4.3 Joachim II. und Hans von Küstrin

4.3 Joachim II. und Hans von Küstrin

Die beiden Brüder, die nun, jeder abgesondert für sich in seinem Teile, 35 Jahre hindurch die Regierung geführt haben, waren sehr verschiedene Naturen und verfolgten auch in den politischen Verwicklungen jeder seinen eigenen Weg. Joachim II. hatte nichts von der scharfen und ehrgeizigen Art seines Vaters; er war ein stattlicher und ritterlicher Herr von fürstlicher Haltung und einem starken Gefühl für die Würde seines Standes und das Interesse seines Hauses, aber weich und schmiegsam in politischen Verhandlungen, friedfertig bis zum Äußersten, nicht ohne einen gesunden Verstand in den Geschäften, aber bequem und lässig, ein Freund der Jagd und prunkvoller Hoffeste, von großem Wohlwollen für seine Untertanen, von großer Freigebigkeit gegen seine Diener, aber kein Hauswirt, der das Seine zusammenzuhalten verstand, stets von Schulden bedrängt, dabei von einer gemächlichen Jovialität, die auch den Widerwärtigkeiten des Lebens standhielt. Er hatte eine humanistische und juristische Bildung erhalten und war am Kaiserhofe in den höfisch-ritterlichen Übungen unterwiesen worden. Im Jahre 1532 hatte er als Kurprinz dem Kaiser für den damals in Aussicht stehenden Türkenkrieg 2000 brandenburgische Reiter zugeführt und war von ihm zum Ritter geschlagen worden. Man gab ihm damals den Beinamen Hektor. In geistigen und kirchlichen Dingen war er durch seinen Oheim, den Kardinal Albrecht, stark beeinflusst und hatte von diesem auch die Vorliebe für prunkvolle Äußerlichkeiten im Gottesdienst übernommen; daneben aber hat auch die lutherische Überzeugung seiner Mutter früh auf ihn eingewirkt, und die kurze Unterweisung Luthers, die er als 13 jähriger Knabe bei einem Besuch in Wittenberg empfing (1519), hat ihm lebenslänglich einen tiefen Eindruck hinterlassen; der protestantischen Lehre gegenüber nahm er von vornherein eine ganz andere Haltung ein als einst sein Vater: er ist unter allen Fürsten Deutschlands derjenige, der am deutlichsten das Ziel einer Vermittlung zwischen den beiden Religionsparteien verfolgte. Seine erste Gemahlin, die Tochter des streng katholischen Herzogs Georg von Sachsen, die ihm den Thronfolger Johann Georg und einen jüngeren Sohn, Friedrich, geboren hatte, war schon vor seinem Regierungsantritt gestorben. Noch zu Lebzeiten des Vaters hatte er sich mit der polnischen Prinzessin Hedwig, der Tochter König Sigismunds I., verlobt; und als Kurfürst hatte er die Ehe mit dieser ebenfalls streng katholischen Prinzessin vollzogen, aus der sein jüngster Sohn Sigismund stammt. Er hat im ganzen 13 Kinder gehabt, aber sehr innig war das Familienleben am Hofe nicht; Joachim erregte manchen Anstoß durch seine beständige Verbindung mit der schönen Witwe eines Geschützgießers, Anna Sydow, die ihn auch oft in Männerkleidern auf die Jagd begleitete. Von seinen Landständen musste er sich den Vorwurf machen lassen, das er stets „im Holze liege“, statt sich den Regierungsgeschäften zu widmen; auch warnten sie ihn wohl, nicht mit einem Begleiter allein auszureiten wegen der Sicherheit seiner Person. Das Jagdschloss im Grunewald ist eine Gründung Joachims II. und ein Ort, wo er besonders gern sich aufhielt; den Ständen erklärt er einmal auf ihre Vorwürfe: wenn er über der großen Mühe und Sorge der Regierung solche Ergetzlichkeit [Ergetzlichkeit, häufig mit dem Nebensinn von Vergütung, Verehrung, Erkenntlichkeit, Belohnung, Trinkgeld] nicht haben sollte, „So wollt Ihr Kf. Gnaden auch viel lieber ein geringere Person oder in anderm Beruf sein.“ Er baute gern, namentlich auch in der Residenz, und hatte in Caspar Theys einen namhaften Baumeister. Das Berliner Schloss wurde gänzlich umgebaut und erhielt eine schöne Renaissancefassade mit einem Altan nach dem Schlossplatz zu. Das Dominikanerkloster, das dort in der Nähe lag, musste ihm eingeräumt werden; die stattliche Kirche wurde zum Domstift umgewandelt und baulich mit dem Schloss verbunden. Sie wurde in ähnlicher Weise ausgeschmückt wie die Stiftskirche in Halle unter Kardinal Albrecht. Es entsprach der Natur Joachims, dass er seinen Räten und Günstlingen einen weiten Spielraum ließ. In den Haus- und Reichssachen, namentlich auch in den Fragen der kirchlichen Politik, hat er sich vornehmlich durch Eustachius von Schlieben beraten lassen, einen klugen und maßvollen Mann, der ebenso in Verhandlungen wie im Rat sich bewährt hat; die Stände hassten ihn, weil er ein Meißner war und weil ihn der Kurfürst besonders bevorzugte und ihm das Amt Zossen mit seinen reichen Einkünften zuwandte. Unter den Räten ragt sonst noch Lampert Distelmeyer hervor, ein Leipziger Schneiders Sohn, der aber als Doctor Juris und geschickter Fürstendiener zu hohen Ehren gelangt ist und in der zweiten größeren Hälfte der Regierung Joachims das wichtige Kanzleramt verwaltete. Der nächste und vertrauteste Rat des Kurfürsten, namentlich auch sein Berater in finanziellen Angelegenheiten, war der Kammerrat Thomas Matthias, und einen bedeutenden Einfluss besaß auch der jüdische Leibarzt und Münzmeister Lippold, der eine Vertrauensstellung ganz eigener Art am Hofe Joachims einnahm und sich durch die rücksichtslose Ausnutzung der Macht und des Vorteils, den sie ihm bot, den Hass vieler Hofleute und Bürger, besonders auch des Kanzlers Distelmeyer, zuzog. Gewisse große Gesichtspunkte der Haus-, Reichs- und Religionspolitik hat Joachim II. immer festgehalten; aber im Einzelnen ließ er allerdings oft die Zügel schleifen und übte die Nachsicht, die er sich selbst gönnte, auch anderen gegenüber; er war überhaupt ein Mann, der lebte und leben ließ.

