1.4 Die Burggrafen von Nürnberg
Umfang und Bedeutung der Amtsgewalt, die die Burggrafen von Nürnberg zu der Zeit ausübten, wo das Amt in die Hände der Hohenzollern kam, d. h. zu Ende des 12. Jahrhunderts, lässt sich nicht mehr feststellen. Wahrscheinlich waren die Burggrafen anfänglich nicht nur die Hüter der alten kaiserlichen Burg auf dem Nürnberg, sondern auch Vertreter der obrigkeitlichen Gewalt über die Stadt und das sie umgebende Landgebiet gewesen, aber ihre Befugnisse waren schon früh namentlich durch die mächtig aufstrebende Gemeinde der Reichstadt bedeutend eingeschränkt worden. Zu der Zeit, wo wir Genaueres über die Gerechtsame und Zuständigkeiten der Burggrafen von Nürnberg erfahren (1273), hatten sie mit der alten Reichsburg selbst nichts mehr zu tun; diese war in Hut und Besitz der Reichsstadt Nürnberg übergegangen, die sie für den Kaiser zu verwalten hatte. Die Burggrafen besaßen aber eine andere Burg in der Stadt, die nochmals von den Bürgern durch eine Mauer von dem eigentlichen Stadtbereich abgetrennt wurde; ein Rechtsstreit, der darüber entstand, ist 1376 dahin vertragen worden, dass die Burggrafen sich diese Absperrung gegen eine Geldzahlung von 5000 Gulden gefallen ließen. Sie hatten ferner die Hut über das Stadttor, das ihrer Burg benachbart war (das Bestnertor); ein Beamter des Burggrafen führte im Stadtgericht neben dem Stadtschultheißen den Vorsitz und empfing für seinen Herrn zwei Drittel der Gerichtsgefälle, was auf eine alte obrigkeitliche Stellung des Burggrafen gegenüber der Stadt zurückweist, die sich im Übrigen bereits verloren hatte. Damit hängt auch wohl zusammen, dass der Burggraf auf der Lorenzseite der Stadt von jeder Schmiedewerkstatt einen Schilling, von den Bauplätzen auch Grundzins empfing, dass ihm Schnitterdienste und Waldnutzungen an Wildbret und Waldbäumen in den zur Stadt gehörigen Waldungen zustanden und dergleichen mehr – Gerechtsame, auf welche die Burggrafen seit 1386 in mehrfachen Verträgen mit der Stadt Verzicht geleistet haben. Die Burg selbst ist 1420 von den Bayern in einer Fehde mit dem ersten brandenburgischen Markgrafen erstürmt und verbrannt worden; heute ist nur noch die Burgkapelle und ein Mauerrest davon übrig. Im Jahre 1427 in einem Kaufvertrag mit der Stadt hat Friedrich I. die Burg samt ihrem Zubehör grundherrschaftlicher Rechte gegen eine Geldsumme ganz aufgegeben, und im Jahre 1432 wurde auch das letzte dem Burggrafen zustehende städtische Grundstück der Gemeinde überlassen, so dass seitdem die Burggrafen im Mauerring der Stadt überhaupt keinen Besitz mehr hatten. Doch behielt sich Friedrich I. 1427 die Hälfte des vor dem Spitaler Tor gelegenen Fleckens Bostenhof sowie die Jagd und das Geleit im Reichswalde vor, über den er auch eine Art Landhoheit beanspruchte.
Die Burggrafschaft zu Nürnberg war seit dem 13. Jahrhundert, wie andere vornehme Reichsämter, auf dem Wege, sich in eine landesherrliche Fürstenstellung umzuwandeln. Diesen allgemeinen verfassungsgeschichtlichen Vorgang standen allerdings hier besondere Schwierigkeiten entgegen, da es sich nicht um einen mehr oder minder geschlossenen Amtsbezirk handelte, an den die Entstehung eines territorialen Fürstentums hätte anknüpfen können, sondern nur um eine ziemlich unbestimmte Amtsgewalt, die der Ausstattung mit einem kompakten Landgebiet entbehrte. Das zerstückelte Reichsgut wurde hier von der kaiserlichen Gewalt zäher festgehalten wie in manchen anderen Teilen des Reiches, namentlich auch in Norddeutschland. Unter Kaiser Albrecht I. kam es zur Errichtung einer Reichslandvogtei in Nürnberg, die den Übergang vom Reichsgut in den Besitz von Herren und Städten aufgehalten hat; sie war aber nicht an die Burggrafen, sondern an andere vornehme Herren der Umgebung, wie die Grafe von Hohenlohe und von Dettingen verliehen und ist schließlich 1350 von der Stadt Nürnberg erworben worden. Dagegen waren die Burggrafen im Lehnbesitz des kaiserlichen Landgerichts zu Nürnberg, das wohl die alte gräfliche Gerichtsbarkeit darstellt, die mit dem Amt verbunden war. Dieses kaiserliche Landgericht übte in erster Linie eine lokale Gerichtsbarkeit in der Umgebung von Nürnberg aus, beanspruchte aber später, ähnlich wie die westfälischen Freigerichte und andere kaiserliche Landgerichte, grundsätzlich eine Zuständigkeit über das ganze Reich hin, bis nach Sachsen, Schwaben und an den Rhein, was freilich tatsächlich ohne erhebliche Bedeutung blieb. In dieser Gewalt wurzelte der Anspruch der Burggrafen auf eine Landeshoheit in den fränkischen Gebieten, namentlich auch in der Umgebung von Nürnberg – ein Anspruch, der aber von der Stadt scharf und nicht ohne Erfolg bestritten wurde. Der Reichswald bei Nürnberg, der für die Hohenzollern von besonderer Bedeutung war, weil er zwischen den beiden Hälften ihrer Besitzungen in Franken lag, blieb in dieser Hinsicht besonders strittig. Das Reichsforstmeisteramt in diesem Walde war im 14. Jahrhundert von der Nürnberger Patrizierfamilie Stromer erworben worden, die davon den Namen „Waldstromer“ führte, und war von dieser auf die Stadt Nürnberg übergegangen; auf Grund davon übten die Nürnberger ziemlich ungehindert obrigkeitliche Rechte in dem Reichswalde aus.
