2.1 Askanier — Wittelsbacher — Luxemburger

2.1 Askanier — Wittelsbacher — Luxemburger

Die Mark Brandenburg ist aus einem jener zu Schutz und Trutz gerüsteten Grenzgebiete des Reiches hervorgewachsen, die seit der Zeit Karls des Großen an der Elbe und Saale gegen die benachbarten slawischen Völker eingerichtet worden waren. Im Zeitalter der sächsischen Kaiser unterschied man elbaufwärts die Billungische Mark, die Nordmark des Markgrafen Gero, die Ostmark, die man später Mark Lausitz nannte, die Marken Meißen, Zeitz, Merseburg.

Die Nordmark deckt sich in der Hauptsache mit der späteren Mark Brandenburg. Ihre Basis waren die linkselbischen altdeutschen Gaue, auf die im 11. und 12. Jahrhundert der Name der Nordmark eingeschränkt war und die man später Altmark nannte. Von diesem Gebiet hatte früher schon Krieg, Handel und Mission in die wendischen Nachbarlande hinübergegriffen. Unter Otto dem Großen waren schon in Havelberg und Brandenburg Bistümer eingerichtet worden, die unter dem 968 gegründeten Erzbistum Magdeburg standen; aber der große Wendenaufstand von 983 hatte die Anfänge christlicher und deutscher Kultur in dem ostelbischen Gebiete wieder vernichtet; eine dauerhafte staatliche Gründung ist hier erst im 12. Jahrhundert entstanden, zu der Zeit, wo die große koloniale Bewegung in Gang kam, die ein neues Deutschland jenseits der Elbe geschaffen hat, und der nicht nur die Mark Brandenburg selbst, sondern auch alle übrigen Ostprovinzen des späteren preußischen Staates ihren deutschen Charakter und die Grundlagen ihres wirtschaftlichen und staatlichen Lebens verdanken.

Diese umfassende Besiedlung slawischer Gebiete im Osten der Elbe ist vielleicht die stärkste und gesundeste Leistung der deutschen Volkskraft im Mittelalter, dauerhafter jedenfalls in ihren Resultaten und ersprieslicher für die Zukunft der Nation, als die gleichzeitigen Weltherrschafts-bestrebungen der Kaiserpolitik. Die auf Ausdehnung an der Grenze gerichteten fürstlichen Gewalten haben bei diesem großen Werke die Führung übernommen; es kam ihnen auf die Nutzbarmachung neuerworbener kulturloser Gebiete an. Die Bekehrung der Heiden zum Christentum geht selbstverständlich Hand in Hand mit der Kolonisation und begleitet Schritt für Schritt die Erweiterung des Machtbereichs der politischen Gewalten, geht ihnen auch wohl voraus und bricht die Bahn. Aber zugrunde liegt doch in der Hauptsache der gesunde natürliche Ausdehnungstrieb einer kräftigen Rasse, für die der Nahrungsspielraum im alten Mutterlande zu eng geworden war. Die ritterlichen Dienstmannschaften, die während des langen Bürgerkrieges im Reich zur Zeit Heinrichs IV. und Heinrichs V. sich stark vermehrt hatten, drängen mit dem Ausbruch friedlicherer Zeiten nach außen, über die Grenzen hinaus, und dem Ritter und Priester folgt auf dem Fuße der bäuerliche Ansiedler, dem die Hauptarbeit bei diesem Kulturwerke zugefallen ist. Stellenweis haben wohl elementare Unglücksfälle die bäuerliche Bevölkerung des alten Mutterlandes in Bewegung gebracht, wie die großen Sturmfluten an der Nordseeküste, die im 12. und 13. Jahrhundert viel fruchtbares Land verschlungen haben; aber auch ohne solche außerordentlichen Naturereignisse lässt sich die massenhafte Auswanderung in das Kolonialgebiet erklären aus dem Gesamtzustande der damaligen bäuerlichen Kultur im Mutterlande. Die Epoche der großen Rodungen, die von Zeit zu Zeit neues Ackerland für die anwachsende Bevölkerung geschaffen hatten, war zu Ende; der Ausbau des Landes war im Wesentlichen vollendet; der Boden war im Großen und Ganzen verteilt und — soweit es damals tunlich erschien — in Kultur genommen; neues Land für den Bevölkerungsüberschuss stand nicht mehr zur Verfügung. Unbeschränkte Teilbarkeit der Höfe war nach der bäuerlichen Verfassung in den meisten Teilen Norddeutschlands, namentlich den niedersächsischen, nicht üblich. Eine Menge von jüngeren Söhnen blieb daher unversorgt und musste sich in abhängiger Lage, in grundherrlicher Botmäßigkeit (Der Begriff Botmäßigkeit wurde auch oft für das Ausüben einer Herrschaft im Sinne des Landesherrn gebraucht) ihr Brot erwerben. Dazu kamen in den grundherrlichen Gebieten des deutschen Nordwestens wichtige Veränderungen im Wirtschaftsbetrieb, die zahlreiche Hörige freisetzten und sie zwangen, sich ein anderes Unterkommen zu suchen. Die alte Fronhofsverfassung, bei der abhängige Laten auf grundherrlichen Hufen angesetzt waren mit der Verpflichtung, bei der Bewirtschaftung des Herrengutes Dienste zu leisten, löste sich an vielen Stellen seit dem 12. Jahrhundert auf. Der Grundherr fand die Eigenwirtschaft auf dem Fronhof und die Landausstattung der hörigen Bauern nicht mehr vorteilhaft; er schlug eine Anzahl von Latenhufen mit dem alten Fronhof zusammen zu einem größeren Gute, das er dem Meier, seinem bisherigen Wirtschaftsbeamten auf dem Fronhof, gegen höheren Zins in Pacht gab; der Meier aber wirtschaftete nun mit freiem Gesinde statt mit angesessenen Hörigen (Laten). Die Laten wurden dabei persönlich frei, aber sie verloren auch ihre Hufe; sie wurden „abgemeiert“ und mussten sehen, sich anderswo ein Unterkommen zu suchen. Aus diesen Kreisen werden großenteils die bäuerlichen Auswanderer gekommen sein, die den Osten der Elbe besiedelt haben.

Dort war Land in Hülle und Fülle vorhanden, und die geistlichen und weltlichen Machthaber, die erobernd oder sonst Land erwerbend in das Gebiet der Slawen vorgedrungen waren, kamen bald zu der Erkenntnis, dass in diesem dünn bevölkerten, nur oberflächlich angebauten Lande vor allem Menschenkräfte nötig seien, um durch Kultivierung des Bodens den Landerwerbungen erst wirtschaftlichen Wert zu verleihen und damit die Möglichkeit zu finanziellem Ertrag zu schaffen. Charakteristisch für ihr Verfahren ist, was der Priester Helmold zu Bosau bei Eutin im 12. Jahrhundert über das Ansiedlungswerk unter dem (Grafen Adolf II. von Schauenburg im östlichen Holstein erzählte, das um das Jahr 1139 begonnen wurde. In seiner „Slawenchronik“ heißt es: Der Graf habe Boten gesandt in alle Lande, nach Flandern und Holland, nach Utrecht, Westfalen und Friesland: wer Land haben wolle, solle zu ihm nach Wagrien (Ostholstein) kommen: da würden sie sehr gutes Land erhalten, voller Fische und Wild, mit guter Weide und geräumigem Ackerboden. Darauf habe sich dann eine unzählige Menge Menschen aus allen jenen Ländern aufgemacht und seien zum Grafen von Holstein gezogen, um das gelobte Land in Besitz zu nehmen. Ähnlich wird es allerorten gewesen sein, wo die Kolonisation ins Werk gesetzt wurde. Es war nicht Elend und Verzweiflung, was diese Auswandererscharen über die Elbgrenze führte, sondern der Drang nach eigenem Landbesitz, nach einer selbständigen wirtschaftlichen Existenz, nach einem reicheren, freieren Leben, als es in der zu eng gewordenen Heimat ihnen möglich war. Bis weit nach Polen und Ungarn hinein sind solche deutschen Kolonistenzüge im Laufe von zwei Jahrhunderten vorgedrungen: an der baltischen Küste bis nach Livland hinauf, an der Donau entlang bis nach Siebenbürgen hinein, in den mittleren Landen an vielen Stellen weit über die Oder hinaus bis ins Gebiet der Weichsel hinein. In einigen Ländern, ganz besonders in dem preußischen Ordenslande, trägt die Kolonisation den Charakter einer kriegerischen Mission, einer wahren Eroberung; auch Heinrich der Löwe ist an den Grenzen seiner Herrschaftsgebiete, in Mecklenburg und Holstein, ziemlich gewaltsam verfahren. Aber im Großen und Ganzen ist der Charakter der Kolonisation mehr friedlich und wirtschaftlich gewesen, mochten nun geistliche Stifter, wie das Erzbistum Magdeburg, oder weltliche Fürsten das Werk in die Hand nehmen. Auch die Mönchsorden, die in erster Linie die Aufgabe der Christianisierung des Slawenlandes ergriffen haben, die Prämonstratenser im 12. und später die Zisterzienser im 12. und 13. Jahrhundert, waren von dem Geiste einer friedlichen und wirtschaftlichen Kolonisation erfüllt. Alle ihre Klöster waren zugleich Ackerbaukolonien und Musterwirtschaften; neben den Geistlichen, denen die Erfüllung der priesterlichen Pflichten oblag, war eine zahlreiche Laienbrüderschaft für die materielle Kultur tätig. Dieser Geist geht auf die Disziplin des Erzbischofs Norbert zurück, die die Werke der Mission und der Kolonisation eng miteinander verband. Das Kloster Unserer lieben Frauen in Magdeburg war der Mittelpunkt für die Wirksamkeit der Prämonstratenser, die sich über das ganze nordöstliche Deutschland erstreckte. In gesteigerter Energie wirkte dieselbe Tendenz später in dem Orden der Zisterzienser fort, der durch den würdigen Nachfolger Norberts, den Erzbischo f Wichmann, ebenfalls von Magdeburg aus, geleitet wurde. Die Zisterzienser besaßen eine traditionelle Wissenschaft in der Urbarmachung sumpfiger Landschaften, wie man sie sonst nur bei den holländischen und flämischen Ansiedlern fand; für viele Teile des Kolonialgebiets war das von größtem Wert.

