4.2 Kurfürst Joachim I. und Kardinal Albrecht

4.2 Kurfürst Joachim I. und Kardinal Albrecht

Joachim I. war noch nicht 16 Jahre alt, als er im Jahre 1499 seinem Vater in der Regierung folgte. Das Verlangen seines Oheims, des Markgrafen Friedrich von Ansbach, der ihn mit Berufung auf die Dispositio Achillea unter seine Vormundschaft nehmen wollte, wies er zurück und übernahm von Anfang an die Regierung selbst, wobei er sich neben seinen Hofräten, die meist von fremder Herkunft waren, auch auf die „von Haus aus“ dienenden Landräte stützte und für die Finanzverwaltung auch ständische Ausschüsse zuzog. Er war eine eigenwillige Herrschernatur, in seinen Regierungshandlungen ein kühl rechnender Realpolitiker, der freilich nicht immer den Erfolg für sich gehabt hat, durchaus ein Mann der Autorität und im Kreise der deutschen Fürsten durch Talent und Willenskraft eine der bedeutendsten Gestalten. Er hatte eine gute Bildung erhalten und fand Geschmack an dem Umgang mit Gelehrten; der als Historiker und Astronom bekannte Humanist Johannes Carion, der zu den Freunden Melanchthons gehörte, ist 1522 von ihm als Hofmechanicus nach Berlin gezogen worden. Joachim sprach Latein, Italienisch und Französisch; er hatte sich mit dem römischen Recht bekanntgemacht und interessierte sich auch für die Astrologie; er war ein gewandter und scharfer Redner, der aber leicht in Hitze geriet und sich dann wohl zu übertriebenen Äußerungen hinreißen ließ.

Mit eiserner Strenge ging er gegen die Ausschreitungen fehdelustiger und räuberischer Edelleute vor, die wohl gerade bei der großen Jugend des Landesherrn sich mehr als vorher herausnehmen zu dürfen meinten. Namentlich in der ersten Hälfte seiner Regierung kam es zu zahlreichen Bestrafungen, wobei auch in besonders schweren Fällen die Übeltäter hingerichtet wurden; doch waren solche Fälle nur selten; unter den 146 urkundlich erwiesenen Bestrafungen adliger Friedensbrecher findet sich die Todesstrafe nur dreimal; meist wurden die Frevler mit „Bestrickung“ (bestricken jn. binden, fesseln (auch ütr.), gefangen-nehmen, in Gewahrsam, Arrest nehmen; etw. (z. B. eine Stadt) umgeben)  oder Gefängnis bestraft. In dem landläufigen Gerücht, das in den Chroniken der Zeit seinen Niederschlag fand, ist dieser Kampf Joachims I. gegen den räuberischen Adel vielfach übertrieben und mit abenteuerlichen Zügen ausgestattet worden. Auch die neuerdings noch vertretene Vorstellung ist falsch, als habe sich Joachim I. in einem feindlichen Gegensatz gegen den Adel seines Landes überhaupt befunden; es handelte sich vielmehr in der Hauptsache nur um diejenigen Elemente des Adels, die den Übergang zur Gutswirtschaft nicht rechtzeitig hatten finden können; die angesessene Ritterschaft, die auf den Land- und Herrentagen vertreten war, hat niemals Partei für die adligen Friedbrecher genommen, sondern vielmehr die Maßregeln zu ihrer Verfolgung mit Rat und Tat unterstützt. In der späteren Regierungszeit hatte sich Joachim auch gegen auswärtige Friedbrecher zu wenden, die infolge der Fehde des sächsischen Vasallen Bickel Minckwitz gegen den Bischof von Lebus die Mark feindlich heimsuchten. Jedenfalls hat er es verstanden, den Landfrieden dauernd zu befestigen, so dass die Räubereien und Friedbrüche des Adels in der Hauptsache aufhörten. Dem Adel selbst, wie den Ständen überhaupt, hat er keinen sehr weiten Spielraum in der Regierung des Landes gegönnt, wenn er auch weit entfernt war, den landständischen Einfluss gänzlich ausschalten zu wollen. Auch den Städten gegenüber hat er in ähnlicher Weise, wie einst Friedrich II., die landesherrliche Autorität zur Geltung gebracht. Bei der Bestätigung ihrer Privilegien ordnete er zugleich die städtische Polizei nach seinem fürstlichen Ermessen und lies für solche Reformationen 1515 in seiner Kanzlei eine allgemeine Norm aufstellen, die man wohl fälschlich als eine allgemeine Polizeiordnung für sämtliche Städte des Landes gehalten hat. Die Selbstverwaltung der Gemeinden war dadurch in enge Grenzen gebannt; der städtische Rat galt geradezu als eine landesherrliche Behörde; er hatte einen obligatorischen Charakter, ergänzte sich durch Zuwahl und führte das Stadtregiment in wechselnden Mitteln als alter und neuer Rat unter ziemlich vollständigem Ausschluss der gemeinen Bürgerschaft. Von einer politischen Selbstständigkeit der Städte war keine Rede mehr. Auch die Geistlichkeit seines Landes hat Kurfürst Joachim in dieselbe landesherrliche Abhängigkeit wie unter Friedrich II. zu bringen gewusst. Das Nominationsrecht für die Bistümer, das diesem seinem Vorgänger von der Kurie nur persönlich zugestanden worden war, hat er auch für sich behauptet und praktisch durchgesetzt. So hat er den territorialen Staatsverband noch einmal fest zusammengezogen und damit seinen Nachfolgern die Regierung erleichtert.