Da den Burggrafen von Nürnberg die Grundlage eines kompakten Amtsbezirks fehlte, so waren sie bei dem Streben nach einem fürstenmäßigen Landgebiet darauf angewiesen, ihren Besitz auf jede mögliche Weise auf Grund der verschiedenen, meist privatrechtlichen Erwerbstitel zu vergrößern. Das Landgebiet, das sie zusammenbrachten, beruhte auf der stückweis fortschreitenden Erwerbung vieler verschiedenartiger, kleinerer oder größerer Bestandteile, die teils ursprüngliches Reichsgebiet, teils und vornehmlich Besitz von anderen gräflichen oder fürstlichen Landesherren oder auch von geistlichen Stiftern oder von reichsritterschaftlichen Familien gewesen waren. Lehen, Vogteibefugnisse, Allodien, wechseln miteinander ab; die Erwerbsarten sind überaus mannigfaltig: Verleihungen durch den Kaiser, Verpfändungen, die nicht wieder eingelöst werden, Erbschaften, Kaufgeschäfte fügen ein Stück des Territorialbesitzes nach dem anderen hinzu; seit dem Fall der Staufer erscheinen die Burggrafen von Nürnberg als das mächtigste Haus in Franken neben den Bischöfen von Würzburg und Bamberg, in beständiger Spannung und häufigen Reibungen mit der machtvoll aufstrebenden Reichsstadt Nürnberg.
Der erste Zollerngraf, den wir als Burggrafen von Nürnberg finden, Friedrich I., scheint zu dieser Stellung gelangt zu sein durch die kaiserliche Gunst, die sich sein Haus infolge des Anschlusses an die Staufer seit deren Thronbesteigung erworben hatte, zugleich aber auch durch die Heirat mit der Erbtochter der Grafen von Raabs, die bis dahin im Besitze der Burggrafschaft gewesen waren. Graf Konrad II. von Raabs, Burggraf von Nürnberg, starb 1191, und im Jahre 1192 finden wir Friedrich I. als seinen Nachfolger. Die Raabschen Erbgüter, die seine Gemahlin Sophie ihm zubrachte, lagen zum größten Teil in Österreich; das Hauptstück bildete die Grafschaft Raabs im Lande unter der Enus. Diese wurde schon 1218 von den Söhnen Friedrichs an Leopold IV. von Österreich verkauft, der übrige österreichische Streubesitz zu Lehen aufgetan. Offenbar war es dem Hause um Abrundung und Verstärkung der fränkischen Besitzungen in erster Linie zu tun.
Friedrich I. scheint um 1200 gestorben zu sein; sein Sohn und Nachfolger war Konrad I., der zuerst mit seinem jüngeren Bruder Friedrich II. zusammen als Burggraf von Nürnberg auftritt, dann aber durch die Teilung 1204 sich mit diesem in der schon angegebenen Weise auseinandergesetzt hat, so dass Friedrich Stifter der schwäbischen, Konrad aber der fränkischen Linie des Hauses wurde. Dieser Konrad I. ist es, der vermutlich durch Heirat mit der Erbtochter des eben damals aufstrebenden Grafenhauses von Abenberg die reichen Besitzungen dieses Geschlechts, die – den Kern des späteren Fürstentums Ansbach bilden, für sein Haus erworben hat. Er hat selbst noch nicht den Titel eines Grafen von Abenberg geführt, liegt aber im Kloster Heilsbronn begraben, das eine Stiftung der Abenberger war und nun auch die Ruhestätte der hohenzollernschen Burggrafen wurde. Die beiden Brüder waren 1214 unter den ersten Anhängern, die der junge Staufer Friedrich II. in Deutschland fand. Der Burggraf Konrad tritt im Reiche besonders hervor als einer der Räte, die dem jungen König Heinrich von seinem Vater, dem Kaiser Friedrich II., gesetzt worden waren; an dessen Empörung scheint er aber keinen Anteil gehabt zu haben, vielmehr wurde er nach dem Sturz des Kaisersohnes und nach der Niederwerfung des diesen verbündeten babenbergischen Herzogs Friedrich des Streitbaren von Österreich mit der Statthalterschaft in dem unterworfenen Lande betraut (1225). Später, in dem Konflikt mit der Kirche, verließ er die Sache des gebannten Kaisers Friedrich II. und stand auf Seiten der Gegenkönige Heinrich Raspe und Wilhelm von Holland; doch ist er später wieder zur staufischen Partei zurückgetreten und gehörte zu den Anhängern Konrads IV. und Konradins; um 126 ist er gestorben.
Sein Sohn, Friedrich III., der schon neben dem Vater als Burggraf von Nürnberg erscheint, hat eine besondere Bedeutung für die Geschichte des Hauses. Er war zweimal vermählt, einmal mit Elisabeth, einer der Töchter des Herzogs von Sachsen aus dem Hause Anhalt. Die erste Gemahlin brachte abermals dem Zollernhause einen reichen Zuwachs an fränkischen Landsitz. Die Herzöge von Meran aus dem Hause der Grafen von Andechs waren ein uraltes bayerisches Adelsgeschlecht, mit den Staufern und den Wittelsbachern verwandt; den Herzogtitel führten sie nicht von dem Tiroler Ort, sondern von ihren kroatisch-dalmatinischen Besitzungen. Sie nahmen eine bedeutende territoriale Stellung ein: von Dalmatien bis nach Burgund lagen ihre Güter und Herrschaften zerstreut; aber im Frankenlande war der Mittelpunkt ihres Besitzes und ihrer Interessen; die Plassenburg bei Kulmbach war ihr Hauptwohnsitz, und im Kloster Langheim befand sich die Erbgruft de Geschlechts. Herzog Otto II., der 1248 starb, war der letzte männliche Spross dieses Geschlechts; verschiedene Töchter beerbten ihn. Elisabeth, die mit dem Burggrafen Friedrich III. vermählt war, erhielt bei der Erbteilung ein Gebiet, dessen Mittelpunkt Bayreuth war, dazu Hof im Fichtelgebirge, das die Burggrafen als Lehen an die Reichsvögte von Weida (die spätere fürstliche Familie Reuß von Plauen) austaten und das erst 1373 unter ihre unmittelbare Herrschaft gekommen ist. Hatte die abenbergische Erbschaft den Grund zu dem späteren Fürstentum Ansbach gelegt, so legte die meranische Erbschaft den Grund zu dem späteren Fürstentum Bayreuth; nur fehlten davon noch bedeutende Teile, die eine Schwester Elisabeths (Beatrix) damals (1248) dem Hause der Grafen von Orlamünde zubrachte: vor allem Kulmbach mit der Plassenburg, Himmelthron, Goldkronach und andere Orte; dieser Teil des Bayreuther Fürstentums ist von den Burggrafen erst 1341 durch Vertrag mit dem letzten Grafen von Orlamünde erworben worden.