Von härterer und strengerer Gemütsart war Hans von Küstrin, der viel entschiedener als sein Bruder sich der lutherischen Reformation zuwandte und eine tiefe und aufrichtige Frömmigkeit mit klugem politischem Egoismus und rücksichtslosem Geschäftsgeist zu verbinden verstand. Die protestantische Geschichtsschreibung hat, dem Vorgang zeitgenössischer Theologen folgend, das Urteil über ihn viel günstiger als über seinen Bruder gefasst; und zweifellos war er diesem an Tatkraft und ökonomisch-politischem Verstand weit überlegen, wenn er auch andererseits manche sympathischer Eigenschaften Joachims entbehrte. Er war ebenso einfach und haushälterisch, wie sein Bruder verschwenderisch und prunkliebend war; er ist ihm auch öfters als Gläubiger beschwerlich geworden und hat ihm manches widerwillige Zugeständnis abgedrungen. Er machte überhaupt Goldgeschäfte in großem Stil, nicht bloß mit Kaisern und Fürsten, sondern auch unter der Hand mit Kaufleuten. Auch das Kriegshandwerk trieb er nach der Weise der Zeit als Geschäftsunternehmer, indem er Truppen anwarb und gegen angemessene Subsidien in den Dienst des Kaisers oder anderer Fürsten stellte. Auf Pensionen oder Dienstgelder von großen Herren legte er ebenso wie sein Vater Gewicht. Sein eigenes Land hat er durch den kunstmäßigen Bau der Festungen Küstrin und Peitz gegen feindliche Einfälle zu sichern gesucht, während sein Bruder Joachim den Ausbau von Spandau seinem Nachfolger hat überlassen müssen. Dabei hinterließ dieser fürstliche Finanzspekulant ein Kapitalvermögen von mehr als einer halben Million Gulden, während Joachims Nachfolger eine Schuldenlast im fünffachen Betrage dieser Summe vorfand.

Johann von Küstrin trat bald nach seinem Regierungsantritt offen und ohne Vorbehalt zum lutherischen Glauben über und schloss sich auch dem schmalkaldischen Bund, der politischen Organisation der Protestanten, ohne weiteres an. Joachim dagegen machte zunächst den Versuch einer Vermittlung zwischen den beiden Religionsparteien. Bei einer Zusammenkunft mit König Ferdinand schlug er vor, dass die Anhänger der alten Kirche und des neuen Glaubens sich schon vor Einberufung eines Konzils in unmittelbaren Verhandlungen untereinander verständigen möchten, wobei ihm eine mittlere Linie mit dem Zugeständnis von Laienkelch und Priesterehe vorschwebte. König Ferdinand ging darauf ein, und die Kurie erhob keinen Widerspruch. Es kam zu einem vorläufigen „Anstand“ zu Frankfurt a. M. 1539, dem ein Religionsgespräch zu Nürnberg folgen sollte; aber alle diese Abmachungen wurden hinfällig, weil der Kaiser davon durchaus nichts wissen wollte, sondern an seiner Konzilsidee festhielt. Unmittelbar nach dem Scheitern dieses Verständigungsversuches trat nun Joachim II. zur neuen Lehre über, indem er sich am Allerheiligentage (1. November) 1539 im Dom zu Berlin — nicht, wie man früher annahm, in der St. Nikolaikirche zu Spandau, vor der heute das diesem Vorgang gewidmete Denkmal steht — das Abendmahl in beiderlei Gestalt spenden ließ. Die Kurfürstin hat sich bei diesem Schritt ihres Gemahls nicht beteiligt; sie ist, den Traditionen ihrer Familie getreu, katholisch geblieben. Als Priester waltete bei jenem feierlichen Akt der Bischof von Brandenburg, Matthias von Jagow, der längst der neuen Lehre zugetan war und auch schon lutherische Geistliche berufen hatte. Aus den Kreisen der Städte und der Ritterschaft, namentlich aus Berlin Cölln und aus dem Kreise Teltow waren schon Gesuche eingelaufen, die zur Einführung der Reformation drängten; und Joachim konnte, als er den Übertritt vollzog, sicher sein, das er damit den Wünschen seiner Landstände entgegenkam. Diese Übereinstimmung in der religiösen Frage hat wohl auch dazu beigetragen, dass der Kurfürst sich auf dem Landtage von 1540 mit den Ständen leichter, als es sonst wohl geschehen wäre, darüber verständigte, dass sie die landesherrlichen Schulden im Betrage von mehr als einer Million Gulden übernahmen und die nötigen Steuern zu deren Verzinsung und Tilgung bewilligten; freilich musste er diese ganze Steuer- und Schuldenverwaltung, aus der das kurmärkische „Kreditwerk“ erwuchs, landständischen Organen überlassen. In ähnlicher Weise hat sich kurz nachher auch in Magdeburg Reformation und Regulierung der landesherrlichen Schulden miteinander verbunden; seit die Landstände seine Schuldenlast übernommen hatten, musste Kardinal Albrecht sich dazu bequemen, der neuen Lehre in dem Erzstift freien Lauf zu lassen, so dass sie mehr und mehr durchdrang. Er blieb aber für seine Person desto entschiedener bei der alten Kirche; seine Lieblingsresidenz Halle wurde ihm durch die Fortschritte der Reformation ganz verleidet; er hat schließlich nur mehr in Mainz gelebt, wo in seinem Todesjahr 1545 noch die ersten deutschen Jesuiten eine Rolle gespielt haben.