Dem habsburgischen Kaiser gegenüber trug er von Anfang an eine wenig gefügige Haltung zur Schau. An den Reichstagen und Kurfürstenvereinigungen beteiligte er sich sehr eifrig während der kritischen Zeit, wo die Kurfürsten im Gegensatz zu Maximilian standen, bis zum Tode des Führers der reichsländischen Opposition, des Erzbischofs Berthold von Mainz (1505). Als dann ein Umschwung zugunsten des Kaisers eintrat, dachte er zuerst daran, gegen ein Jahrgeld in den Dienst Maximilians zu treten; es ist aber nichts daraus geworden, und der Kurfürst hielt sich dann von den Reichstagen fern, so lange der überwiegende Einfluss des Kaisers währte.

Die Heirat mit der dänischen Königstochter Elisabeth (1500) gab dem jungen Kurfürsten Veranlassung, in die Verwicklungen einzugreifen, die zwischen Dänemark und Lübeck entstanden. Er trat erst als Feind der Lübecker auf (1500), übernahm dann aber gegen ein Jahrgeld den Schutz von Lübeck und 1508 auch von Hamburg und vermittelte endlich einen Frieden zwischen Lübeck und Dänemark. Das Schutzverhältnis zu den Hansestädten hat damit wieder aufgehört.

Das brandenburgische Haus gewann eben damals eine beträchtliche Ausdehnung seines dynastischen Einflusses. In dem Ordenslande Preußen wurde nach dem Tode des Hochmeisters Friedrich von Sachsen der 20 jährige Markgraf Albrecht, der dritte Sohn des Markgrafen Friedrich von Ansbach, bisher Domherr von Köln und Würzburg, zum Hochmeister gewählt, wohl mit Rücksicht auf seine nahe Verwandtschaft mit dem König Sigmund von Polen, dessen Schwester Sophie seine Mutter war. Albrecht war aber keineswegs geneigt, die 1466 begründete Oberhoheit des polnischen Königs ohne weiteres anzuerkennen; er dachte an Auflehnung und suchte dazu die Hilfe seines Vetters, des Kurfürsten von Brandenburg, zu gewinnen. Aber Joachim scheute einen Bruch mit dem damals noch mächtigen polnischen Grenznachbarn und versagte dem Vetter die erbetene Unterstützung. Auch als dann Kaiser Maximilian damit umging, einen großen Bund gegen Polen zustande zu bringen, weil König Sigmund sich mit einer Schwester des siebenbürgischen Fürsten Johann Zapolya verheiratet hatte, der den habsburgischen Plänen auf die Erwerbung der Krone von Ungarn entgegentrat, im Jahre 1514, hielt er sich vorsichtig zurück, indem er im Einverständnis mit Sachsen den Kaiser so lange hinzog, bis dieser seinen Plan fallen ließ und 1515 mit der Doppelheirat zwischen dem habsburgischen und dem böhmisch-jagellonischen Hause ganz andere politische Bahnen einschlug. Dem Hochmeister, der auf seiner Seite gestanden hatte, riet der Kaiser jetzt selbst, dem Polenkönig die Huldigung zu leisten, was freilich dennoch unterblieb.

