5.2 Kurfürst Joachim Friedrich (1598—1600)

5.2 Kurfürst Joachim Friedrich (1598—1600)

Kurfürst Joachim Friedrich war schon 52 Jahre alt, als er zur Regierung in der Mark gelangte. Er hatte bereits mehr als dreißig Jahre lang als Administrator über das magdeburgische Erzstift gewaltet, in welchem unter seiner Regierung der Protestantismus völlig durchgedrungen und auf Drängen der Stände auch die Konkordienformel zur Anerkennung gelangt war; von seinem Hof zu Halle aus hatte er lebhafte Beziehungen zu seinem Vetter Georg Friedrich in Ansbach und zu dem Heidelberger Hofe unterhalten und war immer auf der Seite derjenigen gewesen, die für eine Verbindung zwischen Lutheranern und Calvinisten eintraten, um das Gewicht der protestantischen Sache in der Welt zu verstärken. Bei seinem Regierungsantritt in der Mark musste er nach einer bei seiner Wahl in Magdeburg eingegangenen Verpflichtung das Erzstift aufgeben; aber es glückte ihm, wenn auch mit Mühe, die Wahl seines jüngsten (siebenten) Sohnes Christian Wilhelm, der damals 11 Jahre alt war, durchzusetzen und damit Magdeburg vorläufig noch dem brandenburgischen Hause zu erhalten. Es waren die besten Jahre seines Lebens gewesen, die er in Halle zugebracht hatte. Er war früh gealtert und hatte als Kurfürst nicht mehr die Unternehmungslust und die zugreifende Tatkraft, die ihm in jüngeren Jahren eigen gewesen war. Er hatte wohl eine richtige Einsicht in das, was seinem Hause und Lande nottat; aber er vermochte nicht der Schwierigkeiten Herr zu werden, die sich ihm entgegenstellten und deren Bedeutung er doch erst ermessen lernte, als er selbst im Regimente saß.

Seine erste Regierungshandlung war die Aufhebung des väterlichen Testaments und die ungnädige Entlassung des Kanzlers Christian Distelmeyer. Joachim Friedrich brachte seine magdeburgischen Räte mit, an deren Spitze sein Vertrauter Johann von Löben als Kanzler trat, während der ihm ebenfalls persönlich befreundete böhmische Graf Schlick das Oberkämmereramt erhielt. Ein eigentlicher Systemwechsel ist nicht erfolgt. In religiöser Beziehung blieb das Luthertum herrschend, wenn sich auch Joachim Friedrich nur ungern dazu verstanden hat, die Konkordienformel anzuerkennen. Die alten halbkatholischen Gebräuche im Dom und in anderen Kirchen des Landes, wie sie von Joachim II. beibehalten und auch von Johann Georg nicht verändert worden waren, hat er bei seinem Regierungsantritt beseitigt; sonst aber blieb alles beim alten. Der Kanzler Löben kehrte geflissentlich seine lutherische Rechtgläubigkeit hervor und lenkte in der Hauptsache in dieselben politischen Bahnen ein, die Johann Georg eingeschlagen hatte; er suchte vor allem gute Beziehungen zum Kaiserhofe herzustellen, schon um den Schwierigkeiten vorzubeugen, die von dort aus einer Regelung der Testamentsfrage entgegengesetzt werden konnten.