Die vorwaltende Macht im slawischen Osten, das seit Boleslaw I. (10. Jahrh.) zur Selbständigkeit aufstrebende Polenreich, war für das Christentum gewonnen und hat unter Boleslaw III. der christlichen Mission des Bischofs Otto von Bamberg in den pommerschen Landen Vorschub geleistet. Aber seit dem Tode dieses starken und tüchtigen Herrschers ( 1139) geriet es wieder in Schwäche und Verfall, so dass der deutschen Kolonisation von dieser Seite her keine Schwierigkeiten bereitet worden sind. In manchen slawischen Ländern, wie in Pommern und Schlesien, haben die eingeborenen slawischen Fürsten-Geschlechter selbst den Strom der deutschen Kolonisten in ihr Land geleitet, um es wirtschaftlich zu heben und seine Erträge zu steigern; in Polen hat noch im 14. Jahrhundert Kasimir der Große deutsche Dörfer und Städte gegründet.

Es kann gar keine Rede davon sein, das die slawische Bevölkerung durch die deutschen Kolonisten überall verdrängt oder ausgerottet worden wäre. An einigen Stellen mag das geschehen sein, namentlich zu Anfang, wo sich etwas von Kreuzzugsgeist in die Ausdehnungsbestrebungen mischte, ganz besonders in der Nähe der Grenze des deutschen Mutterlandes und in Fällen, wo wiederholte Aufstände und Rückfälle in das Heidentum den Stammeshass oder den religiösen Fanatismus anfachten; aber im Großen und Ganzen wird die wendische Bevölkerung sitzen geblieben sein und sich im Lauf der Zeit auch wohl zum Teil mit den deutschen Ansiedlern vermischt haben. Dabei ist allerdings zu beachten, dass sie keineswegs sehr zahlreich gewesen sein kann, da erst die allmählich fortschreitende Urbarmachung des Landes eine dichtere Besiedlung ermöglicht hat. Den schwereren Boden vermochten die Wenden mit ihrem hölzernen Hakenpfluge noch gar nicht zu bewältigen; erst die eiserne Pflugschar der deutschen Ansiedler hat ihm Früchte abgewonnen. Das deutsche Volkselement hatte in jeder Hinsicht das Übergewicht über das wendische und gab durchaus den Ton an; die Kultur dieser Kolonialgebiete wurde rein deutsch. Aber die Blutmischung, die in diesen ostelbischen Ländern, namentlich auch in den höheren Kreisen, stattfand, ist doch auch nicht ohne politisch bedeutende Folgen geblieben: das allzu spröde germanische Wesen, das mehr zur selbständigen Absonderung des Einzelnen als zum Zusammenschluss im Dienst eines größeren Ganzen neigt, ist durch den Zusatz der weicheren, schmiegsamen slawischen Art für den Zweck der Staatsbildung bildsamer geworden, als es sich anderswo, ohne solche Beimischung, gezeigt hat. Man hat doch wohl nicht mit Unrecht von einer besonderen „preußischen Rasse“ gesprochen, die hier im östlichen Kolonialgebiet als eine Abart deutschen Volkstums sich herausgebildet hat; sie beruht neben dem Beisatz slawischen Blutes namentlich auch auf der Mischung verschiedener deutscher Stämme, deren Angehörige sich bei der Kolonisation beteiligt haben, und sie hat, wie andere Mischrassen — die Nordfranzosen, die Engländer, die Piemontesen — die politische Führung der Gesamtnation übernommen; hier offenbar aus dem Grunde, weil sie für eine militärisch-politische Disziplinierung geeigneter war als die mehr unvermischt gebliebenen deutschen Volksteile. Freilich ist ja irgendeine Rassenmischung fast überall vorhanden; von einer rein-germanischen Rasse wird man in Deutschland nur an wenigen Stellen reden können. Und die Eigenart deutschen Volkstums, die einer tausendjährigen Kultur entstammt, ist im Nordosten nicht minder stark und echt als im Westen und Süden, wo das deutsche Blut sich vielfach mit keltischem gemischt hat — von anderen Urbestandteilen ganz zu schweigen. In diesen Fragen darf man das treffende Wort Lagardes nicht vergessen, dass das Deutschtum nicht sowohl im Geblüt, sondern vor allem im Gemüt liegt.

In der Mark Brandenburg ist es das tatkräftige Fürstengeschlecht der Askanier, das die Führung bei dem Werke der Kolonisation in die Hand genommen hat. Es stammt von einem alten sächsischen Grafengeschlecht, das, im sächsischen Schwabengau am Ostabhang des Harzes sesshaft, nach seinen verschiedenen Besitzungen bald als Grafen von Ballenstedt, bald als Anhaltiner (Anhalt), bald als Askanier (von der Burg Ascaria oder Ascania bei Aschersleben) seinen Namen führt. Ein Spross dieses Geschlechts, Albrecht von Ballenstedt, wurde von Kaiser Lothar zum Lohn für seine in Deutschland und Italien geleisteten Dienste im Jahre 1134 mit der Nordmark belehnt, deren bisheriger Inhaber kurz zuvor in Italien den Tod gefunden hatte. Es war kein großes Gebiet, in dem der Markgraf waltete; es reichte im Osten, abgesehen von dem Winkel bei Havelberg, noch nicht über die Elbe hinaus; die Burgen Salzwedel, Tangermünde, Arneburg, Werben, alle als Grenzfestungen gegen die Wenden errichtet, bezeichnen ungefähr seine Ausdehnung. Der Ehrgeiz Albrechts, den seine Zeitgenossen den Bären nannten, reichte weiter: eine Zeitlang hat er, bei dem Zwist zwischen dem Staufer Konrad III. und dem Welfen Heinrich dem Stolzen, nach dessen Achtung das Herzogtum Sachsen innegehabt, von dessen altem billungischen Herzogshause er durch seine Mutter (Eilika) abstammte (1138); aber nach einem unglücklichen Waffengang musste er es wieder aufgeben (1142) zugunsten des jungen Heinrich, des Löwen. Es war der Ausgangspunkt einer langen, immer wieder von neuem aufflackernden Rivalität, die bis an das Ende Albrechts (1170) gedauert hat. Aber nicht auf dem Boden des alten Mutterlandes, sondern auf dem Neuland jenseits der Elbe lag der Schauplatz für den Ehrgeiz und die zukünftigen Taten der neuen Dynastie.

Hier hatte die Mission bereits vorgearbeitet. Bischof Otto von Bamberg hatte in dem benachbarten Pommernlande seine erfolgreiche Tätigkeit ausgeübt, die zwar das spätere brandenburgische Gebiet selbst nur in der Priegnitz oberflächlich gestreift, aber das Heidentum jenseits der Grenzen wirksam eingedämmt hatte. Es ist nicht ohne Bedeutung, dass Markgraf Albrecht mit ihm in guten und nahen Beziehungen gestanden hat. Wichtiger noch war die Wirksamkeit der Prämonstratenser, die von Magdeburg ausging. Ihrem Orden gehörte Bischof Wigger von Brandenburg an, der 1130 die Abtei Leitzkau bei Schönebeck südöstlich von Magdeburg und später den Ordenskonvent Parduin auf einer Havelinsel bei Brandenburg gründete; er selbst konnte seit 1138 wieder mit seinem Domkapitel als Bischof in Brandenburg walten, wo seit der Bekehrung des wendischen Gaufürsten Pribislaw das Christentum Fortschritte machte und wo bald auf dem benachbarten Harlungerberge an der Stelle des früheren Triglafftempels eine Marienkirche sich erhob. Auch das Kollegiatstift der Havelberger Domherren zu Jerichow bei Genthin war nach der Prämonstratenser Regel eingerichtet und wurde ein Vorposten christlicher und deutscher Kultur und Kolonisation.

An diese Bestrebungen schloss sich die Wirksamkeit des Markgrafen Albrecht an. Schon im Winter von 1136—37 hatte ihm ein Anfall der Wenden auf das Bistum Havelberg Anlass gegeben, diese Stellung besser zu sichern und dabei zugleich in die Priegnitz vorzudringen. Dies von Urwald bedeckte Land, das schon Bischof Otto durchzogen hatte, wird damals erobert worden sein, wobei wohl die Wenden in der Hauptsache vertrieben worden sind: gerade in dieser Gegend gibt es nur sehr wenig slawische Ortsnamen, was eben darauf hinweist, dass die früheren Bewohner, die sie hätten überliefern können, verschwunden sind. Auch an dem großen Slawenkreuzzug von 1147, den Bernhard von Clairvaux gepredigt hatte, hat sich Albrecht mit seinen Leuten beteiligt, wenn auch wohl mit etwas anderen Plänen und Absichten, als sie die Masse des Kreuzheeres erfüllten.

