4.4 Kurfürst Johann Georg. (1571 – 1598)

4.4 Kurfürst Johann Georg. (1571 – 1598)

Johann Georg war in Charakter und Lebensführung das gerade Gegenbild seines Vaters und hatte meist fern vom Hofe, auf dem Schlosse zu Zechlin, der Residenz der alten havelbergischen Bischöfe, in ländlicher Zurückgezogenheit gelebt, als Verweser der ihm und seinem ältesten Sohne zugefallenen säkularisierten bischöflichen Stifter. Mit Ingrimm hatte er von dort aus das üppige, verschwenderische Leben und Treiben am Hofe seines Vaters betrachtet; und er begann seine Regierung mit einem harten und die Grenzen der Gerechtigkeit überschreitenden Strafgericht gegen die Günstlinge des verstorbenen Kurfürsten, die man verantwortlich machte für die nun schon wieder auf 2½ Millionen gewachsene Schuldenlast. Der Kammerrat Matthias, der dem Kurfürsten große Vorschüsse gemacht hatte, die sein eigenes Vermögen weit überstiegen, wurde in Ungnaden entlassen und der Härte seiner Gläubiger preisgegeben. Die schöne Gießerin wurde verhaftet und nach Spandau gebracht. Der Jude Lippold, dem in seiner amtlichen Geschäftsführung keine Unredlichkeit nachgewiesen werden konnte, wurde unter der Beschuldigung, Zauberei getrieben und den Kurfürsten vergiftet zu haben, mit der ganzen Grausamkeit des damaligen Strafverfahrens auf der Folter zu unsinnigen Geständnissen gezwungen und hingerichtet. Sein Sturz wurde der Anlass dazu, dass der Kurfürst, dem Drängen der einheimischen Kaufleute nachgebend, die bisher auf Grund eines fürstlichen Schutzbriefes geduldeten Juden des Landes verwies — eine Maßregel, die seit dem 14. Jahrhundert in Deutschland, wie in anderen Ländern, schon vielfache Vorbilder gefunden hatte und dazu führte, das nun auch in Brandenburg Juden nicht geduldet wurden bis auf die Zeit des großen Kurfürsten, der 1672 wieder eine Anzahl jüdischer Familien aus Wien zuließ.

