2.2 Verfassung und Verwaltung

2.2 Verfassung und Verwaltung

Dies sind in großen Zügen die äußeren Schicksale der Mark Brandenburg bis auf die Hohenzollern. Die inneren Zustände in Verfassung und Verwaltung zeigen ein ähnliches Bild: Aufbau und Blüte im 12. und 13., Verfall und Unordnung im 14. Jahrhundert. Aber die Einrichtungen der askanischen Zeit sind trotz der in vielen Stücken eintretenden Auflösung und Umbildung der Hauptsache nach doch in der späteren Entwicklung bewahrt geblieben, so dass die Hohenzollern auf diesen Fundamenten weiterbauen konnten. Wir wollen versuchen, uns diese Verhältnisse hier in einem kurzen Überblick zu vergegenwärtigen.

Die Grundlagen der ländlichen Verfassung und Besitzverteilung sowie der Gemeindeordnungen in Stadt und Land sind schon durch die Kolonisation gelegt worden. Leider ist davon aber gerade für die Mark Brandenburg sehr wenig aus unmittelbarer Überlieferung bekannt, so dass man genötigt ist, seine Zuflucht zu Rückschlüssen aus späteren Dokumenten oder auch zu Analogieschlüssen mit Rücksicht auf andere Territorien zu nehmen, wobei aber für manche wichtige Verhältnisse Unsicherheit bestehen bleibt. Der Vorgang bei dem Ansiedlungsgeschäft wird in der Mark ähnlich gewesen sein wie anderswo, namentlich in Schlesien, wo zahlreiche Dorfgründungsurkunden Zeugnis davon geben, während solche aus Brandenburg nicht erhalten sind. Dem Grundherrn bietet sich für die Gründung eines Dorfes ein Unternehmer (locator) an, dem eine größere Fläche Land, etwa 40 – 60 Hufen, überlassen werden unter der Verpflichtung, sie mit deutschen Bauern zu besetzen. Die Hufe, als Normalmaß für die Landausstattung einer bäuerlichen Wirtschaft, war von sehr verschiedener Größe. Im alten Deutschland betrug sie gewöhnlich 30 Magdeburger Morgen, die etwa zu 15 Hektar gerechnet werden können (aber nur ganz ungefähr, denn auch der „Morgen“ ist keine feststehende Größe, sondern nach der Güte des Bodens verschieden groß). In Schlesien betrug die Hufe meist 16 ½ ha, in den flämischen und holländischen Kolonien, wo die bei Moorkulturen übliche „Königshufe“ sich findet, bis zu 50 ha; in der Mark Brandenburg schwankt sie zwischen diesen beiden Grenzwerten und kann in den verschiedenen Teilen des Landes zu 20 – 40 ha angenommen werden. 2 bis 4 solcher Hufen erhält der Locator für seine Mühwaltung, zwei werden der Pfarrei zugewiesen, die andern verteilen sich auf die bäuerlichen Ansiedler; außerhalb der eigentlichen Feldmark und ihres Hufenschlags stehen die „Kossäten“, die in einer Kote (Kateh) sitzenden, aber nicht mit einer Hufe ausgestatteten Kleinwirte, die großenteils wendischen Ursprungs gewesen sein werden. Ist die Ansiedlung zustande gekommen, so wird der Locator als „Schulze“ des Dorfes die Ortsobrigkeit für die Bauern und der Vorsteher der Gemeinde. Er besitzt seine Hufen als Freigut, wenn auch unter Verpflichtung zum Rossdienst. Die Bauern dagegen haben von ihren Hufen einen Grundzins (census) zu zahlen, der aber nicht hoch bemessen ist und oft auf eine Reihe von Jahren, namentlich da, wo der Boden erst allmählich urbar gemacht werden muss, erlassen wird. Im Übrigen sind sie freie Leute und vererben die Hufe auf ihre Kinder. Dies Erbzinsrecht, eine Form der freien Erbleihe, ähnlich dem Recht an unsern heutigen Rentengütern, bezeichnet der Sachsenspiegel des Eike von Repgow einmal als das normale Besitzrecht der Bauern auf Kolonialland, überall da, wo ein Dorf „von wilder Wurzel“ gegründet wird. Der Vorgang bei der Dorfgründung wird in der Mark Brandenburg derselbe gewesen sein wie in Schlesien, weil der märkische „Schulze“ genau dem schlesischen „Scholzen“ entspricht; er wird also wie jener aus einem Siedlungsunternehmer hervorgegangen sein.

Ähnlich verfuhr man übrigens später auch bei der Anlage von Städten, die hier fast sämtlich als landesherrliche Gründungen ins Leben getreten sind. Nur ist die zur Besiedlung angewiesene Fläche hier eine größere, 150—300 Hufen, und statt eines einzelnen Unternehmers treffen wir hier meist ein Konsortium von solchen, darunter auch wohl ritterbürtige Leute. Einer der Unternehmer wurde auch hier als Schulze die Obrigkeit der Stadt. Das alte deutsche Gerichtsamt des Schultheißen, der als Stellvertreter des Grafen im Gericht erschien, hat hier im kolonialen Ostdeutschland eine wesentliche Umbildung erfahren; denn eine eigentliche Ortsobrigkeit, wie hier, war der Schultheiß ursprünglich nicht; doch scheint ein Übergang dazu in den grundherrschaftlichen Gebieten von Niedersachsen schon früher gemacht worden zu sein. In der Stadt wird statt des Grundzinses eine Haussteuer gezahlt, von welcher der Schulze auch hier befreit ist.

Hie und da tritt bei der Kolonisation auf dem Lande die Neigung hervor, eine modernere und rationellere Art der Flureinteilung vorzunehmen, als sie im alten deutschen Mutterlande üblich war. Dort war die sog. Gewanneinteilung die Regel, d. h. das Ackerland setzte sich aus verschiedenen größeren Landkomplexen zusammen, die wahrscheinlich nacheinander durch Rodung oder Urbarmachung für die Kultur gewonnen worden waren (die „Gewanne“), und auf denen jeder Dorfgenosse seinen Streifen besaß, so dass die gesamte zu einem Hofe und einer Hufe gehörige Ackerfläche über verschiedene Teile der Feldmark zerstreut lag und weit davon entfernt war, ein zusammenhängendes Ganzes zu bilden. Da jeder Bauer, um zu seinem Ackerstück zu gelangen, über das Feld des Nachbarn musste, so folgte aus dieser „Gemengelage“ (oder „Feldgemeinschaft“) der Grundstücke die notwendige Beibehaltung der uralten Gewohnheit gemeinsamer Vornahme der landwirtschaftlichen Arbeiten, Bestellung, Ernte usw., die also immer nur auf Beschluss der Gemeinde von allen Flurgenossen zusammen in Angriff genommen werden konnten. Durch diesen „Flurzwang“ war natürlich jede freie individuelle Bewegung in der Wirtschaftsführung ausgeschlossen und die Notwendigkeit gegeben, in den althergebrachten Formen der „Dreifelderwirtschaft“ zu verharren, wobei bekanntlich ein Teil der Felder in regelmäßigem Wechsel mit Sommer- und Wintergetreide bestellt wurde, während ein dritter als „Brache“ unbestellt liegen blieb, was beim Mangel an Stallfütterung und ausreichender Düngung notwendig schien, um eine Erschöpfung des Bodens zu vermeiden. Zu diesem Bilde der alten Wirtschaftsweise gehört außerdem noch, das ein Teil der Dorfflur, namentlich aus Wald, Wasser und Weideland bestehend, als „gemeine Mark“ oder „Almende“ oder „Gemeinheit“ dem Privatbesitz wie der Privatnutzung entzogen war und nur durch die Gesamtheit der Dorfgenossen genutzt wurde, wobei jedem ein ideeller Anteil nach Maßgabe seiner Hufenzahl zustand.

Nun haben holländische und flämische Kolonisten auch in der Mark Brandenburg, namentlich an solchen Stellen, wo man durch Entwässerung größere strecken Landes urbar gemacht hatte, die Flureinteilung ihrer Dörfer nach dem Vorbilde der bremischen Moorkolonien so eingerichtet, das die ganze Ackerfläche eines Hofes in dessen unmittelbarer Nähe und in einem kompakten Stück Landes zusammenlag. Es ist die moderne Form der Flureinteilung, die Gemengelage und Flurzwang vermied und eine freie Wirtschaftsführung jedes einzelnen Besitzers, damit zugleich auch den Übergang zu rationelleren Betriebsformen und allerhand wirtschaftlichen Fortschritten ermöglichte. Aber diese flämische Flureinteilung blieb doch nur auf wenige Stellen in der Mark Brandenburg beschränkt und bildete überhaupt nur eine Ausnahme, auch anderswo auf dem Kolonialgebiet. Die Regel war vielmehr auch hier, in der Mark Brandenburg wie anderswo, die alte Flureinteilung nach Gewannen mit Gemengelage, Flurzwang, Dreifelderwirtschaft und Gemeinheitsnutzung. Diese Verhältnisse muss man kennen, um die Bedeutung der späteren Separations- und Verkoppelungsgesetzgebung des 18. und 19. Jahrhunderts zu verstehen, durch welche die Gemeinheiten geteilt, die getrennten Ackerparzellen der einzelnen Hufen ausgetauscht und zusammengelegt und damit erst im 19. Jahrhundert die kompakte ländliche Einzelwirtschaft geschaffen wurde, die zu den neueren Wirtschaftsmethoden übergehen konnte. Die ländliche Gemeinde ist unter diesen Umständen von der Kolonisationszeit bis an die Schwelle der Gegenwart fast lediglich eine Wirtschaftsgemeinde gewesen; ihre Hauptobliegenheit bestand in der auf Flur zwang begründeten Regelung der landwirtschaftlichen Arbeiten und gemeinen Nutzungen; damit hing auch ihr Charakter als „Realgemeinde“ zusammen, d. h. die Tatsache, dass eigentlich nicht Personen, sondern Wirtschaftseinheiten, Höfe, ihre Mitglieder waren und also auch nur der, welcher einen Hof besaß, eigentlich zur Gemeinde gerechnet wurde.