Natürlich kam es auch ihm auf die Ausbreitung des Christentums an, das ja die Vorbedingung seiner Herrschaft in den Wendenlanden war; aber daneben wird ihn der Wunsch geleitet haben, reelle Erwerbungen zu machen und dabei die angesessene Bevölkerung nach Möglichkeit zu schonen, um sich ihrer Arbeitskräfte zu bedienen. Tatsächlich ist der Missionserfolg dieses Kreuzzuges sehr gering gewesen; auch wirklicher Landerwerb ist nicht erreicht worden; dagegen wird die wendische Bevölkerung des ganzen durchzogenen Gebietes bis nach Mecklenburg und Pommern hin dadurch stark vermindert worden sein, so dass — bei der ohnehin sehr dünnen Besiedelung — das Bedürfnis einer Kolonisierung des verödeten Landes später umso stärker hervorgetreten sein wird. Von Kreuzzugsgeist ist sonst in der Kolonisations-geschichte der Mark Brandenburg nur wenig zu spüren — im Gegensatz zu der des preußischen Ordenslandes. Es war nicht die Art der Askanier, mit Feuer und Schwert das Heidentum und seine Anhänger auszurotten; ihre Erwerbungen haben sie lieber auf friedlichem Wege, später namentlich auch durch Kauf und Vertrag gemacht. Es ist ein milderer Zug in ihrer Art zu kolonisieren als etwa in der Heinrichs des Löwen. Bezeichnend dafür sind vor allem die Vorgänge, durch die ihnen die nächste und wichtigste ihrer Erwerbungen, die des Havellandes, gelungen ist. Sie knüpfen sich an die Person des wendischen Gaufürsten von Brandenburg Pribislaw, der von den Prämonstratensern bekehrt, samt seiner Gemahlin Petrussa das Christentum angenommen hatte und sich seitdem Heinrich nannte. Er war in freundschaftliche Beziehungen zu dem Markgrafen getreten; er hat dessen erstgeborenen Sohn Otto aus der Taufe gehoben und ihm dabei ein ansehnliches Landgebiet, die Zauche, als Patengeschenk zugeeignet. Die wendischen Gaufürsten konnten mit ihrem Gebiet schalten und walten wie mit Eigengut. Später, in den vierziger Jahren, hat der hochbetagte Fürst, der kinderlos war, um das Christentum gegen die zu befürchtende heidnische Reaktion sicherzustellen, den Markgrafen zum Erben seines ganzen Landes eingesetzt; seitdem nannte sich Albrecht Markgraf von Brandenburg. Nach dem Tode des Fürsten Pribislaw-Heinrich (1150) ist er denn auch wirklich, unter Beihilfe der Witwe, in den Besitz von Brandenburg gelangt. Aber der befürchtete Rückschlag des eingeborenen Heidentums blieb freilich nicht aus, und Brandenburg ging auf Jahre hinaus wieder an den benachbarten polnischen Knäs Jaczo von Köpenick verloren; erst im Jahre 1157 ist es endgültig zurückerobert worden. Von diesem Ereignis gibt uns das älteste erhaltene Stück brandenburgischer Geschichtsschreibung Kunde, ein Traktat des Brandenburger Geistlichen Heinrich von Antwerpen (1230). Die historische Wirklichkeit aber aller der genannten Personen, an die ja manche sagenhafte Überlieferung sich knüpft, ist gegen die Zweifel einer überfeinen Kritik durch glückliche Münzfunde neuerdings ganz sichergestellt worden.

Die Wiedereroberung Brandenburgs im Jahre 1157 bezeichnet den Zeitpunkt, wo die eigentlich massenhafte und planmäßige Kolonisation Albrechts des Bären einsetzt. Er hat sich dabei wohl den Grafen Adolf von Holstein zum Muster genommen; auch von ihm berichtet Helmold, das er Boten nach den Niederlanden gesandt habe, um Ansiedler zu werben. Zweifellos sind auch auf dem Boden der Mark Brandenburg zahlreiche flämische und holländische Kolonisten angesiedelt worden, so z. B. in dem früher ganz versumpften Gebiet der altmärkischen „Wische“, das zur Zeit der Kolonisation noch „voll langen Rohres“ stand, das dann erst durch die Eindeichung der Elbe vor Überschwemmungen geschützt und planmäßig entwässert worden ist; auch auf den Höhen des „Fläming“ findet man die charakteristische Hufenanlage der niederländischen Ansiedler, deren Andenken der Name der Landschaft bewahrt hat. Aber man darf sich keine übertriebenen Vorstellungen von der Bedeutung dieser niederländischen Kolonisation machen. Das eigentlich Maßgebende ist sie doch nicht gewesen. Auch die Einführung des Backsteinbaues, als dessen früheste Denkmäler einige alte romanische Kirchen, wie die 1772 abgetragene Marienkirche von Brandenburg, oder die Klosterkirchen von Diesdorf (bei Salzwedel) und von Jerichow (bei Genthin) bekannt sind, darf schwerlich auf niederländische Meister zurückgeführt werden und gehört überhaupt wohl nicht, wie man bisher meist annahm, der Mitte des zwölften, sondern erst dem dreizehnten Jahrhundert an; die Ähnlichkeit mancher Stilornamente weist auf lombardische Einflüsse hin, die man allerdings auch nicht näher verfolgen kann, die aber in dem allgemeinen Zusammenhang von Deutschland und Italien, wie er in Politik und Kultur zur Zeit des Ausgangs der Staufer bestand, eine hinreichende historische Grundlage finden. Zur Zeit des Beginns der Kolonisation werden wir uns den Kirchenbau noch in sehr einfachen Formen vorzustellen haben; erst später sind große kunstvolle Bauten an die Stelle der einfachen aus Holz und Feldsteinen gebauten Kirchen getreten, mit denen man sich zunächst begnügt haben wird.

Die Ansiedler der Mark Brandenburg sind wohl zum größten Teil aus Ostfalen gekommen; verschiedene, allerdings meist niederdeutsche Stammeselemente haben sich hier zusammengefunden und zum Teil auch wohl mit der wendischen Bevölkerung vermischt; die Nachricht Helmolds von der Vertreibung der Wenden darf nicht allzu wörtlich genommen werden; allerdings wird es Stellenweis, namentlich in der Nähe des Mutterlandes, zu einer gelegentlichen Abschiebung der eingeborenen Bevölkerung gekommen sein; aber schon die Beziehungen Albrechts zu dem Fürsten Pribislaw-Heinrich verbieten, an eine systematische Ausrottung oder gewaltsame Vertreibung der Wenden zu denken. Ihre Absonderung in den „Kietzen“, deren man etwa 60—100 auf dem Boden der Mark Brandenburg zählt, wird daraus zu erklären sein, das diese Sondergemeinden nur aus dem Teil der wendischen Bevölkerung bestanden, der ausschließlich von der Fischerei lebte, während der größere, welcher Ackerbau trieb, weit eher mit den deutschen Nachbarn verschmelzen konnte. Die Verachtung, die man im 15. Jahrhundert den Wenden entgegenbrachte, indem man sie z. B. aus den Zünften ausschloss, wird aus dem zurückgebliebenen sozialen Zustand dieser Überreste zu erklären sein; die allgemeine Stimmung der Kolonisationszeit wird er schwerlich bezeichnen. Immerhin mag die wendische Blutmischung in der Mark Brandenburg bei den Kolonisten geringer gewesen sein, als in anderen Kolonisationsgebieten.

 