Diese Frage nahm zunächst die Sorge des neuen Kurfürsten vornehmlich in Anspruch. Im Einverständnis mit dem kinderlosen Vetter Georg Friedrich, für dessen Todesfall die Nachfolge in den beiden fränkischen Fürstentümern zu regeln war, entwarf Joachim Friedrich einen Plan, wonach die beiden jüngeren Brüder die Herrschaft in diesen Landen erben sollten, während die Mark Brandenburg mit allem Zubehör ungeteilt bei der Kur erhalten werden sollte. Wenn er sich bei seinem Widerspruch gegen das väterliche Testament auf die Dispositio Achillea berief, so konnte dieser Vorgang nur als Beispiel und Präzedenzfall, nicht aber als hausgesetzliche Regelung betrachtet werden; ein wirkliches Hausgesetz, das die Unteilbarkeit der Mark Brandenburg für alle Zeiten festgesetzt hätte, bestand damals noch nicht, und es ist eine wesentliche ErrungenschaftJoachim Friedrichs, das unter ihm ein solches erlassen worden ist. Dies ist der Gerasche Hausvertrag, den die brandenburgischen und ansbachischen Räte in Gera 1598 vereinbart haben und der von den beiden Fürsten Joachim Friedrich und Georg Friedrich zu Magdeburg am 29. April 1599 genehmigt und vollzogen worden ist. Dieser Vertrag besagte, dass die Kurmark Brandenburg mit den dazugehörigen Gebieten und mit den künftigen Anwartschaften, unter denen das Herzogtum Preußen besonders hervorgehoben war, als ein unteilbares Herrschaftsgebiet in der geraden Linie des Mannesstammes des Kurhauses vererbt werden sollte, während die beiden fränkischen Fürstentümer Ansbach und Kulmbach den beiden ältesten Söhnen aus der dritten Ehe Johann Georgs, den Markgrafen Christian und Joachim Ernst, als Sekundogenitur (Die Sekundogenitur ist die vom Zweitgeborenen oder einem weiteren Nachgeborenen eines adeligen Hauses begründete Nebenlinie. Es ist eine besondere Form der Erbteilung, die dem Nachgeborenen mehr Besitz und Prestige zukommen lässt als bei der normalen Abfindung.)  zufallen sollten. Von den Söhnen Joachim Friedrichs sollte der zweite, Johann Georg, dessen Aussicht auf das Bistum Straßburg sehr unsicher geworden war, das gleichfalls dem Ansbacher Vetter gehörige Herzogtum Jägerndorf erhalten, während die übrigen Kinder — bis auf den magdeburgischen Administrator Christian Wilhelm — mit Geldansprüchen in angemessener Weise versorgt wurden. Aber diese Abmachungen blieben zunächst noch unwirksam, weil die Söhne aus der dritten Ehe Johann Georgs, bestärkt durch ihre Mutter, ihre Einwilligung versagten und auf der Vollstreckung des angefochtenen Testaments bestanden.

Zu diesen häuslichen Sorgen kamen schwierige Verhandlungen mit den Ständen. Johann Georg hatte eine Schuld von etwa 569 000 Talern hinterlassen; dazu kam eine solche, die Joachim Friedrich aus seiner magdeburgischen Zeit herübergenommen hatte und die bald auf 400 000 Taler anwuchs. Er brauchte die Hilfe der Landstände. Am liebsten hätte er nur mit einem Deputationstag verhandelt, weil mit einem solchen leichter fertig zu werden war und auch weil die Kosten eines vollen Landtags, die dem Hofe zur Last fielen, allzu hoch waren. Er erinnerte sich wohl, wie einst Georg Friedrich, der überhaupt sein politisches Vorbild war, als Kurator in Preußen durch Verhandlungen mit einem ständischen Ausschuss Erfolge erzielt hatte, wie sie ihm gegenüber den vollen Landtagen versagt geblieben waren. Wie herkömmlich wurde erst ein Notabeln Ausschuss berufen und dann auf den Kreistagen verhandelt. Aber die Stände fürchteten, der Verzicht auf den vollen Landtag könne der Anfang vom Ende sein für ihre Stellung gegenüber der Landesherrschaft; und so musste Joachim Friedrich sich dazu entschließen, 1602/03 einen Landtag in den herkömmlichen Formen zu halten, dessen Ergebnis im ganzen recht unbefriedigend war. Die Stände übernahmen nur einen Teil der Schuldenlast, nur 600 000 Taler (etwa ½), und zur Verbilligung einer dauernden Steuer kam es so wenig wie früher. Auch diesmal mussten die Privilegien der Stände, namentlich die wirtschaftlich-sozialen Vorrechte der Ritterschaft in Bezug auf das gutsherrlich-bäuerliche Verhältnis bestätigt und erweitert werden; doch hat sich Joachim Friedrich gehütet, eine Landeskonstitution nach dem Entwurf der Stände anzunehmen, die den adligen Klasseninteressen eine dauernde gesetzliche Grundlage gegeben haben würde. Hinsichtlich einer Verwicklung in die Politik der großen Mächte vertraten die Stände denselben Standpunkt, der für die Politik Johann Georgs maßgebend gewesen war: sie wollten von einem Kampf gegen Spanien, den Kaiser und die geistlichen Fürsten ebenso wenig etwas wissen wie von einer Verbindung mit Frankreich und den Niederlanden; in der Straßburger und Jülicher Angelegenheit rieten sie nachzugeben oder abzuwarten. Unter diesen Umständen konnte wie sie ihm früher wohl in Verbindung mit kräftiger Verfolgung der Interessen seines Hauses vorgeschwebt hatte, zunächst nicht die Rede sein. Es fehlte an den nötigen Machtmitteln. Der Verfall der alten Kriegsverfassung war offenkundig geworden durch eine Musterung, die der Kurfürst hatte anstellen lassen und bei der sich nur etwa 1.000 Reiter und 4.000 Mann zu Fuß in ganz unzulänglicher Bereitschaft gestellt hatten. Löbens friedliche Richtung gewann die Oberhand. Gegenüber dem Drängen Georg Friedrichs zum Anschluss an ein damals wieder geplantes protestantisches Bündnis verwies der Kurfürst auf seine betrübten Umstände. Auch sonst wagte er im Reich nicht kräftig aufzutreten. Als die korrespondierenden Fürsten der protestantischen Partei, namentlich Friedrich IV. von der Pfalz und Georg Friedrich selbst, ihn für den Plan zu gewinnen suchten, die Beteiligung an dem Reichstage von 1603, auf dem wieder über eine Türkenhilfe beraten werden sollte, abhängig zu machen von Zugeständnissen hinsichtlich der Religionsbeschwerden, da lehnte er ab mit Hinweis auf die Stimmung in seinem Lande und auf die Verpflichtungen, die die Türkengefahr mit sich bringe. Zugleich gab er in der Straßburger Sache nach. Bei dieser war inzwischen der Kaiser dadurch ins Interesse gezogen worden, dass ein österreichischer Erzherzog (ein Sohn Ferdinands von Steiermark) zum Koadjutor gewählt worden war; er hatte daher den Kardinal von Lothringen mit dem Straßburger Stift belehnt. Unter diesen Umständen hielt Joachim Friedrich schon längst den Rückzug für geboten, und er entschloss sich umso leichter dazu, als diese ganze Unternehmung mehr ein Werk seines Vetters Georg Friedrich als sein eigenes gewesen war. Im Februar 1603 ließ er auf einem Konvent der korrespondierenden protestantischen Fürsten zu Heidelberg erklären, dass er weder Straßburg zu behaupten, noch sich einer protestantischen Union anzuschließen gedenke; er kehrte ganz zu den Grundsätzen Johann Georgs zurück: er wollte das baufällige Wesen im Reich lieber erhalten als gänzlich ruinieren; er riet, ganz im Sinne der friedfertigen unpolitischen Haltung seines Vorgängers, „alle gütliche Mittel zu versuchen und das übrige dem Allmächtigen zu befehlen“. Damit war die Rolle des jungen Johann Georg in Straßburg ausgespielt. Der Lothringer mit dem österreichischen Koadjutor behauptete sich.

