6.4 Im Bunde mit Ludwig XIV.
Nach den gewaltigen Anstrengungen und den glänzenden militärischen Erfolgen der letzten vier Jahre war der Kurfürst aufs äußerste enttäuscht und erbittert durch die vollständige diplomatische Niederlage, die er zuletzt doch erlitten hatte. Er maß die Schuld daran in erster Linie den Verbündeten bei, die ihn 1678 und 1679 im Stich gelassen hatten; immer aufs Neue wiederholte er seine Anklagen und Vorwürfe gegen sie. Andere Umstände traten hinzu, um die Kluft, die ihn fortan von den ehemaligen Bundesgenossen trennte, noch zu erweitern. Die Niederländer und Spanier hatten ihren Verpflichtungen zur Zahlung von Subsidien nur unvollkommen genügt. Häufige Mahnungen um die Rückstände verschärften die erkalteten Beziehungen zu beiden Staaten. Gegenüber den Spaniern hat sich der Kurfürst später selbst geholfen, indem er durch seine Kriegsschiffe die spanische Silberflotte bei ihrer Rückkehr aus Amerika überfallen ließ. Das Verhältnis zum Kaiser wurde durch die schlesische Frage noch stärker gespannt. Im Jahre 1675 war der Herzog Georg Wilhelm von Liegnitz, Brieg und Wohlau gestorben, der letzte der schlesischen Piasten, und damit war der Fall eingetreten, den die Erbverbrüderung von 1537 ins Auge gefasst hatte. Aber Österreich war weit davon entfernt, auf die brandenburgischen Ansprüche, deren Anerkennung es ja früher schon verweigert hatte, jetzt Rücksicht zu nehmen. Die Herzogtümer wurden als erledigte Lehen der Krone Böhmen eingezogen und mit dem Territorialbesitz des Hauses Österreich in Schlesien vereinigt. Der Widerspruch des Kurfürsten blieb auch nach dem Friedensschluss vergeblich. Die Herausgabe der Herzogtümer wurde ebenso verweigert, wie die Rückgabe des früher, im Dreißigjährigen Kriege, dem Hause Brandenburg genommenen Herzogtums Jägerndorf. Auch das Reich bewies dem Kurfürsten kein Entgegenkommen, als er mit dem Anspruch hervortrat, zur Entschädigung für die Verluste, die ihm der Friedensschluss der Verbündeten gebracht hatte, ein paar Reichsstädte, wie Dortmund, Mühlhausen, Nordhausen, sich aneignen zu dürfen.
Ludwig XIV. stand damals auf dem Höhepunkt seiner Macht und seines Ansehens in Europa. Die alten Fürsprecher einer französischen Bündnispolitik am brandenburgischen Hofe hatten doch Recht behalten, dass gegen die aufsteigende Macht Frankreichs nichts auszurichten sei. Zweimal hatte der Kurfürst auf das Machtgebot Frankreichs das eroberte schwedische Pommern wieder fahren lassen müssen. Aber er gab die Hoffnung, es zu erwerben, noch keineswegs auf; er suchte jetzt durch die Freundschaft Frankreichs zu gewinnen, was er als Gegner Frankreichs nicht hatte behaupten können: dies Bestreben ist der Schlüssel zum Verständnis der vielgeschmähten Politik des Kurfürsten in den nächsten fünf Jahren, die ihn zum Bundesgenossen und Helfer Ludwigs XIV., auch auf Kosten der Reichsinteressen, gemacht hat.