Das politische Interesse Albrechts des Bären war immer noch geteilt zwischen dem Zukunftswerk der Kolonisation und den aus der Vergangenheit herüberwirkenden Bestrebungen seines Hauses zur Machterweiterung auf dem alten sächsischen Boden. Nach seinem Tode aber sind diese beiden verschiedenen Richtungen der Politik, die bei seinen Lebzeiten öfter einander gehemmt hatten, endgültig von zwei verschiedenen Dynastien aufgenommen worden, indem nach den letztwilligen Bestimmungen des Vaters der ältere seiner Söhne, Otto I., in der Mark Brandenburg folgte, während die alten askanischen Besitzungen dem jüngeren Bruder Bernhard, dem Stifter der späteren anhaltischen Dynastie, überlassen wurden. Nach dem Sturze Heinrichs des Löwen, zu dessen Niederkämpfung auch Markgraf Otto dem Kaiser Friedrich I. geholfen hat, ist dann das alte Streben der Anhaltiner nach dem sächsischen Herzogtum wenigstens in der Form zum Ziel gelangt, das nach dessen Zerschlagung der östliche Teil, mit Lauenburg und Wittenberg, an Bernhard übertragen wurde, was natürlich auch der Stellung des Gesamthauses zugutekam. Der Sturz des Löwen, dessen Übermacht einen lähmenden Druck auf die andern norddeutschen Fürstengewalten ausgeübt hatte, bewirkte es auch, dass sich die Politik der Markgrafen von Brandenburg freier zu regen begann. Das natürliche Bedürfnis jeder kräftigen Staatsbildung, an die Seeküste vorzudringen, hatte schon von Anfang an zu dem Bestreben geführt, das von den Liutizen (Wilzen) bewohnte pommersche Gebiet, das auch die Uckermark, Teltow und Barnim umfasste, in den Machtbereich der brandenburgischen Markgrafschaft mit hineinzuziehen und auch ein Stück von der Küste, etwa bei Demmin, zu gewinnen. Schon unter Otto I. tritt der Anspruch Brandenburgs auf die Erwerbung der Lehnshoheit über Pommern hervor, aber von dessen Durchsetzung war man noch sehr weit entfernt. Bei diesem Bestreben machte sich zunächst als hemmender Umstand das gewaltige Anwachsen der dänischen Macht geltend, die von dem Sturz Heinrichs des Löwen den größten Vorteil gezogen hatte. Der Herzog Bogislaw von Stettin und Demm, der damals mit den übrigen Fürsten des pommerschen Greifenhauses von Kaiser Friedrich I. als unmittelbarer Vasall in den Lehnsverband des Reiches aufgenommen worden war, musste schon 1184 nach einem unglücklichen Kriege sein Land von dem Dänenkönig Knut zu Lehen nehmen; und wenn auch nach dem Tode Ottos I. der ältere von seinen Söhnen, der ihm zunächst in der Herrschaft folgte, Otto II., an der Oder wie an der Elbe den dänischen Einfluss wieder zurückdrängte und in Pommern ein tatsächliches Übergewicht gewann, das König Philipp auch von Reichswegen anerkannte, so war doch sein Bruder Albrecht II., der nach seinem Tode (1205) die Herrschaft führte und sich nach der Ermordung Philipps dem welfischen König Otto anschloss, trotz des Bündnisses mit diesem in dem erneuten Kriege mit den Dänen nicht glücklich und musste aus Pommern zurückweichen. So herrschte Waldemar der Sieger, auch von dem Staufer Friedrich II. anerkannt (1214), weit und breit an der Ostseeküste und übte bis in das Kerngebiet der späteren Mark Brandenburg hinein einen maßgebenden, den askanischen Interessen feindlichen Einfluss aus. Eine neuerdings aufgestellte Vermutung, das schon unter den Söhnen Ottos I., Otto II. und Albrecht II., die Landschaften Teltow und Barnim, die im Besitz der pommerschen Dynasten waren, erworben worden seien, hat sich nicht bestätigt; Oderberg, das wohl zu Beginn des neuen Krieges mit Dänemark, also vor 1214, als Stützpunkt zur Eroberung von Pommern angelegt sein wird, war nicht der Abschluss einer solchen Erwerbung, sondern vorläufig nur ein vorgeschobener Posten. Es bedurfte erst der Niederkämpfung der dänischen Übermacht, die in der Schlacht bei Born Höved (1227) zusammenbrach, um solche bedeutende Landerwerbungen für die Mark Brandenburg möglich zu machen. Erst die Enkel Ottos I., Johann I. und Otto III., haben (um 1230 etwa) die Landschaften Teltow und Barnim durch Kauf von dem Herzog Barnim von Pommern-Stettin erworben und 1231 auch die Anerkennung der ihnen jetzt von Kaiser Friedrich II. in aller Form verliehenen Lehnsherrlichkeit über Pommern von den dortigen Herzögen erreicht; bis 1250 haben sie dann durch Verträge mit Pommern-Stettin auch noch die Uckermark erworben, die seitdem das Grenzland gegen Pommern zu bildete. Noch in demselben Jahre erfolgte die Erwerbung des Landes Lebus, um das im Wettbewerb mit Brandenburg auch Magdeburg und Meißen sich bemühten; es wurde von polnischen Piasten aus dem Glogauer Hause erkauft; damit war die Odergrenze erreicht und das Gebiet abgeschlossen, das man damals und noch bis 1456 die Neumark nannte zum Unterschied von der jetzt sogenannten Altmark, der ehemaligen Nordmark. Das Land jenseits der Oder, das man später Neumark genannt hat und das früher „die Mark jenseits der Oder“ (Marchia transoderana) hieß, ist bald darauf in jahrzehntelangem Vordringen stückweise erworben worden, in der Hauptsache ebenfalls von den polnischen Piasten, die in ihren verwandtschaftlichen Fehden untereinander die brandenburgischen Markgrafen zu Hilfe riefen, aber auch von den Templern und Johannitern, die von den Polen ins Land gerufen waren und hier reichen Besitz erworben hatten; auch von dem Bistum Kammin, das es lieber mit den Askaniern als den Pommernherzögen hielt. Es handelte sich dabei meist um Kaufverträge; aber auch zur Anwendung von Gewalt und List ist es öfters gekommen.

Damit hatte die Mark Brandenburg im Wesentlichen ihren späteren Umfang erreicht. Sie ist aber unter der Herrschaft der Askanier noch weit über die späteren Grenzen hinausgewachsen. Schon 1236 trat Wratislaw von Pommern-Demmin das Land Stargard und andere Gebiete ab, die später mecklenburgisch geworden sind, in deren Mitte aber damals die Stadt Neu-Brandenburg gegründet wurde, deren Name noch heute von der einstmaligen Herrschaft des brandenburgischen Fürstenhauses zeugt. Später traten die Ober- und Niederlausitz, meißnische Gebiete, Stücke von Pommerellen und andere Erwerbungen hinzu, die ebenfalls wieder verloren gegangen sind.

Der äußeren Ausdehnung ging der innere Ausbau und die Befestigung des Gewonnenen zur Seite. Die Kolonisationstätigkeit erreichte jetzt erst ihren Höhepunkt und hat bis zum Ende des 13. Jahrhunderts angedauert. Außer den Zisterzienser Mönchen waren auch die Ritter vom Orden der Johanniter und Templer sehr lebhaft daran beteiligt. Tempelhof und Templin erinnern an die Templer, während Sonnenburg der Mittelpunkt einer großen Niederlassung der Johanniter wurde. Drei bedeutende Zisterzienser Klöster bilden gleichsam Marksteine auf dem Wege der Kolonisation: Zinna bei Jüterbog, vom Erzbischof Wichmann von Magdeburg begründet bald nach dem Tode Albrechts des Bären (um 1170); Lehnin in der Zauche, von Markgraf Otto I. begründet und mit reichem Landbesitz ausgestattet, einer der Hauptmittelpunkte für Mission und Kolonisation in der Mark; endlich, um 1230 begründet, Chorin bei Eberswalde, inmitten weiter Waldungen. Die Gründung von Dörfern scheint, zum Teil wenigstens, wie am Barnim nachgewiesen worden ist, so erfolgt zu sein, das man sie zunächst an den großen Straßen, die das Land durchschnitten, aufreihte und von dieser Linie aus dann allmählich in die abseits liegenden Gebiete eindrang. Im 13. Jahrhundert sind denn auch zahlreiche Städte nach deutschem Recht gegründet worden. Die ältesten auf dem eigentlichen Kolonialgebiet (abgesehen von der Altmark, wo z. B. Stendal sehr früh von einem Dorfe zur Stadt gemacht worden ist) sind Spandau und Brandenburg-Altstadt, dessen Gründung wohl noch in die letzten Jahre Albrechts des Bären fällt; die Neustadt Brandenburg wird zum ersten Mal 1196 erwähnt.

1232 wurde Cölln an der Spree, um 1242 Berlin gegründet, dessen Name noch immer nicht mit Sicherheit ethnologisch erklärt werden kann; den Bär hat es erst verhältnismäßig spät in sein Wappen aufgenommen, früher führte es den brandenburgischen Adler. Cölln ist mit Spandauer, Berlin mit Brandenburger Stadtrecht bewidmet worden. Nach der Erwerbung des Landes Lebus wurde 1253 Frankfurt an der Oder gegründet, mit Berliner Stadtrecht; bei der Erwerbung der transoderanischen Mark Landsberg an der Warthe 1257.

