, nahm er natürlich keinen Augenblick ernst; er legte den Krieg von vornherein auf die Eroberung Pommerns an. Er schloss besondere Allianzen mit dem Kaiser, mit Dänemark, mit den Niederlanden; alle sollten ihm gegen die Schweden helfen, Dänen und Niederländer namentlich auch mit ihrer Flotte. Der Kurfürst ist persönlich nach dem Haag geeilt, um mit dem Prinzen von Oranien zu verhandeln. Damals ist er auch mit dem holländischen Reeder Benjamin Naule in Verbindung getreten, der dann später in seinen maritimen Bestrebungen eine so bedeutende Rolle gespielt hat. Zunächst wurde mit Hilfe holländischer Reeder der damals übliche Kaperkrieg gegen die schwedischen Handelsschiffe organisiert, dann wurden einige holländische Schiffe gemietet und zu brandenburgischen Kriegsschiffen umgewandelt; sie haben sich später in Verbindung mit den befreundeten Flotten an dem Seekriege beteiligt.
Die Leistungen der Verbündeten sind aber erst im weiteren Verlauf des Krieges von Bedeutung geworden. Den ersten Schlag führte der Kurfürst selbst mit seinen brandenburgischen Truppen.
Die Schweden hatten nicht die Absicht, länger als bis zum Sommer 1675 in der Mark zu bleiben. Sie suchten jenseits der Elbe die Vereinigung mit den Braunschweigern zu erreichen, um dann womöglich auch noch die Bayern an sich zu ziehen und mit gesammelter Macht den Vormarsch zum Rhein hin anzutreten. Im Mai waren sie in das Havelland vorgedrungen. Bei Havelberg sollte die Elbe überschritten werden. Dorthin konzentrierte sich die Armee in langsamer Bewegung. Ein Korps war schon dort angekommen, ein anderes stand bei Rathenow, ein drittes bei Brandenburg. Das Hauptquartier befand sich im Rücken dieser Stellungen, bei Neu-Ruppin. Dazwischen lag das havelländische Luch, durchzogen von dem Rhinfluss, über den die Brücke von Fehrbellin führte. Das ist die Stellung, in der die Schweden unvermutet von dem brandenburgischen Kurfürsten angegriffen und zurückgedrängt worden sind, bevor sie noch den Elbübergang hatten bewerkstelligen können. Sie glaubten sich in völliger Sicherheit.
Ende Mai brach der Kurfürst mit seinen Truppen, 15.000 Mann stark, in schnellen Märschen aus den Winterquartieren nach Norden zu auf; am 21. Juni erreichte er Magdeburg, wo er die Gewissheit erhielt, das die Schweden von seinem Anmarsch noch keine Nachricht hatten; es wurden Vorkehrungen getroffen, um das Geheimnis so lange als möglich zu bewahren. Ohne Säumen ging es weiter, trotz des strömenden Regens und der aufgeweichten Wege. Der größte Teil der Infanterie musste zurückbleiben, konnte erst langsam nachkommen; es war eine bloße Reitertruppe, die sich in rastloser Eile auf die schwedischen Stellungen zu bewegte, etwa 6.000 Mann mit den Dragonern; nur 1200 Musketiere hatte man auf Wagen mitgenommen. Das Ziel des Angriffs war das Zentrum der schwedischen Stellungen, Rathenow. Durch den Flankenstoß in die Mitte wollte man die beiden Flügel trennen und auseinanderwerfen. Früh am 25. Juni war Rathenow erreicht. Die schwedische Besatzung war noch völlig ohne Ahnung von der Nähe des Feindes; man meinte längst über die Elbe zu sein, wenn die Brandenburger die Mark erreichen würden. Durch einen kühnen Streich glückte es dem alten Derfflinger, der sich das Losungswort von einem aufgefangenen Schweden hatte verraten lassen und sich nun für einen schwedischen Offizier ausgab, mit ein paar Begleitern in Rathenow einzudringen. Die Wache wurde niedergemacht; bald war die Stadt voll von brandenburgischen Truppen; ein blutiger Straßenkampf entspann sich; die schwedische Besatzung wurde teils zusammengehauen, teils gefangen genommen.