Kurfürst Joachim war nicht der Meinung, sich und sein Land schlechthin und ohne Vorbehalt auf den Boden der lutherischen oder, wie er sagte, wittenbergischen Kirche zu stellen; er wollte eine besondere Stellung einnehmen, eine Mittelstellung zwischen der alten Kirche, deren Gebräuche er beibehielt und der neuen Lehre, deren Haupt- und Kernstücke er übernahm. Es kam ihm in der Hauptsache darauf an, durch eine solche „christliche“ Reformation, wie er es nannte, die Erregung der Geister zu dämpfen und Unruhen zu verhüten, bis das zu erwartende National-Konzil oder auch ein allgemeines Konzil einen gemeinsamen Boden für das neue Kirchentum hergestellt haben würde. Die brandenburgische Kirchenordnung von 1540, die von den Landständen gutgeheißen war, ist sowohl von Luther wie von Kaiser Karl V. gebilligt worden. Luther sah ohne alle Engherzigkeit, mit überlegenem Humor über die Äußerlichkeiten des alten Ritus und des Kirchengepränges hinweg, die der Kurfürst nicht aufgeben mochte; es genügte ihm, dass die fundamentale Lehre von der Rechtfertigung allein durch den Glauben in der brandenburgischen Kirchenordnung enthalten war. Auch Kaiser Karl V. hat ihre vorläufige Geltung bis zu den Entscheidungen eines Konzils bestätigt; dabei musste aber der Kurfürst sich dem Kaiser gegenüber zugleich verpflichten, in dem Kriege um Geldern, der damals ausgebrochen war, auf seine Seite zu treten und kein Bündnis mit anderen Fürsten und Mächten der Religion oder anderer Sachen halber zu schließen. Es war eine Bedingung, die dem friedfertigen und der Beteiligung an politischen Händeln abholden Charakter Joachims II. ohnehin entsprach; in ganz ähnlichem Sinne hat er auch seinen Oberständen von Prälaten und Ritterschaft damals einen Revers ausgestellt, in dem er sich verpflichtete, keine wichtige Sache, daran des Landes Gedeih oder Verderb gelegen, ohne Rat und Wissen der Landschaft zu beschließen und vorzunehmen und sich in kein Bündnis einzulassen, aus welchem dem Lande Lasten erwachsen könnten. Es war ganz im Sinne der Landstände, dass er auch dem schmalkaldischen Bunde fernblieb und seine Vermittlungstätigkeit fortsetzte, wenngleich es auch in Brandenburg nicht an eifrig gesinnten Lutheranern fehlte, die in der wohlerwogenen Politik der Vermittlung nur religiöse Halbheit und Lauheit sehen wollten. Bei den Religionsgesprächen, die in der nächsten Zeit angestellt wurden, namentlich zu Regensburg 1541, wurde Joachim noch der katholischen Partei zugezählt. Ein positives Resultat ging nicht daraus hervor; auch die Punkte, über die man eine Einigung erzielte, wurden nicht, wie Joachim beantragte, dem Reichsabschied einverleibt, sondern dem künftigen Konzil zur weiteren Verwendung überwiesen.

Die Stellungnahme Joachims in der religiösen Frage, die ihn weder mit dem Kaiser und den Katholiken noch mit den Protestanten in einen feindlichen Gegensatz gebracht hatte, ließ ihn auch als besonders geeignet erscheinen, den Oberbefehl über das Reichsheer zu führen, das zum Kriege gegen die Türken auf dem Reichstage von 1542 in Stärke von 40 000 Mann zu Fuß und 8 000 Pferden bewilligt worden war. Die Türken waren damals bis über Ofen hinaus vorgedrungen und bedrohten schon die Grenzen des Reiches. Joachim übernahm den Oberbefehl, obwohl er keine kriegerische Erfahrung besaß und der Zustand des schnell zusammengebrachten Reichsheeres keine guten Aussichten eröffnete. Die Truppen waren nicht bloß ohne Übung und Disziplin, sondern auch mangelhaft ausgerüstet und schlecht besoldet. Im August 1542 misslang der Sturm auf die von den Türken besetzte Hauptstadt vollständig; die Truppen zeigten sich widerspenstig und liefen auseinander; Joachim gab den Feldzug verloren und kehrte ruhmlos in sein Land zurück.

