4.5 Hof- und Landesverwaltung im 16. Jahrhundert
Die patrimoniale Auffassung des Fürstenstaats, wie sie diesem Testament und auch der früheren Teilung zugrunde liegt, kennzeichnet den Geist der Epoche, die mit Johann Georg zu Ende ging, in ganz besonderer Weise. Der Fürst erscheint in erster Linie noch als der größte Grundbesitzer im Lande; das Leben an seinem Hofe bietet das Bild einer großen patriarchalischen, noch ganz auf Naturalwirtschaft begründeten Haushaltung. Im 16. Jahrhundert ist die Residenz des Kurfürsten im Schlosse zu Cölln an der Spree allmählich fest geworden; während Joachim I. noch einen Teil des Jahres in Tangermünde an der Elbe zuzubringen pflegte, bleibt der Hof nach dem erweiternden Umbau des Schlosses durch Joachim II. meist das ganze Jahr hindurch in Berlin, abgesehen von den Reisen des Kurfürsten und von dem häufigen Jagdaufenthalt in der Umgebung Berlins, in der Schorfheide oder in anderen Forsten, wo Jagdschlösser vorhanden waren. Im Schlosse zu Cölln an der Spree, das mit seiner Umgebung eine besondere „Freiheit“ (Immunität) bildet, in welche die Gewalt der städtischen Obrigkeiten nicht hinüberreicht, lebt der Kurfürst mit seiner Familie und seinen Räten und Dienern noch wie in einem großen gemeinsamen Haushalt zusammen, wie es uns die Hofordnung von 1537 in anschaulicher Weise vor Augen führt. Das benachbarte Amt Mühlenhof mit den kurfürstlichen Mühlen (am heutigen Mühlendamm) bildete die ökonomische Grundlage für die Unterhaltung der etwa 400 Personen, die sich beständig am Hofe aufhielten und für die auch noch etwa 200 Pferde im kurfürstlichen Marstall gefüttert wurden. Auf dem Mühlenhof kam der Überschuss an Nahrungsmitteln zusammen, der auf den fürstlichen Domänenämtern der Umgegend zur Verfügung stand: Korn, Vieh, Geflügel, Fische, und was sonst noch zu des Lebens Notdurft und Nahrung gehört. Hier wurde unter der Aufsicht des Amtshauptmanns gemahlen, gebacken, gebraut und geschlachtet; hier wurde das Futter für die Pferde ausgegeben und von hier aus der Hof mit Speise und Trank versorgt.
Im Vorzimmer des Kurfürsten versieht der adlige „Türknecht“ den Dienst eines modernen Flügeladjutanten. Die engere Umgebung des Herrschers sind seine geschworenen Kammerer; die weitere Umgebung ist die Gesamtheit der kurfürstlichen „Diener“, d. h. der Edelleute, die dem Kurfürsten am Hofe aufwarten und je nach ihrem Rang mit einem oder mehreren Rossen versehen sind, wonach sie als Einrosser, Zweirosser oder Dreirosser usw. bezeichnet werden. An der Spitze dieses reisigen Gefolges steht der Marschalk, der oberste Hofbeamte des Kurfürsten, der die Leitung des ganzen Hofhalts und neben der Aufsicht auch die Gerichtsbarkeit über das gesamte Hofgesinde der Schlossfreiheit ausübt. Neben ihm steht als sein Vertreter und Gehilfe der Haushofmeister, dem hauptsächlich die Überwachung des ökonomischen Betriebes obliegt; auch ein Schlosshauptmann war bestellt; doch hatte er hier nicht eine militärische Bedeutung wie in Küstrin. Unter diesen höheren Beamten hatte der Hausvogt für die Aufrechterhaltung der Ordnung, der Küchenmeister für die wirtschaftliche Versorgung des Hofhalts, Futtermarschalk und Stallmeister für den Marstall zu sorgen. Das Hofgesinde wird vom Kurfürsten nicht bloß gespeist, sondern auch gekleidet. Die gewöhnliche Hofkleidung gehörte für Herren und Knechte zu den regelmäßigen Bedingungen des Dienstvertrags; ein besonderer Hofschneider mit seinen Gesellen gehört mit zum kurfürstlichen Ingesinde. [Ingesinde (mhd.). Die Dienerschaft im Hause des Herrn, das Haus- oder Hofgesinde. Äquivalent für familia ausschließlich der Familie des Herrn und seiner Agnaten und Kognaten.]