Die früher im Schwange gehende Meinung, dass bei der Kolonisation das Land in sogenannte Burgwardei-Bezirke eingeteilt worden sei, um es militärisch zu sichern, ist neuerdings als Irrtum erkannt worden. Die Burgwarde, von denen wir aus früherer Zeit Kunde haben, verschwinden vielmehr in der Zeit der Kolonisation. Sie waren eine mit der wendischen Gauverfassung zusammenhängende Einrichtung, Ringwälle mit zahlreichen Ansiedlungen und Häuptlingsburgen, die zum Teil, wie die vor kurzem durch Grabungen näher erforschte sogenannte Römerschanze bei Nedlitz (in der Nähe von Potsdam), auf altgermanische Fluchtburgen zurückgehen mögen. Mit der deutschen Besiedlung kamen sie außer Gebrauch und gerieten in Verfall. Der militärische Schutz des Landes wurde vielmehr von den Askaniern dadurch bewirkt, das da, wo markgräfliche Burgen nicht vorhanden waren, ritterliche Dienstmannen mit ihren Leuten in den offenen Dörfern angesiedelt wurden mit der Verpflichtung, stets zum Kriegsdienst bereit zu sein. Natürlich gab es außer den markgräflichen Burgen an manchen Stellen auch Befestigungen, Verhaue oder Wälle mit Hakelwerk. Auch die Städte werden vielfach ursprünglich durch solche einfachen Befestigungen eingeschlossen gewesen sein; der regelrechte Mauerbau setzte erst später ein. Eine schlossgesessene Ritterschaft gab es anfangs nicht in den Marken, wenigstens nicht in der Mittelmark. Sie begegnet zuerst in der Neumark: Da dienten die Schlösser des Adels zum Schutz gegen die polnischen Nachbarn. Da sehen wir auch große Herren mit zahlreichen Gefolgschaften als Condottieri (Condottiere ist die Bezeichnung für einen Söldnerführer, wie ihn die italienischen Stadtstaaten vom späten Mittelalter bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts beschäftigten.) auftreten, allen voran die Familie Wedel, die Ende des 13. Jahrhunderts einmal dem Deutschen Orden 600 schwergerüstete Reiter zuführte (an 2000 Pferde). Doch waren das seltene Ausnahmen. Erst später, im 14. Jahrhundert, haben sich die Burgen der Ritter im Lande vermehrt, größtenteils, indem die markgräflichen Burgen in ihren Besitz übergingen. Zunähst lebte der ritterliche Dienstmann in den Dörfern der Mittelmark als der Nachbar der Bauern. Die Dorfanlagen schlossen sich zum Teil an die alten Wendendörfer an, die gewöhnlich die Form von „Rundlingen“ oder auch von „Straßendörfern“ haben, d. h. rings um einen Dorfplatz herum oder an einer Straße entlang angelegt sind. Dagegen hat das eigentlich deutsche Dorf die Form eines ganz unregelmäßigen Haufens, bei dem gar kein Plan der Anlage ersichtlich ist, sondern ein jeder Haus und Hof da hinsetzt, wo es ihm beliebt („Haufendorf“). Wo eine ganz neue Gründung „von wilder Wurzel“ geschieht, findet man meist solche „Haufendörfer“. Einzelhöfe kommen auf dem Kolonisationsgebiet im Allgemeinen nicht vor. In den meisten neubegründeten Städten finden wir eine typische Form der Stadtanlage, die den Zweck verfolgt, eine möglichst große Anzahl von Hausstellen in einem möglichst kleinen Mauerring einzufassen und damit zu schützen. In der Mitte wird der Markt angelegt; darum gruppieren sich die meist sehr schmalen Häuser der Bürger in wenigen Straßen. Trotz des engen Raumes ist innerhalb der Mauern noch Platz für Wirtschaftshöfe und Dungstätten; denn die Mehrzahl der Einwohner treibt Ackerbau, teils allein, teils in Verbindung mit städtischen Gewerben. So wurde in anderthalbhundertjähriger Siedlungsarbeit durch das Zusammenwirken geistlicher und weltlicher Kräfte, Priester und Mönche, Ritter und Knechte, Bürger und Bauern, mit Kreuz, Schwert und Pflug der neue Boden dem Deutschtum und der christlichen Gesittung gewonnen. Das Ansehen des Landes veränderte sich: Sümpfe wurden ausgetrocknet, Flussläufe wurden in Dämme eingeschlossen und reguliert, Urwälder wurden gerodet und der Boden weithin urbar gemacht, eine Menge ländlicher und städtischer Siedlungen kamen bald zu einer bescheidenen Blüte. Zwischen Sand und Sumpf nistete sich ein in harter Arbeit vorwärtsstrebendes Kolonistengeschlecht ein, das in zäher Beharrlichkeit gelernt hatte, dem mageren Boden seinen Lebensunterhalt abzugewinnen. Land und Leute nahmen allmählich die Züge an, die wir kennen: vielverspottet in früheren Zeiten als „des Heiligen Römischen Reichs Streusandbüchse“ hatte das märkische Land mit seinen eintönigen Ackerfeldern und Kieferwaldungen, mit seinen stillen Flüssen und blinkenden Seen doch manchen verborgenen, herben Reiz, den heute Poeten und Maler wie Theodor Fontane und Walther Leistikow gleichsam erst wieder von neuem entdeckt und aufgezeigt haben. Und der Menschenschlag, der diesen Boden in immer dichterer Siedlung bekleidete, verband mit der zähen Ausdauer, dem Phlegma und der treuherzigen Zuverlässigkeit, die das gemeinsame Erbteil des niedersächsischen Stammes sind, eine Gewandtheit und Anpassungsfähigkeit, eine nüchterne Verstandesschärfe und einen trockenen Humor, die dem Märker leicht eine gewisse Überlegenheit vor anderen Stammesgenossen verliehen und ihn befähigt haben, unter kräftiger und umsichtiger Führung auf manchen Gebieten des Lebens, in Krieg und Gesittung, Leistungen zu vollbringen, die ihm die Ehrenstellung im Zentrum des neuen kolonialen Deutschland angewiesen haben.

Eine festgeregelte Erbfolgeordnung im Sinne des Erstgeburtsrechts gab es in dem askanischen Hause so wenig wie in andern deutschen Fürstenhäusern jener Zeit. Alle Söhne eines Markgrafen, soweit sie nicht geistlich waren, pflegten zu gesamter Hand belehnt zu sein und führten zuweilen nebeneinander den Markgrafentitel, wenn auch nur einer von ihnen, der älteste, die Würde gegenüber Kaiser und Reich repräsentierte. Die Einheit des Territoriums blieb dadurch gewahrt. Die drei Söhne Ottos I. walteten in abgesonderten Bezirken: neben dem ältesten, dem Markgrafen Otto II. (1184—1205), der eine der Brüder, Heinrich, der 1192 ohne Erben starb, zu Gardelegen, der andere, Albrecht, auf dem die Fortpflanzung des Hauses beruhte, anfangs als Graf von Arneburg. Er ist mit dem älteren Bruder nach Heinrichs Tode in Streit wegen der Erbschaft geraten; da Otto ohne Söhne starb, ist er ihm gefolgt (1205—1220). Seine beiden Söhne Johann I. und Otto III., von denen zunächst der erste und ältere als Markgraf erscheint, führten seit 1233 in ganz gleichberechtigter Stellung und in seltener brüderlicher Eintracht die Regierung gemeinsam, was bei der Tüchtigkeit beider sowohl der Stellung des Hauses als auch dem Lande zugutekam. Aber gerade sie haben es dann doch für nötig gehalten, um für Frieden und Eintracht unter ihren zahlreichen Söhnen zu sorgen, eine Teilung vorzunehmen, die anfangs (1258) die Altmark und die Doppelstadt Brandenburg noch als gemeinschaftlichen Besitz bestehen lies, dann aber (1260) auch diesen und 1266 auch weitere neue Erwerbungen aufgeteilt hat. Diese Teilung, die von den Söhnen 1268 erst zur vollständigen Ausführung gebracht wurde, spaltete nun das Haus in zwei Linien, von denen die eine, die Johanneische (nach Johann II., dem ältesten Sohne Johanns I. genannt) zu Stendal, die andere, die Ottonische (nach Otto III. selbst, der seinen Bruder um ein Jahr überlebte) zu Salzwedel ihren Sitz hatte. Das älteste Mitglied der älteren Linie galt als Senior des Hauses und als Repräsentant gegenüber dem Reiche. Es war eine Senioratsverfassung, wie sie aus dem Grundsatz der Belehnung zur gesamten Hand auch anderswo erwachsen ist. Im Unterschied von anderen fürstlichen Landesherrschaften ist aber hier eine wirkliche Trennung der Dynastie und des Landes stets vermieden worden. Ein Übelstand war nur, dass die Höfe sich vervielfältigten und die Kostspieligkeit der vielen Hofhaltungen beständige Finanznot mit sich brachte.

Im Reiche nahmen die Markgrafen eine hervorragende Stellung ein. Otto I. hat noch kurz vor seinem Tode, zu Pfingsten des Jahres 1184, auf dem berühmten glänzenden Hof- und Reichstag, den damals zu Mainz Kaiser Friedrich Barbarossa hielt, zum ersten Mal das Erzamt des Reichskämmerers ausgeübt; später sind die brandenburgischen Markgrafen mit den anderen Trägern der großen Reichsämter in die Reihe der bevorzugten Wähler aufgerückt, aus denen im 13. Jahrhundert das Kurfürstenkollegium sich bildete. Zum ersten Mal übte Markgraf Johann I. das Wahlrecht als Mitglied dieses bevorzugten Kreises aus, als er zu Braunschweig im Jahre 1252 zusammen mit dem Herzog Albrecht von Sachsen dem König Wilhelm, der schon früher von den drei rheinischen Erzbischöfen gewählt war, seine Stimme gab und damit die Wahl rechtsgültig machte. Fürsten des askanischen Hauses erscheinen auch unter den Bewerbern um die Krone des Reiches: So Otto III. 1256 nach dem Tode Wilhelms von Holland, Otto IV. 1308 nach dem Tode Albrechts I. Die beiden Brüder Johann I. und Otto III. gewannen durch ihre Ehebündnisse eine nach Norden wie nach Süden gesicherte und machtvolle Stellung. Johann hatte eine dänische Prinzessin geheiratet und dadurch Ansprüche erworben, die dem askanischen Hause in dem Verhältnis zu Pommern von Vorteil gewesen sind; Otto III. war mit einer Tochter des Böhmenkönigs Wenzel vermählt, die ihm die Oberlausitz mit den Städten Bautzen und Görlitz zugebracht hat. In dem Streit Ottokars von Böhmen gegen Rudolf von Habsburg haben die Askanier auf böhmischer Seite gestanden; späterhin haben sie zwischen den beiden Häusern zu vermitteln gesucht, wobei sie ihr eigenes Interesse nicht vergaßen.

Ganz erfolglos ist ein Versuch des von jeher mit den Markgrafen in Rivalität stehenden Erzbistums Magdeburg gewesen, die altmärkischen Allodien und das neuerworbene Kolonialgebiet der Askanier unter seine lehnsherrliche Botmäßigkeit zu bringen. Die Lehnsauftragung, zu der die Brüder Otto II. und Albrecht II. aus unbekannten Gründen im Jahre 1190 sich herbeiließen, hat keine praktischen Folgen gehabt und ist bald ganz in Vergessenheit geraten. Die Rivalität aber zwischen den Markgrafen von Brandenburg und dem Erzstift Magdeburg, die in der nachbarlichen Eifersucht der beiden großen Kolonisationsmächte wurzelte, blieb bestehen und hat später zu blutigen Fehden geführt, wobei namentlich auch das Bestreben der Markgrafen eine Rolle spielte, einen ihrer jüngeren Brüder auf den erzbischöflichen Stuhl zu erheben. Markgraf Otto IV. mit dem Pfeil, ein Bruder Johanns II., auch als Verfasser von Minneliedern bekannt, wurde in dem Gefecht bei Frohse, das von der Sage ausgeschmückt und auch dichterisch behandelt worden ist, 1278 von dem Erzbischof gefangen genommen und nur gegen ein hohes Lösegeld wieder freigelassen. Im nächsten Jahre wurde er — abermals in einer Fehde mit Magdeburg — in einem Treffen bei Staßfurt am Haupt durch einen Pfeil verwundet, dessen Spitze in der Wunde stecken blieb und lange nicht entfernt werden konnte; daher sein Beiname. Schließlich gelang es ihm aber doch (1283), seinen jüngsten Bruder Erich auf den Magdeburger Erzstuhl zu bringen und damit den Rivalitätsstreit vorläufig zu beendigen.