Neben den Bauern waren nun aber auch Ritter in den Dörfern angesiedelt worden, und es ist eine wichtige Frage, in welchem Verhältnis sie zu den Bauern standen, ob sie anfangs bloß ihre Nachbarn, oder von vornherein Grundherren über sie waren. Und dieser Punkt ist es, in dem große Unsicherheit herrscht. Der spätere Zustand der Dinge, wie er uns in dem Landbuch entgegentritt, das Karl IV. 1375 hat aufnehmen lassen, zeigt die Ritter bereits als Grundherren oder Gutsherren, nicht mit großen Gütern von der späteren Ausdehnung (die haben sich, wie wir noch sehen werden, erst seit dem 16. Jahrhundert ausgebildet), auch noch nicht in der Form, das ein einziger ritterlicher Gutsherr über das ganze Dorf geböte (es sind vielmehr damals in den meisten Dörfern noch zwei oder mehr Ritter von verschiedenen Familien vorhanden), aber doch so, das den Rittern der Grundzins von den Bauern zusteht samt andern obrigkeitlichen und finanziellen Rechten, von denen gleich noch die Rede sein wird. Und schon in der Askanierzeit selbst, bei den Bedeverträgen von 1280 – 82 ist die Rede von Guts- oder Grundherren (domini bonorum) und untertänigen Bauern (subditi vassallorum). Das Verhältnis, um das es sich handelte, ist von der späteren ausgebildeten Gutsherrlichkeit des 17., 18. Jahrhunderts, die ja in allen Ostprovinzen herrschte und die wir sehr gut kennen, noch wesentlich verschieden. Es fehlt noch das große Rittergut, der landwirtschaftliche Großbetrieb des Ritters; es fehlen die starken Frondienste, das schlechte Besitzrecht, die Schollenpflichtigkeit des Bauern; wie sich das alles ausgebildet hat, wird noch später zu erörtern sein. Hier haben wir im Wesentlichen zunächst nur ein grundherrliches Verhältnis der Ritter über die Bauern, das sich namentlich in dem Besitz des Grundzinses durch die Ritter äußert. Ob man das Grundherrlichkeit oder Gutsherrlichkeit nennen will, mag zunächst dahingestellt bleiben. Von der späteren eigentlichen aus gebildeten Gutsherrlichkeit ist es, wie gesagt, verschieden; aber auch dem, was man in Nordwestdeutschland und auch anderswo im 17., 18. Jahrhundert unter Grundherrschaft verstand, entspricht es nicht ganz; namentlich handelte es sich im Westen meist um Streubesitz, während auf dem ostelbischen Kolonialboden die ritterliche Grundherrschaft in der Regel ein kompaktes Gebiet ausmachte. Wir werden noch gleich darauf zurückzukommen haben. Zunächst aber drängt sich die Frage auf: war dieser grundherrliche oder gutsherrliche Zustand, wie ihn uns das Landbuch von 1375 zeigt und wie ihn die Bedeverträge von 1280 – 82 voraussetzen, erst das Ergebnis einer allmählichen Entwicklung, die den Bauern unter die Botmäßigkeit des Ritters gebracht hat, oder war er in den Einrichtungen der Kolonisation selbst schon begründet? Mit anderen Worten: sind die Vorfahren der später als untertänig erscheinenden Bauern bei der Kolonisation von ritterlichen Grundherren auf ihrem Grund und Boden angesetzt worden, oder waren sie ursprünglich nur dem Markgrafen untertan, als dem einzigen Grundherrn und Kolonisator im Lande. Zur Entscheidung dieser wichtigen Frage gebricht es an unmittelbaren Quellenzeugnissen; sie ist daher auch in ganz entgegengesetztem Sinne beantwortet worden. Eine ältere Theorie (vertreten namentlich durch Korn und Knapp) nimmt an, das der Markgraf allein als Grundherr in den neuerworbenen Slawengebieten die Kolonisation ins Werk gesetzt habe, das von ihm die Bauern als freie Leute zu Erbzinsrecht angesiedelt worden seien, das die ritterlichen Dienstleute, die in den Dörfern neben ihnen angesetzt wurden, und zwar mit 4 – 6 Hufen, die mit dem Bauerland auf der Dorfflur im Gemenge lagen, zunächst nur die Nachbarn der Bauern gewesen seien, das dann aber durch Veräußerung landesherrlicher Hoheitsrechte der Grundzins der Bauern und andere Leistungen, die sie ursprünglich dem Markgrafen schuldeten, auf die Ritter übertragen worden und das diese so zu Grundherren und zugleich auch zur Obrigkeit über die Bauern geworden seien. Im Gegensatz dazu geht eine neuere Theorie (vertreten namentlich von Meitzen und Großmann) dahin, das nicht bloß der Markgraf, sondern auch die Ritter selbst kolonisiert hätten, indem ihnen vom Markgrafen größere Landstrecken zu diesem Zweck übergeben worden seien, das also die grundherrliche Stellung der Ritter und die Untertänigkeit der Bauern, die jene ältere Auffassung durch Veräußerung von Hoheitsrechten hatte erklären wollen, vielmehr von Anbeginn an vorhanden gewesen und durch die Bedingungen der Kolonisation selbst begründet worden sei.

Es scheint nun aber, dass weder die eine noch die andere Theorie für den ganzen Umfang der Mark Brandenburg und den ganzen Verlauf des Kolonisationswerks zutrifft. Die Entwicklung der ländlichen Verfassung scheint nicht in dem ganzen Gebiet, das unter der Herrschaft der Askanier langsam zusammen gewachsen ist, eine ganz gleichmäßige gewesen zu sein. Vielmehr scheinen landschaftliche Unterschiede stattgefunden zu haben, die zugleich Unterschiede in der Zeit der Besiedlung bedeuten. In dem ursprünglichen Kolonisationsgebiet, namentlich in den Teilen der Mittelmark, die noch unter Albrecht dem Bären selbst besiedelt worden sind, werden wir die Verhältnisse vorauszusetzen haben, die die ältere Theorie annimmt: Erbzinsbauern, ursprünglich nur unter der Grundherrlichkeit des Markgrafen (oder geistlicher Stifter), nicht aber, oder doch nur ausnahmsweise, unter der Grundherrlichkeit ritterlicher Vasallen oder Dienstleute des Markgrafen; dann aber Veräußerung markgräflicher Hoheitsrechte an die Ritter und damit Entstehung der ritterlichen Grundherrlichkeit unter Mediatisierung der Bauern — dieser Grundlage, auf der sich dann das gutsherrlich-bäuerliche Verhältnis weiter zuungunsten des Bauernstandes entwickelt hat. Dagegen scheint in den an Pommern und Polen grenzenden Teilen des märkischen Kolonisationsgebietes, in der Uckermark und der Neumark, wo erst in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts die Besiedlung in Angriff genommen worden ist, gleich bei der Kolonisation den ritterlichen Vasallen des Markgrafen eine ähnliche Stellung eingeräumt worden zu sein, wie sie die slawischen Grundherren dort als Eigentümer ganzer Dorfmarken einnahmen. Hier scheint der Ritter von Anfang an der Grundherr der Bauern geworden zu sein, namentlich da, wo schon wendische oder polnische Dörfer vorhanden waren. Und dies Verhältnis scheint dann von Osten her auf die inneren Gebiete der Mark Brandenburg eingewirkt zu haben, so das nun auch dort die Ritter bestrebt waren, Grundherren über die Bauern zu werden und auch die obrigkeitlichen Rechte über sie zu erwerben, die dort mit der Grundherrlichkeit wahrscheinlich von Anfang an verbunden gewesen sind.

Aus den Bestimmungen der Bedeverträge von 1280—82 darf man den Schluss ziehen, das damals in der Mittelmark noch 4 bis 6 Hufen als Normalumfang der Eigenwirtschaft eines Ritters angesehen wurden, obwohl manche von ihnen schon weit mehr Land unter dem Pfluge hatten; das wird auch bei der Kolonisation in der Mittelmark die ursprüngliche Landausstattung der Ritterlichen Dienstmannen gewesen sein, 6 Hufen für den Ritter, der mit 2 – 3 Begleitern seine Dienste zu leisten hatte, 4 für den Knappen, der wohl nur einen Spiesjungen mitbrachte. Das wäre ein Gut von 120 – 180 Morgen, also recht klein im Vergleich mit den späteren Rittergütern, die wohl meist über 500 Morgen hatten. Immerhin war es doch das Vier- bis Sechsfache einer normalen Bauernwirtschaft, und es ist nicht anzunehmen, dass ein solches Gut ohne die Hilfe angesiedelter abhängiger Leute, bloß mit eigenem Gesinde, von dem Ritter bewirtschaftet worden sei; er wird zu seiner Verfügung einige Kossäten oder auch abhängige Bauern gehabt haben, mögen diese nun sitzengebliebene wendische Landbewohner oder neuangesiedelte deutsche Laten gewesen sein; wir wissen ja, das um die Zeit der Kolonisation im 12. Jahrhundert viele Laten in Nordwestdeutschland durch die Auflösung der Fronhofswirtschaft freigesetzt worden waren, die gewiss nicht abgeneigt waren, ähnliche Stellen wie die, welche sie im Mutterlande gehabt hatten, auch im Kolonialgebiet wieder anzunehmen.