Das Tagesleben beginnt und endet früh. Im Sommer um vier, im Winter um fünf werden die Tore geöffnet; dann beginnt der Dienst in Küche und Marstall. Die Räte kommen im Sommer um sechs, im Winter um sieben Uhr zusammen. Jeden Morgen in der Frühe geht der Hof zur Kirche, auch noch in der protestantischen Zeit. Um 7 oder 8 Uhr wird die Morgensuppe verabreicht; um 9 oder 10 Uhr findet die Mittagsmahlzeit, um 4 die Abendmahlzeit statt. Räte, Edelleute und auch die Einrosser speisen mit dem Kurfürsten zusammen im Rittersaal, jede Gruppe an einem besonderen Tisch. Eine Viertelstunde, nachdem zu Tisch geblasen worden ist, wird das Tor geschlossen und niemand mehr ein- und ausgelassen, damit nicht Speisen und Getränke heimlich „abgeschleppt“ würden — ein Missbrauch, der sehr im Schwange gewesen zu sein scheint. Marschalk und Hofmeister haben darauf zu sehen, das alle sich bei Tisch fein züchtig und Stille verhalten; pommersche Hofordnungen finden es nötig zu verbieten, das niemand bei Tisch den andern mit Knochen und Gräten oder auch mit Brot- und Fleischstücken werfen solle. Der Keller, aus dem Wein und Bier auf den Tisch kommt, wird nach der Mahlzeit geschlossen. Die Hofordnung des Markgrafen Hans von Küstrin bestimmt noch ausdrücklich, dass der Marschalk „keine unordentliche oder überflüssige Sauferei gestatten“ solle; „es wäre dann Sache, das Fremde vorhanden, dass man denselben zu Ehren solches tun müsste“. Ebenda wird auch ausdrücklich verboten, das in dem Frauenzimmer, wohin sich die Junker nach der Mahlzeit begeben durften, keine Sauferei verstattet werden solle. Bei diesen geselligen Zusammenkünften hat die Hofmeisterin darauf zu sehen, dass die Jungfrauen alle in einer Reihe auf einer langen Bank nebeneinander sitzen bleiben; alles „Winkelsitzen“ und heimliche Gespräch ist verboten; es gilt auch nicht für statthaft, das die Jungfrauen viel hin und wieder gehen oder neben den Männern stehen. Um 8 Uhr wird den Besuchern abgeklopft und das Frauenzimmer verschlossen. Das Tagesleben am Hofe ist zu Ende; alles geht zur Ruhe; Feuer und Licht im Schlosse wird gelöscht; die Tore werden im Sommer um 9 Uhr, im Winter etwas früher geschlossen.
Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts lockert sich die patriarchalische Geschlossenheit dieses Hofhaushalts in einigen Stücken; namentlich die Räte beginnen sich mit ihrem Familienhaushalt abzusondern; statt der Verpflegung und Kleidung bei Hofe wird ein Kost- und Kleidergeld verabreicht; aber das ganze Amtswesen in Kammer, Kanzlei und Ratsstube bleibt noch auf lange hinaus wie eine häusliche Angelegenheit des Fürsten dem Hofe und dem Schlosse einverleibt.
Unter Joachim II. und Johann Georg hatte die kurfürstliche Kammer, die ursprünglich die besondere Kasse des Fürsten, ähnlich der späteren Schatulle, war, zugleich aber auch der Sitz einer primitiven Kabinettsregierung, wie sie im 16. Jahrhundert überall herrschte, eine größere Bedeutung, als die spärliche Überlieferung auf den ersten Blick vermuten lässt. Kammerräte und Kammerschreiber waren die vertrautesten Gehilfen des Kurfürsten in den täglichen Regierungsangelegenheiten; Männer wie Thomas Matthias unter Joachim II. und Johann Köppen d. Ä. unter Johann Georg haben in der Stellung als Kammerrat eine bedeutende Rolle gespielt und zwar bezeichnenderweise oft im Gegensatz zu den Kanzlern Lampert und Christian Distelmeyer. In der Kammer scheint auch der Schwerpunkt der Domänenverwaltung gelegen zu haben, für welche erst unter Johann Georg, seit 1588 etwa, ein besonderes Organ in der sogenannten „Amtskammer“ erscheint. Früher pflegte der seit 1470 am Hofe eingesetzte Rentmeister, der die kurfürstlichen Gefälle vereinnahmte, auch zu gewissen Zeiten des Jahres mit Hilfe einiger dazu abgeordneter Räte die Rechnungen der Domänenamtleute zu prüfen.