Wenige Monate nach dieser kleinmütigen Entscheidung, im April 1603, starb der 61jährige Markgraf Georg Friedrich von Ansbach, dessen Geist und Wille in dem letzten Jahrzehnt hinter allen Entschlüssen zu einer kräftigen dynastischen und protestantischen Politik im Hause Brandenburg gestanden hatte. Es konnte scheinen, als ob es mit dieser Politik nun gänzlich zu Ende sei; aber gerade dieser Todesfall hat den Anstoß zu einem neuen Aufschwung gegeben. Zunächst hat er die Beendigung des lähmenden Familienzwistes ermöglicht. Die Aussicht, gleich die Regierung in den fränkischen Landen antreten zu können, machte die Brüder Joachim Friedrichs geneigt, auf die früher abgewiesenen Vorschläge einzugehen: der Geraer Hausvertrag wurde jetzt von ihnen in dem Ouolzbacher Vergleich (Juli 1603) angenommen und darauf zur Ausführung gebracht. Erst seit dieser Zeit ist die Unteilbarkeit der Mark Brandenburg samt ihren Anwartschaften und ihre Vererbung nach dem Erstgeburtsrecht in dem Mannesstamme des Hohenzollernhauses ein wirkliches und auch unverbrüchlich beobachtetes Hausgesetz geworden und geblieben. Die Markgrafen Christian und Joachim Ernst wurden so die Begründer der jüngeren fränkischen Linien in Ansbach und Bayreuth.

 