Noch bedeutender war die Stellung, die ein anderes Mitglied des Hauses Brandenburg als geistlicher Fürst im Reiche erstieg. Der einzige, nur sechs Jahre jüngere Bruder des Kurfürsten Joachim, Albrecht, der mit ihm zusammen 1506 als Stifter der Universität Frankfurt aufgetreten war und auch sonst mehrfach in Gemeinschaft mit ihm Regierungsakte beurkundet hatte, dann aber in den geistlichen Stand übergegangen und Domherr zu Mainz und Trier geworden war, wurde 1513 mit 23 Jahren, als er eben die Priesterweihe empfangen hatte, zum Erzbischof von Magdeburg und Administrator von Halberstadt erhoben. Es war eine wichtige Position, nach der man in Brandenburg schon in der Askanierzeit gestrebt hatte, ohne doch das mächtige benachbarte Erzstift dauernd in eine dynastische Verbindung mit der Kurmark bringen zu können. Der Kaiser hatte beim Magdeburger Domkapitel seinen Einfluss gegen das Haus Brandenburg und für einen seiner Neffen, einen bayerischen Prinzen, geltend gemacht; aber der brandenburgische Einfluss überwog, und Papst Leo X. bestätigte die Wahl des Kapitels. Dasselbe Spiel wiederholte sich im nächsten Jahre, als der erzbischöfliche Stuhl von Mainz ledig wurde. Wieder trat der Kaiser für den bayerischen Prinzen ein; er ließ keinen Zweifel darüber, dass er die Wahl des Brandenburgers schon deshalb ungern sehen werde, weil dann zwei Brüder im Kurkollegium sitzen würden. Aber Joachim I. trat diesmal mit noch größerem Nachdruck für seinen Bruder ein, und die Mainzer selbst wählten einhellig den Erzbischof von Magdeburg, weil sie hofften, dass dieser am besten imstande sein würde, das zu ihrem Stift gehörige Erfurt, nach dessen Erwerb der Kurfürst von Sachsen strebte, vor dessen Anschlägen zu behüten. Natürlich konnte die Wahl unter den obwaltenden Umständen nur in der Form der Postulation [Postulation: Kirchenrecht: Vorschlag der wahlberechtigten Personen an den kirchlichen Oberen, einen Kandidaten trotz kirchenrechtlicher Hindernisse zu einem Kirchenamt zuzulassen]

 erfolgen, und es bedurfte langer Unterhandlungen mit der Kurie, um deren Zustimmung zur Verbindung zweier so wichtiger erzbischöflicher Ämter in einer Person zu erlangen. Von Seiten des magdeburgischen Domkapitels war Busso von Alvensleben bei diesen Verhandlungen tätig; mit ihm wirkte der Vertreter des Kurfürsten bei der Kurie, Dr. Johannes Blankenfelde, zusammen; auch der humanistisch gebildete schwäbische Ritter Eitelwolf von Stein, einer der vertrautesten Räte Joachims und später Hofkanzler seines Bruders in Mainz, war zu diesem Geschäft entsendet worden. Die Überwindung des anfänglichen Widerstandes gelang durch die Hilfe des Kardinals Medici, des späteren Papstes Clemens VII., der damals ins brandenburgische Interesse gezogen wurde. Man einigte sich mit der Kurie auf eine Konfirmationstaxe von 10 000 Dukaten; dazu kamen als Palliengelder und Annaten noch weitere 20 000 Dukaten. 