Sein Ansehen bei Kaiser und König war seitdem im Sinken. Das zeigte sich in sehr empfindlicher Weise in der Angelegenheit der Erbverbrüderung mit dem schlesischen Piastenhause von Liegnitz, Brieg und Wohlau, die Joachim im Jahre 1537 geschlossen hatte. Sie beruhte auf ausdrücklichen Privilegien des Liegnitzer Herzogs, die auch von Ferdinand I. als König von Böhmen und Oberlehnsherrn des Herzogs bestätigt worden waren, und war Jahre hindurch unbeanstandet geblieben. Im Jahre 1546 aber, als die Habsburger zu der großen Auseinandersetzung mit den Protestanten sich rüsteten, erklärte König Ferdinand auf einem Tage zu Breslau am 18. Mai den Erbvertrag für nichtig und forderte die Auslieferung der betreffenden Urkunden. Joachim II. erkannte diese Entscheidung des böhmischen Königs nicht an und bestand auf dem wohlerworbenen Recht seines Hauses. Der Konflikt zwischen Brandenburg und Habsburg, der hieraus entsprang, blieb ungelöst und hat noch durch Jahrhunderte fortgewirkt.

Trotz dieses Zerwürfnisses ist Kurfürst Joachim auch damals dem schmalkaldischen Bunde nicht beigetreten. Von dieser Partei der entschiedenen Protestanten trennte ihn nicht nur die besondere religiöse Richtung, die er eingeschlagen hatte, sondern auch der Gegensatz zu dem Kurfürsten von Sachsen in der magdeburgischen Frage. Sein Vetter, der Erzbischof Johann Albrecht, hatte im Widerspruch zu seinen Wünschen und zu den hohenzollernschen Hausinteressen die Stelle eines Koadjutors mit dem Recht der Nachfolge einem Sohne des sächsischen Kurfürsten Johann Friedrich zugewandt. Das führte Joachim auf die Seite des Herzogs Moritz von Sachsen von der albertinischen Linie, der in Rivalität mit dem ernestinischen Vetter Magdeburg ebenfalls für sein Haus begehrte, aber unter Umständen geneigt war, dem brandenburgischen Interesse Zugeständnisse zu machen. Moritz und Joachim schlossen am 20. September 1546 zu Zossen ein gegenseitiges Verteidigungsbündnis für alle Fälle. Den Schmalkaldenern empfahlen sie, von einer Auflehnung gegen den Kaiser Abstand zu nehmen; sie selbst wollten nur dann zum Widerstande schreiten, wenn wirklich die Religion durch ihn bedroht sei. Moritz änderte dann aber seine Haltung, indem er, um die für den Fall einer Niederlage seines Vetters, des Kurfürsten, dem Kaiser verfallenen ernestinischen Lande samt der Kurwürde seinem Hause zu erhalten, in einem Vertrage mit König Ferdinand sich zur Hilfeleistung gegen die Schmalkaldener verpflichtete. Er geriet dabei zunächst in eine gefährliche Kriegslage und bemühte sich um die Hilfe Brandenburgs, die ihm bei seiner veränderten Haltung vertragsgemäß eigentlich nicht zustand. Diese Gelegenheit benützte Joachim, um ein wertvolles Zugeständnis in der magdeburgischen Frage zu erlangen. Er hatte verstanden, die Mehrheit des Magdeburger Kapitels auf seine Seite zu bringen und setzte nun in Verhandlungen mit Moritz und König Ferdinand zu Außig in Böhmen am 20. Februar 1547 die Wahl seines jüngeren Sohnes Friedrich zum Koadjutor durch; dieser musste allerdings bei der katholischen Kirche bleiben und sich verpflichten, künftig als Erzbischof einen albertinischen Prinzen als Koadjutor anzunehmen; immerhin aber war vorläufig eine ununterbrochene Fortdauer der brandenburgischen Herrschaft im Erzstift gewahrt. Die Gegenleistung, die Joachim selbst übernahm, bestand darin, dass er nun auch an dem Kriege gegen die Schmalkaldener teilnehmen musste, wenn auch nicht persönlich und in einer ziemlich unscheinbaren Form: er stellte ein Fähnlein von 400 Reitern unter Führung des Kurprinzen zu den Truppen des Kaisers. Sie haben bei Mühlberg mitgefochten, und auf dem Schlachtfeld ist der Kurprinz Johann Georg von dem siegreichen Kaiser zum Ritter geschlagen worden (24. April 1547).

Trotzdem setzte Joachim seine Vermittlungsversuche fort. Mit Moritz zusammen trat er für den Landgrafen Philipp von Hessen ein, dessen Gefangenhaltung durch den Kaiser auch von ihm als eine demütigende Rücksichtslosigkeit empfunden wurde. Das Augsburger Interim, dass der Kaiser 1548 den Protestanten auferlegte, nahm er umso bereitwilliger an, als sein Hofprediger Agricola an dessen Entwurf mitgearbeitet hatte; es genügte ihm, das darin die Lehre von der Rechtfertigung und die vom Abendmahl in einem Sinne geregelt war, der seiner Überzeugung entsprach. Er glaubte seinem Lande einen großen Dienst erwiesen zu haben, indem er es vor dem Unglück eines feindlichen Einfalls bewahrte. Sein Verhalten ist nicht nach religiösen, sondern nach politischen Gesichtspunkten orientiert, und es entsprach nur dem Sinn der Zeit, wenn dabei das Hausinteresse eine hervorragende Rolle spielte. Obwohl die Einführung des Interims bei den strenggläubigen Lutheranern Anstoß erregte, so kann doch kaum zweifelhaft sein, das die Friedenspolitik des Kurfürsten im ganzen nach dem Sinn der Landstände war; und er vermochte es zu erreichen, dass die Landschaft in den Jahren 1549 und 1550 abermals eine große Schuldenlast auf sich nahm und zu deren Tilgung außer den herkömmlichen Hufen- und Giebelsteuern eine neue indirekte Steuer bewilligte, das im Unterschied von der alten Ziese aus dem Jahre 1488 sogenannte „neue Biergeld“, das sehr viel höher war (8 Groschen für die Tonne) und von den Verordneten der Landschaft selbst verwaltet wurde.