Johann Georg war schon 45 Jahre alt, als er zur Regierung kam und erlebte im nächsten Jahre die Geburt seines ersten Enkels (Johann Sigismund). Seine erste, früh verstorbene Gemahlin, die Mutter Joachim Friedrichs, war eine Prinzessin aus dem Hause Liegnitz gewesen; die zweite, eine Tochter des Markgrafen Georg von Ansbach, Mutter von 11 Kindern, von denen allerdings nur drei Töchter zu ihren Jahren kamen, starb 1576; und von seiner dritten Gemahlin, der Prinzessin Elisabeth von Anhalt, hatte er dann noch zehn Kinder, darunter sieben Söhne, die ihn alle überlebt haben. Er war eine ernsthafte patriarchalische Natur, ein guter Hauswirt und Familienvater, dem die standesgemäße Versorgung seiner Nachkommenschaft sehr am Herzen lag und dessen Hauspolitik vor einer Verwicklung in die gefährlichen Welthändel mit ängstlicher Selbstbeschränkung zurückscheute. Er war, wie sein Vater, dem kaiserlichen Hause Habsburg in reichsfürstlichem Respekt zugetan; er war als Kurprinz von 1558 bis zu seinem Regierungsantritt kaiserlicher Rat und Diener von Haus aus, einige Jahre lang (1556 – 63) auch, wie später sein Oheim Johann, Rat des Königs Philipp II. von Spanien gewesen. Aber sein Wesen und seine Interessen wurzelten in der märkischen Heimat; sein land- und hauswirtschaftlicher Sinn wird durch den Beinamen Oeconomus gekennzeichnet. Er war von absoluter Friedfertigkeit und von einer starr rechtgläubigen lutherischen Frömmigkeit. Sein Sinn war darauf gerichtet, mit den seinen nach den Worten des Apostels ein geruhiges und stilles Leben zu führen in aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit. Er war mäßiger im Trunk, als es sonst die Art seiner Zeit und seiner Standesgenossen war und ist zu höheren Jahren gekommen, als die meisten seiner Vorfahren. Mit dem Adel seines Landes verbanden ihn die gleichen Interessen und Gesinnungen; aber es ist eine falsche Vorstellung, als sei er von den Junkern oder den Landständen überhaupt abhängiger gewesen als sein Vorgänger. Der fortschreitenden Ausdehnung der Gutswirtschaft, die ja auf den fürstlichen Domänen ebenso wie beim Adel stattfand, hatte schon Joachim II. trotz einiger bauernfreundlicher Maßregeln keinen erheblichen Widerstand entgegengesetzt, und Johann Georg hat in diesem Stück keine neuen Bahnen eingeschlagen; aber es ist ihm doch andererseits auch gelungen, einmal eine Junkersteuer bewilligt zu erhalten, die der Adel selbst bezahlen musste und nicht auf seine Bauern abwälzen durfte. Gegenüber dem humorvoll-jovialen Wesen Joachims II. erscheint er trockener, ernster, von fast pedantischer Strenge; aber seiner landesfürstlichen Autorität ist dieser Zug zugutegekommen: die Landstände, die sich Joachim II. gegenüber in Schrift und Rede manches heraus nahmen, schlugen ihm gegenüber immer einen sehr ehrfurchtsvollen Ton an; zuweilen hat er auch wohl gegen die Städte geradezu den Herrn herausgekehrt. Er hat nur einen großen Landtag gehalten, 1572, um von der Landschaft die Übernahme der von Joachim II. hinterlassenen Schuldenlast (2½ Millionen) zu erlangen. Wenn auch er dabei den Ständen die Versicherung gab, dass er sich ohne ihr Wissen und ihre Zustimmung in kein Bündnis einlassen werde, woraus dem Lande Lasten entstehen könnten, so war das nicht bloß in dem überlieferten Verhältnis zwischen Fürst und Adel begründet, sondern auch in seinen eigenen politischen Neigungen, die dahin gingen, schwere Verantwortlichkeit lieber mit den Ständen zu teilen, als allein auf sich zu nehmen, und auch wohl unter Umständen hinter ihrem Zustimmungsrecht Deckung zu suchen vor den unbequemen Zumutungen unternehmungslustiger fürstlicher Standesgenossen. Seine eigene Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit in Verbindung mit der Tatsache, dass er nun wieder das ganze ungeteilte Land beherrschte, hat ihn in Wirklichkeit doch unabhängiger von den Landständen gemacht, als es Joachim II. gewesen war. Die bisherige Art der Finanzwirtschaft dauerte fort; aber die Schulden, die sich am Ende der 28 jährigen Regierung Johann Georgs angesammelt hatten, betrugen insgesamt nur ½ Million Taler. Eine so sparsame Wirtschaft, die dem Lande keine überflüssigen Lasten zumutete, gefiel den Ständen wohl. Und auch die kirchliche Stellung des Kurfürsten war ganz nach ihrem Herzen. Noch schärfer als zuletzt Joachim II. trat Johann Georg im Verein mit seinen Ständen der Richtung Melanchthons entgegen; der orthodoxe lutherische Eiferer Andreas Musculus wurde zum Generalsuperintendenten erhoben, und der Landtagsabschied von 1572 versicherte, dass das lautere Wort Gottes nach der rechten Lehre Luthers und der unveränderten augsburgischen Konfession im Lande gepredigt werden sollte. Zugleich wurde 1572 eine neue Kirchenordnung erlassen, die den früheren Artikel „von der Lehre“ durch die Aufnahme der augsburgischen Konfession und des lutherischen Katechismus ersetzte und allen Geistlichen, die sich nicht zu der reinen lutherischen Lehre bekennen würden, mit der Amtsentsetzung drohte. Vor allem aber die Politik des Friedens und der Nachgiebigkeit, die Abneigung Johann Georgs gegen auswärtige Verwicklungen war ganz nach dem Sinn der Landstände. In dieser Politik hat ihn Lampert Distelmeyer als Kanzler bestärkt, der trotz seiner Fremdbürtigkeit sich mit dem märkischen Adel ebenso gut wie mit dem Kurfürsten zu stellen gewusst hat, so dass er es auch erreichte, dass sein Sohn Christian ihm in dem Kanzlerposten nachfolgte.