Die Schwäche des durch inneren Zwist zerrissenen Wettinischen Hauses kam der askanischen Machtbildung zustatten: 1291 verkaufte Albrecht der Unartige den Askaniern die Mark Landsberg, die nach der zwischen Halle und Delitzsch gelegenen Burg benannt war und auch einen Teil des Saalegebietes umfasste; 1303 verpfändete ihnen dessen Sohn Diezmann in der Not des Krieges gegen König Albrecht auch die Niederlausitz, die eine treffliche Ergänzung zu der Oberlausitz bildete; zeitweise kamen sogar meißnische Städte wie Torgau, Großenhain, Dresden, Leipzig, Meißen, Freiberg und andere in askanischen Besitz. Die ganze Größe und weitausgreifende Kühnheit der Entwürfe, in denen die Askanier sich bewegten, zeigt sich aber erst, wenn man ihren alten Plan ins Auge fast an die Ostseeküste vorzudringen, wo seit dem Ende des 13. Jahrhunderts die Hansestädte und der Deutsche Orden die vorwaltenden Mächte geworden sind. Im Wetteifer mit ihnen sehen wir die askanischen Fürsten bestrebt, an den beiden großen Mittelpunkten des Ostseeverkehrs, Lübeck und Danzig, festen Fuß zu lassen. Lübeck suchten sie schon um die Mitte des 13. Jahrhunderts in ihren Machtbereich hineinzuziehen: sie ließen sich von König Wilhelm dem Holländer 1252 mit der Stadt belehnen, und auch Rudolf von Habsburg, der Lübeck die Reichsfreiheit zugestanden hatte, lies sich dazu herbei, den Markgrafen die Reichsvogtei über die Stadt zu verleihen. Lübeck selbst suchte sich natürlich einer Beherrschung durch die Askanier zu entziehen und war 1283 nach dem Ausgang des Magdeburger Streites die Seele eines Kriegsbündnisses gegen die Mark grasen, die aber Pommern gegenüber 1284 das Feld behaupteten. Selbst auf Gotland und Wisby scheinen die Markgrafen einmal ihren Blick gerichtet zu haben (1277).

Vor allem aber war Danzig das Ziel ihrer Entwürfe, die auf eine Ausdehnung ihrer neumärkischen Erwerbungen über das östliche Pommern bis zur Weichselmündung gerichtet waren. Hier herrschte in dem gewöhnlich als Pommerellen bezeichneten Gebiet, das Ostpommern und Teile von Westpreußen umfasste, der polnische Fürst Mestwin, der die Stadt Danzig schon einmal 1272 in der Not den Markgrafen eingeräumt, dann aber unter veränderten Umständen sie ihnen in verräterischer Weise wieder entrissen hatte. Nach dessen Tode 1294 kam es zu einem verwickelten Streit um die Herrschaft über sein Land, wobei die Markgrafen erst den polnischen Königen Przemysl (1296) und Wladislaw Lokietek, dann aber auch dem Deutschen Orden gegenüber standen. Im Jahre 1308 zogen die Markgrafen Otto IV. und Waldemar nach Danzig und bemächtigten sich der Stadt, während die Polen die Burg besetzt hielten.

Die Polen riefen den Orden herbei, der die Erwerbung Danzigs schon lange ins Auge gefasst hatte, und einen Moment standen die beiden großen Kolonisationsmächte, durch deren Vereinigung später der preußische Staat erstehen sollte, einander kampfbereit gegenüber. Ein großer historischer Moment. Aber die Markgrafen gaben nach. Der Orden saß hier am längeren Hebelarm, und die Askanier hatten ohnehin viele Feinde an allen Grenzen ihres Gebietes. Sie verkauften dem Orden ihre Ansprüche auf Danzig, Dirschau und Schwetz für 10 000 Mark Silber und behielten nur das Land Schlawe mit Rügenwalde, wo sie nun einen Platz an der Seeküste hatten. Gewissermaßen im Wettbewerb mit Danzig haben sie bald darauf dort Stolp gegründet. Die Auseinandersetzung mit dem Orden war fest und endgültig; sie ist auch durch den Kaiser von Reichs wegen 1311 förmlich bestätigt worden.

Bald nach dieser Wendung von 1308 ist Otto IV. gestorben, einer der bedeutendsten Fürsten seines Hauses. Er hatte nach dem Tode Johanns II. mit seinem Bruder Konrad gemeinsam die Regierung geführt. Dessen Sohn war der junge Waldemar, der ihn auf dem Zuge nach Danzig begleitet hatte, und der nach seinem Tode den ganzen Anteil der älteren Linie in seiner Hand vereinigte. Die Geschichtsschreiber haben ihm den Beinamen des Großen gegeben, weil er in seiner heldenhaften Persönlichkeit in schweren und gefahrvollen Kämpfen die Macht seines Hauses, wenn auch nicht ganz ungeschmälert, gegen eine Welt von Feinden behauptet hat, unmittelbar vor dem jähen und traurigen Erlöschen der ruhmreichen askanischen Dynastie. Er war ein Mann nach dem Herzen der Sänger. Heinrich Frauenlob hat ihn aufs höchste gepriesen. Das große Fest, dass er 1311 in dem Rosengarten vor Rostock gab, wo er von seinem Vetter, dem Dänenkönig Erich Menved, den Ritterschlag empfing, war weit und breit berühmt. Damals war er mit Dänemark noch im besten Einvernehmen. Er hat dem König Erich auch noch geholfen, 1311 Wismar und 1312 Rostock einzunehmen. Dann aber trennten sich ihre Wege, und an die Stelle der Bundesgemeinschaft trat eine Feindschaft auf Tod und Leben, deren Grund wohl darin zu suchen ist, das Dänemark nun auch nach Pommern hinübergriff und seine alte Machtstellung an der Ostseeküste auf Kosten der Askanier herzustellen versuchte.

Ehe es noch zum Ausbruch der Feindschaft mit Dänemark kam, erhob sich ein anderer Gegner, dem die Macht des askanischen Hauses zu drückend geworden war. Der Wettiner Friedrich der Freidige, der 1307 in der Schlacht bei Lucka über König Albrecht gesiegt hatte, versuchte auch den Askaniern gegenüber zurück zu gewinnen, was sein Haus verloren hatte. Er unterlag und geriet in Gefangenschaft; in dem Frieden von Tangermünde 1312 musste er sich mit einer hohen Geldsumme loskaufen, für die Leipzig, Döbeln, Grimma, Oschatz zum Pfande gesetzt wurden; was die Askanier von meißnischem Gebiet erworben hatten, behielt Waldemar, auch Großenhain und Torgau.

Dann kam der Kampf mit dem dänischen Könige, der 1314 ein großes Bündnis norddeutscher Fürsten gegen die Askanier zustande gebracht hatte, bei dem die Grafen von Holstein und Schwerin, der Fürst von Mecklenburg, der Herzog von Lauenburg in erster Reihe standen; auch die übrigen nordischen Könige waren mit im Bunde, ebenso Polen und Ungarn, und im Süden erhoben sich die Wettiner von neuem. Feinde ringsum.

Während nun König Erich von Dänemark Stralsund belagerte, das ihm den Weg zur Beherrschung von Pommern eröffnen sollte, griff Fürst Heinrich von Mecklenburg mit seinen Verbündeten den Markgrafen Waldemar in seinem eigenen Lande an. Bei Gransee wurden die Brandenburger geschlagen, Markgraf Waldemar, der verwundet mit seinem Pferde gestürzt war, konnte nur mit Mühe gerettet werden; aber von den Gegnern geriet Graf Hans von Holstein, der Bruder des Dänenkönigs, in die brandenburgische Gefangenschaft, was den Wert ihres Sieges sehr beeinträchtigte. In dem Frieden von Templin, der 1317 geschlossen wurde, musste Markgraf Waldemar das Land Stargard an den Fürsten von Mecklenburg abtreten: es ist das Gebiet, aus dem in der Hauptsache das spätere Mecklenburg-Strelitz sich gebildet hat. König Erich gab seinen Anschlag gegen Stralsund auf; Pommern blieb frei von den Dänen; aber der Herzog, der in diesem gefährlichen Kampfe trotz aller Lockungen der Gegner auf der Seite Waldemars gestanden hatte, musste mit den Hinterpommerschen Besitzungen der Askanier: Schlawe, Stolp, Rügenwalde, entschädigt werden. So war die Stellung an der See wieder verloren gegangen. Außerdem hat Waldemar, um die Kosten des Krieges zu decken, einige von seinen neumärkischen Besitzungen verpfänden, ein entlegenes Außenstück in Thüringen (Henneberg) sogar verkaufen müssen; aber die Machtstellung seines Hauses blieb noch unerschüttert, und auch in den Kämpfen mit den Wettinern und mit Polen hat er sie siegreich behauptet. Durch Vertrag mit den Piasten von Glogau gewann er für Sagan, das er aufgab, eine erwünschte Abrundung der Neumark durch Krossen, Züllichau, Schwiebus und andere Gebiete.