Friedrich III. nahm schon eine hervorragende Stellung im Reich ein. Er ist der erste unter den Burggrafen, der die später im Hause traditionell gewordene Rolle als „Königsmacher“ spielt. Er hat, obwohl nicht selbst zu den bevorzugten Wählern gehörig, im Jahre 1273 die Wahl der Kurfürsten auf Rudolf von Habsburg gelenkt und dem Gewählten dann die erste Nachricht davon gebracht. Die Belohnung für diesen Dienst war der große Lehnbrief von 1273, aus dem wir den Umfang der Befugnisse und Gerechtsame der Nürnberger Burggrafschaft kennen lernen; die Erbfolge wurde darin – wie übrigens schon von früheren Kaisern geschehen war – auch die weibliche Linie ausgedehnt. Im Jahre 1281 wurde dasselbe Privileg noch einmal in der feierlichen Form einer Goldenen Bulle ausgefertigt. Inzwischen hatte der Burggraf dem neuen König wirksame Hilfe gegen seinen Widersacher König Ottokar von Böhmen geleistet, der seinen eigenen Besitzungen ein bedrohlicher Nachbar geworden war; in der Schlacht auf dem Marchfeld (26. August 1278) hatte er die Sturmfahne des Reiches zum Sieg über den Böhmerkönig dem kaiserlichen Heere vorangetragen. Der Siegespreis waren die frei gewordenen Lehen Österreich, Steiermark, Krain, mit denen der Kaiser nun seine Söhne Albrecht und Rudolf belehnte; es ist die Grundlage zu der Hausmacht des habsburgischen Hauses. Auch hierbei hat der Burggraf Friedrich seinem kaiserlichen Freunde hilfreiche Hand geleistet; er war es, der die für diese Regierungshandlung notwendigen Willebriefe der Kurfürsten durch kluge und geschickte Verhandlungen zu beschaffen wusste. Außer jenem Privillegium trug der Burggraf als kaiserlichen Dank einige kleinere Landbelehnungen und eine größere Summe Geldes (1000 Mark Silber) davon, die zum Erwerb neuer Besitzungen diente. Noch auf seiner letzten Reise nach Speyer ließ sich Kaiser Rudolf von dem Burggrafen begleiten; niemand von den Fürsten hat ihn nach den Worten der Reimchronik Ottokars von Horned aufrichtiger betrauert.
Aber nicht dem habsburgischen Hause, sondern dem Kaisertum an sich widmeten die Burggrafen ihre Dienste und ihre Anhänglichkeit. Als nach Rudolfs Rode die Königswahl seines Sohnes Albrecht gescheitert war, trat Burggraf Friedrich mit dem neugewählten König Adolf von Nassau in eine nahe Familienverbindung, indem er eine seiner Töchter mit dem Sohne des Königs vermählte. Sein Sohn Friedrich IV. hielt dann wieder mit König Albrecht zusammen und übernahm die Führung des königlichen Heeres in dem meißnischen Kriege. Er half auch dem Nachfolger Albrechts, dem Lützelburger Heinrich VII., bei seinen Kämpfen in Böhmen sowie bei seinem Romzuge. In dem Streit der beiden Gegenkönige, nach der zwiespältigen Wahl des Jahres 1314, nahm er von Anfang an Partei für Ludwig von Bayern; er entschied durch einen Angriff aus dem Hinterhalt die Schlacht von Mühldorf (28. September 1322); und einem seiner Leute gelang es, den Gegenkönig Friedrich gefangen zu nehmen, der dann sein Schwert dem Burggrafen übergab. Mehrere kleine Belehnungen und die Verleihung des Bergregals, das namentlich im Fichtelgebirge von Bedeutung war, bekundeten den Dank des Kaisers, der den Burggrafen einmal als den Retter des Reiches (salvator imperii) begrüßt hat. Weiterhin (1328) sehen wir den Burggrafen Friedrich in der Bestallung als „Heimlicher und Secretarius“ des Kaisers, – ein Titel, der damals an Klang und Bedeutung dem heutigen eines Ministers oder Staatssekretärs entsprach -; in dieser Eigenschaft hat Friedrich auch als Generalvikar des Reiches in Tusein gewaltet an des Kaisers Statt. Friedrich IV: hat von 1300 bis 1322 regiert; ihm war ein Bruder, Johann I. vorangegangen, der aber nur drei Jahre hindurch (1297 – 1300) die Herrschaft geführt hat. Eine feste Erbordnung im Sinnes des Erbgeburtsrechts bestand damals in dem Hause der Burggrafen von Nürnberg noch keineswegs; und auch die Söhne Friedrich IV. haben wieder (wie es schon früher vorgekommen war) gemeinschaftlich Regierung geführt. Allerdings galt in solchem Falle dem Reiche gegenüber nur einer, der älteste, als der verantwortliche Träger der Pflichten und Rechtes des Burggrafentumes. Die drei Söhne Friedrich IV. waren Johann II., Konrad II. und Albrecht. Konrad II. ist früh gestorben, ohne männliche Erben zu hinterlassen (1334); als der jüngere Bruder Albrecht zu seinen Jahren gekommen war, schloss Johann II. im Jahre 1311 mit ihm einen Hausvertrag, auf Grund dessen dem jüngeren Bruder ohne eine eigentliche Teilung des Territoriums eine besondere Herrschaftsphäre angewiesen wurde. Es wurde dabei festgelegt, dass von solchen abgesonderten Besitzungen nicht veräußert werden durfte ohne die Zustimmung des Familien-Oberhauptes, dem dabei auch Vorkaufsrecht gewahrt wurde.