Als die Achse der auswärtigen Politik Johann Georgs kann man das freundschaftliche Einvernehmen mit Kursachsen betrachten, das trotz der Rivalität in der magdeburgischen Frage während seiner ganzen Regierungszeit ohne jede Störung bestanden hat. Namentlich mit dem Kurfürsten August hat er in enger Freundschaft gelebt, was sich auch in zahlreichen persönlichen Begegnungen aussprach. Sachsen war in dieser Verbindung im allgemeinen der führende Teil; Johann Georg pflegte erst in Dresden anzufragen, ehe er sich in wichtigen politischen Fragen entschied; und in den Reichsangelegenheiten wurde es üblich, das Brandenburg und Sachsen ihre Bevollmächtigten mit gemeinschaftlichen Instruktionen ausrüsteten, die von den Räten beider Teile im Einvernehmen miteinander festgestellt worden waren.

Sehr gegen die Neigung Johann Georgs ging es, das bald nach seinem Regierungsantritt der alte Handelsstreit zwischen Stettin und Frankfurt von neuem zu offenen Feindseligkeiten führte. Der Herzog von Pommern-Stettin, Johann Friedrich, war sein Schwiegersohn, und er hätte umso lieber in Frieden und Freundschaft mit Pommern gelebt, als es ihm darauf ankam, von den Ständen des Landes die Huldigung zu erlangen, die ihm auf Grund seiner Anwartschaft gebührte. Aber der Herzog war sehr auf seinen Vorteil bedacht und suchte bei dieser Gelegenheit für Pommern eine Gegenanwartschaft auf brandenburgisches Land zu erwerben, wie sie in den bisherigen Verträgen noch nicht bestand. Johann Georg zeigte sich in diesem Punkte sehr nachgiebig, und das freundschaftliche Entgegenkommen gegenüber dem herzöglichen Schwiegersohn bildet einen auffälligen Gegensatz zu der Rolle, die er in dem handelspolitischen Streit gespielt hat. Die Erneuerung der Feindseligkeiten ging 1571 von Stettin aus, wo man, wie es scheint, nur auf den Regierungswechsel gewartet hatte, um mit besserem Erfolg als früher gegen Frankfurt vorzugehen. Aber Johann Georg nahm sich nachdrücklicher, als man wohl erwartet hatte, der Frankfurter an, auch als diese im Frühjahr 1572 auf einem Jahrmarkt 42 Stettiner Kaufleute festnahmen und alle Zahlungen nach Stettin einstellten. Im Herbst 1572 verbot der Kurfürst sogar allen Handel mit Stettin, weil er hoffte, dass diese Maßregel auch jetzt, wie 1562, eine gute Wirkung tun würde; und er hat dieses Verbot 1574 noch verschärft, obwohl diesmal von Stettin keine Gegensperre verfügt worden war. Für Stettin bedeutete das Handelsverbot einen schweren Schlag, da die Spekulationen seiner Kaufleute dadurch umgeworfen wurden; das große Handlungshaus der Loitze ist damals zusammengebrochen, und es ging seitdem abwärts mit dem Stettiner Handel. Zu einer Einigung der feindlichen Städte und Länder kam es aber auf diesem Gebiete nicht, obwohl Johann Georg immer wieder auf eine Beilegung des ihm höchst widerwärtigen Streites drängte. Wie sehr er im Übrigen geneigt war, den Wünschen seines Stettiner Schwiegersohns entgegenzukommen, zeigt das Abkommen, das er nach manchen Verhandlungen im Jahre 1574 wegen der von diesem verlangten Gegenanwartschaft für Pommern mit ihm schloss. Dem pommerschen Hause wurde dadurch für den Fall des Aussterbens der Brandenburger eine Anwartschaft auf die Neumark eingeräumt. Dieser Vertrag wurde auch vom Kaiser bestätigt. Die Erbeinigung, die seit 1457 zwischen Brandenburg, Sachsen und Hessen bestand, wurde infolge dieser Neuerung dahin abgeändert, das der brandenburgische Anteil an sächsischem und hessischem Gebiet im Fall einer Erledigung dieser Lande von der Hälfte auf ein Drittel herabgesetzt wurde. Den Bemühungen Johann Georgs gelang es auch, im Januar 1575 eine Konferenz der brandenburgischen und pommerschen Räte herbeizuführen, die zu Prenzlau stattfand. Hier hat er durchgesetzt, dass ihm in Pommern die Erbhuldigung geleistet werden sollte; aber über die handelspolitische Streitfrage kam eine Einigung nicht zustande. Johann Georg hat nun zwar das Handelsverbot noch einmal erneuert, 1575, aber es wurde jetzt noch weniger beachtet wie vorher; und 1577 hob der Kurfürst auf das Drängen der am Getreideexport beteiligten Ritterschaft die Sperre für den Handel nach Stettin förmlich auf, während sie für die Einfuhr der Stettiner Kaufleute noch bestehen blieb. Er hat dann eine Zeitlang versucht, den Handel von der Oder nach Westen zu abzulenken, über Spree, Havel und Elbe; aber dies erwies sich als ebenso nachteilig für Frankfurt wie für den Ertrag der kurfürstlichen Zölle, und so wurde seit 1592 die Handlung auch von Stettin stromaufwärts wieder erlaubt. Der Streit zwischen den beiden Städten aber blieb ungeschlichtet. Er wurde dem Reichskammergericht zur Entscheidung übergeben; aber der Spruch, den dieses endlich im Jahre 1623 fällte und der es als unzulässig bezeichnete, das Stettin den Frankfurtern die Durchfahrt auf der Oder zur See verwehren wollte, ist von den Stettinern angefochten worden, und in der Revisionsinstanz kam es zu keiner Entscheidung, bis die Frage in dem Stettiner Rezess von 1653 ihre diplomatische Erledigung fand.