Ein kleines Rittergut also besteht schon seit der Kolonisation; es ist in seiner Größe und in der ganzen Struktur der gutsherrlich-bäuerlichen Verfassung noch sehr verschieden von dem späteren großen Rittergut des 17. und 18. Jahrhunderts; aber auch dem, was man unter Grundherrschaft im Westen der Elbe damals verstand, entspricht es keineswegs. Dieser Unterschied zwischen Grundherrschaft und Gutsherrschaft ist übrigens so wichtig für die Geschichte des preußischen Staates, dass wir hier mit kurzen Worten noch etwas näher darauf eingehen müssen. Er bildet nämlich die eigentliche Grundlage des tiefen und weitreichenden Gegensatzes in der ländlichen Verfassung, dem Gemeindeleben und der sozialen Struktur der Provinzen westlich und östlich der Elbe — ein Gegensatz, den unsere Staatsmänner und Gesetzgeber mehr als einmal gespürt haben, ohne ihn in der Wurzel zu erfassen, und dem in der neueren Zeit niemand mehr Gewicht beigelegt hat als der Staatsminister v. Miquel, der, selbst im nordwestlichen Deutschland aufgewachsen und ein Kenner ländlicher Verhältnisse, den Gegensatz zu den ostelbischen Provinzen in seiner ganzen, bis in die Gegenwart hinein dauernden Schärfe als ein überaus wichtiges Moment der inneren Politik erkannt hat.

Der ostdeutsche Gutsherr ist ein Landwirt, der Organisator und Leiter eines landwirtschaftlichen Großbetriebes; der westdeutsche Grundherr dagegen ist ein Rentenbezieher, der sein Land in kleinen Wirtschaften pachtweise ausgetan hat und wenn er selbst auf dem Lande lebt, doch keine bedeutende Eigenwirtschaft betreibt. Die ostdeutsche Gutswirtschaft wird im 17., 18. Jahrhundert mit unfreien, „erbuntertänigen“ Bauern betrieben, die Frondienste zu leisten haben, auf denen die Bewirtschaftung des Herrengutes beruht. Die westdeutsche Grundherrschaft kennt ein derartiges Verhältnis in der Hauptsache nicht; dort herrschen freie bäuerliche „Meier“ oder Pächter vor, die für sich selbst arbeiten und nur ihre Abgaben zu zahlen haben.

Was wir nun in der Mark Brandenburg vor den Hohenzollern finden, ist weder mit dem einen noch mit dem andern ohne weiteres gleichzusetzen. Am meisten ähnelt es jener älteren Form der Grundherrschaft, wie sie in Nordwestdeutschland seit dem 12. Jahrhundert mehr und mehr abgekommen ist, wie sie aber vordem, im ganzen früheren Mittelalter, die charakteristische Form der Landnutzung durch die großen geistlichen und weltlichen Grundherren, namentlich auch auf den Domänen der Könige war: das ist das sogenannte Fronhofsystem, von dessen Auflösung wir schon mehrmals gesprochen haben; es bestand darin, dass hier der Grundherr selbst oder durch seinen Vertreter, den villicus oder Meier (im älteren Sinne), eine nicht ganz unbeträchtliche Eigenwirtschaft auf einem Fronhof trieb, bei der die abhängigen, in der Nähe auf Herrenland angesiedelten Bauern („Laten“) durch Frondienste helfen mussten; wobei hervorzuheben ist, das diese Dienste, entsprechend dem verhältnismäßig kleinen Umfang der Eigenwirtschaft der Herren, noch nicht sehr bedeutend waren.

Dieser älteren Form der Grundherrschaft entspricht das gutsherrlich-bäuerliche Verhältnis zur Zeit des Landbuches von 1375 noch am ersten. Es wäre nicht unmöglich, das man zu der gleichen Zeit, wo die Grundherren im Nordwesten die Fronhofswirtschaft nicht mehr einträglich genug fanden und daher auflösten, um zu freien Pacht- und Erbzinsverhältnissen überzugehen — das man eben damals bei der Kolonisation der ostelbischen Gebiete dieses System beibehalten und fortgebildet hätte, weil es hier den gegebenen Verhältnissen entsprach, namentlich da, wo unfreie Arbeitskräfte slawischer Herkunft auf dem Boden sitzengeblieben waren. Diese ältere Grundherrlichkeit mit Eigenwirtschaft des Gutsherrn und Frondiensten, wenn auch zunächst nur mäßigen, der abhängigen Bauern würde sich dann später, seit dem 16. Jahrhundert, ganz von selbst durch die Vergrößerung der Eigenwirtschaft auf dem Rittergut zu der uns bekannten Form der Großgutswirtschaft des 17. und 18. Jahrhunderts gesteigert haben.

Auf der andern Seite spricht aber auch vieles dafür, das vielmehr auch bei der Kolonisation die freie Erbleihe eine große Rolle gespielt habe, dass das Erbzinsrecht freier Bauern das eigentliche Normalansiedlungsrecht gewesen ist, wie es der Sachsenspiegel ausdrücklich bezeugt hat. Es kann auch beides sehr wohl miteinander zusammen bestanden haben. Die kleinen Rittergüter werden nach Art des alten Fronhofsystems mit abhängigen Leuten bewirtschaftet worden sein; und neben ihnen werden im Dorfe eine größere Anzahl freier Bauern, die auf Erbzinsrecht angesiedelt waren, Platz gefunden haben. Die beiden charakteristischen Formen des bäuerlichen Standes, der freie Erbzinsbauer mit dem guten Besitzrecht und der hörige Lassit (Lasse, Late) mit dem schlechten Besitzrecht und der Verpflichtung zu Frondiensten werden von Anfang an nebeneinander bestanden haben. Das Verhängnisvolle dabei war, das später, bei der Vergrößerung der Rittergüter und bei der Zunahme der wirtschaftlich-sozialen Macht des Ritterstandes, das schlechtere bäuerliche Recht die Tendenz zeigt, das bessere zu verdrängen, weil es den Interessen der ritterlichen Gutsherren mehr entspricht. Diese Tendenz war umso mächtiger, als sie durch den Einfluss der slawischen Besitz- und Standesverhältnisse, die von Osten her einwirkten, beständig Nahrung und Stärkung erhielt. Schon lange vor den Hohenzollern war also in der Mark Brandenburg und ähnlich in den übrigen Kolonialgebieten eine säkulare Veränderung im Gange, die dem Bauernstande ungünstig, dem Ritterstande aber vorteilhaft war.