In eben dieser Zeit (1317) fiel ihm nach dem Tode seines 15 jährigen Vetters Johann V. auch der Besitz der jüngeren Linie seines Hauses zu bis auf die Mark Landsberg, deren Inhaber, Markgraf Heinrich, dann aber auch bald darauf gestorben ist, mit Hinterlassung eines unmündigen Sohnes, den der kinderlose Waldemar zur Erziehung an seinen Hof nahm. Nicht lange danach, 1319, hat ein früher Tod den glänzenden Fürsten dahingerafft, in der Vollkraft seines Lebens und ohne dass er einen Erben hinterließ. Der junge Vetter aber, der ihm folgte, der letzte seines Stammes, ist auch früh ins Grab gesunken, schon ein Jahr nach Waldemar selbst (1320). Damit war die ruhmreiche Dynastie der Askanier erloschen, die noch vor einem Menschenalter so viele lebende Markgrafen nebeneinander (die Überlieferung spricht von 19!) aufzuweisen hatte, das man glaubte, das Land könne sie nicht alle ernähren. Seit ihrem Ausgange hat bis auf die Hohenzollern keine Dynastie wieder wirklich feste Wurzeln im Lande gefasst.

Zunächst schien es, als sollte die territoriale Staatsbildung, die sie geschaffen hatten, während der nun folgenden Erbschaftsstreitigkeiten unter den dreisten Zugriffen der Nachbarn in völlige Auflösung verfallen. Die Mecklenburger und Pommern rissen Teile der Priegnitz an sich, die Pommern außerdem noch Teile der Uckermark, die Polen drangen in die Neumark ein, Meißen und Böhmen nahmen die Erwerbungen Waldemars wieder in Besitz. Schließlich gelang es dem Kaiser Ludwig dem Bayern, indem er die Mark Brandenburg als erledigtes Reichslehen an seinen ältesten, damals achtjährigen Sohn Ludwig übertrug (1324), die Gründung der Askanier für sein Haus zu retten, freilich nicht in den alten Grenzen. Die Erwerbungen in Meisen und Schlesien (Krossen, Züllichau) mussten preisgegeben werden; die Lehnshoheit über Pommern ließ sich nicht behaupten, sie wurde 1338 in einen Erbvertrag verwandelt; die beiden Lausitzen wurden im Laufe der Zeit ebenfalls nacheinander an das luxemburgische Haus abgetreten (1350 und 1368) und mit der Krone Böhmen vereinigt. Ludwig „der Brandenburger“ oder auch, zum Unterschied von seinem gleichnamigen jüngeren Bruder, „der Ältere“ genannt, stand während seiner Minderjährigkeit unter der Leitung des Grafen Berthold von Henneberg und hat dann, mündig geworden, auch selbständig mit anerkennenswerter Tüchtigkeit seine Rechte gegen äußere und innere Feinde zu wahren versucht. Aber seine Herrschaft ist in den gefährdeten Grenzmarken nie zu voller Sicherheit gelangt; der Kampf seines Vaters, des Kaisers Ludwig, mit dem Papst machte die Geistlichkeit des Landes der wittelsbachischen Sache abwendig, und die Aussicht auf stärkere Lasten brachte im September 1345 auf einem Tage in Berlin Ritterschaften und Städte dazu, sich gegen den Markgrafen zu vereinigen. Es war eben in jenen Tagen, wo der Burggraf Johann II. von Nürnberg als Verweser in die Mark gesandt worden war; er ist gerade im September 1345 in Berlin eingezogen. Seine kurze, kaum einjährige Wirksamkeit konnte keinen Umschwung der Lage herbeiführen, zumal die Stellung der Wittelsbacher im Reiche durch die Aufstellung eines Gegenkönigs in der Person Karls von Luxemburg sehr erschüttert wurde (1346). Ein treuer Anhänger Ludwigs des Älteren und einer seiner Hauptratgeber war Klaus von Bismarck, der 1345 vom Markgrafen das Schloss Burgstall (bei Stendal) zum Lohn für seine Dienste erhielt. Als Kaiser Ludwig gestorben und Karl IV. sein Nachfolger geworden war, vermehrten sich die Schwierigkeiten des Wittelsbacher Markgrafen noch durch das Erscheinen eines Prätendenten (Ein Prätendent ist jemand, der etwas oder ein Recht für sich in Anspruch nimmt oder sich eine Stellung oder einen Status anmaßt), der unter dem Namen des großen Waldemar auftrat und vielfach Anhang im Lande fand, zumal ihm die Unterstützung aller Feinde der Wittelsbacher, namentlich auch des Kaisers, zu Gute kam. Alle diese Schwierigkeiten haben Ludwig dem Älteren schließlich den Besitz der Mark verleidet; er überlies sie im Vertrage von Luckau 1351 seinen beiden Stiefbrüdern Ludwig und Otto und zog sich nach Bayern zurück, wo er die Erbschaft des Vaters angetreten hatte. Ludwig der Römer übernahm von seinem Bruder den Kampf gegen den falschen Waldemar, der zwar inzwischen vom Kaiser als Betrüger preisgegeben worden (1350), aber durch die Unterstützung aller unbotmäßigen Elemente im Lande selbst sowie der meisten benachbarten Fürsten noch immer unbequem genug war; noch jahrelang hat dieser Kampf die Mark im Innern zerrüttet und nach außen geschwächt. Schließlich hat auch dieser Wittelsbacher keinen festen Fuß in der Mark zu fassen vermocht; und da die beiden Brüder mit ihren bayerischen Verwandten zerfallen und selbst noch ohne Erben waren, so gelang es den listigen und geschickten Bemühungen des Kaisers Karl IV., der schon längst nach dem Besitz des Landes trachtete, 1363 zu Nürnberg einen Erbvertrag mit ihnen zu Stande zu bringen, wonach für den Fall, dass sie keine Söhne hinterließen, die Mark Brandenburg an den ältesten Sohn des Kaisers fallen sollte. Zwei Jahre darauf ist Markgraf Ludwig II. gestorben; er liegt in der Klosterkirche zu Berlin begraben. Sein Bruder, Markgraf Otto, der Faule genannt, geriet nun vollends in die Netze der böhmischen Hauspolitik des Kaisers. Im Jahre 1366 heiratete er dessen Tochter Katharina und überließ dem Schwiegervater die Regierung der Mark für 6 Jahre. Aber nicht zufrieden damit, verlangte der Kaiser die förmliche Abtretung und suchte sie 1370 durch einen Einfall in die Mark zu erzwingen.

Aber der Markgraf Otto hatte sich inzwischen mit seinen bayerischen Verwandten versöhnt und seine Stellung im Lande gestärkt, so dass der Versuch des Kaisers zunächst misslang. Karl in seiner klugen Zähigkeit schlug nun den Weg der Unterhandlungen ein und hatte besseren Erfolg, als er bei günstigerer Gelegenheit zu deren nachdrücklicher Förderung noch einmal die Waffen ergriff. In dem Vertrag von Fürstenwalde (August 1373) musste Otto seinen Rechten auf die Mark entsagen, er nahm dafür ein Jahrgehalt von seinem kaiserlichen Schwiegervater an und zog sich nach Bayern zurück, wo er sechs Jahre später, erst 34 Jahre alt, gestorben ist. Die Mark Brandenburg ging damit von der wittelsbachischen Dynastie an die luxemburgische über. Karl IV. übertrug die Mark formell an seine Söhne Wenzel und Sigmund, tatsächlich aber hat er, solange er lebte, die Regierung selbst geführt. Sein Plan war, die Mark in eine feste und dauernde Verbindung mit seinen böhmischen Landen zu bringen, mit denen sie ja durch die Lausitz auch territorial verbunden war. Böhmen, Mähren, Schlesien, die Lausitzen und Brandenburg hätten ein leidlich kompaktes Gebiet an Elbe und Oder gebildet, das sich vielleicht bei günstiger Gelegenheit auch einmal an die See vorschieben lies. Handelspolitische Pläne spielten bei dieser Erwerbung eine große Rolle; Karl trat deswegen in Verbindung mit Lübeck und der Hansa und machte Tangermünde zu einem der bedeutendsten Elbstapelplätze. Dort hat er oft und gern geweilt und bedeutende Bauten zeugen noch heute von seiner Wirksamkeit. Auch sonst hat Karl IV. viel für die wirtschaftliche Hebung der Mark getan; vor allem brachte sein Regiment wieder Frieden und Ordnung, die man lange entbehrt hatte. Natürlich kam es dem neuen Landesherrn auch auf die Pflege und Sicherung seiner finanziellen Einkünfte an. Das große Landbuch, das er 1375—78 herstellen ließ, enthielt ein Verzeichnis alles dessen, was in den einzelnen Dörfern, Schlössern oder Städten an den Markgrafen zu zahlen war. Die fünf Jahre seiner Regierung sind ein Segen für die Mark gewesen; aber wenn es nach seinem 1374 verlautbarten Unionsplan gegangen wäre, so wäre die historische Rolle Brandenburgs eine ganz andere geworden, als die, welche wir kennen. Die Mark wäre ein Nebenland der Krone Böhmen geworden wie Mähren, Schlesien und die Lausitzen, wenn auch unter einem besonderen Herrscher aus dem böhmischen Königshause; der eigentliche Mittelpunkt, nach dem ihre Interessen gravitierten, wäre Prag geworden und geblieben. Indessen der Tod des Kaisers und die anders gerichtete Politik seiner Söhne hat die Entwicklung in andere Bahnen gelenkt. Kurz vor seinem Tode hat Karl bei der allgemeinen Erbteilung, die er vornahm, auch die Mark noch wieder geteilt, trotz der Bestimmungen der von ihm selbst erlassenen Goldenen Bulle, wonach die Kurfürstentümer unteilbar sein sollten; er gab die Neumark seinem jüngsten Sohne, Johann von Görlitz, der außerdem die Lausitzen als böhmisches Lehen erhielt, während die Hauptmasse dem zweiten Sohne, Sigmund, zufiel, zu dessen Gunsten der älteste, Wenzel, der in den Besitz von Böhmen mit den schlesischen Fürstentümern kam, verzichtet hat.