Im Reiche war damals, wo die Niederländer gegen Spanien und die Hugenotten gegen die katholische Liga kämpften, keine Frage dringender und schwieriger als die, ob die protestantischen Reichsstände sich gegenüber den katholischen Restaurationsbestrebungen zu einem Bunde zusammenschließen und etwa auch in Verbindung mit den niederländischen und französischen Calvinisten treten sollten. Im Jahre 1570 wurde die Frage, ob Werbungen im Reich für die westeuropäischen Kriege erlaubt werden sollten, zum ersten Male brennend. Der Kaiser wollte solche Werbungen von seiner Genehmigung abhängig machen, so dass es bei ihm gestanden hätte, sie für Spanien und die französische Krone zu erlauben, für den Oranier und die Hugenotten aber zu verbieten. Das scheiterte an dem einmütigen Zusammenhalten der drei protestantischen Kurfürsten von Brandenburg, Sachsen und Pfalz. Zu der Zeit, wo Colignys Einfluss am französischen Hofe maßgebend war, 1571, wurde in Berlin wie in Dresden über ein Bündnis zwischen Frankreich und den protestantischen Höfen verhandelt. Aber seit nach der Bartholomäusnacht von 1572 der unheilbare Bruch zwischen der Krone und den Hugenotten offenbar geworden war, wandte sich die Politik der lutherischen Fürsten in Deutschland immer entschiedener von dem Gedanken eines Bündnisses mit den kampfbereiten Calvinisten in Frankreich ab. In Sachsen vollzog Kurfürst August 1576 mit dem scharfen Vorgehen gegen die Krypto-Calvinisten an seinem Hofe eine politische Wendung, die die volle Billigung Johann Georgs fand. In seinem fürstlichen Autoritätsgefühl sah Johann Georg in den Niederländern und in den Hugenotten vor allem Rebellen gegen die Obrigkeit, und umso mehr sträubte sich seine lutherische Rechtgläubigkeit gegen einen Bund mit diesen Calvinisten. Aber auch mit dem König von Frankreich, dem blutigen Gegner der Hugenotten, dem Gönner der deutschen Protestanten, mochte man nichts zu tun haben. Man fürchtete damals in diesen Kreisen das Übergewicht Frankreichs mehr als das Spaniens. Als Karl IX. den protestantischen Kurfürsten seinen Schutz verhieß, wenn sie im Gegensatz zu dem habsburgischen Hause einen ihrer Glaubensgenossen oder auch wohl ihn selbst auf den Kaiserthron bringen würden, entschieden sie sich 1575 vielmehr für die Wahl des Erzherzogs Rudolf zum Römischen Könige, obwohl sie von diesem Jesuitenzögling nichts Gutes für sich erwarten konnten. Sie mussten es später schmerzlich empfinden, das sie damals versäumt hatten, sich Bürgschaften gegen die Durchführung der auf dem geistlichen Vorbehalt beruhenden Ansprüche der katholischen Partei oder für die Duldung evangelischer Untertanen in den Landen katholischer Reichsfürsten zu verschaffen. Mit dem Regierungsantritt des Kaisers Rudolf 1576 kamen die Bestrebungen der Gegenreformation im Reiche zum völligen Durchbruch; es war verhängnisvoll, das eben damals die entschiedene Abwendung der Lutheraner von den Calvinisten sich vollzog und die Kurfürsten von Brandenburg und Sachsen mit ihren Hoftheologen 1577 die Konkordienformel als bindendes Bekenntnis für ihre Landeskirchen festsetzten, durch die in der schärfsten und engherzigsten Weise das orthodoxe Luthertum gegen alle calvinistischen Anwandlungen abgesperrt und geschützt werden sollte. Es war zugleich ein Akt ängstlicher reichsfürstlicher Politik, durch den man eine Verflechtung in die Kämpfe des westeuropäischen Calvinismus vermeiden wollte.