Die Stellung der Räte hat im 16. Jahrhundert eine bedeutende Wandlung erfahren. Im 14., 15. Jahrhundert und noch zum Teil unter der Regierung Joachims II. nehmen die Räte eine Mittelstellung zwischen dem kurfürstlichen Hofe und den Landständen ein; die eigentlichen Hofbeamten sind beständig am Hoflager anwesend; die übrigen Räte aber werden nur bei besonderen Anlässen und Gelegenheiten vom Kurfürsten herangezogen, oft bloß aus den Landesteilen, in denen er gerade Hof hält. Sie sind „Räte von Haus aus“, angesessene Edelleute, die in der Regel auf ihren Gütern leben und nur ausnahmsweise an den Hof entboten werden, auch wohl Bischöfe oder Pröpste; sie sind zugleich Mitglieder der landständischen Körperschaften, und es kann oft zweifelhaft erscheinen, ob man eine solche Ratsversammlung nicht auch als landständischen Ausschuss ansehen darf. Gegenüber diesen „Räten von Haus aus“ oder „Landräten“, wie sie auch wohl genannt werden, bildet sich nun aber im 16. Jahrhundert ein fester Stamm von sogenannten „wesentlichen“ Hofräten oder Hausraten aus, die schon als wirkliche Beamte im modernen Sinne zu betrachten sind. Es sind nicht bloß Edelleute, sondern namentlich auch Bürgerliche, die die Rechte studiert haben und die Feder zu führen wissen. Sie betrachten das Amt als Lebensberuf und sind beständig am Hofe anwesend. In der Ratsstube des Schlosses sollen sie sich täglich vor- und nachmittags versammeln, um die vorhandenen Sachen zu erledigen, unter denen wohl vornehmlich Rechtshändel, daneben aber auch andere kurfürstliche Angelegenheiten zu verstehen sind. Der Marschalk und der Kanzler üben dabei Aufsicht und Leitung. Die Kanzlei, einst die eigentliche Stätte fürstlicher Regierungstätigkeit, verliert ihre selbständige Bedeutung und wird mehr und mehr ein Anhängsel der Ratsstube und der kurfürstlichen Kammer. Die oberste landesherrliche Gerichtsbarkeit des Kurfürsten wird vornehmlich hier in der Ratsstube ausgeübt, und eine Abteilung der Kanzlei erscheint geradezu als Gerichtsschreiberei. Es ist sehr wahrscheinlich, dass man sich in der Zeit Joachims II. und seiner Nachfolger unter dem kurfürstlichen Kammergericht nichts anderes vorzustellen hat, als die Ratsstube in ihrer gerichtlichen Wirksamkeit, verbunden mit jener Abteilung der Kanzlei. An drei Tagen in der Woche, montags, mittwochs und freitags, fanden Verhöre in der Ratsstube statt, bei denen Güteversuche angestellt oder den Parteien in einem summarischen Verfahren so genannte „Abschiede“ erteilt wurden; erst wenn sie sich dabei nicht beruhigen wollten, fand der langwierige ordentliche schriftliche Prozess statt, der durch die sogenannte Kammergerichtsordnung von 1540 neu geregelt wurde und hauptsächlich in der abwechselnden Überreichung von Schriftsätzen der Parteien bestand, auf Grund deren dann die Räte, oft unter Zuziehung von Frankfurter Professoren, die Urteile fällten; zu ihrer Verkündigung wurden die Parteien wieder in die Ratsstube vorgeladen. Die Landstände sind damals