Auch Markgraf Johann von Küstrin hat an dem Kriege nicht auf Seiten der protestantischen Partei teilgenommen. Das Vorgehen Philipps von Hessen und der schmalkaldener gegen seinen Schwiegervater, den Herzog Heinrich von Wolfenbüttel, hatte ihn mit seinen Verbündeten in Zwist gebracht, und so trat er auf die Seite des Kaisers und führte ihm als Condottiere gegen Hilfsgelder 300 Reiter und 400 Arkebusiere zu. Er hatte sein Auge damals auf Pommern geworfen und lies sich für den Fall, das gegen die Herzöge wegen Beteiligung an dem Aufstand gegen den Kaiser von Reichs wegen vorgegangen werden sollte, die Exekution übertragen, um einen Fuß in dem Lande zu gewinnen, das er dann für das brandenburgische Haus zu erwerben hoffte — ein Plan, der freilich zerrann. In Glaubenssachen aber blieb Markgraf Johann unerschütterlich fest. Auf dem geharnischten Reichstag zu Augsburg (1548) ist er einer der ganz wenigen Fürsten gewesen, die sich nicht vom Kaiser einschüchtern ließen. Das Interim lehnte er ab, an der Fronleichnamsprozession nahm er nicht teil, trotz der drohenden kaiserlichen Ungnade, die ohne eine Verwendung des Königs Ferdinand wahrscheinlich auch dazu geführt haben würde, dass er von Karl V. als Gefangener zurückbehalten wurde.

Eine starke Spannung mit dem Kaiser war die Folge. Johann war auf einen Angriff gefasst. Im Schutze seiner festen Plätze Küstrin und Peitz, imstande eine Truppenmacht von 7 – 8 000 Mann aufzubringen, wenn es nottat, hätte er wohl einige Zeit Widerstand leisten können; er dachte zugleich an einen großen norddeutschen Verteidigungsbund gegen den Kaiser, in den auch Dänemark, Polen und Preußen hineingezogen werden sollten.

Auch der Herzog Albrecht von Preußen war damals eines Angriffs gewärtig; er glaubte, wenn Magdeburg gefallen sei, so werde der Kaiser den Krieg auch nach Pommern und Preußen tragen und die Vollstreckung der Reichsacht gegen ihn, auf die der Deutschmeister, Konrad von Milchling, schon längst bei Karl V. drang, endlich ins Werk setzen. Trotzdem war er mit dem Markgrafen Johann eines Sinnes darin, dass man sich nur zur Verteidigung verbünden solle, nicht aber zum Angriff gegen den Kaiser.

Darin besteht der tiefgehende politische Gegensatz der Brandenburger zu dem Kurfürsten Moritz von Sachsen, der mit dem Plan umging, im Bunde mit Frankreich den Kaiser anzugreifen. Mit diesem Plane konnte sich Markgraf Johann nicht befreunden. Bei den Verhandlungen, die 1551 von Moritz mit Johann und einigen anderen Fürsten unter Teilnahme eines französischen Gesandten auf dem sächsischen Jagdschloss Lochau geführt wurden, kam es während der Abendtafel zu einem heftigen Wortwechsel zwischen Kurfürst Moritz und seinem Gast, und Markgraf Johann ritt kurz entschlossen mit seinen Leuten beim nächsten Morgengrauen davon und nach Hause zurück und hat an den weiteren Unternehmungen des sächsischen Kurfürsten keinen Anteil mehr genommen.

Joachim war in gutem Einverständnis mit Moritz von Sachsen geblieben, im Hinblick auf Magdeburg, wo im Mai 1550, nach dem Tode des Erzbischofs Johann Albrecht, sein Sohn Friedrich den erzbischöflichen Stuhl bestieg. Bei der Belagerung der Stadt Magdeburg hat er Moritz mit geworbenem Volk unterstützt. Auf die Unternehmung gegen den Kaiser aber hat sich auch Joachim nicht eingelassen. Es ist selbstverständlich, dass der Erfolg dieser Erhebung des sächsischen Kurfürsten, die im Interesse des Protestantismus und der reichsständischen Libertät erfolgte, auch den beiden brandenburgischen Brüdern zugutekam. Sie haben in sehr verschiedener Weise, jeder nach seiner Art, aus der veränderten Lage Nutzen zu ziehen versucht. Johann vertrug sich mit dem Kaiser und hat für die Belagerung von Metz ihm wieder als Condottiere Truppen geworben und zugeführt; er wurde jetzt Karls V. „Rat von Haus aus“ gegen ein Jahrgeld von 5 000 Talern und erreichte es später, das ihm dieselbe Stellung 1555 von Ferdinand, 1565 von Maximilian II., 1569 von Philipp II. von Spanien übertragen wurde. Joachim dagegen nahm seine vermittelnde Tätigkeit bei den Verhandlungen zu Passau wieder auf und hat weiterhin nach Moritzens Tode mit König Ferdinand zusammen einen hervorragenden Anteil genommen an den Bemühungen, die auf dem Augsburger Reichstage von 1555 zur Herstellung des Religionsfriedens und zur Sicherung der reichsständischen Libertät führten.