Auf der Grundlage dieser wirtschaftlich=sozialen Einrichtungen baut sich nun in der Askanierzeit auch schon eine landesherrliche Verwaltungsordnung aus, die später von den Hohenzollern, freilich in einem halb aufgelösten Zustande, übernommen und weitergebildet worden ist. Der Mittelpunkt dieser Ordnung liegt in der markgräflichen Gewalt, die anfangs eine Amtsgewalt war, als Lehen übertragen, und zwar wie alle Lehen im 12. Jahrhundert mit dem Recht der Erblichkeit, die sich dann aber sehr früh, früher, als in den meisten anderen Territorien des Reiches geschehen ist, schon im Anfang des 13. Jahrhunderts zu einer förmlichen fürstlichen Landeshoheit ausgebildet hat. Die markgräfliche Gewalt wurde von jeher viel selbständiger gehandhabt als sonst im Reiche die Fürstengewalt. In ihren Grenzkriegen waren die Markgrafen häufig, ja in der Regel, auf sich selbst angewiesen, und dieser Lage entsprach eine stärkere Selbständigkeit im Innern, die sich namentlich auf dem Gebiet der Gerichtshoheit geltend macht. Der Sachsenspiegel sagt darüber (Landrecht III, 65, 1): „Die markgreve dinget bi sines selves hulden over ses weken, dar vint jewell man ordel over den anderen, den man an sinem rehts nicht beschelden mach.“ Das heißt: Der Markgraf halt Gericht alle sechs Wochen (entweder selbst oder durch seine Stellvertreter), und zwar kraft seiner eigenen obrigkeitlichen Gewalt (nicht im Namen des Königs); und in diesen Gerichtssitzungen finden Beisitzer das Urteil über ihresgleichen, von denen nichts weiter gefordert wird, als das sie unbescholtene Männer sind. Der Gegensatz, der dem Verfasser des Sachsenspiegels dabei vorschwebt, ist das „Dingen bei Königsbann“, das in den sächsischen Grafschaften noch üblich war, offenbar als eine altertümliche, anderswo, z. B. in Süddeutschland, schon verschwundene Einrichtung. Bei Königsbann hielt der sächsische Graf in den starren Formen uralter Überlieferung Gericht, wenn es sich um freies Eigen oder um Missetat vollfreier Leute handelte, d. h. also in besonders wichtigen Fällen. Der Königsbann war ihm für diesen Zweck geliehen; es war ein höherer Bann, eine stärkere obrigkeitliche Gewalt als die gewöhnliche des Grafen; seine Verletzung (durch Ungehorsam oder Ungebühr ) wurde mit einer Buße von 60 Schillingen geahndet, während der Markgrafenbann nur 30 Schilling betrug. Beisitzer in einem solchen Gericht konnten nur freie Männer mit freiem Eigentum sein, „schöffenbarfreie“, wie sie Eike von Repgow, der Verfasser des Sachsenspiegels, nennt; die hatten das Urteil zu finden, das ja der Richter nach dem altdeutschen Gerichtsverfahren nur verkündigt. Nun sagt Eike von Repgow an einer andern Stelle seines Rechtsbuches ausdrücklich, dass es in der Mark keinen Königsbann gegeben habe. Wahrscheinlich war dies altertümliche Institut, bei dem es auf eine peinliche Unterscheidung des Geburtsstandes, ob frei oder unfrei, ankam, in das koloniale Neuland der Mark Brandenburg gar nicht übertragen worden, wie es auch in Süddeutschland damals schon verschwunden zu sein scheint. (Die Stadt Brandenburg, bei der einmal der Besitz des Königsbannes als ein besonderer Vorzug urkundlich erwähnt wird, scheint eine Ausnahme gebildet zu haben.) Die alte Unterscheidung nach der freien oder unfreien Herkunft war damals schon verblasst vor der Unterscheidung nach dem Berufsstand: Ritter und Bauer oder Bürger. Mancher Ritter war ja damals als Dienstmann (Ministeriale) eines geistlichen oder weltlichen Herrn eigentlich unfreier Herkunft, und doch erhob er sich über den Bauern, auch wenn dieser von freier Herkunft war. In Kolonialländern pflegen modernere und praktischere Auffassungen in Bezug auf Standesverhältnisse zu gelten als auf dem alten, mit den Erinnerungen der Jahrhunderte belasteten Boden des Mutterlandes. So wird es sich auch hier verhalten. Es ist auch fraglich, ob in der Mark Brandenburg, namentlich in dem eigentlichen Kolonisationsgebiet, eine größere Zahl von freien Männern und freien Gütern im alten Rechtssinne vorhanden waren. Die Ritter waren wohl meist Ministerialen, also unfreier Herkunft, und von den Ansiedlern mochten wenige ihre freie Herkunft nachweisen können; freies Eigen aber im Rechtssinne waren weder die ritterlichen Dienstgüter und die Lehen noch die Erbzinshöfe der Bauern oder die ebenfalls zinspflichtigen Stadthäuser. So mochte es in der Mark sowohl an Gegenständen fehlen, die das Gericht bei Königsbann erforderlich gemacht hätten, als auch an schöffenbarfreien, die als Beisitzer in einem solchen Verfahren das Urteil hätten finden können. In der Mark begnügte man sich vielmehr mit solchen Urteilfindern, die „an ihrem Rechte unbescholten“ waren, und der Markgraf hielt nicht bei Königsbann Gericht, sondern bei seinem Markgrafenbann, der zwar niedriger, aber nicht besonders verliehen, sondern mit dem fürstlichen Amte, das sich zur Landeshoheit umwandelte, untrennbar verbunden war. Damit war also eine gewisse Selbständigkeit in der Handhabung der Gerichtshoheit gegeben; sie ging aber nicht so weit, das die Mark der Einwirkung der obersten königlichen Gerichtsbarkeit ganz entzogen gewesen wäre: bis zu der Goldenen Bulle von 1356 war die Berufung an das Reichshofgericht des Königs noch keineswegs ausgeschlossen. Die Hauptsache in dieser Hinsicht war, das auch die Unterrichter, die der Markgraf bestellte, nicht der Bannleihe durch den König bedurften, wie die Grafen im Reich, die ein Richteramt nicht unmittelbar vom König selbst, sondern von einem geistlichen oder weltlichen Herrn verliehen erhalten hatten. Wir finden überhaupt keine Grafen in der Mark als Unterrichter des Markgrafen. Von den Burggrafen, die in Brandenburg, Stendal und Arneburg in der frühesten Zeit erwähnt werden und von deren Amtsbefugnissen wir gar nichts wissen, kann abgesehen werden: Sie sind sehr bald verschwunden; und auch andere Grafentitel erscheinen nur hie und da einmal in der älteren Zeit. Die Regel, die sich im 13. Jahrhundert ausbildete, war vielmehr die Ausübung der obrigkeitlichen Gewalt durch Vögte (advocati), die der Markgraf bestellte und die von einer Stadt oder einer Burg aus in seinem Namen den umliegenden Bezirk verwalteten. Gerichts- und Verwaltungsbefugnisse hingen dabei, wie das überhaupt in älteren Zeiten die Regel war, ungeschieden zusammen. Damit trat ein neuer und wichtiger Grundsatz ins Leben, der auch für die Verwaltungsordnung anderer Territorien charakteristisch ist, nämlich der, dass die Ausübung der obrigkeitlichen Gewalt im Auftrage und Namen des Landesherrn nicht mehr in Lehnsweise, sondern in Amtsweise geschah. Während die Landesherren in Reiche dem Kaiser gegenüber streng an dem Lehnsprinzip festhielten, haben sie es verstanden, innerhalb ihrer eigenen Länder das Amtsprinzip an dessen Stelle zu setzen. Ein Vorbild dazu gab die Verwaltung der großen geistlichen und weltlichen Grundherrschaften im Reiche, die auf Grund eines sogenannten Immunitätsprivilegs von der Einwirkung der öffentlichen Beamten, d. h. vornehmlich der Grafen, eximiert waren, und innerhalb deren der Grund- und Immunitätsherr die obrigkeitlichen Befugnisse durch eine Art von Privatbeamten, die Vögte (advocati), ausüben ließ. Es ist hier nicht an die vornehmen Stiftsvögte zu denken, die aus Gerichtsverwaltern und Schutzherren der geistlichen Grundherrschaften oft zu ihren Bedrückern wurden, sondern an eine untere Klasse von grundherrschaftlichen Beamten, die denselben Namen führen und insbesondere auch in den Gebieten der weltlichen Grundherren erscheinen. Solche Privatbeamte des Landesherrn waren nun auch die Vögte in der Mark Brandenburg und einigen anderen ostdeutschen Territorien, während man dieselben Beamten anderswo als „Pfleger“ oder „Amtleute“ bezeichnete. Die Vögte waren wohl meist Ritter aus den Reihen der markgräflichen Dienstmannen; sie wurden vom Markgrafen nach Belieben ein- und abgesetzt und hatten keinerlei Erbrecht an ihren Stellen. Ein festes Geldgehalt bezogen sie noch nicht, aber sie hatten Anteil an den Gerichtsgefällen und anderen finanziellen Hebungen des Markgrafen. Es gab ihrer etwa 30 in der Mark. Ihre Amtsbefugnis umfasste, wie es scheint, alle obrigkeitlichen Pflichten und Rechte, in Kriegführung und Friedensbewahrung, in Gericht- und Finanzverwaltung, nur das Zoll-, Forst- und Münzwesen lag besonderen technischen Beamten des Markgrafen ob.

Eine feste Residenz hatte der Markgraf noch nicht. Er zog mit seinem reisigem (zu Reise im Sinne von Kriegszug, Expeditio gehörig, ‚gerüstet, besonders zu Pferde gerüstet, für den Krieg, bereit zum Aufbruch) Gefolge im Lande umher, bald in dieser oder jener Burg oder Stadt längere Zeit verweilend. Ein beliebter Aufenthaltsort der askanischen Markgrafen war Tangermünde; Markgraf Waldemar hat auch oft zu Soldin in der Neumark Hof gehalten. Man wird sich zu denken haben, dass es bei dem damaligen Zustand der Straßen leichter war, mit einem reisigen Zuge den Ort von Zeit zu Zeit zu wechseln, als von den verschiedenen Teilen des Landes die Lebensmittel, deren der Hof bedurfte, an einen bestimmten Punkt zu transportieren. Zugleich dienten aber die Reisen des Markgrafen bei dem unentwickelten Zustand des Verkehrs auch dazu, seine Autorität in allen Teilen des Landes zur Geltung und Ausübung zu bringen. Aus den alten Gerichtstagen (placita), die der Markgraf im Lande umherziehend abhielt und auf denen er ursprünglich nur als hoher Reichsbeamter waltete, wurden mit der Ausbildung der Landeshoheit ganz von selbst fürstliche Hoftage, auf denen in der Hauptsache nur noch die Vasallen und Dienstmannen des Landesherrn erschienen, um ihm Aufzuwarten und ihm zugleich bei der Abhaltung von Rat und Gericht zu dienen. Man kann hier wie anderswo einen engeren und einen weiteren „Hof“ unterscheiden. Der „weitere Hof“ besteht in den periodisch wiederkehrenden größeren Hofversammlungen, bei denen eine größere Anzahl von Vasallen und auch wohl von Prälaten erscheint, um mit dem Markgrafen kirchliche oder weltliche Feste zu feiern und zugleich mit ihm Rat und Gericht zu halten. An diesen weiteren Hof knüpfen sich die periodischen Sitzungen des Hofgerichts und die späteren Versammlungen der Landstände. Der „engere Hof“ aber besteht aus den Herren, Rittern und Geistlichen, die den Markgrafen dauernd umgeben und zu den täglichen Geschäften der Hofverwaltung und Regierung gebraucht werden. Das sind die „Räte und Diener“, aus denen später die Ratsstube und der Geheime Rat gebildet worden sind.

Aus dem zunächst noch sehr unbeständigen, mit den verschiedenen Orten der Hofhaltung vielfach wechselnden Personal dieses engeren Hofes ragen als eine verhältnismäßig feste und stetige Erscheinung hervor die Inhaber der großen Hofämter: als Leiter des ganzen Hofhalts zunächst der Drost (Truchses), der erst zu Ende der askanischen Zeit von dem damals überall an erster Stelle erscheinenden Hofmeister abgelöst wird; neben ihnen zur Aufsicht über das riesige Gefolge und die Pferde der Marschall, für die eigentliche Hofhaltung Küchenmeister und Schenk, für den persönlichen Dienst beim Markgrafen der Kämmerer, als Kanzleiverwalter anfänglich ein Notar oder Protonotar, später auch ein Kanzler, diese schreibkundigen Beamten damals natürlich noch durchweg Geistliche. Die weltlichen Hofämter wurden seit der Mitte des 13. Jahrhunderts vorwiegend durch ritterliche Dienstmannen des Markgrafen (Ministerialen) besetzt, während früher wohl meist freie Vasallen dazu gebraucht worden waren, die ein Amt nur in der Form eines erblichen Lehens annahmen. Seit der Mitte des 13. Jahrhunderts ist von Erblichkeit der wirklichen Hofämter nicht mehr die Rede. Die Erbhofämter, die sich im Besitz gewisser großer Familien des Landes erhalten haben — das Erbmarschallamt bei den Gänsen zu Putlitz, das Erbküchenmeisteramt bei den Schulenburg, das Erbschenkenamt bei den Lützendorf — sind nur noch leere Dekorationen, Titulaturen ohne wirkliche Amtsfunktionen und ohne Bedeutung für die Hofverwaltung. Die eigentlichen Verwaltungsämter am Hofe sind ebenso wie die der Vögte im Lande nicht in Lehns-, sondern in Amtsweise an Ministerialen übertragen, die gewissermaßen als die Vorläufer des späteren Offizier- und Beamtenstandes betrachtet werden können. Je mehr aber die Ministerialen, die ja meist mit Rittergütern ausgestattet wurden und im Laufe des 13. Jahrhunderts die volle Lehnsfähigkeit erworben hatten, mit den Vasallen von freiedler Herkunft verschmolzen und, durch den gemeinsamen ritterlichen Berufsstand sowie durch ihren erblichen Grundbesitz zu einer höheren sozialen Stufe erhoben, die frühere Botmäßigkeit gegenüber dem Lehns- und Landesherrn abstreiften, ja sogar in den landschaftlichen korporativen Verbänden der Ritterschaft wohl auch gelegentlich zur Opposition gegen den Markgrafen sich zusammenzuschließen anfingen — desto mehr musste der Landesherr bestrebt sein, sich einen engeren Kreis von geschworenen Räten am Hofe zu bilden, die in den Urkunden seit dem Ende des 13. Jahrhunderts als viri discreti, prudentes, sapientes erscheinen und allesamt auch wohl als consiliarü bezeichnet werden; aus diesen wurden seitdem auch die großen Hofämter in der Regel besetzt. Hof und Landesbeamte bildeten noch nicht zwei streng gesonderte Klassen; es kam wohl vor, dass Hofbeamte auch zugleich die Stellung eines Vogtes einnahmen. Aus dem Ministerialitätsverhältnis begann so ein Beamtenverhältnis hervorzuwachsen. Allerdings war es noch kein lebenslänglicher Beruf, einem Fürsten zu dienen; wer als Rat oder Diener eine Zeitlang tätig war, erwartete wohl, mit einem Lehen oder einer Pfründe belohnt zu werden und zog sich dann vom Dienste zurück. Auch ein ausgebildetes Ratskollegium gab es am Hofe der Askanier noch nicht. Es sind alles noch keimhafte, unausgebildete Zustände, aber man gewahrt darin schon den Ansatz zu späteren Bildungen, von denen noch viel die Rede sein wird.