nicht mehr beim Kammergericht zugezogen worden. Das Gericht in des Kurfürsten Kammer war zwar schon längst ein Gericht der kurfürstlichen Räte geworden, aber im 15. Jahrhundert und bis in die Zeit Joachims I. hinein war der Zusammenhang zwischen Räten und Landständen noch so eng gewesen, das sich wohl die Meinung festsetzen konnte, es sei ein Recht des Adels, Beisitzer aus seiner Mitte in diesem obersten kurfürstlichen Gericht zu haben. Auch im Reiche war ja das Kammergericht des Kaisers 1495 in ein ständisches Reichskammergericht verwandelt worden. Eine ähnliche Idee lag dem Reformentwurf zugrunde, den Joachim I. im Jahre 1516 hatte ausarbeiten lassen: auch hier sollten ständische Beisitzer neben kurfürstlichen Räten im Kammergericht Recht sprechen. Indessen aus diesem Entwurf, der für die brandenburgischen Verhältnisse wohl zu groß angelegt und zu kostspielig war, ist nichts geworden; es wäre auch wohl schwer gewesen, landständische Beisitzer von juristischer Bildung, wie man sie damals brauchte, in genügender Anzahl aufzufinden. Das alte Hofgericht, das neben dem Gericht der Räte bestand und aus ungelehrten Vasallen unter Vorsitz des Hofrichters zusammengesetzt war, vermochte sich nicht zu halten, weil die Vasallen, die von den fremden Rechten nichts verstanden, nicht mehr zu den Sitzungen kommen und Urteile finden mochten, zumal sie nur Mühe und Kosten davon hatten; es kam schließlich dahin, dass dies Hofgericht aufgehoben und seine Gerichtsbarkeit mit der des Kammergerichts vereinigt wurde (1540). Das Kammergericht war damals schon durchaus ein gelehrtes Beamtengericht; aber allerdings wurde dem märkischen Adel auf Grund des Indigenatsrechts zugestanden, das seine Angehörigen, wenn sie tauglich waren, vor anderen Personen bei der Anstellung berücksichtigt werden sollten; daher der Unterschied einer adligen und einer gelehrten Bank im Kammergericht, der sich noch bis ins 18. Jahrhundert hinein erhalten hat. [Das Indigenat (Eingeboren sein, Staatsangehörigkeit, Ortsangehörigkeit, Heimatrecht, vom lateinischen indigena „Eingeborener“) ist ein Rechtstitel auf die Zugehörigkeit zu einem Gemeinwesen (Gemeinde, Staat). In einigen deutschen Teilstaaten brauchten auch Pfarrer nicht-einheimischer Herkunft bis 1871 die Indigenatserteilung, um ihr Amt antreten zu dürfen. Bis ins 19. Jahrhundert verlieh der Landesherr und in einigen Fällen auch der Rat privilegierter Städte mit dem Inkolat ähnliche Rechte,[1] vor allem die Staatsbürgerschaft an gebietsfremde Adlige, ihre Aufnahme in den einheimischen Adel und ihr Recht zum Erwerb eines Landgutes in der neuen Heimat.]
Neben der Ratsstube bestand seit 1543 zur Regierung der Landeskirche und zur Rechtsprechung in geistlichen Sachen ein kurfürstliches Konsistorium, das nach sächsischem Muster gebildet und wie dieses aus Geistlichen und Juristen zusammengesetzt war. An der Spitze der Geistlichkeit stand der Generalsuperintendent; neben ihm hatte der Hofprediger einen besonderen Einfluss.