Johann II. (1332 – 1357) hat die guten Beziehungen zu Ludwig dem Bayern fortgesetzt. Er ist von ihm 1345 zum Pfleger und Hauptmann in der Mark Brandenburg bestellt worden, wo Markgraf Ludwig der Ältere, des Kaisers Sohn, die Kurwürde innehatte; es ist die erste Berührung der Burggrafen von Nürnberg mit der Mark und insofern der Erinnerung wohl wert, wenn diese Stellung auch nur von kurzer Dauer gewesen ist. Die Wahl Karls IV. zum Gegenkönig veränderte die politische Lage, und die Burggrafen ließen sich durch die hohen Anerbietungen des Luxemburgers, der ihnen 14 000 Mark Silber bot, zu seiner Partei hinüberziehen. Aber nach dem Tode Kaiser Ludwigs trübten sich die Beziehungen zu dem Luxemburger wieder, und im Jahre 1349 finden wir sie auf Seiten des Gegenkönigs Günther von Schwarzburg; im Jahre 1350 gab es sogar einen Moment, wo Karl IV. sich anschickte, im Bande mit dem Kurfürsten von der Pfalz die Burggrafen mit Krieg zu überziehen; aber der Zwist wurde vertragen, ohne dass es zu Feindlichkeiten kam, und im Jahre 1351 schlossen die Burggrafen mit Karl IV. und dem Pfälzer einen „ewigen Bund“ samt einer Erbeinung, bei der der kluge Luxemburger zum ersten Mal die Erbwerbung der Burggrafschaft für seine Hausmacht ins Auge gefasst hat – ein Plan, den er noch später durch Familienverbindungen weiter verfolgte. Seit dieser Zeit sind die Burggrafen in guten Beziehungen mit Kaiser Karl IV. geblieben, nicht nur Johann und sein Bruder, sondern auch noch die nächste Generation.
Johann II. führt in der chronikalischen Überlieferung den Beinamen conquestor, der Erwerber. Es wird berichtet, dass unter ihm ein Vertrag der Bergwerke im Fichtelgebirge (wo auch Gold gewonnen wurde) sich sehr gehoben habe. Er hat 1331 die Stadt Ansbach und die Dornburg erworben; 1347 sind ihm durch Karl IV. die Schlüsselbergschen Lehen übertragen worden, die zusammen mit einigen anderen Ländereien dem fränkischen Besitz sehr günstig abrundeten; vor allem aber ist ihm die Erwerbung der Orlamündischen Besitzungen gelungen, von denen Kulmbach auf Grund eines Pfandgeschäftes noch bei Lebzeiten des letzten Grafen Otto und seiner Gemahlin Kunigunde erworben wurde, die Herrschaft Plassenburg aber samt Zubehör auf Grund eines Erbvertrages von 1338 nach dem bald darauf erfolgten Absterben der beiden kinderlosen Gatten.
Um die in einer spärlichen Überlieferung verdämmernde Gestalt dieser letzten Gräfin von Orlamünde hat eine düstere Sage ihren Schleier gewoben. Sie ist die „Weiße Frau“, die in den Schlössern der Hohenzollern erscheint, um den bevorstehenden Tod eines Familienmitglieds oder sonstiges Unheil anzuzeigen. Von Liebe zu dem jüngsten der damaligen burggräflichen Brüder, Albrecht dem dem Schönen, betört, soll die verwitwete Kunigunde ihre beiden Kinder haben töten lassen, weil sie aus einer zweideutigen Redewendung des von ihr geliebten Mannes die Wahnvorstellung geschöpft habe, dass diese „vier Augen“ einer Vermählung mit ihm im Wege ständen. Darum hat sie im Grabe keine Ruhe finden können und rächt sich aus verschmähter Liebe an dem Hause ihres Geliebten. Diese Geschichte, die einem bekannten Gedicht aus „Des Knaben Wunderhorn“ zugrunde liegt, hat gar nichts von einem historischen Kern an sich; von einem Verhältnis der Gräfin mit dem Burggrafen Albrecht ist gar nichts bekannt; er war übrigens 1348 mit einer Gräfin von Henneberg verheiratet und Vater von vier Kindern. Von der Gräfin Kunigunde aber wissen wir nur, dass sie, kinderlos, wie sie war, nach dem Tode ihres Gemahls den Schleier der Zisterzienserinnen genommen hat und in dem Kloster Himmelthron bei Kulmbach gestorben und begraben ist. Ihr dort erhaltener Grabstein, der sie in dem Gewande der „weißen Frauen“ des Zisterzienserordens zeigt, wird den Anlass zu der ganzen Legende gegeben haben, die sich in ähnlicher Form in vielen europäischen Fürstenschlössern, so in Paris und Parma, in Stockholm und Kopenhagen, in Darmstadt, Karlsruhe und Cleve wiederholt. Es ist eine von den wandernden Schlosssagen. Ursprünglich an der orlamündischen Plassenburg haftend, die in den Besitz der Hohenzollern überging, ist sie mit diesen in die Mark Brandenburg und in das Schloss zu Cölln an der Spree übergesiedelt, wo der Spuk – trotz mancher inzwischen entlarvter Multiplikationen – seine Gläubigen gefunden hat bis in die hellen Zeiten des 19. Jahrhunderts hinein.