Die Gerichtsverfassung hat sich in der Mark Brandenburg wie anderswo im Reiche im 13. Jahrhundert, ziemlich gleichzeitig mit der Ausbildung der Landeshoheit in einer eigentümlichen Weise umgebildet, die den Einfluss der neuen, auf den Beruf begründeten Standesverhältnisse in unverkennbarer Deutlichkeit zeigt. Man unterschied früher Hoch= und Niedergericht (iudicium supremum und iudicium infimum) nach den Gegenständen, um die es sich handelte. In den großen Sachen, wo es sich um Erb und Eigen, oder auf dem Gebiete des Strafrechts um Hals und Hand handelte, hielt der Graf das Hochgericht; die kleineren Sachen, wo es um geringere Besitzfragen oder um Haut und Haar ging, gehörten vor das Niedergericht (das Centgericht oder Hundertschaftsgericht), das der Schultheiß oder Centenarius hielt. Ähnlich wird sich die Gerichtsbarkeit in der Mark Brandenburg ursprünglich zwischen dem Markgrafen und seinen Stellvertretern verteilt haben. Nun wurde es aber im 13. Jahrhundert Sitte, zuerst in dem geistlichen Gericht, dann auch im weltlichen, das die ritterbürtigen Leute einen besonderen höheren Gerichtsstand vor dem Bischof und dem Landesherrn erhielten, während die Bürger und Bauern in großen und kleinen Sachen vor dem Untergericht belangt wurden. In der Mark Brandenburg wurde das höhere Gericht das Hofgericht des Markgrafen, das niedere Gericht das des Vogtes, das nun gewöhnlich als Landgericht schlechtweg erscheint. Die Unterscheidung beruht also jetzt auf dem Berufsstand, nicht mehr auf der größeren oder geringeren Bedeutung des Rechtsfalles. Für die Ritterbürtigen ist das Hofgericht zuständig, wo auch die Beisitzer „vollkommen fromme Leute am Heerschild“ sein müssen, d. h. ritterliche Personen ohne Tadel; für die Bürger und Bauern ist es das niedere Landgericht des Vogtes. Das Hofgericht hielt der Markgraf ursprünglich selbst mit den Vasallen; es war zugleich auch das Lehngericht und eine Berufungsinstanz für die, welche das Urteil des niederen Landgerichts gescholten hatten. Im 14. Jahrhundert ließ sich der Markgraf im Vorsitz dieses Gerichts wohl in der Regel schon durch einen besonderen Hofrichter vertreten, ohne das er aber seine persönliche Befugnis als oberster Richter in der Mark aufgab. Die Zusammensetzung des Gerichts lag in seiner Hand; die ritterlichen Beisitzer waren nicht dauernd angestellt, sondern wechselten nach Ort und Zeit; eine feste Praxis konnte sich daher in diesem brandenburgischen Hofgericht so wenig ausbilden wie in dem Reichshofgericht des Königs. Es scheint, dass im 14. Jahrhundert dieses Hofgericht des Markgrafen auch als „Kammergericht“ bezeichnet wurde. Der „Richtsteig Landrechts“ (eine Art Prozessordnung des sächsischen Rechts aus der Mitte des 14. Jahrh.) und das Berliner „schöffenrecht“ aus dem Ende des 14. Jahrhunderts bezeichnen es als die höchste Dingstatt in der Mark über den Gerichten bei der Krepe (zu Salzwedel), bei der Linde (zu Arneburg) und bei der Klinke (zu Brandenburg) und nennen es geradezu auch des Markgrafen oder des Kämmerers Kammer (Kammerrecht). Wir werden aber sehen, wie in der Hohenzollernzeit die beiden Begriffe Hofgericht und Kammergericht wieder auseinander gehen. Sie sind eigentlich synonym, denn Kammer bedeutete damals so viel wie Residenz oder Hofhaltung.

In dem Hofgericht war also die Gerichtsbarkeit über die Ritterbürtigen von dem alten Landgericht weg und an den Hof gezogen worden; aber es machte sich doch bald das Bedürfnis geltend, namentlich für Schuldsachen, wo Ritter von Bürgern belangt wurden, und für ähnliche geringere Fälle, im Lande selbst feste Stellen für ein gerichtliches Verfahren zu haben, ohne das Kläger und Beklagte dem umherziehenden Hofe folgen mussten. So entstanden durch eine Art von Abgliederung mehrere lokale oder „Distrikts“-Hofgerichte, von denen das bedeutendste das zu Berlin für die Mittelmark war, das in der Hohenzollernzeit als das „oberste“ Hofgericht oder als „das Hofgericht“ schlechthin erscheint.

Wir würden nun aber keine zutreffende Vorstellung von der askanischen Gerichts- oder Verwaltungsordnung gewinnen, wenn wir nicht noch einen sehr wesentlichen Umstand ins Auge fassen: nämlich die zahlreichen Exemtionen von der obrigkeitlichen Gewalt der Vögte, die deren Amtsbezirke durchlöchert und allmählich ganz aufgelöst haben. Es ist die im Mittelalter immer wiederkehrende Erscheinung, die man als „Immunität“ zu bezeichnen pflegt, das die ordentliche obrigkeitliche Gewalt aus dem Machtbereich geistlicher Stifter, ritterlicher Grundherren und städtischer Gemeinden ausgeschlossen wird, und das die Ausübung der obrigkeitlichen Befugnisse den Inhabern einer solchen privilegierten Stellung als ein erb- und eigentümliches Recht überlassen wird. Dieser Vorgang, der im Reiche den Grund zu der feudalen Auflockerung des Staatsverbandes gelegt hat, wiederholt sich in den Territorien und hat in der Mark Brandenburg besonders starke Dimensionen angenommen; das Ergebnis ist hier die Entstehung der patrimonialen Obrigkeiten in Stadt und Land gewesen, denen die Ausübung der Justiz- und Polizeigewalt nicht als eine öffentliche Pflicht, sondern als ein erb- und eigentümliches Recht zustand.

Diese Abbröckelung der obrigkeitlichen Gewalt des Landesherrn beginnt sehr früh, bald nach der Begründung der Mark Brandenburg, und zwar zuerst, wie immer, zugunsten der Kirche. Dahin ist es allerdings in der Mark Brandenburg nicht gekommen, das die Bischöfe eine freie, reichsunmittelbare Stellung eingenommen hätten, wie es in anderen Territorien, z. B. in der Mark Meisen oder in Bayern der Fall war; die Bischöfe von Brandenburg, von Havelberg, von Lebus waren und blieben dem Territorialverband eingegliedert, „landsässig“, wie man es nannte, also dem Markgrafen untertan ja, die Markgrafen haben früh, als Entgelt für den kostspieligen Grenzschutz, den sie in diesem gefährdeten Koloniallande den geistlichen Stiftern gewährten (die, wie es scheint, keine eigenen Ministerialen gehalten haben) sogar den kirchlichen Zehnten für sich in Anspruch genommen und nach manchen Kämpfen auch tatsächlich behauptet. Aber die Gerichtsbarkeit über ihre Hintersassen ist den kirchlichen Stiftern ebenso wie der Grundzins und manches andere, hier und da auch wieder der Zehnte, zu eigenem Recht und Genus überlassen worden, und so bildeten die bischöflichen Stifter und die großen Abteien frühzeitig kleine Staaten im Staate. Ähnlich ging es dann bei Rittergutsbesitzern und Städten. Wenn es zutrifft, dass in manchen Teilen des Landes die Ritter selbst als Grundherren die Kolonisation ins Werk gesetzt haben, so waren sie da wahrscheinlich von Anfang an zugleich auch die Gerichtsherren und damit die Inhaber der obrigkeitlichen Gewalt überhaupt; wo das nicht der Fall war, da muss die Übertragung dieser Rechte durch Veräußerung von Seiten der Markgrafen geschehen sein, auch wo uns die Urkunden nichts darüber berichten; die Finanznot infolge der Vervielfältigung der Hofhaltungen wird dabei die beständig wirkende Ursache gewesen sein. Die Gerichtsbarkeit galt ja damals nicht als ein unveräußerliches Staatshoheitsrecht, sondern mehr als eine Geldquelle, wegen der Busgelder und sonstigen Gerichtsgefälle, die sie dem Inhaber, dem Gerichtsherrn einbrachte. Es kommt wohl vor, das in der Mark unter dem judicium supremum oder infimum in einem Dorf nur der Anteil verstanden wird, den der Markgraf oder sein Vogt aus den Gerichtsgefällen bezieht; die Gerichtsbarkeit, und damit die obrigkeitlichen Funktionen überhaupt, erscheinen in erster Linie eben als nutzbare und darum auch veräußerliche Rechte. So ist es zu dem Zustande gekommen, von dem das Landbuch von 1375 Zeugnis ablegt. Fast in jedem Dorfe besitzen ein oder mehrere Ritter vogteiliche Befugnisse. In Teltow z. B. besitzt der Markgraf das judicium supremum nur noch in 2 Dörfern (von 94), in Barnim nur noch in 3 Dörfern (von 197), in Havelland in 6 (von 103,), in der Zauche in 17 (von 104). Kurzr: die alte Vogteiverfassung ist in der Auflösung begriffen; es ist eine Erscheinung, die gleichen Schritt hält mit der Ausdehnung der ritterlichen Grundherrlichkeit und mit der Ausbildung der kommunalen Selbständigkeit der Städte. Wo der Ritter zum Grund- und Gerichtsherrn über die Bauern geworden ist, da ist natürlich auch die Selbständigkeit der ländlichen Gemeindeverfassung dahin: aus dem Erbschulzen, der unter dem Markgrafen stand, wird ein „Setzschulze“, der vom Gutsherrn eingesetzt wird als Organ seiner eigenen obrigkeitlichen Gewalt und als Leiter der auf dem Flurzwang beruhenden Gemeindewirtschaft.