Am 25. Oktober schloss Meinders, der auf Geheiß des Kurfürsten im Anschluss an den Frieden von St. Germain Verhandlungen zum Behuf einer näheren Verständigung angeknüpft hatte, mit Frankreich die sogenannte „engere Allianz“, die ein Verhältnis „aufrichtiger Freundschaft und vollkommenen Einverständnisses“ zwischen dem Kurfürsten und Ludwig XIV. begründen sollte. Sie war und blieb damals und auch später noch, als Pufendorf sein Geschichtswerk über den Großen Kurfürsten nach den Staatsakten schreiben durfte, samt der ganzen Folge von Verträgen und Verhandlungen, die sich daran angeschlossen haben, mit dem tiefsten Geheimnis umgeben, das erst in neuerer und neuester Zeit vollkommen aufgedeckt worden ist. Der Kurfürst verpflichtete sich darin, französischen Truppen freien Durchzug durch seine Lande, nötigenfalls auch Zuflucht in seinen Festungen zu gestatten. Er versprach, seiner Zeit in Polen für die Königswahl des Sohnes Johann Sobieskis, des französischen Parteigängers, eintreten zu wollen. Er machte sich verbindlich, bei der nächsten deutschen Kaiserwahl nicht bloß für den Ausschluss des Hauses Österreich, sondern geradezu für die Wahl Ludwigs XIV. oder des Dauphins oder eines andern Frankreich genehmen Kandidaten wirken zu wollen, ein Fall, der allerdings in den nächsten 10 Jahren, auf die das Bündnis lief, wohl kaum zu erwarten war. Dafür versprach Ludwig XIV. dem Kurfürsten außer der Verbürgung seines Besitzstandes, die Zahlung von 100.000 Livres jährlich. Der Kurfürst wurde also zum Pensionär Ludwigs XIV., wie so viele Fürsten, aber doch in anderem Sinn und Geist, als etwa Karl II. von England: das Geld, das er von Frankreich empfing, brauchte er, um seine verhältnismäßig sehr große Armee zu erhalten, die ihm als Grundlage seiner Machtstellung und seiner Staatsgründung unentbehrlich war.
Der bedenklichste Punkt bei diesem Bundesverhältnis mit Frankreich war der Umstand, dass Ludwig XIV. eben damals, nach dem Frieden von Nymwegen, mit seinen berüchtigten „Réunionen“ begonnen hatte, durch die er dem Deutschen Reiche ein Stück seines Gebietes nach dem andern unter den nichtigsten Rechts vorwänden entriss. Diese fortgesetzte Raubpolitik erweckte ihm Gegner in und außer dem Reiche und schuf allmählich einen latenten Kriegszustand, der ein günstiger Nährboden für Koalitionspläne gegen das übermächtige Frankreich war. Eben diese Lage aber ließ das Bündnis mit Brandenburg bei Ludwig XIV. im Preise steigen und gab die Veranlassung zu einem neuen Abkommen, das am 11. Januar 1681 geschlossen worden ist. Dieses zweite sogenannte „Defensivbündnis“ hat Brandenburg noch rückhaltloser als das erste in den Dienst der französischen Politik und ihrer Interessen gestellt. Der Kurfürst sicherte Ludwig XIV. seine Bundeshilfe zu, indem er ausdrücklich darauf verzichtete, Recht oder Unrecht des Alliierten bei einer Hilfeforderung zu untersuchen. Er war dadurch also auch zur Verteidigung der französischen Réunionen unter Umständen verpflichtet. Dafür erhielt er zur Unterhaltung seiner Armee jetzt jährlich 100.000 Taler (écus), wiederum auf 10 Jahre. Das Haus Braunschweig hat im Januar, Sachsen im April 1681 ein ähnliches Abkommen von freilich nur kurzer Dauer mit Ludwig XIV. geschlossen. Worauf der Kurfürst bei seinem Bündnis mit Frankreich im Grunde hinauswollte, ersieht man aus seinen Bemühungen, es zu einem Dreibund zu erweitern, in den auch Dänemark hineingezogen werden sollte. Dänemark war der geschworene Erbfeind Schwedens. Ein französisch-brandenburgisch-dänischer Dreibund hätte seine Spitze gegen Schweden gekehrt und hätte als Vorbereitung eines Krieges zur Eroberung der schwedischen Besitzungen in Deutschland dienen können. Eben das aber wollte Ludwig XIV. vermeiden. Er hat den Vorschlag des Dreibundes abgelehnt. Ihm kam es vor allem darauf an, die Hilfe des brandenburgischen Kurfürsten zur Behauptung seiner Réunionen zu gewinnen; er köderte ihn dazu mit der Hoffnung auf die Erwerbung von Schwedisch-Pommern; aber sobald es damit ernst wurde, zog er sich zurück und hütete sich, feste und bindende Zusagen zu geben.