Unter Sigmund kam die Mark in eine ähnliche Gefahr, wie sie unter Karl IV. durch die Union mit Böhmen gedroht hatte. Wäre es Sigmund gelungen, wie er hoffte, mit der Hand der angiovinischen Erbtochter Maria, Tochter des Königs Ludwig von Ungarn und Polen, die Krone dieser beiden Reiche zu gewinnen, so wäre die Mark Brandenburg wahrscheinlich dem polnischen

Reiche angegliedert worden; aber die Bewerbung Sigmunds um die polnische Krone wurde von den Magnaten abgewiesen und es gelang ihm nur mit Mühe, sich in Ungarn als Träger der Krone durchzusetzen. Nun wurde für den Luxemburger die Mark Brandenburg lediglich eine Geldquelle für die Zwecke der weit ausgreifenden Politik, die er als König von Ungarn ins Werk setzte. Schon bald nach der Erwerbung der Stefanskrone hat Sigmund die Mark Brandenburg an seine Vettern Jobst und Procop von Mähren verpfändet, für 500 000 Goldgulden; als ihm durch den Tod seines Bruders Johann die Neumark zufiel, hat er auch diese sofort pfandweise veräußert an den Deutschen Orden (1402). Die Kurmark war, da Sigmund sie nicht rechtzeitig einlösen konnte, schon 1393 den Pfandgläubigern verfallen, ohne dass diese daraus sofort die Konsequenzen zogen. Als dann aber Sigmund in der großen Schlacht bei Nikopolis 1396 den Osmanen unterlegen und damit sein Kredit gewaltig gesunken war, da nahmen die Verwandten weiter keine Rücksicht auf ihn, und er musste jetzt die Mark förmlich an Jobst übertragen (1397); der aber war nun vor allem bestrebt, Geld aus dem Lande zu ziehen, um seine Vorschüsse zurückzuerhalten und womöglich bei dem Geschäft noch einen guten Gewinn herauszuschlagen. Man sah ihn selten in der Mark; er kam nur, um Gelder flüssig zu machen und in Empfang zu nehmen und kehrte dann nach Mähren zurück. Die Regierung überließ er Statthaltern oder Hauptleuten, die er als seine Stellvertreter eingesetzt hatte; meist waren es benachbarte Fürsten aus Mecklenburg, Pommern, Meißen, die wohl zugleich Pfandinhaber wichtiger Grenzplätze oder wie Wilhelm von Meißen ganzer Landschaften waren. Diesen Stellvertretern des mährischen Markgrafen traten dann wohl noch in den einzelnen Landesteilen Landeshauptleute aus dem eingesessenen Adel entgegen oder auch zur Seite, die Jobst anerkennen musste, wie Lippold von Bredow, Caspar Gans zu Putlitz oder Johann von Quitzow. In dieser Zeit hörte die landesherrliche Gewalt so gut wie ganz auf sich zu betätigen; die Mark fiel in ihre ursprünglichen Bestandteile auseinander; der Landfrieden, den keine starke Hand mehr aufrechterhielt, verlor alle Kraft und machte einem wüsten Faustrecht Platz, bei dem jedem überlassen war, nach dem Maße seiner Macht um sich zu greifen oder sich und das seinige zu schützen, so gut oder so schlecht er konnte. Eine Anzahl von Adelsfamilien, die untereinander zusammenhielten und den Stellvertretern des Markgrafen Trotz boten, allen voran die berüchtigten Quitzows, verwildert, aber auch bereichert in einem beständigen Raub- und Fehdewesen, rissen immer mehr die Macht an sich, indem sie die wichtigsten Schlösser des Markgrafen wie Friesack und Plaue und selbst Städte wie Rathenow und Strausberg aus dem Wege des Pfandbesitzes in ihre Hand brachten und sich große bewaffnete Gefolge hielten, mit denen sie nicht bloß im Lande selbst sich furchtbar machten, sondern auch gegen die benachbarten Fürsten von Mecklenburg, Pommern, Sachsen, den Erzbischof von Magdeburg, förmlich Krieg führten. Natürlich geschah das, wie es damals üblich war, in der Form von Plünderungszügen, nach denen die fehdelustigen Junker die reiche Beute hinter den Mauern ihrer festen Schlösser in Sicherheit brachten, während das arme Landvolk in den offenen Dörfern der Mark für diese Gewalttaten zu büßen hatte, wenn die auswärtigen Herren zur Vergeltung ihrerseits wieder die Mark mit Raub und Brand heimsuchten. Von den beiden Brüdern Dietrich und Johann von Quitzow, nahm der letztere seit seiner Vermählung mit der Tochter des Landeshauptmanns Lippold von Bredow im Besitz des festen Schlosses Plaue eine so mächtige Stellung ein, das das Erzstift Magdeburg ihm ein Jahr lang einen förmlichen Tribut zahlen und Markgraf Jobst selbst ihm die Landeshauptmannschaft in der Mittelmark übertragen musste. Die Städte wussten sich in diesem wilden Treiben noch einigermaßen zu schützen; aber sie mussten sich in beständiger Kriegsrüstung halten, und die Bürger wurden durch den Wacht- und Waffendienst vielfach von ihren Gewerben abgehalten; die Unsicherheit der Straßen, die eine starke Bedeckung reisender Kaufleute erforderlich machte, lähmte den Handelsverkehr und schmälerte den Gewinn. Ganz übel aber ging es den Landleuten, denen nicht eine benachbarte Stadt oder Burg Schutz gewährte; sie waren hilflos den häufigen Beutezügen der sich bekriegenden Parteien preisgegeben und verließen hie und da die abgebrannten und ausgeplünderten Höfe ganz, so dass viele Bauernstellen wüst blieben und der Anbau des Landes streckenweise ganz aufhörte. Von Recht und Gericht war nicht mehr viel die Rede im Lande; wenigstens die weltliche Gerichtsbarkeit war ganz in Verfall geraten; nur die geistliche, die damals ihre Grenzen weit in das weltliche Gebiet hinein verschob, hatte noch einen Rest von moralischer Autorität bewahrt. Hätten diese Zustände noch längere Zeit angehalten, so würde vermutlich der territoriale Staatsverband, den einst die Askanier begründet hatten, sich völlig aufgelöst und einer neuen Ordnung der Dinge Platz gemacht haben, beider, wie in Schwaben, zahlreiche Ritter und Städte, selbständig, reichsunmittelbar nebeneinander bestanden haben würden — vorausgesetzt, dass nicht das Land von den Nachbarn zerrissen und unter sich aufgeteilt worden wäre. Und wenn auch die unmittelbaren Nachbarn, die Herzöge von Mecklenburg, Pommern, Sachsen der Erzbischof von Magdeburg, damals nicht allzu mächtig dastehen mochten, so drohte im Hintergrunde eine stärkere und gefährlichere Macht: das seit 1386 mit Litauen vereinigte Polen, das eben damals, 1410, in der Schlacht bei Tannenberg den Deutschen Orden niedergeworfen hatte und im Begriff stand, diese große ostdeutsche Kolonialmacht von ihrer beherrschenden Stellung zu verdrängen. Da brachte der Tod des Markgrafen Jobst, der am 17. Januar 1411 plötzlich starb, ohne Erben zu hinterlassen, eine entscheidende Wendung. König Sigmund, der sich von Jobst für diesen Fall die Nachfolge hatte verbriefen lassen, beeilte sich durch seine Beauftragten, den Berliner Propst Johann von Waldow und den lausitzschen Edlen Wend von Ileburg, von den in Berlin versammelten ständen der Mark das Versprechen der Anerkennung und Huldigung entgegenzunehmen und lies die Märker auffordern, Abgesandte zu ihm nach Osen zu schicken, um ihm persönlich den Huldigungseid zu leisten. Darauf begaben sich Abgeordnete der Städte und für die gesamte Ritterschaft der von dieser beauftragte Caspar Gans zu Putlitz an das Hoflager des Königs, wo die Huldigung stattfand. Bei dieser Gelegenheit brachten die städtischen Abgeordneten ihre Klagen über den jämmerlichen Zustand des Landes vor und Sigmund versprach, da er selbst, vor kurzem zum römischen König erwählt, dem Lande fernbleiben müsse, ihnen einen Herrn zu senden, der dem Übel abhelfen, Frieden und Ordnung wiederherstellen werde; er nannte ihnen den Burggrafen Friedrich von Nürnberg, den er zum obersten Hauptmann und Verweser der Mark zu bestellen beabsichtigte. Diese Aussicht erregte Freude und Hoffnung bei den märkischen Abgeordneten; „et war on ein gut toversicht“, sagt die magdeburgische Schöppenchronik, der wir den zuverlässigsten und eingehendsten Bericht über diese Vorgänge verdanken. Das tatkräftige und erfolgreiche Durchgreifen Friedrichs bei der Wiederherstellung des Landfriedens in Franken, 1398, wo er als Hauptmann König Wenzels aufgetreten war, mochte im Reiche bekannt geworden sein und gute Hoffnung auch für die Mark erwecken; die Nürnberger Burggrafen hatten ja schon seit Friedrich V. einen besonderen Beruf und Erfolg in der Befriedung von Landschaften bewiesen, die durch Raub und Fehde ins Verderben geraten waren. So nahmen denn auch die Abgeordneten keinen Anstand, dem König auf sein Verlangen die feierliche und öffentliche Zusage zu geben, das sie dem Burggrafen „zu seinem Gelde huldigen“ und ihm Gehorsam und Beistand leisten würden. Wie man sieht, wurde das Verhältnis von ihnen als eine neue Verpfändung aufgefasst — eine Auffassung, die, von dieser Form der Huldigung ausgehend, später die märkische Geschichtsschreibung lange beherrscht hat, deren Irrtümlichkeit aber schon oben dargelegt worden ist.

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