Zugleich war durch den Tod Georg Friedrichs auch die Kuratel über Preußen freigeworden und musste nun vom Kurfürsten erworben werden, wenn Preußen nicht verloren gehen sollte; damit verband sich das Interesse an der Nachfolge in Jülich, die ja an der preußischen Heirat Johann Sigismunds hing. Der in den preußischen Dingen wohlbewanderte Rat Georg Friedrichs, Christoph von Waldenfels, ein Edelmann von fränkischer Herkunft, trat in den Dienst Joachim Friedrichs als Geheimer Rat, und ebenso der Führer der cleve-märkischen Stände, Ottheinrich von Bylandt, Freiherr von Rheidt, der Vertrauensmann Georg Friedrichs und der Herzogin Marie Eleonore von Preußen. Überhaupt wurde die Zahl der Räte verstärkt und eine neue Ordnung für die Geschäftsbehandlung begründet. Einzelne Geheime Räte hatte Joachim Friedrich schon seit seinem Regierungsantritt bestellt; es war ein Zeichen dafür, dass die Geschäfte, namentlich in den auswärtigen Angelegenheiten, an Umfang und Bedeutung zugenommen hatten. Mit ausdrücklicher Berufung auf die Schwierigkeit und Wichtigkeit dieser Angelegenheiten wurde nun durch Erlass vom 23. Dezember 1604 der Geheime Rat begründet, ein Kollegium von 9 Geheimen Räten unter dem Vorsitz des Oberkämmerers Graf Schlick, dem als Stellvertreter der Obermarschall von Bylandt zur Seite gesetzt wurde; hier sollte in den festen Formen einer geregelten Geschäftsordnung Rat gepflogen werden, wobei zwar die auswärtigen Geschäfte an erster Stelle standen, aber auch die Leitung und Aufsicht der inneren Verwaltung mit in den Wirkungskreis der Rate eingeschlossen war — natürlich in der Weise, das der Kurfürst selbst sich alle wichtigen Entscheidungen vorbehielt. Damit waren der alten Ratsstube die wenigen Geschäfte der auswärtigen Politik und der inneren Verwaltung, die sie anfänglich gehabt hatte, die aber wohl schon längst mehr von einzelnen Räten in besonderen Vorträgen beim Kurfürsten als in voller Ratsversammlung besorgt worden waren, endgültig abgenommen, so dass sie nun als ein reiner Gerichtshof, als kurfürstliches Kammergericht erschien — eine Wendung, die schon dadurch vorbereitet worden war, das bald nach dem Regierungsantritt Joachim Friedrichs ein besonderer Vizekanzler zur Leitung der Rechtspflege bestellt wurde. Als dritte Hofbehörde — abgesehen von dem Konsistorium — stand neben dem Geheimen Rat und dem Kammergericht noch die Amtskammer, der die Verwaltung der Domänen- und Regalgefälle oblag. Diese drei Behörden traten nun deutlich gesondert auseinander; da aber eine Anzahl von Mitgliedern dem Geheimen Rat und den beiden anderen Kollegien gemeinsam waren, so wurden die Sitzungstage für den Geheimen Rat auf Dienstag und Donnerstag fest gesetzt, während montags, mittwochs und freitags nach wie vor die Verhöre im Kammergericht stattfanden.

In Brandenburg hatte sich damit ein Vorgang in der Behördengeschichte vollzogen, der in den meisten deutschen und außerdeutschen Staaten schon früher zu beobachten ist. „Nach dem Beispiel anderer wohlbestellter Politien (Die Politie (griechisch) ist laut Aristoteles die Bezeichnung für ein Gemeinwesen, das von den Vernünftigen bzw. Besonnenen seiner Mitglieder gelenkt und geleitet wird. In Aristoteles’ Politik gehört die Politie zu den guten Herrschaftsformen, sie ist die legitime Mehrheitsherrschaft.) und Regimenter“ ist, wie die Stiftungsurkunde es ausdrückt, der Geheime Rat in Brandenburg eingerichtet worden. Man dachte dabei wohl namentlich an Sachsen und an den kaiserlichen Hof; aber auch in anderen deutschen Territorial-Staaten und auch in den großen westlichen Reichen Frankreich, England und Spanien gab es einen Geheimen Rat zur Bearbeitung der wichtigen Staatsgeschäfte; es war damals die allgemein europäische Form der Staatsregierung, wie heute die Ministerien.

 

Die Bedeutung der Stiftung des Geheimen Rates besteht nicht darin, das erst in diesem Akt der Anfang einer Beamtenregierung im Gegensatz zur Regierung mit ständischen Räten zu sehen wäre — eine solche Beamtenregierung bestand schon, wenn auch in wenig ausgebildeter Form, seit fast 100 Jahren —; sie liegt auch nicht darin, dass mit diesem Akt die Stände grundsätzlich von dem Einfluss auf die auswärtigen Angelegenheiten ausgeschlossen worden wären — sie haben einen solchen Einfluss hin und wieder auch später noch geübt —; auch die Berufung fremder Räte war nichts Neues, obwohl ihre Zahl unter Joachim Friedrich besonders groß gewesen ist und den Ständen Anlass zu missgünstigen Bemerkungen geboten hat. Das Verhältnis zu den Ständen ist nicht das Wesentliche dabei. Nicht der Landtag von 1602/03 hat die Veranlassung zur Stiftung des Geheimen Rats gegeben, sondern der Tod des Markgrafen Georg Friedrich mit den daran sich knüpfenden politischen Folgen. Jetzt, wo die Nachfolge in Preußen, wie die in Jülich, in nähere Sicht trat, wurde die Regierung schwieriger, verwickelter, verantwortungsvoller als vordem. Mit einem Kammerrat und Kanzler kam man nicht mehr aus. Es bedurfte eines größeren Kreises bedeutender Persönlichkeiten, und manche von diesen, wie Bylandt und anfangs auch Waldenfels, standen dem Kanzler von Löben, der bisher die Geschäftsleitung beherrscht hatte, so selbständig und anspruchsvoll und mit so verschiedenartigen Bestrebungen gegenüber, dass ihre Zusammenfassung in einem Kollegium und in den Formen einer geregelten Geschäftsordnung die einzige Möglichkeit zu bieten schien, um ein friedliches Zusammenwirken herbeizuführen. So war der Geheime Rat vor allem eine politische und eine geschäftliche Notwendigkeit.