Die schwedische Linie war damit auseinandergesprengt. Von dem Elbübergang bei Havelberg konnte nicht mehr die Rede sein. Die beiden bei Havelberg und Brandenburg stehenden Korps mussten vielmehr suchen, so schnell wie möglich auf der Rückzugslinie gegen Neuruppin sich wieder zu vereinigen. Das bei Brandenburg stehende Korps musste zu diesem Zweck die Pässe des Havelluchs überschreiten; der nächste war Fehrbellin.
Der Plan des Kurfürsten war es nun, dies Korps womöglich noch diesseits des Passes, in dem Gelände zwischen Havel und Rhin, zu fassen und zu vernichten. Darum machte er sich, ohne die Ankunft des zurückgebliebenen Fußvolkes zu erwarten, von Rathenow aus sogleich an die Verfolgung des von Brandenburg aus zurückmarschierenden schwedischen Korps, das unter dem Befehl des Generalleutnants Waldemar von Wrangel, eines Bruders des Reichsmarschalls, stand. Brandenburgische Streifkommandos eilten voraus; auf den kürzesten Wegen, durch das Luch, auf Pfaden, die nur den Eingeborenen bekannt waren, erreichten sie Fehrbellin noch vor den Schweden, zerstörten die Brücke und den Damm, machten auch die Pässe bei Cremmen und Oranienburg ungangbar. Der Kurfürst selbst blieb hart hinter den Schweden, die am Abend des 27. Nauen erreichten, wo ein Aufenthalt von einigen Stunden entstand. Am 28. früh traf der Landgraf von Hessen-Homburg, der die Vorhut führte, 1500 Reiter stark, wieder auf den Feind. Auf dessen Meldung hin schlug der alte Derfflinger ein Umgehungsmanöver vor; aber der Kurfürst fürchtete, der Feind möchte dabei entkommen und entschied sich für die direkte Verfolgung in der Richtung auf Fehrbellin.
Inzwischen hatte der Prinz von Homburg den Feind festgehalten und zum Stehen gezwungen. Erst bei dem Dorfe Linum, dann etwas weiter rückwärts zwischen Linum und Hakenberg formierten sich die Schweden zur Schlacht. Sie waren etwa 12.000 Mann stark, die größere Hälfte Infanterie, außerdem 38 Geschütze. Der Kurfürst hatte nur 6.000 Mann Kavallerie und Dragoner und 12 Geschütze; die Musketiere hatte man zurücklassen müssen. Um 8 Uhr morgens begann der Kampf. Er drehte sich namentlich um den Hügel, auf dem heute das Denkmal steht; dort hielten auch der Kurfürst und Derfflinger. Zwei Stunden lang wogte das Getümmel ohne Entscheidung hin und her. Der Kurfürst hat wiederholt seine Schwadronen persönlich ins Gefecht geführt. Sein Stallmeister Froben wurde unmittelbar neben ihm von einer Kanonenkugel tödlich getroffen. Er selbst ist einmal mitten unter die feindlichen Reiter geraten und nur mit Mühe von den Seinen herausgehauen worden. Schließlich, gegen 10 Uhr, eben als der Morgennebel, in dem die Schlacht gewogt hatte, sich verzog, gelang es, die brandenburgischen Reiter zu sammeln und den rechten Flügel der Schweden in einem großen Gesamtangriff niederzureiten. Wrangel brach das Gefecht ab und ordnete den Rückzug an, der sich in guter Ordnung vollzog. Die Brücke bei Fehrbellin war inzwischen repariert worden und wurde ungehindert passiert. Zu einer energischen Verfolgung waren die brandenburgischen Reiter, die seit dem Ausritt von Magdeburg nicht abgesattelt hatten, nicht mehr imstande. Das schwedische Korps ist so, wenn auch mit großen Verlusten, entkommen. Wrangel ging gleich bis nach Wittstock zurück. Dort ist es am 1. Juli noch zu einem weiteren Rückzugsgefecht gekommen; die Schweden überschritten dann die mecklenburgische Grenze und gingen nach Pommern zurück.