 

[Als Annaten (lateinisch ‚Jahresertrag‘) wurden im 13.–15. Jahrhundert die Abgaben des Ganzen, später des halben ersten Jahresertrages eines neubesetzten Kirchenamtes (einer Pfründe) an den Papst bezeichnet. Seit dem 15. Jahrhundert wurden als Annaten alle bei der Neubesetzung einer Pfründe anfallenden Abgaben an die römische Kurie, für die es eine der wichtigsten Einnahmen darstellte, einschließlich der Servitien (Gebühren an die Kardinäle und die Kanzlei) bezeichnet. In der Reformationszeit wurde diese Verknüpfung von Amtsverleihung und Geldeinnahme auf den Konzilien heftig kritisiert. Dennoch sind Annaten teilweise auch heute noch in Italien üblich.

[Das Palliengeld war eine bei der Wahl eines Metropoliten an den Papst zu zahlende Abgabe. Nach der Zahlung wurde die Wahl vom Papst durch die Überreichung des Palliums (eines vom Papst gesegneten Amtsabzeichens aus bestickter Wolle) bestätigt. Der Besitz des Palliums war Voraussetzung zur Ausübung des Ius ordinis und des Ius iurisdictionis der Synodenberufung.]

Die ganze Summe wurde von dem Hause Fugger vorgeschossen; und um die Schuld tilgen zu können, erhielt Albrecht die Erlaubnis, die Hälfte vom Ertrage eines vom Papst verkündeten Ablasses in den Kirchenprovinzen Mainz und Magdeburg für diesen Zweck zu erheben. Das ist der Ablass, den Tetzel predigte und gegen den Luther in Wittenberg auftrat. Einen Brief Luthers, mit dem dieser dem Erzbischof seine 95 Thesen übersandte, hat Albrecht nicht beantwortet, die Thesen selbst hat er der römischen Kurie mitgeteilt. Im Jahre 1518 wurde ihm auch die Würde eines Kardinals zuteil; aber sein Ehrgeiz ging nach noch höheren Zielen. Es kam zu einem förmlichen Vertrag zwischen ihm und dem Kardinal Medici zur gegenseitigen Beförderung der Familieninteressen der beiden fürstlichen Häuser, denen sie angehörten; Albrechts Plan ging vor allem dahin, zum päpstlichen Legaten für Deutschland bestellt zu werden, und zwar allein und auf Lebenszeit, was ihn gewissermaßen zu einem deutschen Papst gemacht und ihm sehr bedeutende Einkünfte verschafft haben würde; diesem Wunsche seines Verbündeten versagte sich aber der Kardinal Medici, und Albrecht hat ihn auch später durch kaiserliche Unterstützung nicht zu erreichen vermocht. Albrecht ist eine der glänzendsten Fürstengestalten der Reformationszeit in Deutschland. Er war von reicher Begabung und ein verständnisvoller Beförderer von Kunst und Wissenschaft. Die von ihm gegründete Stiftskirche zu Halle, seiner magdeburgischen Residenz, und den Dom zu Mainz hat er mit schönen Kunstwerken der ersten deutschen Meister, Albrecht Dürer, Peter Vischer und anderer geschmückt; er ist darin mit dem kunstliebenden Papst Leo X. zu vergleichen. An der Universität Frankfurt hatte er humanistische Studien getrieben und mit Hutten verkehrt, den er später auch nach Mainz an seinen Hof berufen hat; er suchte damals die Mainzer Universität zum Mittelpunkt der humanistischen Studien zu machen. Er stand mit Erasmus in Verbindung und nahm für Reuchlin Partei in dem Streit mit den Kölner Theologen. Humanistische Poeten haben ihn oft gepriesen; aber die Hoffnung derer, die große reformatorische Handlungen von ihm erwarteten, hat sich nicht erfüllt. Er nahm in der geistigen Bewegung der Zeit eine ähnliche Stellung ein wie Erasmus. Ein politischer Kopf und ein Mann der Tat war er nicht; seine unsichere politische Haltung findet zum Teil auch darin ihre Erklärung, dass er sich beständig in finanziellen Nöten befand.