Die Wehrlosigkeit, in die dadurch der deutsche Protestantismus gegenüber den katholischen Restaurationsgelüsten im Reiche geriet, wurde für Brandenburg besonders schmerzhaft empfindlich in der Frage des Magdeburger Sessionsstreits. Auf dem Reichstage zu Augsburg 1582 wollten die katholischen Reichsstände dem Administrator Joachim Friedrich nicht gestatten, seinen Sitz im Fürstenrate einzunehmen, und Kurfürst Johann Georg sah sich bei der Lage der Dinge, zumal da es sich um die Bewilligung einer Türkenhilfe handelte, gezwungen, seinem Sohne den Rat zu geben, im Interesse einer ungestörten Erledigung der Reichsgeschäfte sich mit Protest zurückzuziehen. Als im selben Jahre der Kölner Erzbischof Gebhard von Truchsess zum Calvinismus übertrat und trotzdem die Herrschaft über das Erzstift zu behalten wünschte, da trat zwar Brandenburg mit Pfalz und Sachsen beim Kaiser für ihn ein; aber für Sachsen war die Beteiligung an diesem Schritt von vornherein nur ein Mittel, um die beiden anderen Kurfürsten im Zaum zu halten, und auch Brandenburg hat sich unter dem sächsischen Einfluss bald dazu entschlossen, die Sache des Kölner Calvinisten fallen zu lassen.

 