Die Vernichtung des Wrangelschen Korps war also zwar nicht gelungen, aber der strategische Plan der Schweden war vereitelt, und vor allem — die Mark war von den Feinden befreit. Es war alles in allem doch ein glänzender Waffenerfolg. Der Kurfürst und seine Reiter hatten gezeigt, was sie konnten, wenn sie, durch keine lähmenden Rücksichten gebunden, nur auf sich selbst gestellt, für einen klaren und naheliegenden Zweck fochten. Es war die erste Feldschlacht, die die brandenburgische Armee ohne fremde Mitwirkung geschlagen und glänzend gewonnen hat — und zwar gegen eine Kriegsmacht, deren Waffenruhm erst von diesem Tage an zu erbleichen begonnen hat. Es war keine Schlacht großen Stils; aber der moralische Eindruck dieses Sieges war ein ganz ungeheurer. Der Sieger von Fehrbellin wurde mit einem Schlage ein volkstümlicher Held. Überall in deutschen Landen sang man das neue Lied von der glücklichen Viktoria bei Fehrbellin, im Tone „Gustavus Adolphus Hochgeboren“. In diesem Liede erscheint auch zum ersten Male der Ehrenname des „Großen Kurfürsten“, den die Geschichte festgehalten hat. Ein Schleier von sagenhafter Überlieferung hat sich um manche Momente dieser Schlacht gewoben, der erst von der neueren Forschung abgehoben worden ist. Die Erzählung von dem durch Froben veranlassten Pferdetausch, der dem treuen Stallmeister den Tod gebracht haben soll, ist eine spätere Legende. Auf dem Gobelin von Mercier, auf dem Kurfürst Friedrich III. bald nach dem Tode des Vaters den Moment, wo Froben an der Seite des Kurfürsten fällt, hat darstellen lassen, reitet der Stallmeister, der eben tödlich getroffen stürzt, den Braunen. Auch in der Leichenpredigt auf Froben, die uns erhalten ist, geschieht des Pferdetausches keine Erwähnung. Eben so wenig historisch ist eine parallele Geschichte von der Veranlassung des Pferdetausches durch den Reitknecht Ule. Auch die poetische Verklärung des Prinzen von Homburg durch Heinrich von Kleist entbehrt ganz der historischen Grundlage. Der „Landgraf mit dem silbernen Bein“, wie man ihn nannte, — das rechte Bein war ihm 1659 vor Kopenhagen von einer Kanonenkugel zerschmettert worden — kein jugendlicher Liebhaber übrigens, sondern ein gesetzter Herr von über 40 Jahren, mit einer zwanzig Jahre älteren Witwe verheiratet, hat zwar als schneidiger Reiterführer den Kampf mit den Schweden begonnen, aber nicht gegen den Befehl des Kurfürsten; von einer kriegsgerichtlichen Verurteilung kann keine Rede sein, es handelt sich nur um eine vorübergehende Verstimmung des Landgrafen, der sich nach der Schlacht auf eine Zeitlang aus dem Dienst des Kurfürsten zurückzog, wahrscheinlich, weil er mit der Belohnung seiner Dienste nicht zufrieden war.
Die Mark also war befreit; aber damit war der politische Zweck dieses Krieges noch lange nicht erreicht. Der schwerere Teil der Arbeit stand noch bevor: es handelte sich um die Eroberung von Pommern.
Unter dem Eindruck der Schlacht von Fehrbellin beschloss der Reichstag von Regensburg jetzt den Reichskrieg gegen Schweden; die braunschweigischen Herzöge nahmen eine abwartende Stellung ein, mit dem Blick auf Bremen und Verden, die im Fall einer gründlichen Niederlage der Schweden eine gute Beute für sie werden konnten. Auch der streitbare Bischof von Münster trug sich mit Eroberungsabsichten auf schwedische Kosten und schloss sich dem Bündnis gegen Schweden an. Vor allem aber traten jetzt Dänemark und die Niederlande tatkräftig in den Kampf ein. König Christian V. stellte bei einer Zusammenkunft in Gadebusch mit dem Kurfürsten einen gemeinsamen Kriegsplan fest und schloss ein Bündnis mit ihm, wonach das schwedische Pommern außer Rügen, das Dänemark beanspruchte, für den Kurfürsten in Aussicht genommen wurde (25. September 1675). Eine niederländische Flotte erschien in der Ostsee. Noch im Jahre 1675 haben die Dänen Wismar erobert; Münsterländer, Braunschweiger und Brandenburger haben Bremen und Verden besetzt; vor allem hat der Kurfürst selbst Wollin, die Swinemündung, Wolgast erobert. In dem Feldzug des nächsten Jahres (1676) wurde die Eroberung der Inseln Usedom und Wollin vollendet, Anklam und Demmin fielen, die Odermündungen kamen in die Hand des Kurfürsten; nur