Anders ist das Bild in den Städten, die wohl von Anfang an abgesonderte Gerichtsbezirke bildeten, weil sie ein besonderes Stadtrecht hatten, das durchweg von Magdeburg abgeleitet war, auf dem Wege über Stendal oder Brandenburg. Das besondere Stadtrecht bedingte ein besonderes Stadtgericht, weil die Landschöffen nicht nach Stadtrecht hätten urteilen können. Aber auch so stand die Stadt ursprünglich durchaus unter der Herrschaft des Markgrafen, dessen Vertreter der Vogt und der Schulze waren: der Vogt für das höhere, der Schulze für das niedere Gericht. Der Vogt war wohl der allgemeine, uns schon bekannte landesherrliche Beamte, der über Stadt und Land zu gebieten hatte und wohl meist nicht in der Stadt wohnte; der Schulze aber wohnte in der Stadt und war ein Bürger. Daraus erklärt sich das Bestreben der Städte, die ganze Gerichtsbarkeit, die höhere wie die niedere, in den Händen des Schulzen zu vereinigen. Das ist um die Wende des 13. und 14. Jahrhunderts, also zu Ausgang der Askanierzeit, ziemlich allgemein geschehen. Der Vogt verschwindet damit aus der Stadt; der Schulze allein wird der Vertreter des Markgrafen in allen obrigkeitlichen Funktionen, Gericht und Polizei. Damit war erst die Herauslösung der Stadt aus der ländlichen Umgebung ganz vollständig geworden. Je mehr nun aber der genossenschaftliche sinn in den Bürgergemeinden erstarkte, desto mächtiger regte sich der Drang nach kommunaler Selbständigkeit. Die Stadtgemeinde tritt seit dem 13. und 14. Jahrhundert als eine geschlossene Einheit, als rechts- und handlungsfähige Korporation, kurz, als juristische Person auf. Sie nimmt rechtlich verbindliche Handlungen vor, die sie mit ihrem Stadtsiegel bekräftigt. Sie erwirbt allerlei markgräfliche Rechte in der Stadt: den Markt, die Verkaufshäuser, die Buden und Bänke u. dgl., dann aber auch die Gerichtsbarkeit. Das vollzieht sich oft so, dass sie dem Markgrafen das Schulzenamt abkauft. Der Schulze wird damit ein der Stadt anstatt dem Markgrafen verpflichteter Stadtrichter; das Stadtgericht, bestehend aus dem Schulzen und den Schöffen, wird städtisch, kommunal. Die Obrigkeit in der Stadt wird nicht mehr vom Markgrafen, sondern von der Bürgergemeinde ausgeübt, und zwar als ein wohlerworbenes kommunales Recht, ganz ähnlich wie die patrimoniale Obrigkeit der Ritter und der geistlichen Stifter. Das ist in den märkischen Städten vielfach schon im Laufe des 14. Jahrhunderts geschehen. Nach dem Landbuche von 1375 ist die Gerichtsbarkeit schon in zwölf Städten kommunal; in der Mehrzahl der Städte steht sie damals allerdings noch dem Markgrafen zu, aber die Entwicklung ist dann rasch vorwärts gegangen im Sinne der städtischen Selbständigkeit. Das Landbuch zeigt uns daneben nun aber noch eine andere merkwürdige Erscheinung. In manchen Städten hat der Markgraf die Gerichtsbarkeit über die Bürger an einen Ritter veräußert. Ritter besitzen Stadtgerichte wie Dorfgerichte. Wo das Bestand gehabt hat und wo der Ritter zugleich auch im Besitz des städtischen Hauszinses war, da ist jene Klasse von Städten entstanden, die man später „Mediatstädte“ nannte. Es sind patrimonial gewordene Städte, Städte, die im Besitze eines Grundherrn sind. Ein solcher Grundherr kann übrigens auch ein geistliches Stift oder eine andere Stadt sein. Es kommt auch vor, das ein reicher und vornehmer Bürger die Gerichtsbarkeit in der Stadt zu eigenem Recht erwirbt. In Berlin ist zur Zeit des Landbuchs Inhaber der Gerichtsbarkeit Herr Thilo von Brugke; aber 1391 veräußert er diese Gerichtsbarkeit, die er vom Markgrafen erworben hat seinerseits weiter an die Stadtgemeinde; das Stadtgericht ist damit auch in Berlin in Kommunalbesitz übergegangen.

Die charakteristische Verwaltungsbehörde der Stadt als selbständiger Gemeinde ist nun auch in der Mark Brandenburg wie anderswo der Rat, das Kollegium der Ratmannen oder consules. Der Rat ist höchstwahrscheinlich entstanden aus den Schöffen des Stadtgerichts. Diese Schöffen wurden, sobald die Stadt ihre kommunale Selbständigkeit erworben hatte, zugleich die ersten Organe der städtischen Polizei- und Finanzverwaltung. Aber diese Verwaltungsgeschäfte wurden doch mit der Zeit zu bedeutend, als das sie auf die Dauer von den Stadt Gerichtsschöffen allein wahrgenommen werden konnten. Die Schöffen ziehen daher andere geeignete Personen hinzu: die consules oder Ratmänner. Schöffen und Ratmänner scheinen nun in vielen Städten eine Zeitlang ein gemeinschaftliches, ungetrenntes Kollegium gebildet zu haben, das die Geschäfte des Gerichts und der Verwaltung gemeinschaftlich besorgte. Mit der Zeit aber hat sich eine Trennung der beiden Funktionen vollzogen, nicht überall, aber in den meisten Städten. Schöffenkollegium und Ratskollegium sondern sich voneinander ab. Das erstere behält die Rechtsprechung im Stadtgericht, das andere übernimmt die Finanz- und Polizeiverwaltung. Die Schöffen, meist sieben an der Zahl, erscheinen noch lange als die vornehmere Körperschaft, wie sie ja auch die älteren waren: sie sind meist lebenslänglich im Amt. Die Ratmänner werden zunächst meist jährlich erneuert; ihre Zahl ist anfangs gewöhnlich 10, später 12, oder ein Vielfaches davon: 24, 36. An Bedeutung überragt jedoch der Rat, je länger je mehr das Schöffenkollegium. Zu seinem Wirkungskreis gehört namentlich alles, was den Handel, den Markt, die Gewerbe, das Zunftwesen betrifft. Als Behörde für die allgemeine Ordnungs- und Sicherheitspolizei übt er zugleich eine Polizeigerichtsbarkeit aus, so dass er auch als rechtsprechende Behörde neben den Schöffen, die das ordentliche Stadtgericht besitzen, in Betracht kommt. Er wird die regierende und verwaltende Behörde in der Stadt; das Stadtgericht tritt mehr und mehr an Bedeutung hinter ihm zurück.

Die Entwicklung der Ratsverfassung gehört dem 13. und 14. Jahrhundert an. Im 14. Jahrhundert treten auch besondere Vorsteher aus dem Ratskollegium hervor. In Berlin werden 1311 Altermänner erwähnt, in Viesenthal 1328 Bürgermeister. Gegen Ende des 14. Jahrhunderts wird diese letztere Bezeichnung für die Ratsvorsteher allgemein. Es sind gewöhnlich 2—3. Neben ihnen sehen wir besondere städtische Beamte wirksam, vor allem den Stadtschreiber, der die städtische Kanzlei verwaltet (zuweilen noch ein Geistlicher, 14. Jahrhundert) und einen oder mehrere Kämmerer, denen die städtische Finanzverwaltung obliegt. Die Finanzeinkünfte der Stadt flossen, abgesehen von den Gerichtsgefällen und Marktabgaben, hauptsächlich aus Grundbesitz. Die Städte haben ebenso wie die Ritter den Grundzins und andere Abgaben benachbarter Bauern erworben, sie besitzen später ganze Dörfer, die sog. Stadteigentums- oder Kämmereidörfer. Über diesen stellen sie eine korporative Grundherrschaft dar. Eigentliche Kommunalsteuern gab es noch nicht. Von der direkten Städtestener, die dem Markgrafen zustand, der „Urbede““, wird gleich noch die Rede sein.