Eine gefährliche Krisis für die Gesamtinteressen des brandenburgischen Hauses bedeuteten die abenteuerlichen Unternehmungen, die nach dem Passauer Frieden der Markgraf Albrecht von Culmbach ins Werk setzte, dem die humanistischen Zeitgenossen den bezeichnenden Beinamen Alcibiades gegeben haben. Er ist zweifellos der kühnste und tatkräftigste unter den damaligen Hohenzollern, aber seinem Wagemut fehlte die nötige Besonnenheit und politische Zucht. Erst Condottiere im Dienst des Kaisers, war er dann im Bunde mit Moritz und den Franzosen gegen ihn vorgegangen und suchte nun, unbefriedigt durch die Abmachungen von Passau, im Kampf mit den Bischöfen von Bamberg und Würzburg und mit der Reichsstadt Nürnberg sich das Herzogtum Franken zu erobern, nach dem schon Albrecht Achilles vergeblich gestrebt hatte. Der Kaiser nahm erst Stellung gegen ihn, dann aber, als er mit seinen 18 000 Mann vor Metz erschien und auf seine Seite trat, ließ er ihn zunächst gewähren. Der Kaiser änderte dann aber seine Haltung, empfahl ihm eine gütliche Einigung mit seinen Gegnern; und nun verließ ihn Albrecht und stellte sich wieder auf eigene Füße. Da wandte sich Moritz von Sachsen gegen den ehemaligen Verbündeten, der den Frieden des Reiches so gröblich störte und ihm selbst seine Pläne zu verderben drohte. Auf braunschweigischem Boden bei Sievershausen verlor Moritz am 7. Juli 1553 das Leben, aber Albrecht wurde geschlagen, und das Kriegsglück blieb ihm dauernd abhold. Er erlitt auch in Franken Niederlagen, wurde aus seinem Erblande vertrieben, in die Reichsacht getan, und ist nach allerlei abenteuerlichen Versuchen landflüchtig 1557 zu Pforzheim gestorben. Auch in dieser Krisis war das Verhalten der beiden brandenburgischen Brüder von charakteristischer Verschiedenheit. Markgraf Johann wäre bereit gewesen, die Reichsacht gegen den fränkischen Vetter zu vollstrecken, um dessen Land zu gewinnen; Joachim II. aber trat in freilich fruchtlosen Bemühungen für den Geächteten ein und rettete nach dessen Tode, jetzt allerdings im Einverständnis mit dem Bruder, das Culmbacher Land für den jungen Ansbacher Markgrafen Georg Friedrich, den Sohn Georgs des Frommen, indem er auf einem Tage zu Wien von den Gegnern Albrechts das Zugeständnis erlangte, dass sie das eroberte Gebiet zurückgaben und sogar einigen Schadensersatz leisteten. Georg Friedrich, ein Mann von ungewöhnlichem politischem Verstand, ist der letzte Fürst der älteren fränkischen Linie gewesen und von hervorragender Bedeutung für die Geschichte des hohenzollernschen Gesamthauses.

Nach der vorläufigen Lösung der großen kirchlichen Frage durch den Augsburger Religionsfrieden sind es vornehmlich zwei wichtige Hausangelegenheiten, die am Hofe Joachims II. im Mittelpunkt des Interesses gestanden haben: die magdeburgische und die preußische Frage. Der junge Erzbischof Friedrich war schon 1552 gestorben, bevor noch ein Wettiner zum Koadjutor hatte bestellt werden können.

 

[Der Begriff Koadjutor (lat. „Beistand“) wird in folgenden Zusammenhängen verwendet: 

Koadjutor als Bischof der katholischen Kirche, der einem anderen Bischof zur Seite gestellt wird. In vergleichbarer Weise auch der unterstützende Abt-Koadjutor eines regierenden Abtes.

Koadjutor als Beistand im Rahmen eines kirchlichen Benefiziums

Koadjutor als Bezeichnung einer Klasse der Jesuiten

Koadjutor als Amtsbezeichnung für einen Pfarrgehilfen (lat. vicarius adiutor), der die Aufgaben eines Pfarrers bei dessen Verhinderung wahrnimmt.]

 

Die unentschiedene Haltung, die Joachim in der Frage der Reformation einnahm, wirkte beim Kapitel günstig für die brandenburgischen Interessen: der jüngste Sohn des Kurfürsten, Sigmund, wurde zum Nachfolger gewählt. Unter ihm ist der Protestantismus im Erzstift dann vollends durchgedrungen. In die Hoheit über die Stadt Magdeburg teilte sich der Erzbischof