Stettin blieb noch unbezwungen und außerdem Rügen und die ihm gegenüberliegenden Städte: das für uneinnehmbar geltende Stralsund und das durch seine Nachbarschaft mit gedeckte Greifswald. Neben dem Landkrieg entwickelte sich ein lebhafter Seekrieg zwischen den Schweden einerseits, den Dänen und Holländern andererseits; auch die kleine brandenburgische Flotte hat dabei schon erfolgreich mitgewirkt. Im Juni 1676 kam es bei der Insel Oland zu einer großen Seeschlacht: Holländer und Dänen behielten dabei den Sieg über die schwedische Flotte, die nicht mehr mit der alten Schneidigkeit gefochten hat. Auch auf dem skandinavischen Festlande selbst kam es zu einem siegreichen Vordringen der Dänen, dem dann allerdings durch die blutige Schlacht bei Lund (Dezember 1676) bald wieder ein Ende gemacht worden ist. Auf dem pommerschen Kriegsschauplatz, der uns hier in erster Linie interessiert, kam alles auf die Gewinnung von Stettin an. Im Juli 1677 schritt der Kurfürst zu einer regelrechten Belagerung der stark befestigten Stadt. Ein großer Artilleriepark wurde herangeschafft, 140 schwere Geschütze. Braunschweigische, münsterische, dänische Truppen nahmen an der Belagerung teil. Die Verbindung mit der See wurde den Belagerten abgeschnitten; seit dem Siege des dänischen Admirals Nils Juel über die schwedische Flotte in der Kjöger Bucht (20. Juli 1677) beherrschten die Verbündeten die See; die brandenburgischen Schiffe bewachten die Odermündungen und das Haff. Stettin verteidigte sich mit der äußersten Anstrengung, unter einmütigem Zusammenwirken der Bürgerschaft mit der schwedischen Besatzung und dem entschlossenen Kommandanten General von Wulffen. Vier Monate lang ist die Stadt beschossen worden (August bis Dezember 1677); es war eine ebenso starke Probe der Ausdauer und des Kriegsmuts für die Belagerer wie für die Eingeschlossenen. Der Kurfürst, der die Belagerung persönlich leitete, trotz seiner Gicht, die ihn damals heftig plagte, erklärte, er werde nicht vom Platze weichen; eher wolle er sich vor den Wällen Stettins begraben lassen. Endlich, Ende Dezember 1677, gelang es den Sappeurs (Ein Sappeur (von französisch sapeur, (‚Steinhauer‘) war ein Belagerungspionier oder Truppenhandwerker.), einen Teil des Hauptwalls in die Luft zu sprengen. Eine große Bresche war damit in die Befestigung gelegt; man rüstete sich zum entscheidenden Sturmangriff. Erst da hat General Wulffen kapituliert; die tapfere Garnison erhielt ehrenvolle Bedingungen. Der Stadt wurden alle ihre Privilegien bestätigt. Am 6. Januar 1678 hielt der Kurfürst seinen Einzug; bald darauf hat er sich hier auch huldigen lassen. Er meinte die Stadt und das Land behalten zu können.
Noch war freilich Pommern nicht ganz erobert. Eben in den Tagen, wo Stettin gewonnen wurde, haben die verbündeten Truppen eine empfindliche Niederlage bei Bergen auf Rügen erlitten; die Insel war seitdem ganz in den Händen der Schweden, und damit waren auch Stralsund und Greifswald gedeckt. Nach der Einnahme Stettins wurde daher zunächst von Brandenburgern und Dänen ein vereinigter Angriff auf Rügen ins Werk gesetzt, September 1678. Von Norden kamen die Dänen, unterstützt durch ihre Flotte unter dem Admiral Nils Juel; sie drängten die Schweden bis in den Süden der Insel zurück. Dort bei Putbus landete am 23. September der Kurfürst mit 9.000 Brandenburgern, gedeckt durch eine holländische Flotte unter dem Admiral Tromp. Der schwedische General Königsmark vermochte die Landung nicht zu hindern und zog sich nach zwei Gefechten, bei Neuencamp (wo heute ein Denkmal steht) und bei Altefähr nach Stralsund zurück, das stark befestigt war. Die Stadt wurde nun belagert; sie verteidigte sich tapfer; aber dem Bombardement aus 80 Geschützen, das am 20. Oktober eröffnet wurde, vermochte sie nicht lange zu widerstehen. Unter dem Drängen der Bürgerschaft entschloss sich Königsmark zur Kapitulation am 25. Oktober. Die schwedische Besatzung erhielt auch hier freien Abzug; die Stadt musste dem Kurfürsten huldigen. Nun konnte sich auch Greifswald nicht mehr halten; nach kurzer nächtlicher Beschießung ergab es sich am 16. November, und damit war das ganze festländische Pommern in brandenburgischem Besitz.