Die städtischen ämter sind zunächst im ausschließlichen Besitz der oberen Klassen der Bürgerschaft, eines Patriziats, das aus der Verschmelzung von Ministerialen und grundbesitzenden Kaufleuten sich gebildet hatte und das man wohl als die „Geschlechter“ zu bezeichnen pflegte. Die vornehmste wirtschaftlich soziale Korporation, die eben diese Bevölkerungskreise umschließt, war in vielen märkischen Städten die Gewandschneidergilde, die Korporation der Tuchhändler, zu der auch ritterliche Stadtbewohner gehörten, wie z. B. der älteste bekannte Vertreter des Geschlechts der Bismarcks, der in Stendal als Mitglied dieser Gilde im 14. Jahrhundert vorkommt. Im Gegensatz zu dieser Patriziergilde stehen die Handwerkerzünfte, namentlich die in den meisten märkischen Städten vertretenen sogenannten „Viergewerke“, eine Vereinigung der Bäcker, Fleischer, Schuhmacher und Schneider. Sie verlangen später vielfach Teilnahme am Rat. In einzelnen märkischen Städten ist es schon im 13. Jahrhundert, ziemlich oft dann im 14. zu förmlichen Kämpfen zwischen Zünften und Geschlechtern gekommen. In Stendal z. B. beginnen diese Kämpfe schon 1231, im Jahre 1345 erfolgt dort der Umsturz der alten ausschließlich patrizischen Ratsverfassung. Diese Kämpfe setzen sich noch im 15. Jahrhundert fort; sie haben auch eine Rolle gespielt bei der Unterwerfung von Berlin und Cölln durch den hohenzollernschen Kurfürsten Friedrich II.

Nicht überall haben die Zünfte gesiegt, und auch wo es geschah, ist das Stadtregiment dadurch wohl auf eine breitere Grundlage gestellt, aber nicht eigentlich demokratisch eingerichtet worden. Eine Tendenz zur oligarchischen Gestaltung der kommunalen Selbstregierung trat immer wieder hervor; jedenfalls waren es immer nur die Körperschaften (Gilden und Zünfte), die im Rat vertreten waren und das Regiment führten. Eine organisierte Vertretung der gesamten Bürgerschaft gab es nicht.

Seit der Beseitigung der markgräflichen Stadtherrschaft stellt sich die Stadt ebenso wie die grundherrlichen Bezirke der geistlichen Stifter und der Ritter als eine der Amtsgewalt landesherrlicher Organe im Wesentlichen entzogene privilegierte Sonderbildung dar. Durch diese Sonderbildungen mit ihren patrimonialen oder korporativen obrigkeitlichen Rechten, die die alten Vogteibezirke überall durchsetzen und zerbröckeln, wird eine Auflösung der Verwaltungsordnung herbeigeführt, deren Resultate in den anarchischen Zeiten des ausgehenden 14. Jahrhunderts hervortreten. Die Vögte waren schließlich nur noch dort als Obrigkeit zuständig, wo der Markgraf zugleich den Grundzins und die übrigen finanziellen Hebungen in der Hand behalten hatte. In größeren Bezirken aber, als die alten Vogteien gewesen waren, in einzelnen Ländern oder Marken, wie z. B. dem Land Lebus oder der Uckermark, erscheinen „Landvögte““, meist aus dem eingesessenen Adel und unter seinen Einflüssen bestellt; anderswo, wie in der Altmark und Mittelmark, „Landeshauptleute“ von ähnlichem Charakter, als Vertreter des Landesherrn. sie halten das Distriktshofgericht ab und üben alle obrigkeitlichen Befugnisse an des Markgrafen stelle aus. Je mehr dabei die adligen Interessen herrschend wurden, desto mehr trat die landesherrliche Macht zurück.

Auch auf dem Gebiete der Finanzverfassung zeigt sich eine fortschreitende Abbröcklung markgräflicher Rechte seit dem Ende des 13. Jahrhunderts. Die Einkünfte des Markgrafen flossen teils aus seinem Grundbesitz oder der grundherrlichen Stellung über den angesiedelten Bauern, die ihm den Grundzins schuldeten, wozu in der Regel auch noch der kirchliche Zehnte kam, teils aus den Regalien, teils aus der alten Landessteuer (Bede). Das der Grundzins vielfach veräußert worden ist, werden wir auf Grund des Befundes im Landbuch von 1375 annehmen dürfen, wenn auch Urkunden darüber nicht vorhanden sind; damit müssen die Einkünfte des Markgrafen sehr zusammengeschmolzen sein, selbst wenn man nicht die Annahme teilt, das er zur Zeit der Kolonisation noch der einzige Grundherr in der Mark Brandenburg gewesen sei. Besser stand es mit den Regalien, die sich in der Mark Brandenburg in derselben Weise wie in den übrigen Landesfürstentümern des Reiches ausgebildet haben. Es handelt sich zunächst namentlich um das Markt-, das Münz- und das Zollregal, die alle schon im Anfang des 13. Jahrhunderts gewohnheitsrechtlich aus den Händen der Reichsgewalt in die der Landesfürsten übergegangen waren und die ein bekanntes Reichsgesetz Kaiser Friedrichs II., das „statutum in favorem principum“ von 1232 den Landesherren bestätigte, indem zugleich störende Eingriffe der kaiserlichen Gewalt in die damit zusammenhängenden Interessen der Landesfürsten ausgeschlossen wurden. Das Marktregal (d. h. das Recht zur Anlegung von Märkten und zum Genuss der dort erhobenen Marktabgaben) verlor freilich seine Hauptbedeutung, als die Epoche der Kolonisation und der Marktgründungen abgeschlossen war und nun die Städte ihren Markt samt den daran sich knüpfenden Einkünften dem Markgrafen abzukaufen begannen. Das Münzregal dagegen erfuhr eine bedeutende Erweiterung, da es anfänglich nur für Silber- und Kupfer-Prägungen und für die altherkömmlichen Münzstätten galt, während die Goldene Bulle von 1356 den Kurfürsten nicht nur das Recht der Goldprägung, sondern auch das Recht zur Anlegung neuer Münzstätten verlieh. Es war in Brandenburg wie anderswo namentlich deswegen sehr lukrativ, weil die Münzen sehr häufig (manchmal Jahr für Jahr) „verrufen“, d. h. für ungültig erklärt wurden, so dass sie, oft unter bedeutendem Verlust der Inhaber, in die neugeprägten Münzen umgewechselt werden mussten, was nur bei den Münzstätten des Landesherrn geschehen durfte. Auch bezüglich des Zollregals hatte der Kaiser 1232 darauf verzichtet, ohne Zustimmung der Landesherren neue Zollstätten in deren Gebiet anzulegen; die alten waren damals eben schon längst im Besitze der Landesherren selbst. Aber neue Zollstätten anzulegen und neue Zölle zu erheben, war ihnen keineswegs gestattet; und in der Mark Brandenburg hat es später Kurfürst Albrecht Achilles als ein großes Privilegium betrachtet, das ihm 1456 dieses Recht vom Kaiser verliehen wurde. Durch die Goldene Bulle von 1356 wurde den Kurfürsten auch noch das Salz- und Bergregal verliehen, das auch in Brandenburg dem Kurfürsten den Alleinhandel mit Salz gewährte; außerdem kommt in Betracht der Indenschutz, das Forstregal, das Mühlenregal.

Neben diesen Einkünften aus Grundbesitz und Regalien spielten aber anfänglich auch Steuereinkünfte eine große Rolle. Es handelt sich um die sogenannte „Bede“ (precaria, petitio, exactio), die zwar, wie der Name vermuten lässt, ursprünglich eine freiwillige, bittweis erhobene Abgabe war (wahrscheinlich zum Entgelt für die Lasten der Gerichtshaltung und der Ausübung obrigkeitlicher Funktionen überhaupt), die aber in der Mark Brandenburg wie in anderen Territorien im 13. Jahrhundert durchaus als eine allgemeine landesherrliche Steuer erscheint, die sich mit der Landeshoheit von selbst ausgebildet hat und gewohnheitsrechtlich feststeht, ohne das es dabei einer förmlichen Bewilligung durch die Besteuerten bedurfte. Dadurch unterscheidet sich die Bede sehr wesentlich von den späteren landständischen steuern. Während sie aber in anderen Territorien schon um die Mitte des 13. Jahrhunderts auf feste, jährlich zu zahlende Summen von geringer Höhe beschränkt war, wurde sie in der Mark Brandenburg noch lange in ganz unregelmäßigen Zwischenräumen und in willkürlicher Höhe erhoben — je nach dem Bedürfnis der Landesherrschaft. Es scheint nun, dass das Lösegeld, das für Otto IV. nach der Gefangennehmung bei Frohse aufgebracht werden musste, besonders starke Forderungen veranlasst hat, die einen allgemeinen Widerstand im Lande hervorriefen und in den Jahren 1280—83 zu Verhandlungen der Markgrafen mit einzelnen Gruppen der Ritterschaft und einzelnen Städten führten, aus denen eine neue Ordnung der Bedeverfassung hervorgegangen ist.