auf Grund eines Vertrages von 1555 mit Brandenburg und Kursachsen. Die Wettiner waren natürlich auf den brandenburgischen Erfolg im Erzstift sehr eifersüchtig; und aus dieser Stimmung erklärt sich auch die Lauheit Sachsens in der Frage des geistlichen Vorbehalts, den König Ferdinand im Sinne der katholischen Partei dem Religionsfrieden von 1555 zugefügt hatte. Er enthielt bekanntlich die Bestimmung, das geistliche Fürsten, die zum protestantischen Bekenntnis übertraten, Amt und Einkünfte verlieren sollten. Anfänglich widersprachen dem alle protestantischen Reichsstände, schließlich aber ließ sich Sachsen die Bestimmung gefallen, und auch Joachims Gesandte hielten es nun nicht für angebracht, nachdrücklich dagegen aufzutreten, wie es Johann von Küstrin und einige andere protestantische Stände getan haben. Die Folgen der unsicheren Rechtslage zeigten sich, als 1566 auch der Erzbischof Sigmund starb und nun abermals in Magdeburg ein brandenburgischer Prinz gewählt wurde, der älteste Enkel Joachims II., Joachim Friedrich, während damals in Halberstadt die Wahl auf einen braunschweigischen Prinzen fiel. Kaiser Maximilian II., der kurz vorher (1565) den Thron bestiegen hatte, versagte trotz früherer Zusicherungen die Bestätigung des evangelischen brandenburgischen Administrators, weil er die Gefahr einer Säkularisation, wie in Preußen, abwenden wollte. Infolgedessen wurden auch am Reichstag Schwierigkeiten erhoben in Bezug auf die Zulassung der magdeburgischen Stimme im Fürstenrat. So entstand der vielberufene magdeburgische Sessionsstreit, der noch Jahrzehnte lang Anlass zu immer erneuten Spannungen und Schwierigkeiten in dem Verhältnis des brandenburgischen Hauses zu Kaiser und Reich gegeben hat.

Bei der preußischen Frage handelte es sich um die Mitbelehnung der Kurlinie mit dem Herzogtum, die der fränkische Vetter Albrecht Alcibiades, nach einer vorübergehenden Spannung zwischen Joachim und dem Herzog Albrecht, von neuem angeregt hatte. Die Verhandlungen mit den Polen führte der Doktor Georg Sabinus, der Schwiegersohn Melanchthons, damals Rektor der Königsberger Universität, dann, nachdem er dort dem Hass der orthodoxen Lutheraner hatte weichen müssen, im Dienste des Kurfürsten Joachim und seines magdeburgischen Sohnes Sigmund tätig. Mit diesen Verhandlungen verband sich anfänglich auch der Plan, die polnische Krone für diesen jüngsten Sohn Joachims zu erwerben, der durch seine Mutter zugleich ein Enkel des Königs Sigismund I. von Polen war. Sigismund II. war kinderlos, und die protestantische Strömung in Polen schien der Bewerbung günstig zu sein. Aus diesem Plane ist freilich nichts geworden, dagegen gelang es Joachim, unter dem Druck der allgemeinen politischen Lage im Nordosten, wo die Kämpfe um Livland und die übrigen ostbaltischen Küsten zwischen Russland, Schweden und Polen sich vorbereiteten, nach dem Tode des Herzogs Albrecht († 1568) bei der Belehnung des Nachfolgers Albrecht Friedrich 1569 die Mitbelehnung für die Kurlinie zu gewinnen — ein großer Erfolg, der freilich sehr erhebliche Ausgaben verursacht hatte. In den Jahren 1564 und 65 musste Joachim zum vierten und fünften Male seine Landstände um Übernahme der aufgelaufenen Schulden angehen. Sie haben im ganzen während seiner Regierung etwa 5 Millionen Taler an kurfürstlichen Schulden übernehmen müssen; die Einziehung der geistlichen Güter hat zwar den Umfang der Domänen fast verdoppelt, aber sie kam im Wesentlichen auch nur der Schulden Deckung zugute; ein großer Teil davon musste gleich in die Hände der Gläubiger überantwortet werden.

Das äußere Kirchenwesen, Kirchenschmuck, Gottesdienst, Zeremonien, blieben unter Joachim fast ganz wie in der katholischen Zeit erhalten; aber sein Bekenntnis zu der lutherischen Lehre wurde nach der Befestigung des Religionsfriedens unzweideutiger und entschiedener als vordem. Der feierliche Akt der Verlesung seines Testaments und Glaubensbekenntnisses in der Domkirche 1562 und das große Reformationsfest von 1563 zeigen ihn in viel schärferem Gegensatz, wie früher, zu dem Katholizismus, aber allerdings auch zu der calvinistischen Lehre. Der milden und versöhnlichen, in manchen Stücken freieren Auffassung Melanchthons, wie sie in Berlin der Propst Buchholzer vertrat, derselbe, der einst das Interim verworfen hatte, war er durchaus abgeneigt; er betonte auf das allerentschiedenste die bloße Rechtfertigung durch den Glauben und wollte von der Notwendigkeit guter Werke nichts hören. Seinen Hofprediger Agricola und den Frankfurter Professor Musculus, einen festen und strammen Lutheraner, begünstigte er sehr nachdrücklich in ihrem Streit mit Buchholzer, und dieser selbst wurde 1565 durch den Kurfürsten von seiner Berliner Propstei abgesetzt.

Johann von Küstrin blieb sich in seiner kirchlichen Stellung wie in seiner erwerbslustigen Haus- und Finanzpolitik gleich bis an sein Lebensende. Mit dem Johanniterorden, der in der Neumark große Besitzungen hatte — Sonnenburg war der Sitz eines Herrenmeisters — geriet er in einen langen und heftigen Streit, weil er das Ordensgebiet seinem Lande einzuverleiben bestrebt war. Dem König von Dänemark, Friedrich II., gegenüber erhob er 1565, in einem kritischen Moment des großen Krieges zwischen Dänemark und Schweden Ansprüche auf Teile von Schleswig-Holstein auf Grund des Testaments seines Großvaters mütterlicherseits, des dänischen Königs Hans. Es gelang ihm aber weder den Landanspruch durchzusetzen, noch eine finanzielle Entschädigung in Form eines Dienstgeldes, worauf er es wohl besonders abgesehen hatte, von dem Dänenkönig zu erlangen; Joachim II., der ja dieselben Ansprüche wie sein Bruder hätte geltend machen können, hat an diesem Handel keinen Anteil genommen.