Friedrich V., der Sohn Johanns II., hat bei Antritt seiner Regierung im Jahr 1357 den Handvertrag mit seinem noch lebenden Oheim Albrecht (*Oheim „Mutterbruder“, ist eine veraltete Bezeichnung für den Bruder der eigenen Mutter) erneuert, so dass dieser zunächst noch neben ihm bis zu seinem Tode 1361 als Burggraf erscheint; dann hat er allein regiert bis 1397, wo er die Regierung niederlegte; im folgenden Jahr ist er verstorben. Im Kloster Heilsbronn, wo er begraben liegt, zeigt ihn eine lebensgroße Statue in seiner äußeren Erscheinung. Er war ein tüchtiger und besonnener Regent; die unfruchtbaren Ritterfahrten seines Oheims Albrecht, die von den Sängern gepriesen wurden, waren nicht seine Sache; er war friedliebend, aber zäh und nachdrücklich in der Verfolgung seiner Interessen. Seine Kenntnis der Geschäfte war ungewöhnlich groß; man sagte, dass er imstande war, wichtige Urkunden selbst zu entwerfen. Auch hat er einen wesentlichen Teil seiner Tätigkeit dem Reichsdienst gewidmet. Im Jahre 1362 finden wir ihn als Reichshauptmann an der Spitze des Landfriedensbundes in Franken; im Jahr darauf als Reichslandvogt im Elsass; später, 1371, als Reichslandvogt in Oberschwaben. Aus der engen Verbindung mit Kaiser Karl IV. hat auch er manche Vorteile für sein Haus gezogen; der sichtbarste und nachhaltigste bestand in dem großen, unter Goldener Bulle ausgefertigten Privillegium von 1363, das in aller Form den Burggrafen von Nürnberg und sein Haus als ein edles Glied des Reiches (nobile membrum sacri imperii) und von alters her dem Reichfürstenstande angehörig erklärte und ihm Vorrechte zuwies, wie sie einige Jahre vorher (1356) den Kurfürsten zugestanden worden waren, namentlich den ungestörten Besitz des Bergregals und die ausschließliche Gerichtshoheit in seinen Landen, so dass deren Eingesessene nicht vor auswärtige Gerichte, auch nicht vor die des Reiches, geladen werden konnten, es sei denn im Falle der Rechtsverweigerung durch den Landesherrn. („Privilegium de non evocandi.“) Die Anerkennung des Reichsfürstenhauses durch diese Urkunde steht allerdings in merkwürdigen Gegensatz zu der Tatsache, dass sich die Reichskanzlei nur sehr langsam daran gewöhnt hat, dem Burggrafen die ihm danach zukommende Titulatur zu geben, so dass es fast den Anschein hat, als sei diese Standeserhöhung nicht sowohl durch kaiserlichen Willensakt, als vielmehr durch Gewohnheitsrecht bewirkt worden, und zwar in der Weise, dass die höheren Standestitel eher in den niederen Kreisen und in Privaturkunden, als in der Reichskanzlei gebraucht wurden. Erst im Jahre 1381 wird der Burggraf in einer Kaiserurkunde ausdrücklich als Reichsfürst bezeichnet und erst seit 1385, also 22 Jahre nach dem Privileg, ist dies ausnahmslos der Fall. Mit der Anerkennung des Reichsfürstenstandes hängt es wohl zusammen, dass der Burggraf Friedrich V. neben dem schwarz-weiß quadrierten Zollernschild wieder das alte burggräfliche Löwenwappen führte. Von seiner engen Verbindung zu Karl IV. legt die Tatsache Zeugnis ab, dass er zwei seiner Töchter mit den Söhnen des Kaisers, Wenzel und Sigmund, verlobte (Elisabeth und Katharina, 1361 und 1368). Dabei lag allerdings die Absicht der Luxemburger auf die burggräfliche Erbschaft zugrunde, da Friedrich V. bis dahin nur Töchter geboren waren. Die Verlobungen sind später, als die Erbaussichten der Töchter nach der Geburt von zwei Brüdern verschwanden, wieder zurückgegangen; die ältere Schwester heiratete dann den Pfalzgrafen Ruprecht, den späteren König; die jüngere ging ins Kloster. Eine andere von den Töchtern Friedrichs war mit dem Herzog Albrecht III. von Österreich, eine vierte mit dem Landgrafen Herrmann „dem Gelehrten“ von Hessen vermählt. Von den spät geborenen Söhnen hat der älteste, Johann, eine Tochter Kaiser Karls IV., Margarete, geheiratet. Diese Verbindungen mit dem luxemburgischen, dem pfälzischen, dem österreichischen Hause sind natürlich auch von Einfluss auf die politische Haltung der Burggrafen in den Wirren des Reiches gewesen. Zunächst standen sie auf Seiten Wenzels; an der Aufrichtung des allgemeinen Landfriedens zu Eger hat auch der Burggraf Friedrich V. tätigen Anteil gehabt. Kurz vorher war auch er in den großen Krieg zwischen den Städten und den Territorialfürsten verwickelt gewesen. Nach der schlimmen Niederlage der schwäbischen Städte bei Döffingen (1388) versuchte die Stadt Nürnberg einen Vorstoß gegen die burggräfliche Machtstellung; er wurde zurückgewiesen, allerding nicht mit so durchschlagendem Erfolg, wie ihn Graf Eberhard von Württemberg in Schwaben und Pfalzgraf Ruprecht am Rhein errangen.
Die Territorialmacht der Burggrafen hat sich unter der Regierung Friedrich V. in der Gestalt abgerundet und befestigt, die sich dann in der Hauptsache später behalten hat. Sie zerfiel in zwei gesonderte Gebiete: im Südwesten das Land zu Franken oder unter dem Gebirge mit der Stadt Ansbach (Ouolzbach), nach der es später gewöhnlich genannt wurde, und der bei Fürth gelegenen, häufig als Residenz gebrauchten Kadolzburg, die zu den ältesten Bestandteilen des zollernschen Besitzes in Franken gehörte – ein wenig abgerundetes, mit vielen fremden fürstlichen oder städtischen Enklaven durchsetztes Gebiet; und im Nordosten das Land auf dem Gebirge, mit der späteren Hauptstadt Bayreuth, Kulmbach und der Plassenburg; auch Hof mit dem Vogtland gehörte dazu: es sind die Gebiete des Frankenwaldes und des Fichtelgebirges, die damals durch ihre nicht unergiebigen Bergwerke einen besonderen Wert besaßen.
Diese beiden Fürstentümer sind nun durch die Teilung, die Friedrich V. zwischen seinen beiden Söhnen Johann und Friedrich verfügt hat (19. Mai 1385), in der nächsten Generation voneinander getrennt worden; der ältere, Johann III., erhielt die wertvolleren Hälfte, Bayreuth; der jüngere, Friedrich VI., das weniger einträgliche Ansbach; das kaiserliche Landgericht, die Burg zu Nürnberg und die Bergwerke blieben aber von der Teilung ausgeschlossen. Es lässt sich nicht verkennen, dass durch die Teilung die Vergleich mit anderen Fürstenhäusern die ohnehin nur mäßige Macht des burggräflichen Hauses noch vermindert wurde, zumal beide Brüder sich nicht in einer glänzenden finanziellen Lage befanden, sondern ein unter der väterlichen Regierung angehäufte Schuldenlast gemeinsam zu tragen hatten, so dass wir 1404 einmal davon hören, dass die Kleinodien des Hauses (darunter auch wohl die kostbare Helmzier des Brackenhauptes, die Friedrich IV. 1317 von Leutold von Regensberg gekauft hatte) eine Zeitlang in den Händen der Juden gewesen waren. Die Burggrafen von Nürnberg blieben noch immer halb Reichsbeamte, halb Territorialfürsten. Die Kleinheit und die mangelnde Geschlossenheit ihres Territoriums zwang sie, im Anschluss an den Kaisers ihre Hausinteressen zu verfolgen, zumal die Nachbarschaft der bayerischen Herzöge beständig einen starken Druck auf ihre territoriale Stellung in Franken ausübte.