Ein etwas anderer Geist kam wenigstens vorübergehend in die protestantische Fürstenwelt Deutschlands, als in der Pfalz auf den lutherisch gesinnten Kurfürsten Ludwig VI. der calvinistische Heißsporn Johann Kasimir gefolgt war (1583), der im Interesse einer allgemeinen protestantischen Politik schon längst das Stillsitzen der Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg verurteilte und nun bestrebt war, ein Bündnis der protestantischen Fürsten im Reich zu Stande zu bringen, das den westeuropäischen Calvinisten die Hand reichen und namentlich Heinrich von Bourbon im Kampf gegen die katholische Liga zu Hilfe kommen sollte. Er fand Verständnis für seine Bestrebungen bei dem Sohne Johann Georgs, dem magdeburgischen Administrator Joachim Friedrich, der zwar bei dem lutherischen Bekenntnis beharrte, aber den Hass der Lutheraner gegen die Calvinisten nicht teilte und sich nicht scheute, calvinistische Räte zu gebrauchen; sein Kanzler Dr. Meckbach, der früher in hessischem Dienst gestanden hatte, klug, maßvoll und geschmeidig, diente als Vermittler zwischen seinem Herrn und dem pfälzischen Führer der protestantischen Aktionspartei. Auch der neue Kurfürst von Sachsen, Christian I., der seinem Vater August im Jahre 1586 gefolgt war, ließ sich für die Ideen dieser Partei gewinnen und verständigte sich mit Johann Kasimir Ende Februar 1590 auf einer Zusammenkunft zu Plauen über die Begründung eines evangelischen Fürstenbundes. Seine Vermittlung ist es vornehmlich gewesen, die den von Christian Distelmeyer beratenen Kurfürsten Johann Georg zum Anschluss an einen solchen Bund gebracht hat. Am 3. Februar 1591 wurde zu Torgau, zunächst auf 15 Jahre, ein Bündnis geschlossen, das ein bewaffnetes Corpus Evangelicorum  Das Corpus Evangelicorum wurde im Jahre 1653 konstituiert und umfasste alle lutherischen und reformierten Reichsstände. Das Direktorium befand sich in Kursachsen. Seit Gründung des Corpus Evangelicorum wurden Beschlüsse in Religionsfragen nur in Übereinstimmung beider Körperschaften, des Corpus Evangelicorum und des Corpus Catholicorum, gefasst.] herstellen wollte und die Aufbringung eines Hilfsheeres für den damals um die französische Krone kämpfenden Heinrich von Bourbon in Aussicht nahm. Dazu gehörten die Kurfürsten von Pfalz, Sachsen und Brandenburg, außerdem zwei weitere hohenzollernsche Fürsten: Joachim Friedrich, der Administrator von Magdeburg und Georg Friedrich, der Beherrscher von Ansbach-Bayreuth, ferner drei hessische Landgrafen und Herzog Heinrich Julius von Braunschweig. Man hatte ausdrücklich vereinbart, dass der Bund nicht gegen den Kaiser geschlossen sein sollte; aber es war ein Gegenschlag gegen die immer enger werdende Verbindung der katholischen Reichsstände. Brandenburg hatte dabei Bedacht genommen auf Bürgschaften für die Sicherung seiner Hausinteressen in Magdeburg und in Preußen, und auch die Aussicht auf die jülichsche Erbschaft, die eben damals auftauchte, hat bei dem Entschluss zu diesem Bündnis eine Rolle gespielt.

Dies Torgauer Bündnis ist aber nur von sehr kurzer Dauer gewesen. Im September 1591 starb Christian I. von Sachsen, und am Dresdener Hofe trat ein starker Umschlag im Sinne der unduldsamsten lutherischen Orthodoxie ein; der Kanzler Krell fiel als Opfer dieses von den lutherischen Landständen veranlassten Systemwechsels. Im Januar 1592 starb dann auch der Mann, der die eigentliche Seele dieser protestantischen Bündnisbewegung gewesen war, Johann Kasimir von der Pfalz. Von den übrigen Fürsten war am bedeutendsten als Politiker Georg Friedrich von Ansbach, der nicht nur in seinem eigenen Lande, sondern auch in Ostpreußen als Kurator des schwachsinnigen Herzogs Albrecht Friedrich seit 1577 unter den schwierigsten Verhältnissen mit großer Geschicklichkeit und gutem Erfolg regiert hatte und in dem brandenburgischen Hause ein hervorragendes Ansehen genoss. Aber auch er trat damals nicht mit dem Eifer, den er sonst in solchen Angelegenheiten bewiesen hat, für die Aufrechterhaltung der Union ein, und so ist sie wieder auseinandergefallen, ehe noch die eigentliche Bundesurkunde zustande gebracht war. Kurfürst Johann Georg war sehr zufrieden damit; er hatte dem Torgauer Bündnis doch nur mit halbem Herzen angehört und wollte lieber im Rahmen der gemeinen Reichsverfassung als unter der gefährlichen Spannung eines protestantischen Sonderbundes seine Haus- und Landesinteressen verfolgen.

Neben Magdeburg und Preußen spielten unter diesen brandenburgischen Hausinteressen damals die jülichsche und die straßburgische Frage eine hervorragende Rolle.