Die unregelmäßige, willkürliche Bede sollte aufhören. Vasallen und Städte bewilligten dafür eine einmalige Zahlung im Verträge des Grundzinses, d. h. 20 Schilling für die Hufe, oder statt des Geldes 1 Wispel (Ein Wispel (auch Winspel[1]) war ein Raummaß, das in mehreren deutschen Ländern gebräuchlich war. Verwendung fand es insbesondere als Maß für Getreidemengen. Ein preußischer Wispel = 24 Scheffel, wird mit ungefähr 1319,1 Liter gleichgesetzt) Weizen oder Gerste oder 2 Wispel Hafer, und außerdem ein jährliches Fixum im Betrage des zehnten Teils dieser Summe. Außer dieser niedrigen fixierten Jahresbede soll in Zukunft keinerlei außerordentliche Bede mehr ausgeschrieben werden; nur bei wirklicher Landesnot oder im Fall der Gefangenschaft eines Markgrafen soll das Land gehalten sein, eine außerordentliche Beihilfe zu gewähren. Das müssen die Markgrafen eidlich geloben. Und für den Fall, dass sie diesen Eid verletzen, nehmen die Vasallen das Recht zum bewaffneten Widerstande in Anspruch (ganz ähnlich, wie 65 Jahre vorher die Barone in England beim Erlas der Magn Chartal). Eine Kommission von sechs jährlich neu zu wählenden Männern wird niedergesetzt, um darüber zu wachen, dass die Zusage der Markgrafen nicht verletzt wird; zwei davon bestimmen die Markgrafen selbst, zwei die Vasallen, zwei die Städte Stendal und Salzwedel. Verletzen die Markgrafen ihre Zusage, so sollen die Vasallen auf Veranlassung dieser Kommission in einige näher bezeichnete Orte, die den Markgrafen gehören, einreiten und durch dieses „Einlager“ (eine damals nicht ungewöhnliche Maßregel zur Erzwingung rechtlich begründeter Leistungen) die Markgrafen zur Beobachtung der vereinbarten Bestimmungen anhalten. Diese Kommission ist aber, wie es scheint, nur einmal niedergesetzt und in den folgenden Jahren nicht erneuert worden; in Wirksamkeit ist sie jedenfalls nicht getreten.

Besonders günstig sind diese Bedeverträge für den Adel. Ritter und Knappen sind fortan für die Hufen, die sie selbst unter dem Pfluge haben, 4—6 Hufen, frei von der Bede; für das Land, das sie über diesen Normalumfang des damaligen Ritterguts hinaus in Eigenwirtschaft haben, müssen sie aber zahlen. Ein neues folgenschweres Recht wird den ritterlichen Grundherren (domini donorum) zugestanden, nämlich die Befreiung der ihnen untertänigen Bauern (subditi vassallorum) von dem Wagendienst und Vorspann für Kriegszwecke (serwitium curruum). Wahrscheinlich sind diese öffentlich-rechtlichen Frondienste der Untertanen von da ab in privat-rechtliche, in Hofdienste für den Grundherrn umgewandelt worden. Man könnte darin die rechtliche Grundlage für die Vermehrung der landwirtschaftlichen Frondienste der Bauern erblicken, die später in erschreckendem Maße gewachsen sind.

Eine Veräußerung der Bede wird in Zukunft für unzulässig erklärt, aber mit der bemerkenswerten Ausnahme, daas, wenn der Bedepflichtige selbst sie für sich zu erwerben wünscht, eine solche Ablösung gestattet sein soll.

In dieser Richtung bewegt sich denn auch die weitere Entwicklung der Bedeverfassung. Wir haben die wichtige Tatsache festzustellen, dass die Bede, die die ritterlichen Grundherren von ihren untertänigen Bauern durch Vermittlung der Schulzen einzogen und an den Vogt des Markgrafen abführten, allmählich aus den Einkünften des Markgrafen verschwunden ist. Die Ritter haben sie offenbar abgelöst, ohne dass allerdings eine Gegenleistung sichtbar würde; sie haben sie wahrscheinlich für sich erworben, so dass sie mit den grundherrlichen Abgaben verschmolz und ihren alten Steuercharakter ganz verlor.

Nicht so gut gelang es den Städten, die Steuerpflicht abzulösen. Es gelang ihnen nur, die Bede, die ja ursprünglich auch in der Stadt auf die einzelnen Hufen gelegt war, in eine jährliche Pauschalsumme zu verwandeln, die der Markgraf nicht mehr von den einzelnen steuerpflichtigen, sondern von der Stadtobrigkeit empfing. Der Vorteil für die Städte bestand teils darin, dass diese Summe geringer war, teils darin, das damit die finanzielle Wirksamkeit des Vogts für das Gebiet der Stadt ausgeschlossen wurde. Wie die Steuer aufkam, das war seitdem Sache der städtischen Obrigkeit. Der markgräfliche Vogt empfing einfach den festgesetzten Betrag zu bestimmten Terminen aus der Stadtkasse. Das ist die sogenannte „Urbede“ (auch orbede oder orbore genannt, lat. petitio originalis), der Rest der eigentlichen alten Bede, die den Charakter einer Steuer allmählich mehr und mehr verlor und den einer Reallast annahm. In dieser Gestalt hat sie sich bis ins 19. Jahrhundert hinübergeschleppt und ist erst 1842 durch Zahlung des 25 fachen Betrages der Jahresleistung (die damals insgesamt 2150 Taler betrug) durch die verpflichteten Städte abgelöst worden. Das ist das Schicksal der ordentlichen, fixierten Bede gewesen. Die außerordentliche Bede aber, die — außer in den allerdringendsten Notfällen — ganz aufhören sollte, ist trotz aller Zusagen der Markgrafen und trotz aller Vorsichtsmaßregeln der stände später doch wieder häufig gefordert und bezahlt worden, weit über die Grenzen der lehnrechtlichen Not= und Ehrenfälle hinaus. Also die Abschaffung einer unregelmäßigen, nach dem Bedürfnis der Landesherrschaft bemessenen Besteuerung, die im Mittelpunkt der ständischen Forderungen von 1280 gestanden hatte, ist nicht gelungen. Aber das ist nun der bedeutsame Unterschied gegenüber der älteren Zeit: diese neuen Steuern sind nicht mehr einseitig und willkürlich vom Markgrafen auferlegt, sondern sie sind von den Ständen bewilligte Steuern. In späteren Steuerausschreibungen finden wir die Formel: „mit Rat unserer Prälaten, Ritter und Städte“. Die Steuerbewilligung wird der Kern der landständischen Verfassung; und die steuern selbst wechseln den Namen; statt des alten Namens der „Bede“ nehmen sie den der „schösse“ an, „Hufenschos“, „Giebelschos“ usw.

Wir stehen damit an dem Punkt, wo die alte feudale Verfassung sich in die landständische umzubilden beginnt. Was die Vorgänge von 1280—82 so besonders interessant macht, ist ja der Umstand, dass wir hier die erste Regung einer ständischen Opposition gegen den Landesherrn gewahr werden. Es sind noch nicht Landstände in der späteren Form, die hier auftreten; dazu fehlt es noch an der korporativen Geschlossenheit über das ganze Land hin und an der Einheitlichkeit des Vorgehens. Das Land selbst war ja noch keine vollständige Einheit. Die Markgrafen, unter die es verteilt war, verhandeln mit abgesonderten Gruppen von Vasallen und einzelnen Städten; nicht durch einen Akt, sondern durch verschiedene Urkunden ist das Resultat der Verhandlungen bezeugt. Erst mit dem festeren Zusammenschluss des territorialen Staatsverbandes hat sich auch die Konsolidierung der Landstände zu einem handlungsfähigen Ganzen vollzogen, in der Hauptsache erst in der Hohenzollernzeit. Aber eine gewisse Übereinstimmung in der Haltung der Ritterschaften und Städte in ihrer Opposition gegen die Markgrafen wird doch damals schon sichtbar. Eben das hat die Markgrafen zum Nachgeben gezwungen. Es scheint aber, das sie dann einen Keil zwischen die ja ohnehin recht verschiedenen Interessen der Ritterschaften und der Städte getrieben haben. Die Bevorzugung des Adels vor den Städten, die sich in der Ablösungsfrage und in manchen andern Punkten zeigt, scheint auf eine Politik der Markgrafen hinzuweisen, die zunächst darauf ausging, Die Städte zu isolieren. Und auch ohne eine besonders darauf gerichtete Politik des Landesherrn standen Ritterschaften und Städte, wie es scheint, während der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts einander mit Misstrauen und Abneigung gegenüber. In den Erbstreitigkeiten nach dem Erlöschen des askanischen Hauses traten im Jahre 1320 die Städte, in sich geschlossen und von der Ritterschaft abgesondert, für die Nachfolge des anhaltinischen Herzogs von Sachsen ein. Erst im Jahre 1345 sehen wir wieder einen Versuch zum Zusammenschluss der beiden Teile hervortreten. Man fürchtete damals, wo der Kampf zwischen den Häusern Wittelsbach und Luxemburg auszubrechen drohte, neue starke Auflagen in der Mark und, um diesen einen wirksamen Widerstand entgegenzusetzen, verbanden sich im September zu Berlin Ritterschaften und Städte zu einem Verhalten, bei dem kein Teil, wenn es zu Pfändung und Gewalt käme, aus dem schaden des andern Vorteil für sich zu ziehen versuchen sollte; die Städte sollten im Notfall den Rittern, die Burgen der Ritter den Bürgern offen stehen. Erhebliche Folgen hat dieser Einungsakt nicht gehabt; aber er zeigt die wiederauflebende Solidarität der Interessen und das wachsende Gefühl der Gemeinschaft aller Stände des Landes.

Die „gemeine Landschaft“ als die Vertretung aller stände des ganzen Landes ist auch in der Mark Brandenburg erst mit der fortschreitenden Befestigung des territorialen Staatsverbandes zur Ausbildung gelangt, und hierfür waren die unruhigen Zustände des ausgehenden 14. Jahrhunderts wenig günstig. In dieser Zeit verstärkte sich vielmehr die Absonderung der einzelnen Landesteile, aus denen sich die Mark Brandenburg zusammensetzte, und das ständische Leben gewann schon damals die Neigung, sich vorzugsweise in engeren Kreisen zu betätigen. Bei der Sendung an den Hof König Sigmunds zu Ofen nach dem Tode des Markgrafen Jobst war allerdings die gesamte Ritterschaft wieder durch einen Mann vertreten, neben dem noch besondere städtische Abgeordnete erscheinen. Aber der Zusammenschluss der Stände zu einer „gemeinen Landschaft“ von Prälaten, Ritterschaft und Städten des ganzen Landes tritt eigentlich erst nach der Wiederherstellung des in der Auflösung begriffenen Landesstaats unter den Hohenzollern im Laufe des 15. Jahrhunderts in die Erscheinung.

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