Sein Plan, die Legatenwürde zu erlangen, ist also gescheitert; wohl aber ist es ihm gelungen, im Jahre 1522 durchzusetzen, das sein fränkischer Vetter Johann Albrecht, ein Bruder des Hochmeisters, zum Koadjutor für Magdeburg und Halberstadt gewählt wurde, so dass nun auch für die nächste Generation die Herrschaft des brandenburgischen Hauses in diesen wichtigen Stiftern gesichert erschien. Ein anderer Bruder des Hochmeisters, der ebenfalls den geistlichen Stand erwählt hatte (Wilhelm), war Koadjutor des Erzbischofs von Riga geworden, während der in Ansbach regierende Markgraf Georg der Fromme im Jahre 1523 durch den Kauf des Herzogtums Jägerndorf in Schlesien Fuß gefasst hatte.

So war der Einfluss des Hauses Brandenburg im Reiche zu bedeutender Ausdehnung gelangt und hätte, wenn alle Mitglieder des Hauses einträchtig zusammengehalten hätten, auch wohl bedeutende Wirkungen in der Reichspolitik auszuüben vermocht. Aber an solcher Eintracht fehlte es; und ganz besonders in der Frage der Kaiserwahl von 1519, bei der der Enkel Maximilians, der junge König Karl von Spanien, und König Franz l. von Frankreich als Thronbewerber einander gegenüberstanden, sind die beiden kurfürstlichen Brüder keineswegs eines Sinnes gewesen. In den Verhandlungen deswegen, die schon vor dem Tode Maximilians, schon im Jahre 1517 begannen, nahm Albrecht, dem der Kaiser die Unterstützung seines Planes bezüglich der Legatar zugesagt hatte, von vornherein Partei für den habsburgischen Kandidaten, an dem er schließlich auch festgehalten hat; Joachim I. dagegen verhandelte nach beiden Seiten hin und lies es darauf ankommen, von welcher Partei ihm die größten Vorteile würden geboten werden, wobei er aber im ganzen doch mehr für den französischen als für den spanischen König eingetreten ist. Im Jahre 1517 verband er sich mit Franz I., der ihm die Prinzessin Renate, eine Tochter des Königs Ludwigs XII., mit reicher Mitgift für seinen Sohn, den Kurprinzen, versprach und ihm außerdem ein Jahrgeld gewährte. Im nächsten Jahr aber schien ihm der größere Vorteil in einer Verbindung mit dem Kaiser zu liegen; der junge Kurprinz wurde damals durch Prokuration mit der 10 jährigen Enkelin des Kaisers, der spanisch-burgundischen Prinzessin Katharina, die fern in Spanien weilte, ehelich verbunden — eine von den politischen Kinderheiraten, die nie zu einer wirklichen Ehe geführt haben; ein Teil der reichbemessenen Mitgift wurde zwar schon ausbezahlt, aber die Zustimmung des Königs Karl zu dieser Heirat seiner Schwester war nicht zu erlangen. Endlich nach dem Tode Maximilians schloss Joachim im April und Mai des Jahres 1519 mit Frankreich und Österreich neue Verträge, wobei er Franz I. seine Stimme zusagte, wenn auch nur zwei Kurfürsten vor ihm diesem ihre Stimme gegeben haben würden, dem Habsburger aber nur in dem Falle, das schon 4 Stimmen für diesen abgegeben worden seien; er selbst hatte nach der festgesetzten Stimmordnung an 6., sein Bruder Albrecht an 7. Stelle zu wählen. Dem König von Frankreich kam es im Grunde mehr darauf an, die Wahl seines habsburgischen Gegners zu verhindern, als selbst gewählt zu werden; darum war in Aussicht genommen worden, das, wenn seine Wahl aussichtslos sei, Joachim selbst als Thronbewerber auftreten sollte; und so arbeitete der brandenburgische Kurfürst schließlich für seine eigene Wahl, indem er um Stimmen für die französische Kandidatur warb. Der Kardinal Albrecht hielt diese Bemühungen seines Bruders um die Kaiserkrone für eine Torheit; er meinte, dass der Aufwand und die Anstrengungen, deren es bedürfen werde, um die kaiserliche Würde mit Ehren zu behaupten, die Kräfte des Hauses Brandenburg nutzlos verzehren und erschöpfen würden. Auch die Kurie, die im Gegensatz zu den beiden großmächtigen Bewerbern um die Kaiserkrone für einen deutschen Fürsten war, trat nicht für Joachim ein, sondern für den Kurfürsten von Sachsen, Friedrich den Weisen, der sich aber klug zurückhielt; selbst der festeste Anhänger Frankreichs, der Erzbischof von Trier, versagte zuletzt. König Karl hatte 20 000 Mann vom schwäbischen Bund zu seiner Verfügung, die in der Nähe von Frankfurt standen, und die Bürgerschaft der Wahlstadt nahm eine drohende Haltung gegen den brandenburgischen Kurfürsten an, von dem bekannt war, das er bis zum letzten Moment der Wahl des Habsburgers widerstrebte. Schließlich hat aber auch Joachim selbst dem spanischen König seine Stimme gegeben (28. Mai 1519), so dass die Wahl eine einhellige war. Er hielt es für nötig, sich feierlich dagegen zu verwahren, dass er nicht aus Furcht gehandelt habe; er hatte die Gefahr, die ihm bei diesen Verhandlungen immer vor Augen stand, „zwischen zwei Stühlen niederzusitzen“, am Ende doch nicht zu vermeiden gewusst und hat von seiner Haltung weder Dank noch Vorteil geerntet.