Aber schon waren die diplomatischen Verhandlungen im Gange, die dem Kurfürsten das mit den Waffen Gewonnene abermals entreißen sollten. Seit 1676 tagte in Nymwegen ein Friedenskongress; und der Kurfürst hat es trotz der verzweifeltsten diplomatischen Gegenanstrengungen nicht verhindern können, das am 10. August die Niederlande, am 17. September auch Spanien einen Separatfrieden mit Frankreich schlossen, bei dem Ludwig XIV. alle seine Ansprüche durchsetzte und bei dem auch schon die Wiederherstellung der schwedischen Herrschaft in Pommern in Aussicht genommen worden ist. Und auch Kaiser und Reich begannen wankend zu werden. Im Reiche versuchten Sachsen und Bayern eine dritte Partei zu bilden, die die Vermittlung übernehmen sollte; und am kaiserlichen Hofe kam mit dem Hofkanzler Hocher eine Strömung zum Durchbruch, die auf den Frieden mit Frankreich unter Preisgabe des Kurfürsten hinarbeitete. Von Hocher stammte das bekannte Wort: es sei nicht im Interesse des Kaisers, das an der Ostsee ein neuer Vandalenkönig erstehe.
So standen die Dinge, als der Kurfürst durch eine neue, von Frankreich veranlasste „Diversion“ der Schweden gezwungen wurde, seine Waffen auch noch nach Preußen zu wenden. Gedeckt durch die wohlwollende Neutralität Polens unter Johann Sobieski unternahm der schwedische General Horn von Livland aus mit 16.000 Mann im November 1678 einen Einfall in das von Truppen entblößte Ostpreußen und drang bald bis in die Nähe von Königsberg vor. Die Wibranzen, die der Statthalter, Herzog von Croy, zu den Waffen gerufen hatte, erwiesen sich nicht als widerstandsfähig; ein brandenburgisches Korps von 5.000 Mann unter dem General v. Görtzke, das der Kurfürst im Dezember sandte, konnte wohl die Hauptstadt decken, aber nicht den Feinden im offenen Felde wirksam entgegentreten. Da war es nun ein Glück für den Kurfürsten, das er damals in Pommern freie Hand bekommen hatte. Trotz Gicht und Asthma, die ihn wieder heftig plagten, entschloss er sich persönlich seine Truppen nach Preußen zu führen. 9.000 Mann mit 34 Geschützen setzten sich ohne Säumen in Marsch. Der Kurfürst selbst folgte, mit seiner Gemahlin, die in all diesen Feldzügen kaum je auf längere Zeit von seiner Seite gewichen ist, und mit dem Kurprinzen Friedrich. Am 20. Januar wurde bei Marienwerder die Weichsel überschritten. Der Anmarsch der gefürchteten Kriegsmacht des Kurfürsten machte einen solchen Eindruck auf die Schweden, das sie an einen ernsthaften Widerstand gar nicht gedacht haben. Sie beschlossen sofort den Rückzug. Der ganze nun folgende Winterfeldzug war nur eine großartige, atemlose Verfolgung des in immer beschleunigterem Tempo zurückweichenden Feindes. Man wollte entweder das feindliche Heer durch Gewaltmärsche schon vor der Grenze erreichen und zur Schlacht zwingen oder aber es durch diese rastlose Verfolgung ganz zur Auflösung bringen. Zweimal nahm der brandenburgische Heerzug des Kurfürsten, um schneller vorwärts zu kommen, den Weg über die festgefrorene Eisdecke erst des Frischen, dann des Kurischen Haffs. Eine vorausgesandte Reitertruppe erreichte den Feind in der Nähe von Tilsit und beschleunigte seine Flucht durch ein siegreiches Gefecht (bei Splitter). Die Schweden wandten sich auf Memel zu; um ihnen den Weg dahin zu verlegen, marschierten die Brandenburger auf Heidekrug. Eine Schlacht wagte der schwedische General Horn mit den demoralisierten Truppen nicht mehr, es blieb ihm nichts übrig, als der Versuch, auf einem weiten Umwege durch polnisches Gebiet den Rest der Armee nach Livland in Sicherheit zu bringen. Die Neutralität Polens wurde dabei von den Schweden so wenig wie von den nachsetzenden Brandenburgern beachtet. Aber das Tempo der weichenden Schweden wurde zu schnell, die Wege durch diese Schneewüsten von Samogitien zu schwierig, als das die ganze brandenburgische Armee folgen konnte, ohne selbst wie der Feind in Auflösung zu geraten. Eine Reitertruppe unter dem General von Schöning wurde zur Verfolgung der Schweden ausgesandt; sie hat am 7. Februar noch bei Telcze ein blutiges Gefecht gehabt und blieb fortwährend dem Feinde auf den Fersen bis dicht vor Riga, um dann auf dem kürzeren Wege durch Kurland zurückzukehren. Der Rest der schwedischen Armee, den General Horn nach Riga zurückbrachte, betrug nur noch 3.000 Mann; die stattliche Macht, mit der er ausgezogen war, um Preußen zu gewinnen, war vollständig aufgerieben.