Die alte Vogteiverfassung, die früher zur Verwaltung des Landes gedient hatte, war durch die selbständige Entwicklung örtlicher Obrigkeiten in den Städten und auf den Rittergütern samt den dazugehörigen Dörfern gänzlich in Verfall geraten. Die Amtleute und Hauptleute, die wir an der Stelle der alten Vögte im 16. Jahrhundert antreffen, üben in der Hauptsache nur noch über die Bauern auf den kurfürstlichen Domänen obrigkeitliche Befugnisse aus; daneben führen sie hier die Wirtschaft in ähnlicher Weise wie die Gutsherren auf den Rittergütern. Sie gehörten wie diese dem Adel an und waren oft zugleich Räte von Haus aus, manchmal auch Gläubiger des Fürsten, denen die Ämter verpfändet waren. Nicht alle saßen auf Rechnung, wie man es nannte, und auch diese pflegten nicht allzu viel für den Bedarf des Hofes bei ihrer Wirtschaft zu erübrigen, da die Leitung und Kontrolle dieser ausgedehnten und mit vornehmer Lässigkeit betriebenen Naturalwirtschaft noch nicht durchgreifend wirkte. Amt- und Kornschreiber waren diesen Amtshauptleuten beigegeben; außerdem waren Zöllner, Förster und andere Unterbeamte tätig; die Landreiter, die Nachkommen der alten Pedelle, besorgten die Zustellungen aus der kurfürstlichen Kanzlei und hatten das Land untereinander geteilt in Beritte, die den ritterschaftlichen Kreisverbänden entsprachen. In der Altmark, der Priegnitz, der Uckermark, im Land Lebus pflegten noch eingesessene Edelleute von Besitz und Ansehen zu Landeshauptleuten oder Landvögten bestellt zu werden; doch lässt sich die Bedeutung ihrer obrigkeitlichen Stellung schwer bestimmen, abgesehen davon, dass sie in Stendal und in Prenzlau Vorsitzende der dort tagenden Obergerichte waren.
Der fürstlichen Landesverwaltung steht eine ständische zur Seite. Wie der Fürst seine Domänen und Regaleinkünfte verwaltet, so haben die Stände die Verwaltung der Steuern in der Hand. Seit 1540 und 1549 hat sich dafür das sogenannte Kreditwerk ausgebildet. So nannte man die Kassen der landständischen Steuerverwaltung, aus denen die von ihnen übernommenen Schulden des Landesherrn verzinst oder auch abbezahlt wurden. Diese Einrichtung diente in Ermangelung eines Bankinstituts zugleich als die Stelle, an der überflüssiges Geld im Lande zinsbar angelegt werden konnte, und wurde viel zu diesem Zweck benutzt, so lange der Kredit noch unerschüttert war. Die Steuern, auf welche diese Anstalt begründet war, bestanden teils in den Hufenschössen des platten Landes, teils in den besonderen Städtesteuern, teils in dem sogenannten neuen Biergeld von 1519. Danach unterschied man Hufenschoßkassen, Städtekasten und Neu-Biergeld-Kasse. Die Hufenschoßkassen wurden von je zwei ritterschaftlichen Verordneten geführt, und zwar getrennt für die Altmark, die Mittelmark und die Uckermark; Städtekasten gab es zwei, einen für die Altmark, einen für Mittel- und Uckermark, sie wurden von städtischen Verordneten verwaltet; die Neu-Biergeld-Kasse war einheitlich für das ganze Land und stand unter gemeinschaftlicher Verwaltung ritterschaftlicher und städtischer Deputierter. Alle diese Verordneten bildeten einen engeren Ausschuss der Landschaft, der von einem großen Ausschuss, etwa 50 Personen stark, kontrolliert wurde. Eine Menge von landständischen Beamten, namentlich Ziesemeister und Oberziesemeister, zur Erhebung des Biergeldes, waren im Lande verteilt; an der Spitze der ständischen Geldverwaltung stand der Landrentmeister, der dem fürstlichen Hofrentmeister entspricht. Die Herren vom Ausschuss, meist die größeren und angeseheneren Besitzer und oft wohl auch jetzt noch als Räte von Haus aus in einem näheren Verhältnis zum Kurfürsten, führten in den landständischen Angelegenheiten die entscheidende Stimme, ohne jedoch die vollen Landtage überflüssig zu machen. Der kleine Adel, der in den Ausschüssen nicht vertreten war, geriet zu den vornehmen Standesgenossen gelegentlich wohl auch in Gegensatz; so hielten 1542 diese Armen von Adel, wie sie sich nennen, eine Versammlung unter sich ab, auf der sie über die neuen Steuern Beschwerde führen; sie sehen den Grund des Übels in der schlechten Wirtschaft auf den Domänen und namentlich in der Freigebigkeit des Kurfürsten gegen die fremden Räte; sie verlangen, dass man diese bösen Räte abschaffen und mit eigenen Ochsen pflügen solle; sie drohen, das sie sonst ein paar von ihnen selbst bei der Nase kriegen wollen; ihre Hauptforderung ist: „wi muthen aversch dat strick in di hand beholden, dat di unsen regiren, di bosen rede und butenlender wil wi nick liden.“
Zwischen Adel und Städten war von alters her ein Streit um die „Quotisation“ im Schwange, d. h. um den Anteil, den beide Körperschaften bei der Aufbringung der bewilligten Landessteuern zu übernehmen hatten. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts war der Grundsatz durchgedrungen, dass die Städte 2/3 , die Ritterschaft 1/3 zu bezahlen hatten — abgesehen von den Türkensteuern, die auf beide Stände gleich verteilt wurden. Dies Verhältnis entsprach aber der beiderseitigen Leistungsfähigkeit nicht mehr, seit die Städte in ihrer Nahrung zurückgingen und der Adel durch die Getreideausfuhr wirtschaftlich emporkam. Die Städte verwahrten sich beständig dagegen, dass diese Verteilungsart sich dauernd festsetzte, und sie haben auch 1540 und 1572 das Zugeständnis erlangt, dass das Verhältnis umgekehrt wurde; 1591 aber ist der alte Grundsatz wieder bestätigt worden und nun in Geltung geblieben bis 1643.