Gegen Luther nahm der Kurfürst, ganz besonders nachdem er ihn auf der Fahrt zum Wormser Reichstag in Wittenberg vergeblich zur Unterwerfung zu bewegen versucht hatte, eine unbedingt feindselige Haltung an. Auf dem Reichstage selbst trat er im Gegensatz zu den Kurfürsten von Pfalz und Sachsen, ja auch gegen seinen Bruder, den Kurfürsten von Mainz, für die Ächtung des ketzerischen Mönches ein, und es kam darüber zwischen ihm und Friedrich dem Weisen, dem Beschützer Luthers, zu heftigen Auseinandersetzungen. Joachim war damals die zuverlässigste Stütze des päpstlichen Nuntius Alexander; mit diesem zusammen ist er auch hervorragend beteiligt gewesen an dem Erlass des Wormser Ediktes, der erst nach dem förmlichen Schluss des Reichstags am 25. Mai in einer kleinen Fürstenversammlung in der Behausung des Kaisers beschlossen worden ist unter Zurückdatierung der Urkunde auf den 8. Mai.

Der Dank der Kurie für diese Haltung ist nicht ausgeblieben: er bestand in der Einräumung des fürstlichen Nominationsrechts für die Landesbistümer; aber umso weniger Rücksicht nahm der Kaiser auf diesen unfreiwilligen Anhänger, der nun zum eifrigsten Bundesgenossen im Kampf gegen den kirchlichen Umsturz geworden war. Am 28. Mai vollzog er die kaiserliche Belehnung des Herzogs von Pommern, trotzdem die brandenburgische Lehnsherrlichkeit über dieses Land früher auch vom Kaiser anerkannt worden war. Joachim beschwerte sich deswegen bei Karl V. in einem „hitzigen“ Schreiben; aber er erhielt nur die Zusage einer erneuten Prüfung der Angelegenheit und hat später in Anbetracht der allgemeinen Verhältnisse, die einen Widerstand untunlich erscheinen ließen, den schweren Entschluss fassen müssen, auf die so lang umstrittene Lehnsherrlichkeit über Pommern endgültig zu verzichten, um wenigstens das erbliche Nachfolgerecht seines Hauses beim Aussterben des Greifenstammes sicherzustellen; das geschah durch einen Vertrag, der 1529 auf dem Jagdschloss Grimnitz in der Schorfheide geschlossen worden ist. Die ungnädige Gesinnung des Kaisers gegen den Brandenburger, der immer noch ein Jahrgeld von Frankreich bezog, zeigte sich recht deutlich, als Joachim den Versuch machte, in ein ähnliches gewinnbringendes Dienstverhältnis zu Karl V. zu treten, ohne das mit Franz I. zu lösen. Die Heirat seines Sohnes mit der spanischen Prinzessin zerrann in nichts, ebenso wie der französische Heiratsplan. Im Jahre 1524 kam es vielmehr zur Vermählung des Kurprinzen Joachim mit Magdalena, einer Tochter des Herzogs Georg von Sachsen; die Verbindung war zwar keineswegs aus politisch-konfessionellen Absichten entsprungen (der Hochmeister und der Kardinal Albrecht haben dabei die Vermittlung übernommen), aber sie hat dann doch zu einem engeren Zusammenschlusse der entschieden katholischen Häuser von Brandenburg, Sachsen und Braunschweig geführt, der gegen die Reformation gerichtet war und seinen Ausdruck in einem 1525 zu Dessau geschlossenen Bündnis fand.