Die Réunionen nahmen nun ihren Fortgang. Im September 1681 wurde Straßburg vergewaltigt. Der Kurfürst war sehr peinlich berührt durch diesen neuen Gewaltakt, aber er musste gute Miene zum bösen Spiel machen, um seine Pläne verfolgen zu können. Eben damals stiegen seine Hoffnungen auf die Erwerbung von Schwedisch-Pommern von neuem. Seit dem Oktober stand Schweden offen auf der Seite der Gegner Ludwigs XIV.: König Karl XI., der sich noch immer als Mitglied des Hauses Zweibrücken fühlte, war empört über die Réunionen, die Ludwig XIV. nach dem Erlöschen der regierenden Linie in der Pfalz vorgenommen hatte. Während damals der Oranier Wilhelm III. mit dem seit 1672 wieder in niederländische Dienste getretenen Fürsten von Waldeck, dem früheren Minister des Kurfürsten, zusammenwirkte, um neben Schweden noch andere Bundesgenossen, namentlich im Reich, gegen Ludwig XIV. zu gewinnen, fasste der Kurfürst von Brandenburg den Plan, sich an die Stelle Schwedens als unentbehrlicher Freund und Bundesgenosse Frankreichs zu setzen und mit französischer Hilfe der Erbe der schwedischen Machtstellung an der Ostsee zu werden, zunächst aber Pommern ganz für sich zu erwerben. Wiederum steigerte die politische Lage den Wert des brandenburgischen Bündnisses für Frankreich; und wenn Ludwig XIV. auch weit entfernt war, auf die Idee des Kurfürsten einzugehen und vielmehr an der Hoffnung festhielt, Schweden, wie früher schon, aus dem Lager der Gegner zu dem alten Bundesverhältnis an seine Seite zurückführen zu können, so machte die politische Lage doch ein etwas größeres Entgegenkommen gegenüber Brandenburg zur Notwendigkeit; und so kam es zum Abschluss eines dritten Vertrages, einer Erneuerung der früheren Defensivallianz, am 22. Januar 1682. Ludwig XIV. verpflichtete sich darin dem Kurfürsten gegenüber, sich mit den bisherigen Réunionen zufrieden zu geben, keine weiteren Ansprüche zu erheben; der bestehende Besitzstand wurde garantiert, die Zahl der Hilfstruppen verstärkt, die Zahlungen an den Kurfürsten auf 400.000 Livres jährlich erhöht; im Kriegsfall wollte Frankreich sogar 300.000 Taler jährlich bezahlen. Der Kurfürst befand sich in dem Irrtum, das Ludwig XIV. seinen Plänen zur Eroberung von Schwedisch-Pommern jetzt seinen Beistand leihen werde, obwohl keine ausdrückliche Abmachung darüber bestand; der französische Gesandte am Berliner Hofe, Graf Rebenac, verstand es ausgezeichnet, ihm Hoffnungen vorzuspiegeln, die ihn bei gutem Willen erhielten, ohne dass Frankreich sich irgendwie band. Das ganze Jahr 1682 ist angefüllt mit Verhandlungen, die wieder das Ziel verfolgen, einen Dreibund zwischen Brandenburg, Frankreich und Dänemark zum Kriege gegen Schweden ins Leben zu rufen. Aber sie haben noch nicht zum Ziel geführt. Erst Anfang 1683, als Schweden, statt an Frankreichs Seite zurückzukehren, seinen Subsidienvertrag mit den Niederlanden und dem Kaiser erneuert hatte, kam Ludwig XIV., der nun das Interesse hatte, Schweden durch Brandenburg und Dänemark in Schach zu halten, den Wünschen des Kurfürsten entgegen; und am 30. April 1683 wurden zwei vorläufige Bündnisverträge vereinbart, einer zwischen Frankreich und Brandenburg (der vierte in der ganzen Reihe), der andere zwischen Frankreich, Brandenburg und Dänemark. Beide waren gegen Schweden gerichtet, der letztere ganz ausdrücklich. Schweden sollte durch die Verbündeten seiner Besitzungen in Deutschland beraubt werden: Dänemark sollte Bremen und Verden erhalten, außerdem Wismar; Brandenburg aber Vorpommern mit Stettin, den Odermündungen und der Insel Rügen. Frankreich wollte das Unternehmen durch Subsidien unterstützen; es versprach dem Kurfürsten von Brandenburg vom 1. Juni an jährlich 300.000 Taler (écus) zu zahlen. Die braunschweigischen Fürsten, auf deren Widerstand man rechnen konnte, weil sie den Dänen die Erwerbung von Bremen und Verden nicht gönnen würden, sollten zum Anschluss oder zur Neutralität gezwungen werden. Nötigenfalls wollte Ludwig XIV. zu diesem Zweck am Rhein 30.000 Mann aufstellen; mit dieser Macht im Rücken sollten Köln und Münster auf die Braunschweiger einen Druck ausüben, der sie zur Ruhe zwingen würde.