Im Einverständnis befanden sich die beiden Brüder, in der Hauptsache wenigstens, bei den Streitigkeiten, die über den Oderhandel mit Pommern ausbrachen, wobei die Rivalität der Städte Frankfurt und Stettin eine Hauptrolle spielte. Frankfurt a. O. war die einzige bedeutende Handelsstadt der Mark Brandenburg und besaß ein wichtiges Niederlagsrecht, durch das die Schiffer auf der Oder gezwungen wurden, dort anzulegen und ihre Waren zum Verkauf auszustellen. Dieses Privilegium hatte auch Joachim I., der im Übrigen hauptsächlich den westöstlichen Durchfuhrhandel durch die Mark zu beleben suchte, immer geschützt und hochgehalten und dasselbe auch seinen Erben anbefohlen. Bei der Teilung der Lande bestand ja die Gefahr, dass Krossen und Landsberg, die zum Anteil Johanns gehörten, den Versuch machten, dem Frankfurter Handel Abbruch zu tun, um selbst in die Höhe zu kommen. Diese Gefahr suchte man zu vermeiden durch einen Vergleich, den die Brüder 1539 schlossen: gegen finanzielle Entschädigungen und gegen den Verzicht des Bruders auf die Einlösung von Krossen, das in seinem Pfandbesitz war, gestand Johann die Aufrechterhaltung der Frankfurter Niederlagsgerechtigkeit und manche Handelsbeschränkungen seiner eigenen Städte zu. Den Stettinern aber wurde die Wartheschiffahrt gesperrt. Den Handel nach Polen auf diesem übrigens noch wenig fahrbaren Wasserwege wollte Johann sich und seinem Lande vorbehalten; er dachte daran, den Handel nach Danzig von Stettin auf Küstrin abzulenken; auch ein Kanal zwischen Netze und Weichsel wurde schon geplant. Aus alledem ist freilich nichts geworden, schon weil die Polen mehr mit den Pommern als mit den Märkern zusammenhielten; aber der Gegensatz zu Pommern verschärfte sich mehr und mehr. Die Erhöhung der Zölle zu Oderberg und Küstrin, die Joachim und Johann vornahmen, beeinträchtigten den Handel von Stettin, der eben damals hauptsächlich in den Händen der großen Handelsfamilie Loitz einen bedeutenden Aufschwung genommen hatte und vornehmlich auf der Ausfuhr von Getreide aus dem Hinterland sowie auf dessen Versorgung mit Hering und neuerdings auch mit Salz beruhte. Dem Frankfurter Niederlagsrecht gegenüber brachte Stettin seit 1550 das seine mit größerem Nachdruck als bisher zur Geltung; Frankfurt verschärfte darauf wieder seine Maßregeln; beide Städte gerieten in einen immer heftiger werdenden Handelskrieg; und als 1562 die Frankfurter einige Stettiner Heringstonnen auf ihrem Markt zerhauen ließen wegen angeblich falschen Maßes, da sperrte Stettin ihnen die Durchfahrt auf der Oder, wie es schon früher vorübergehend öfter geschehen war. Diesmal aber erhielt die Maßregel eine größere Bedeutung dadurch, dass die beiden brandenburgischen Fürsten nachdrücklich für Frankfurt eintraten und die Sperre durch ein vollständiges Handelsverbot gegenüber Stettin beantworteten, das dann auch monatelang mit Strenge durchgeführt worden ist. Die Stettiner zogen es bald vor, einzulenken; und auch die Frankfurter und die Markgrafen bestanden nicht auf der Durchführung des Handelsverbots. Zu einer förmlichen Einigung in dem Streit der beiden Städte kam es zwar trotz mancher Verhandlungen nicht, aber der Handelsverkehr wurde wieder so wie früher ausgenommen.

So energisch sich die landesfürstliche Politik Johanns nach allen Richtungen hin betätigt hatte, so wenig Aussicht war doch vorhanden, das die Absonderung der Neumark von Dauer sein würde; denn es fehlte ihm an Söhnen, die das begonnene Werk fortführen konnten. Im Interesse der Gesamtpolitik des Hauses war es, das seine beiden Töchter mit Sprossen eben dieses Hauses vermählt wurden, die ältere mit dem Ansbacher Markgrafen Georg Friedrich (1558), die jüngere mit dem älteren Enkel Joachims II., dem Markgrafen Joachim Friedrich. Da die Ehe des ansbachischen Paares kinderlos blieb, so war der Anfall der Neumark an die Kurlinie selbstverständlich. Markgraf Hans hat seinen Bruder Joachim, der am 3. Januar 1571 starb, nur um zehn Tage überlebt. Johann Georg vereinigte also kurz nach seinem Regierungsantritt die beiden Lande Kur- und Neumark wieder in seiner Hand; aber die 35 Jahre, während welcher die Neumark ein selbständiges Dasein geführt hatte, haben doch genügt, ihr für die Dauer in Verfassung und Verwaltung eine besondere Stellung zu sichern: in Küstrin blieb eine eigene neumärkische Regierung mit einem Kanzler an der Spitze bestehen; auch die vom Markgrafen Haus schon eingeführte Amtskammer zur Verwaltung der Domänen erhielt sich; die Landstände bildeten eine Körperschaft für sich, die später nur noch gelegentlich mit der kurmärkischen Landschaft zusammengewirkt hat.

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