Joachim I. trat damit in offenen Gegensatz zu seinem Vetter, dem Hochmeister des Deutschen Ordens, der schon seit Jahren der neuen Lehre zugetan war und eben im Jahre 1525 sich entschloss, den Rat zu befolgen, den ihm Luther zwei Jahre früher bei einem Besuch in Wittenberg gegeben hatte, das Ordensgelübde abzutun, in den Ehestand zu treten und das Ordensland in ein weltliches Herzogtum zu verwandeln. In Polen fand der Hochmeister, der die Huldigung immer noch nicht geleistet hatte, eine ziemlich günstige Stimmung für sein Vorhaben: man gestand ihm das Erbrecht zu, sogar auch für seine Brüder und deren Nachkommenschaft und verlangte nur die Huldigung, die Albrecht jetzt auch zu leisten bereit war. Die fränkischen Herzöge, Kasimir und Georg, die in ihren Landen die Reformation eingeführt hatten, begrüßten diesen Schritt ihres preußischen Bruders mit Freuden, während der Kurfürst Joachim sich weigerte, den Vetter als Herzog in Preußen anzuerkennen. Auch der Kaiser, der sonst nie ein tätiges Interesse für das Ordensland an den Tag gelegt hatte, erhob Einspruch gegen die Säkularisation auf Grund der verschollenen Rechte, die einst das Reich über das Ordensland gehabt hatte. Dem kirchlichen Bann gegen den Herzog ist 1533 die kaiserliche Acht gefolgt.

Kardinal Albrecht hatte eine zeitlang in schwankender Haltung zwischen den Freunden und den Gegnern der Reformation gestanden. Er hatte die Verbindung mit dem gebannten Luther nicht abgebrochen und war von diesem 1525 geradezu aufgefordert worden, dem Beispiel seines Vetters in Preußen zu folgen und damit ein „großes Exempel“ für andere geistliche Fürsten des Reiches zu geben. Aber gerade damals vollzog sich in der Parteistellung des Kardinals eine Wandlung, die ihn auf der altkirchlichen Seite festhielt. Hatte er noch der Erhebung Sickingens gegen den Erzbischof von Trier und dessen Verbündete in einer so zweideutigen Haltung zugeschaut, das ihm der Vorwurf der Begünstigung gemacht und von den Siegern eine Kontribution auferlegt wurde, so brachten ihn die entsetzlichen Vorgänge des Bauernkrieges zu der Überzeugung, dass alle Ordnung und Autorität durch die Anhänger der neuen Lehre bedroht sei. Er beteiligte sich bei den Verabredungen von Dessau und war bestrebt, auf weiteren Zusammenkünften in seiner Residenz Halle und in Leipzig, das Vorgehen der Verbündeten gegen die Fortschritte der Reformation in dem Sinne zu fördern, dass auch die Hilfe des Kaisers dazu angerufen wurde.