Zu derselben Zeit, wo das Torgauer Bündnis geschlossen wurde, ist ein wichtiger Heiratsplan entworfen worden, der für die Zukunft des Hauses Brandenburg von der größten Bedeutung war: Joachim Friedrich war auf den Gedanken gekommen, seinen 18 jährigen Sohn Johann Sigismund, der eben in Straßburg seine Studien vollendet hatte, mit der 14 jährigen Prinzessin Anna von Preußen, der ältesten Tochter des Herzogs Albrecht Friedrich und seiner Gemahlin Marie Eleonore, der nächsten Erbin der Jülicher Lande, zu vermählen. Der ansbachischen Vetter, Georg Friedrich, der sich als Kurator in Preußen das Vertrauen Marie Eleonorens erworben hatte, übernahm die Vermittlung und förderte den Plan in jeder Weise; auch der alte Kurfürst Johann Georg mochte die Aussichten, die damit für sein Haus verbunden waren, nicht von der Hand weisen, obwohl er voller Besorgnisse war wegen der zukünftigen Verwicklungen, die daraus entstehen konnten; und so fand im Dezember 1591 in Berlin die Verlobung statt, der drei Jahre später, 30. Oktober 1594, die Heirat zu Königsberg gefolgt ist.

Näher war die Gefahr einer Verwicklung in die großen Welthändel, die mit einem anderen Anspruch des Hauses Brandenburg verbunden war. Der jüngere Bruder Johann Sigismunds, der 15 jährige Johann Georg, der gleichfalls nach Straßburg gegangen und in dem evangelischen Domstift, das dort seit langer Zeit dem Katholischen gegenüber stand, eine Domherrnstelle erlangt hatte, wurde 1592 zum Administrator des Stiftes gewählt, während das katholische Domkapitel zehn Tage später den mit Truppenmacht im Elsass erschienenen Kardinal von Lothringen, Bischof Karl von Metz aus dem Hause Guise, zum Bischof von Straßburg wählte. Auch hier war Georg Friedrich von Ansbach eigentlich die treibende Kraft, während Johann Georg nicht ohne schwere Besorgnisse in die Unternehmung gewilligt hatte, die zwar dem Enkel eine gute Versorgung bringen, aber doch auch leicht zu gefährlichen Verwicklungen führen konnte. Wäre der Torgauer Bund noch in voller Kraft gewesen, so hätte sich hier eine Gelegenheit zum Eingreifen geboten, wie sie nicht besser zu wünschen gewesen wäre; denn der Gegner des brandenburgischen Anspruches auf Straßburg war ein hervorragendes Glied der spanisch-ligistischen Partei, gegen die Heinrich von Bourbon kämpfte und die damals als der gefährlichste Gegner des Protestantismus in der Welt erschien. Aber die Torgauer Union war im Zerfall begriffen, und andererseits stand auch die Liga in Frankreich selbst in zu schwieriger Lage da, um sich hier in Straßburg in weitere Kämpfe einzulassen. So kam es schon 1593 zu einem Waffenstillstand zwischen beiden Parteien auf Grund des damaligen Besitzstandes im Straßburger Stift. Um seine Enkel vor der Gefahr zu behüten, durch diese Verwicklungen um Jülich und Straßburg ins calvinistische Lager geführt zu werden, lies Johann Georg sie damals einen Revers unterzeichnen, durch den sie sich verpflichten mussten, an der reinen lutherischen Lehre, wie sie die Konkordienformel gefasst hatte, festzuhalten. Er sah darin gewissermaßen eine Versicherung gegen den gefährlichen Anschluss an die Politik der westeuropäischen Calvinisten.

Auch in der magdeburgischen Frage hat er den Standpunkt friedfertiger Selbstverleugnung gegenüber der katholischen Mehrheit im Reiche nicht verlassen. Als auf dem Reichstage zu Regensburg im Jahre 1594 der Kanzler Dr. Meckbach als Vertreter Joachim Friedrichs seinen Sitz im Fürstenrat einzunehmen sich anschickte, protestierte der Erzbischof von Salzburg, indem er alle Katholiken aufforderte, den Sitzungssaal zu verlassen; und auch diesmal wieder fügte sich Kurfürst Johann Georg, im Hinblick auf die Türkengefahr, um die Zerreißung des Reichstags zu verhüten, und bestimmte den Kanzler, auf die Session zu verzichten.