Kurz vor der Abdankung des Kaisers (1397) hatten die beiden Brüder den Türkenfeldzug von 1396 und die blutige und unglückliche Schlacht von Nikopolis mitgemacht, aus der sie mit genauer Not entkommen waren. Beide standen, nachdem sie die Regierung angetreten hatten, anfangs auf Seiten Königs Wenzels; namentlich Johann war unter den vertrauten Räten seines königlichen Schwagers; aber auch Friedrich war anfänglich in seinem Dienst für die Herstellung des Landfriedens in Franken tätig, als königlicher Hauptmann. Dann aber trennten sich die politischen Wege der Brüder, merkwürdigerweise, ohne dass sie selbst einander gegenüber traten. Friedrich stellte sich auf die Seite des pfälzischen Schwagers Ruprecht; er war mit den vier rheinischen Kurfürsten am 20. August 1400 zu Lahnstein an der Absetzung Wenzels beteiligt, während ebendort Johann sie Sache seines Schwagers, des Königs, führte. Friedrich zog dann mit dem unter seiner Mitwirkung gewählten Königs Ruprecht auch nach Italien und erlitt mit diesem vor Brecia eine Niederlage, die auch ihm persönlich viel Schaden und Verlust brachte; aber Ruprecht behauptete sich, und auch der Burggraf Johann schwenkte, ohne einen vollständigen Frontwechsel vorzunehmen, in das Lages des neuen Königs ab, nachdem verschiedenen Vermittlungsversuche gescheitert waren. Johann war ohne Söhne. Die Zukunft des Hauses beruhte auf dem jüngeren Bruder Friedrich, der erst verhältnismäßig spät sich zur Ehe entschloss und sich 1401 mit der „schönen Elfe“ von Bayern-Landshut vermählte, der Tochter des Herzogs Friedrich, deren Mutter eine Bisconti war. Er hat an ihr eine vortreffliche Lebensgefährtin gewonnen, die ihm vier Söhne geboren hat und nicht nur durch ihre vielberufene Schönheit, sondern auch durch Klugheit und entschlossenes Wesen sich auszeichnete; die Schattenseite bei dieser Ehe war, dass sie den Burggrafen in die schweren und hartnäckigen Familienbändel des bayerischen Hauses verwickelte, die ihm noch jahrzehntelang das Leben sauer machen sollten.
In der Verbindung mit König Ruprecht hat aber auch der Burggraf Friedrich auf die Dauer nicht die Befriedigung seiner Wünsche und die Förderung seiner
Interessen gefunden, die er erwartet hatte. Namentlich sein Handel mit der Reichsstadt Rotenburg, die sich gegen den burggräflichen Einfluss wehrte, nahm durch das Eingreifen des Königs (1408) einen sehr unbefriedigenden Ausgang. Der Feldzug gegen die Stadt und namentlich eine wochenlange Belagerung hatte dem Burggrafen große Kosten verursacht; und der Friede, den schließlich der König diktierte, brachte zwar der Stadt eine kleine Demütigung, ihm selbst aber gar keinen Gewinn. Die finanziellen Schwierigkeiten Friedrichs sind durch diese unfruchtbare und kostspielige Unternehmung stark gesteigert worden. Er musste zu dem Auskunftsmittel greifen, von seinen fränkischen Untertanen eine Vermögenssteuer — 10 vom Hundert des Ertrags — zu fordern, die ihm auch gezahlt wurde und zwar unter Beteiligung der geistlichen Stifter, die zum Teil erhebliche Summen beitrugen. Indessen war damit noch nicht allen Schwierigkeiten abgeholfen und wiederholen ließ sich das Mittel nicht gut; wir hören, das Friedrich schon den Gedanken erwogen habe, seine selbständige Hofhaltung aufzugeben und an den Hof seines Bruders nach Kulmbach überzusiedeln — für den damals 37 jährigen, verheirateten Fürsten, der schon Vater von zwei Kindern war, jedenfalls ein schwerer Entschluss. Eben in dieser Zeit scheinen die Anträge König Sigmunds von Ungarn an ihn gelangt zu sein, der ihn (wie der Burggraf selbst in einem seiner Briefe an den Herzog von Bayern bezeugt) in seinen Dienst zu ziehen wünschte. Als Schwager Johanns III. stand Sigmund mit den beiden burggräflichen Brüdern längst in nahen Beziehungen, und den Burggrafen Friedrich hatte er wohl von Nikopolis her noch in bester Erinnerung. Einer der burggräflichen Diener, Ludwig von Eyb, erzählt in seinen (allerdings erst später aufgezeichneten) Denkwürdigkeiten: Damals sei ein Ritter vom Ungarischen Hofs König Sigmunds, Herr Ehrenfried von Seckendorff, an den Kulmbacher Hof gekommen; der habe geraten, man solle den Burggrafen Friedrich, der doch gesund und stracken Leibes und von gutem Verstande sei, an den Hof des Königs Sigmund ziehen lassen; daheim, am Hofe seines Bruders, würde er doch bloß ein Hasenjäger werden. Vielleicht hat dieser Ritter im Auftrage Sigmunds gesprochen. Jedenfalls wurde sein Rat befolgt: Friedrich trat 1409 gegen ein Jahrgehalt von 4000 Gulden in König Sigmunds Dienst, indem er seine Familie samt Land und Leuten der Obhut seines Schwagers, des Königs Ruprecht, befahl. Ein solches Dienstverhältnis bedeutete damals und auch noch viel später auch bei fürstlichen Personen keine Standesminderung. Für Friedrich war es nicht bloß ein Mittel, seinen Finanzen aufzuhelfen, sondern zugleich auch eine Gelegenheit zur Betätigung seiner ungewöhnlichen politischen Kräfte und Fähigkeiten, die in den engen Verhältnissen seines kleinen Fürstentums keine geeignete Beschäftigung fanden. Zunächst waren es ungarische Kämpfe und Regierungssorgen, um die es sich an dem Hofe zu Stuhlweisenburg und Ofen handelte; aber ein günstiges Geschick fügte es, das bald deutsche Reichsangelegenheiten für Sigmund und den Burggrafen in den Vordergrund ihrer politischen Interessen traten; damit beginnt die große Laufbahn Friedrichs.