In der Haltung Joachims I. gegenüber dem Kaiser war seit den Ereignissen von 1525 und 1526, der Schlacht von Pavia und der Erwerbung von Böhmen und Ungarn nach dem Aussterben des jagellonischen Hauses, eine entschiedene Wendung eingetreten. Die Macht des Kaisers und des habsburgischen Hauses war so hoch gestiegen, das keine andere Wahl mehr blieb, als ohne Vorbehalt und Zweideutigkeit auf diese Seite zu treten. Die Zusammenkunft mit des Kaisers Bruder Ferdinand, dem neuen König von Böhmen und Ungarn, zu Breslau im Jahre 1527, wo Joachim die böhmischen Lehen seines Hauses mutete, bezeichnet den Moment, wo dieser Umschwung sich vollzog. Zur gleichen Zeit verschärfte sich der Gegensatz Joachims gegen die Lutheraner noch dadurch, dass seine Gemahlin Elisabeth, die sich in der Stille dem neuen Glauben zugewandt hatte und das offenkundige anstößige Verhältnis ihres Gemahls mit einer schönen Berliner Patrizierfrau mit schmerzlicher Bitterkeit empfand, heimlich aus Berlin entfloh und in Sachsen am Hofe Johanns des Beständigen eine Zuflucht fand.

Auf dem Reichstage zu Augsburg 1530 übernahm Joachim I. wieder die Führung in dem Kampf gegen die Protestanten und ließ sich in seinen Reden zu Drohungen gegen sie hinreisen, die auch der Kaiser übertrieben fand. Kardinal Albrecht vertrat auch hier wieder eine mildere Richtung, indem er die Notwendigkeit der Erhaltung des inneren Friedens gegenüber der fortwährenden Türkengefahr betonte. Die Wahl Ferdinands zum römischen König, die bald darauf erfolgte, war vornehmlich das Werk des brandenburgischen Kurfürsten, der den anfangs auch von Albrecht verfolgten Plan, die Wahl auf den Bayern-Herzog Wilhelm abzulenken, zum Scheitern brachte. Unter den Gegenleistungen, die Joachim dafür empfing, befand sich auch ein Jahrgeld neben manchen anderen Vorteilen und Zugeständnissen. Gegenüber dem Anwachsen des schmalkaldischen Bundes vereinigten sich die katholischen Fürsten Norddeutschlands, darunter die beiden brandenburgischen Brüder, 1533 in Halle zu einem erneuten Bündnis, das an dem Nürnberger Religionsfrieden festhielt und den Zweck der Verteidigung ausdrücklich betonte. In eben dieser Zeit nahmen die politischen Entwürfe Joachims I. noch einmal einen hohen Flug. Er dachte daran, nach dem Tode des dänischen Königs Friedrich I., der einst seinen Schwager Christian II. entthront hatte, auf Grund der Beziehungen, die er durch seine Heirat zu dem dänischen Königshause hatte, die Krone dieses Reiches für sich zu erwerben. Der Plan ist gescheitert. Am 11. Juli 1535 ist Joachim im 52. Lebensjahr im Schlosse zu Berlin gestorben und erst im Kloster Lehnin, dann im Dom zu Berlin beigesetzt worden. Den Beinamen Nestor verdankte er der angesehenen Stellung, die er im Rate der deutschen Fürsten einnahm. Er glaubte sich, trotz des Beispiels der Dispositio Achillea, berechtigt, die Mark unter seine beiden Söhne zu teilen, weil er der Meinung war, das die Einkünfte seit jener Zeit so gewachsen seien, dass sie wohl für zwei Hofhaltungen ausreichten. Durch sein Testament von 1534 wies er dem jüngeren Sohne, Johann, die Neumark, dem Älteren, Joachim, die im engeren Sinne sogenannte Kurmark zu. Beiden legte er die Verpflichtung auf, bei der alten Lehre der katholischen Kirche zu bleiben.

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