Der Kurfürst glaubte sich am Ziel seiner Wünsche und Hoffnungen. Aber der Eifer trübte ihm den klaren Blick: er hielt für endgültige Abmachung, was tatsächlich erst vorläufige Verabredung war. Rebenac hatte sich wohl gehütet, den Vertrag zu zeichnen; Ludwig XIV. trug doch noch Bedenken, Schweden den Brandenburgern und Dänen aufzuopfern; er hielt sich zurück und störte die Kreise der Verbündeten dadurch, dass er die Hilfe gegen die Welfen versagte und viel mehr Brandenburg in einen Konflikt mit diesem Nachbarn hineinzutreiben suchte. Sein großes Interesse war damals, die Réunionen, die er vorgenommen hatte, von Kaiser und Reich anerkannt zu sehen durch einen förmlichen Friedensschluss, der dem tatsächlichen Kriegszustand ein Ende machen sollte. Zu diesem Zweck musste ein hinreichender Druck auf den Kaiser und seine Verbündeten ausgeübt werden. Die Bedeutung der brandenburgischen Bundesgenossenschaft für diesen Zweck verringerte sich nun aber gerade damals durch eine Veränderung der allgemeinen politischen Lage. Die Türken, im Bunde mit den ungarischen Rebellen, drangen siegreich bis tief in die Erblande des Kaisers vor. Wien war bedroht, der Kaiser in äußerster Bedrängnis. Es bedurfte nun nicht mehr des Krieges gegen seinen schwedischen Bundesgenossen, um ihn mürbe zu machen. Am 7. Juni erklärte Rebenac, dass Ludwig XIV. Vorbehalte machen müsse, und die Ratifikation des Vertrages vom 30. April unterblieb.
Es war eine schlimme Enttäuschung für den Kurfürsten. Die pommerschen Pläne mussten aufgeschoben werden. Mit der ihm eigenen politischen Elastizität fasste er ein anderes Ziel ins Auge, das eine leichte Änderung seiner politischen Richtung bedingte. Er wollte die Verbindung mit dem Kaiser wieder anknüpfen und dessen Bedrängnis benutzen, um seine schlesischen Ansprüche endlich zur Geltung zu bringen. Im Juli standen die Türken vor Wien. Zu dieser Zeit sandte der Kurfürst seinen Schwager, den Fürsten Johann Georg von Anhalt, der immer in seinem Rat der Vertreter der franzosenfeindlichen, kaiserfreundlichen Richtung gewesen war, in geheimer Mission an das kaiserliche Hoflager zu Passau. Die Instruktion, die er erhielt, atmet einen Frankreich feindlichen Geist; aber es war noch nicht die Absicht des Kurfürsten, mit Ludwig XIV. zu brechen und sich dem Kaiser zum Kampfe gegen ihn anzuschließen. Die Grundlage seiner Vorschläge war vielmehr der Rat, das Kaiser und Reich sich zum Frieden mit Frankreich unter Anerkennung der Réunionen bequemen sollten; er hielt das auch jetzt noch für die einzig mögliche Politik, wenn man nicht zu dem Türkenkrieg auch noch einen Krieg mit Ludwig XIV. entfesseln wollte, bei dem Kaiser und Reich leicht hätten zugrunde gehen können. Unter dieser Voraussetzung der Verständigung mit Frankreich erklärte sich der Kurfürst bereit, dem Kaiser im Türkenkriege beizustehen und sogleich 6.000 Mann nach Ungarn marschieren zu lassen. Dafür stellte er seine Forderungen: 200.000 Taler Subsidien und mindestens die Herausgabe von Jägerndorf oder eine Entschädigung dafür.