Am 19. Mai 1410 starb König Ruprecht, und der alte Wunsch Sigmunds, die Krone des Reiches zu tragen, lebte sofort wieder auf. Burggraf Friedrich, übernahm die schwierige Aufgabe, diesem Wunsche die Erfüllung zu verschaffen, und er hat sie mit großem politischem Geschick gelöst. Die Parteilage im Reiche war nicht günstig. König Wenzel von Böhmen, Sigmunds Bruder, hielt immer noch;
den Anspruch fest, der rechtmäßige römische König zu sein, und auf seiner Seite standen der Kurfürst von Sachsen und Markgraf Jobst von Mähren, der Luxemburgische Vetter, der auf Grund eines Pfandgeschäfts mit Sigmund in den Besitz der Mark Brandenburg gekommen war und sich natürlich auch für berechtigt hielt, die Kurstimme als Erzkämmerer des Reiches zu führen. Die anderen Kurfürsten waren durch das kirchliche Schisma in starken Gegensatz zu einander gebracht. Die Erzbischöfe von Mainz und Köln standen mit aller Entschiedenheit auf der Seite des die Autorität des Pisaner Konzils repräsentierenden Papstes Johann XXIII. und wiesen jedes Zusammenwirken mit den beiden andern rheinischen Kurfürsten, dem Erzbischof von Trier und dem Pfalzgrafen, die Anhänger Gregors XII. waren, hartnäckig von der Hand; sie wünschten bei Gelegenheit der Königswahl vor allem eine Schlichtung des Schismas im Sinne ihrer Partei herbeizuführen. Dem Burggrafen fiel zunächst die Aufgabe zu, auf einer Reise nach Deutschland die Stimmung der Wähler zu erkunden und die vorbereitenden Schritte für eine Wahl Sigmunds zu tun. Für die Aufwendungen, die er dabei machen musste, hielt ihn Sigmund schadlos durch die Anweisung einer Summe von 20 000 Gulden, die auf ungarische Besitzungen verschrieben wurde. Die Verhandlungen, die dann mit den Abgesandten der rheinischen Kurfürsten geführt wurden, lagen gleichfalls in Friedrichs Hand. Sigmund stand eigentlich auch auf Seiten des Papstes Johann XXIII., aber er wollte gern die Stimmen der sämtlichen vier rheinischen Kurfürsten für sich gewinnen und eine endgültige Entscheidung in der Frage des Schismas noch vermeiden, während Mainz und Köln unerschütterlich an der Bedingung festhielten, das Sigmund die Bestätigung seiner Wahl bei Johann XXIII. und nur bei diesem allein nachsuchen müsse. Da die Anhänger Gregors XII. nicht so viel verlangten, so schloss der Burggraf am 5. und 6. August zu Ofen mit den Abgesandten dieser Partei ab, während die andern sich nach Mähren begaben und dem Markgrafen Jobst die Thronkandidatur anboten, der sie auch annahm, nachdem er sich mit seinem Vetter, dem König Wenzel, dahin auseinandergesetzt hatte, das er diesen als älteren römischen König anerkennen und ihm die Erwerbung der Kaiserkrone überlassen wolle. Eine Vereinigung mit den Gregorianern war also nicht geglückt, und die Partei Sigmunds schritt nun allein zur Wahl. Der Burggraf von Nürnberg, der dabei sowohl als Abgesandter des Königs von Ungarn wie als Bevollmächtigter Vertreter der brandenburgischen Kurstimme auftrat (die Sigmund trotz der Übertragung der Mark an Jobst für sich in Anspruch nahm), wusste sich mit seinem Gefolge den Eintritt in die Wahlstadt Frankfurt zu verschaffen und gab bei der Wahlhandlung, die am 20. September 1410 auf dem Kirchhofe hinter dem Chor der infolge Interdikts geschlossenen Bartholomäuskirche stattfand, neben dem Erzbischof von Trier und dem Pfalzgrafen die brandenburgische Wahlstimme für Sigmund ab, während die Gegner sich fernhielten und so auch die Gelegenheit versäumten, die Zulässigkeit der Vertretung zu beanstanden. Der Burggraf erklärte darauf sofort auf Grund einer mitgebrachten Ermächtigung die Annahme der Wahl im Namen Sigmunds, und damit betrachtete dieser sich als rechtmäßig gewählten römischen König. Am 1. Oktober wählten dann die Erzbischöfe von Mainz und Köln mit den Vertretern Wenzels und Jobsts für Böhmen und Brandenburg den Markgrafen Jobst zum römischen König. Die beiden Gewählten standen noch in Unterhandlungen mit Wenzel, als Markgraf Jobst am 17. Januar 1411 eines plötzlichen
Todes starb. Jetzt zeigte Sigmund auch öffentlich in einem Rundschreiben den Reichsständen an, das er die auf ihn gefallene Wahl annehme und setzte sich nach längeren Verhandlungen mit Wenzel dahin auseinander, das dieser ihm die Regierung des Reiches überlies, während Sigmund versprach, bei seinen Lebzeiten nicht nach der Kaiserkrone streben, sondern zu deren Erlangung ihm selbst behilflich sein zu wollen. Die Erzbischöfe von Mainz und Köln gaben jetzt den Widerstand gegen Sigmund auf; aber sie bestanden darauf, am 21. Juli 1411 noch einmal eine förmliche Wahl vorzunehmen, bei der nun alle Kurfürsten — außer Trier und Pfalz, die fernblieben — ihre Stimmen auf Sigmund vereinigten. Die brandenburgische Stimme führte dabei im Auftrage Sigmunds der Burggraf Johann III. von Nürnberg. Sigmund ließ sich dieses Vorgehen gefallen, obwohl er immer den ersten Wahlakt als den entscheidenden betrachtet und die Jahre seiner Regierung nach diesem gezählt hat. Die päpstliche Approbation hat er nicht nachgesucht, weder bei Johann XXIII. noch bei Gregor XII.; der letztere hat sie ihm unaufgefordert erteilt, während auch Johann in dieser Hinsicht keinen Einspruch wagte.