Außer den Steuerforderungen des Kurfürsten spielten auch die wirtschaftlichen Fragen auf den Landtagen eine bedeutende Rolle. Namentlich über die Frage der Kornausfuhr und der ländlichen Brauerei wurde zwischen Adel und Städten viel gestritten. Die Städte verlangten, dass in Zeiten der Teuerung die Kornausfuhr gesperrt werden sollte, während eben dann gerade der Export für den Adel am vorteilhaftesten war. Je mehr das alte Tuchmachergewerbe in den Städten zurückging, umso wichtiger wurde die Bierbrauerei; und es war ein beständiger Streit um die Frage, ob auch der Adel auf seinen Rittergütern Brauereien anlegen und Bier zum Krugverlag liefern dürfe, da die Städte die Brauerei als ausschließlich bürgerliche Nahrung betrachteten. Die kurfürstliche Wirtschaftspolitik nahm gegenüber diesen widerstreitenden Interessen noch keinen festen Standpunkt ein; sie schwankte mehr zwischen beiden Teilen, als das sie konsequent einen Mittelweg verfolgt hätte.
Unverkennbar macht sich auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens gegen Ende des 16. Jahrhunderts eine zunehmende Stockung bemerkbar. Wie das kirchliche Leben in einer engherzigen lutherischen Orthodoxie erstarrte, wie der Magdeburger Sessionsstreit zu keinem befriedigenden Austrag gelangte und die Ausbreitung des brandenburgischen Einflusses im Reich durch eine ängstliche Politik in den ersten Anfängen gehemmt wurde, wie der Streit zwischen Frankfurt und Stettin zur Sperrung der Oder führte, so gelang es auch nicht, die dringenden Aufgaben der inneren Gesetzgebung befriedigend zu lösen. Die im Jahr 1550 erlassene kurfürstliche Polizeiordnung, die unter anderem über Luxus und Kleidung, über Gesindelohn, Dienstbotenwesen, Löhnung der Handwerker, Tagelöhner und Bauarbeiter, über Gerichtsstand, Maße und Gewichte und dergleichen mehr Vorschriften enthält oder in Aussicht stellt, hat einen Weg eröffnet, der trotz mancher Vorarbeiten später nicht weiter ausgebaut worden ist; auch die Herstellung eines Landrechts für die Mark Brandenburg ist trotz der Bemühungen des Kanzlers Lampert Distelmeyer nicht gelungen. Es war wohl hauptsächlich der Gegensatz zwischen den Ständen und die schon der Regierung vor inneren Kämpfen, was der Gesetzgebung hindernd im Wege gestanden hat. Der Wohlstand des Landes war im Sinken. Im Süden und Westen wurde die Mark Brandenburg von den großen Handelswegen umgangen, auf der Hohen Straße über Leipzig und auf der Elbe über Magdeburg und Hamburg, während der Oderverkehr durch den Streit zwischen Stettin und Frankfurt gehemmt war. So war das Land von allen Seiten eingeschnürt, und es wurde schon hierdurch deutlich, dass es entweder sich ausdehnen oder langsam verkümmern musste.