Mit diesen Vorschlägen ging der Fürst von Anhalt nach Passau. Aber sie wurden vom Kaiser abgelehnt. Man vertrat am Kaiserhofe den Standpunkt, dass Brandenburg auch ohne eine Entschädigung dem Kaiser in der Türkennot zu Hilfe kommen müsse, und misstraute dem Kurfürsten, so lange er noch im Bunde mit Ludwig XIV. stand. Dass man hinter seinen Anerbietungen schlimme Pläne und Absichten gewittert habe, wird durch die veröffentlichten Aktenstücke nicht bestätigt. Der französische Gesandte hat seinem Hofe am 3. August 1683 berichtet, der Kurfürst lasse an den Grenzen von Schlesien ein Lager von 14.000 – 15.000 Mann bilden in der Absicht, dort einzurücken und Winterquartiere zu nehmen mit oder ohne Zustimmung des Kaisers. Aber er ist doch selber der Meinung, dass es dem Kurfürsten nur darauf ankomme, den Unterhalt für seine Truppen zu gewinnen, nicht aber sich des Landes durch einen Handstreich zu bemächtigen. Der Kurfürst hat freilich früher einmal, zu Anfang der 70er Jahre, den Plan entworfen, bei dem Aussterben des habsburgischen Mannsstammes, der damals in naher Aussicht zu stehen schien, Schlesien für sein Haus zu erobern, ganz unabhängig von den legitimen Erbansprüchen (das Liegnitzer Piastenhaus war damals noch nicht ausgestorben). Er rechtfertigte diesen Plan hauptsächlich mit dem evangelischen Interesse, mit der Unterdrückung der evangelischen Glaubensgenossen durch Österreich. Aber dieser Plan beruhte auf der Aussicht des unbeerbten Todes Kaiser Leopolds I. und war mit der Geburt des Erzherzogs Joseph (1678) hinfällig geworden. Es ist nicht der mindeste Anlass vorhanden, anzunehmen, dass der Kurfürst damals einen Handstreich gegen Schlesien geplant habe. Seine Absicht ging in der Hauptsache dahin, für die Hilfe, die er gegen die Türken gewähren wollte, vom Kaiser die Geldunterstützung zu erlangen, die er nicht entbehren konnte. Vielleicht dachte er schon an die Begründung eines besseren Verhältnisses mit dem Kaiser überhaupt; und die Absicht des kaiserlichen Hofes ging dahin, bei dieser Gelegenheit wieder, wie einstmals 1657, eine große Wendung herbeizuführen und den Kurfürsten für ein Bündnis gegen Ludwig XIV. zu gewinnen. Der Fürst von Anhalt gab dem Drängen des kaiserlichen Hofes nach und überschritt seine Vollmachten, indem er wirklich einen Bündnisvertrag mit dem Kaiser vereinbarte, der seine Spitze gegen Frankreich kehrte (12. August 1683). Das wäre ein völliger Umschwung der brandenburgischen Politik gewesen. Aber ein solcher lag damals noch nicht im Sinne des Kurfürsten. Er hat den Fürsten zurückberufen und ihm wegen der Überschreitung seiner Vollmachten eine Rüge erteilt; den Vertrag hat er nicht anerkannt. Er wollte noch nicht mit Ludwig XIV. brechen und hielt nach wie vor ein friedliches Abkommen mit ihm für die einzig mögliche Politik.
Ludwig XIV. hatte inzwischen, im August, beim Reichstage einen dreißigjährigen Waffenstillstand unter Anerkennung der Réunionen in Vorschlag gebracht, und der Reichstag hatte diesen Vorschlag im Prinzip gebilligt (1. September 1683); aber da der Kaiser widerstrebte, so war es noch nicht zur Annahme gekommen. Der Kurfürst von Brandenburg hat nun diesen Vorschlag des französischen Königs auf das nachdrücklichste unterstützt; er hat auch Sachsen dafür zu gewinnen versucht. An der Befreiung Wiens von den Türken, die mit Hilfe Johanns von Sobieski und anderer Verbündeter des Kaisers gelang (12. September 1683), haben die brandenburgischen Waffen keinen Anteil gehabt; eine Abteilung von 1.200 Mann, die der Kurfürst dem Polenkönig zugeschickt hatte, ist erst später zur Verwendung gelangt.