Es war ein großer Erfolg, den Sigmund vor allem der Klugheit und Tatkraft seines Rates, des Burggrafen, verdankte. Seiner Art entsprach es, solche Verdienste mit großartiger Freigebigkeit zu belohnen. Der Lohn für den Burggrafen war die Übertragung der Regentschaft in der Mark Brandenburg, die durch den Tod des kinderlosen Jobst von Mähren wieder an Sigmund gefallen
war. Durch eine Urkunde, die am 8. Juli 1411 zu Ofen ausgefertigt worden ist, bestellt König Sigmund „den hochgeborenen Friedrich Burggrafen von Nürnberg, unsern lieben Oheim und Fürsten“ wegen seiner Verdienste um den König und das römische Reich, sowie wegen seiner Einsicht, Kraft und Tüchtigkeit, die eine Besserung des Landes für die Zukunft erhoffen lassen, zum obersten Hauptmann und Verweser der Mark Brandenburg mit allen Regierungsrechten eines Markgrafen, ausgenommen allein die markgräfliche Kur- und Erzkämmererwürde, die dem Hause Luxemburg noch vorbehalten bleibt. Es ist indessen keine bloße Beamtenbestellung; denn ein Recht auf diese Stellung als Verweser und Oberster Hauptmann steht auf Grund der Urkunde nicht allein dem Burggrafen persönlich, sondern auch seinen Erben zu; und die Zurückziehung der Bestellung ist nur dann statthaft, wenn vorher von Sigmund oder seinen Rechtsnachfolgern dem Burggrafen oder dessen Erben die Summe von 100 000 ungarischen Goldgulden bar ausbezahlt worden ist. An diese Bestimmung hat sich bei den märkischen Chronisten des 16. Jahrhunderts und lange bei der späteren Geschichtsschreibung die irrtümliche Auffassung geknüpft, als handle es sich hier um ein Pfandgeschäft, als sei diese Summe von 100 000 Gulden als ein Darlehn zu betrachten, das der Burggraf dem König vorgestreckt und für das er bei dessen Zahlungsunfähigkeit sich die Mark Brandenburg als Pfand habe verschreiben lassen. Diese Legende ist durch Riedels urkundliche Forschungen beseitigt worden. Es ist keine Spur von einem solchen Darlehn zu entdecken, und die uns bekannte Finanzlage des Burggrafen schließt es völlig aus, sich ihn als den Besitzer und Verleiher großer Geldmittel zu denken. Außerdem sprechen auch die Urkunden König Sigmunds selbst, namentlich das Patent vom 11. Juli, durch das den Ständen und Einwohnern der Mark die Bestellung Friedrichs zum Obersten Hauptmann und Verweser bekanntgemacht wird, ganz deutlich aus, was es mit dieser Summe für eine Bewandtnis hat. „Da wir aber selbst wissen — so heißt es da, in der leicht modernisierten Form, in der Riedel die Urkunde mitteilt, das die Nutzungen, Zinsen und Renten der vorgenannten Mark, welche der Landesherrschaft angehören, durch mancherlei Anfechtungen, Kriege und Pfandverleihungen so klein sind, das er diese Verwesung und Hauptmannschaft und was dazu erforderlich ist, ohne unsere besondere Hilfe nicht führen kann, es wenigstens unbillig sein würde, sollte er außer seiner Arbeit auch noch von seinem Vermögen bei dieser Verwaltung etwas zusetzen: so haben wir ihm deshalb versprochen und zugesagt, ihm zu geben und zu bezahlen hunderttausend gute rote ungarische Gulden, auf dieser Verwesung und Hauptmannschaft zu haben, wie das alles in solchen unsern Briefen näher enthalten ist, die wir ihm besonders darüber gegeben…“ Dadurch wird also diese Summe gleichsam als das Betriebskapital bezeichnet für die kostspielige Unternehmung einer Wiederherstellung und Befriedung der Mark. Sie wurde dem Burggrafen nicht wirklich ausbezahlt, weil es dem König selbst an baren Geldmitteln fehlte; aber, indem die Zurücknahme der Verweserbestallung für ihn und seine Erben von der vorherigen Bezahlung dieser Summe abhängig gemacht wurde, erfuhr der Kredit des Burggrafen eine Stärkung, die ihm ermöglichte, selbst die Mittel flüssig zu machen, deren es zur Lösung der ihm gestellten Aufgabe bedurfte. Übrigens ist diese Summe sehr bald (18. Dezember 1111) noch um die Hälfte (50 000 Gulden) erhöht worden bei Gelegenheit der Verlobung des ältesten Sohnes des Burggrafen, des damals 7 jährigen Johann, mit der in demselben kindlichen Alter stehenden Tochter des Herzogs von Sachsen, Barbara, die später auch wirklich seine Frau geworden ist. Sigmund, der zwei alte Gegner dadurch vereinigte und nun auch den sächsischen Herzog für seine Interessen gewann, hat diese Summe in der Form einer Mitgift für die Tochter des Herzogs dem burggräflichen Hause zuwenden wollen; sie wurde unter denselben Formen verschrieben wie jene 100 000 Gulden und diente mit zur Versicherung des Besitzes der Verweserschaft für das burggräfliche Haus. Auch hier kann von einem Darlehn keine Rede sein.
Die Bestellung Friedrichs zum Verweser der Mark erscheint danach weder als ein Pfandgeschäft, noch als eine bloße Beamtenbestellung; es war ein Akt von ganz eigener Art, der am besten verständlich wird durch die von Riedel aufgestellte Vermutung, dass es sich wohl von Anfang an um die Absicht Sigmunds gehandelt habe, dem Burggrafen und seinen Erben die volle landesherrliche Gewalt über die Mark samt der damit zusammenhängenden Kurwürde zu übertragen, und das diese Absicht nur deshalb nicht sogleich im ganzen Umfange verwirklicht worden sei, weil Sigmund Rücksicht auf seinen Bruder Wenzel zu nehmen hatte, der nicht geneigt sein mochte, die ihm und seinem Hause auf Grund der Union zwischen der Mark Brandenburg und Böhmen zustehenden Rechte auf das Land und die Kurstimme zugunsten eines Fürsten preiszugeben, der einst so tätigen Anteil an seiner Absetzung gehabt hatte. Es ist gewiss kein Zufall, dass die Bestellung des Burggrafen (8. Juli) so nahe zusammenfällt mit der Zustimmung Wenzels zu Sigmunds Königswahl, die am 9. Juli ausgefertigt ist. Die Übertragung der Regentschaft erfolgte also in einer Form, die dem Burggrafen begründete Hoffnung gab, dereinst als wirklicher Landesherr in der Mark Brandenburg zu walten.