Der Streit um die Nachfolge in Jülich begann schon bald nach dem Regierungsantritt des geisteskranken Herzogs Johann Wilhelm (1592) auch die brandenburgische Politik in Bewegung zu setzen. Es handelte sich nicht bloß um den Gegensatz zu Spanien und der katholischen Partei, sondern auch um den Mitbewerb anderer deutscher Fürstenhäuser. Das jülichsche Haus hatte durch ein mehrfach bestätigtes Privilegium das Recht der weiblichen Erbfolge erhalten, und daraufhin war bei der Verheiratung Marie Eleonorens nach Preußen ihren Nachkommen die Erbfolge in Jülich zugesichert worden. Das Privilegium von 1546 sprach aber nur von Söhnen der Erbtochter, während aus der Ehe Marie Eleonorens mit dem preußischen Herzog nur Töchter entsprossen waren, und darum hielten sich die Pfalzgrafen von Neuburg und Zweibrücken, die jüngere Schwestern geheiratet hatten und Söhne von ihnen besaßen, an den früher geleisteten Verzicht nicht gebunden: Neuburg verlangte die ganze Erbschaft für sich, Zweibrücken wollte sie mit Neuburg teilen. Außerdem machte auch Kursachsen Ansprüche geltend, die zwar minder gut begründet waren, vom Kaiser aber gern berücksichtigt wurden, weil sie die Lage noch verwickelter machten. Alle Versuche zu gütlicher Auseinandersetzung zwischen den verschiedenen Ansprüchen waren vergeblich; doch kam man 1593 überein, beim Kaiser die Zustimmung zur Besitzergreifung des Landes und Ausübung der Vormundschaft durch alle Beteiligten unter Vorbehalt der Rechte eines jeden einzelnen nachzusuchen. Der Kaiser gab aber diese Zustimmung nicht; und auch auf dem Reichstage zu Regensburg, auf den er die Antragsteller verwiesen hatte, kam es zu keiner Entscheidung; die Sache wurde vielmehr geflissentlich verschleppt. Inzwischen näherte sich der spanisch-niederländische Krieg den Grenzen des streitigen Landes, das beide Teile gern zu ihrer Operationsbasis gemacht haben würden. Jülich war von den Spaniern bedroht. Aber am brandenburgischen Hofe scheute man vor dem Wagnis zurück, sich im Vertrauen auf die Stände und auf die Hilfe der Gegner Spaniens im Lande festzusetzen. Bei einem solchen Versuch wäre es nötig gewesen, mit Frankreich und der niederländischen Republik in ein Bündnis zu treten; aber Johann Georg hatte eine starke Abneigung gegen die Verbindung mit den calvinistischen Rebellen in den Niederlanden, und auch mit Frankreich wagte er nicht sich offen zu verbünden. Auf einem Tage zu Heidelberg, wo Georg Friedrich von Ansbach und der magdeburgische Administrator Joachim Friedrich die brandenburgische Sache vertraten, kam man 1595 zu dem Beschluss, weder mit den Niederlanden noch mit Frankreich sich in ein Bündnis einzulassen, auch keine Besitzergreifung in Jülich vorzunehmen, sondern erst noch einmal beim Kaiser um eine baldige Entscheidung anzuhalten. Indessen ist auch daraus nichts geworden. Es wäre dazu nötig gewesen, mindestens mit den beiden pfälzischen Höfen eine Verständigung herbeizuführen; eine solche ist aber nicht erzielt worden. Hinzu kam, das im brandenburgischen Hause selbst ein Familienzwist ausbrach, dessen Anlass das Testament Johann Georgs von 1596 war. In diesem war dem ältesten Sohn aus dritter Ehe, dem Markgrafen Christian, die Neumark verschrieben worden, während seine jüngeren Brüder mit Deputat-Einkünften abgefunden wurden. Durch diese Teilung gedachte Johann Georg einem Zwist unter den Brüdern vorzubeugen und so die Zukunft seines Hauses am besten sicherzustellen, während Joachim Friedrich darin eine verderbliche Maßregel sah, die die Macht des brandenburgischen Hauses zerstören werde. Trotz des offenen Widerspruchs des Kurprinzen vollzog Johann Georg das Testament und ließ es vom Kaiser bestätigen. Am 8. Januar 1598 ist er dann gestorben.

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