Die Beseitigung der Türkengefahr verwandelte die allgemeine Lage bedeutend zugunsten des Kaisers. Ludwig XIV. änderte jetzt seine Politik. Er fiel in die spanischen Niederlande ein und belagerte Luxemburg. Darauf erklärte Spanien den Krieg, Dezember 1683; die Niederlande schlossen sich an; auch die Welfen wollten Hilfstruppen senden. Der Kaiser bemühte sich vergeblich, den Kurfürsten von Brandenburg auf die Seite der Gegner Frankreichs hinüberzuziehen. Aber der Kurfürst trat auch jetzt dafür ein, dass das Reich mit Spanien nicht gemeinsame Sache machen dürfe. Noch am 19. Dezember hat Ludwig XIV. ihn öffentlich „seinen besten Freund“ genannt, trotz aller Missverständnisse und Verstimmungen, die zwischen ihnen doch schon bestanden. Am 18. Januar 1684 kam ein neues Bündnis, das fünfte, zwischen beiden zustande, in dem sich der Kurfürst verpflichtete, für die Annahme der Waffenstillstandsvorschläge Ludwigs XIV. beim Reichstage einzutreten und nicht zuzulassen, dass das Reich einmütig einen Krieg gegen Frankreich beschließe. Die französischen Zahlungen wurden auf 500.000 Livres im Jahr und für den Kriegsfall auf 500.000 Taler (écus) erhöht. So war und blieb der Kurfürst von Brandenburg, wie die Jahre vorher, das Haupthindernis, an dem eine Vereinigung der Reichsstände gegen Frankreich gescheitert ist. Er hielt eine solche für ganz aussichtslos. Er hatte von jeher mit bitterem Sarkasmus darauf hingewiesen, dass die Lage, in die man Frankreich gegenüber gekommen, die Frucht des Friedens von Nymwegen sei und das jetzt dem Reiche nicht mehr geholfen werden könne. Dagegen erbot er sich, nach der Annahme des Waffenstillstandes, dem Kaiser mit 20.000 Mann gegen die Türken zu Hilfe zu kommen. Er vornehmlich hat damals den Frieden im Reiche aufrechterhalten. Er ließ sich auch nicht durch Rebenac dazu drängen, sich in einen Krieg mit den braunschweigischen Herzögen einzulassen, was — wenigstens noch im Frühjahr 1684 — dem Wunsche und den Interessen Frankreichs entsprochen haben würde. Vielmehr trat er jetzt mit den Welfen in Verhandlungen, die ein Bündnis gegen Schweden zum Ziel hatten; wieder taucht die Hoffnung auf, die deutschen Besitzungen Schwedens zu erobern und zu verteilen. Vergebens suchte Ludwig XIV. dieses Bündnis zu hintertreiben; es ist am 2. August 1684 zustande gekommen, aber freilich, gegen Schweden ist es nicht wirksam geworden. Ludwig XIV. hat bald darauf sein Ziel, einen Waffenstillstand mit dem Reich unter Anerkennung der Réunionen zu schließen, erreicht. Was beim Kaiser die Furcht vor den Türken nicht hatte bewirken können, das bewirkte die Hoffnung auf ihre völlige Vertreibung aus Ungarn und auf die Begründung einer festen Herrschaft in diesem bisher kaum dem Namen nach besessenen Lande. Nach beiden Seiten hin konnte der Kaiser unmöglich Krieg führen; die Vereinbarung mit Ludwig XIV. gehörte dazu, um die Fortsetzung des siegreichen und aussichtsvollen Türkenkrieges möglich zu machen. Am 15. August 1684 wurde der von Ludwig XIV. verlangte Waffenstillstand von Kaiser und Reich angenommen; die Réunionen wurden damit anerkannt. Damit war der Hauptzweck, dem das brandenburgische Bündnis hatte dienen sollen, erreicht, und Ludwig XIV. scheute sich jetzt nicht mehr, jenen Bestrebungen des Kurfürsten offen entgegenzutreten, die darauf gerichtet waren, im Bunde mit den braunschweigischen Fürsten Schweden seine deutschen Besitzungen abzunehmen. Im September 1684 gab er ihm deutlich zu verstehen, dass er dabei weder auf seine Zustimmung noch gar auf seine Mitwirkung zu rechnen habe. Der Kurfürst hatte das Ziel, auf dass es ihm bei seiner Bundesgenossenschaft mit Frankreich hauptsächlich ankam, abermals verfehlt; er begann eine völlige Veränderung seiner politischen Richtung ins Auge zu fassen.