Dieser Winterfeldzug von 1678/79, ein kriegerisches Bravourstück wie Fehrbellin, nur noch grösser in den Dimensionen, kann in gewissem Sinne als der Höhepunkt in der militärisch-politischen Laufbahn des Großen Kurfürsten betrachtet werden. So wie er in der Ruhmeshalle des Berliner Zeughauses von Meisterhand gemalt ist, im Schlitten mit seinen Kriegern über das Eis des Kurischen Haffs jagend, lebt er in der Erinnerung seines Volkes fort. Diese wilde verwegene Schwedenjagd über Eis- und Schneefelder bei klingendem Frost, in der schweigenden, großartig-einsamen Ode der nordischen Küstenlandschaft, die sein Heereszug durchdröhnte und durchbrauste, hat von je der Phantasie Nahrung gegeben, die es liebt, das Heroische der Menschentat mit der packenden Gewalt einer wild-erhabenen Naturumgebung zu verknüpfen.
Aber dieser heroischen Kraftanstrengung war kein politischer Erfolg beschieden. Während die Schöningschen Reiter dem aufgelösten Schwedenheer auf den Fersen waren, ist zu Nymwegen am 5. Februar 1679 auch vom Kaiser der Friede mit Frankreich und Schweden unterzeichnet worden, dem das Reich sich alsbald anschloss. Die braunschweigischen Fürsten und Münster folgten – im Februar und März; der Kurfürst blieb allein zurück an der Seite Dänemarks. Es war militärisch und politisch eine Unmöglichkeit, nur mit diesem Verbündeten zusammen Frankreich entgegenzutreten; es konnte sich bloß noch darum handeln, mit guter Manier vor der Übermacht zurückzuweichen. Sparr mit seinen 12.000 Brandenburgern vermochte sich am Niederrhein und in Westfalen gegen die 30.000 Franzosen des Marschalls Crequi nicht zu halten. Bei Hausberge an der Porta Westfalica unterlag er am 27. Juni; am 30. erzwang Crequi den Übergang über die Weser; er stand vor Minden. Inzwischen aber hatte sich der Kurfürst zum Friedensschluss mit Frankreich und Schweden bequemt. Sein bevollmächtigter Minister, der Geheime Rat Meinders, hatte in St. Germain bei Paris nach langen Verhandlungen am 29. Juni 1679 einen Friedensvertrag unterzeichnet, in dem der Kurfürst das eroberte Pommern zurückgeben musste. Nur eine kleine Grenzberichtigung und der Wegfall des schwedischen Anteils an den hinterpommerschen Hafenzöllen war zu erreichen gewesen, dazu eine Art von Entschädigung für die Kriegskosten, die eine dringende Notwendigkeit für das finanzschwache Brandenburg war und die Frankreich in Höhe von 300.000 Talern zu zahlen auf sich nahm. Der Kurfürst hätte Cleve und Preußen hingegeben, um sich in der mittleren Ländermasse seines Staats durch den Gewinn von Schwedisch-Pommern abzurunden und an die See vorzuschieben. Aber weder Frankreich noch Schweden hatten darauf eingehen wollen. Es blieb dem Kurfürsten nichts übrig, als den Vertrag ohne weiteres zu ratifizieren. Er ließ damit seinerseits Dänemark im Stich, das erst am 2. September 1679 zu Fontainebleau seinen Frieden mit Frankreich geschlossen hat.