Zunächst kam jetzt ein frischer Zug in die brandenburgische Politik durch das Eingreifen des Kurprinzen Johann Sigismund, dem der Kurfürst einen sonst nicht gewöhnlichen Anteil an den Geschäften gönnte. In Verbindung mit Bylandt und anderen Räten setzte er es durch, das Brandenburg, ganz im Gegensatz zu dem Rückzug von 1603, jetzt im Jahre 1605 entschieden auf die Seite der protestantischen Aktionspartei trat. Ein Vertrag mit Kurpfalz wurde geschlossen (Februar 1605) und zugleich durch das Verlöbnis zwischen dem 10jährigen Sohn Johann Sigismunds, Georg Wilhelm, und der 8jährigen pfälzischen Prinzessin Charlotte eine zukunftsreiche Familienverbindung zwischen den beiden Häusern angebahnt. Ihre eigentliche politische Bedeutung aber erhielt diese Wendung durch das im April 1605 geschlossene Bündnis der beiden Kurfürsten mit der niederländischen Republik, durch welches zunächst für 3 Jahre ausgemacht wurde, das gegen eine Zahlung von 100.000 Gulden jährlich die Republik 5.000 Mann bereithalten sollte, um unter Umständen Jülich für Brandenburg in Besitz zu nehmen. Es war ein Schritt, der großen Eindruck im Reiche und darüber hinaus machte.

Zu derselben Zeit gelang auch die Erwerbung der Vormundschaft in Preußen. Die verwandtschaftlichen Bande mit dem preußischen Hause, an denen ja auch die Aussicht auf Jülich hing, waren noch verstärkt worden dadurch, dass Joachim Friedrich, der kurz vorher Witwer geworden war, im Jahre 1603 die jüngere preußische Prinzessin, Eleonore, geheiratet hatte, so dass er der Schwager seines Sohnes wurde. Er trat nun in Unterhandlungen mit der Krone Polen und mit den Ständen von Preußen wegen Übertragung der Vormundschaft. König Sigismund III., damals im Kriege mit Russland und Schweden und eines schwedischen Angriffs von Kurland her gewärtig, sah in der brandenburgischen Vormundschaft die Möglichkeit zu einer Verstärkung des Schutzes gegen die Schweden in Preußen und machte seinen Einfluss in einem den Wünschen des Kurfürsten günstigen Sinne geltend. Joachim Friedrich musste sich aber sehr harte Bedingungen gefallen lassen. Er musste 300.000 Gulden an den König zahlen und außerdem 60.000 Gulden versprechen in jedem Falle, wo in Polen ein sogenanntes Tributum ausgeschrieben wurde; er musste sich ferner verpflichten, nötigenfalls den Schweden in Preußen 4 Kriegsschiffe entgegenzustellen; er musste den Lehnseid persönlich leisten und eine sehr weite Ausdehnung der Appellationen von Preußen nach Polen zugeben. Unter diesen Bedingungen ward ihm von der Republik die Vormundschaft über den schwachsinnigen Herzog übertragen im April 1605. Die 300 000 Gulden erhielt er von einem ständischen Ausschuss bewilligt, während ihm früher die Mittel versagt worden waren, die dazu hätten dienen können, durch Entfaltung militärischer Macht oder auch durch Bestechungen, wie sie in Polen üblich waren, mildere Bedingungen zu erhalten. Immerhin aber war jetzt Preußen zum ersten Mal unter die Verwaltung des Kurfürsten von Brandenburg gekommen; und wenn auch die Aufnahme Joachim Friedrichs in Königsberg eine sehr unfreundliche war und die Regierung des Landes noch durchaus den Regimentsräten überlassen werden musste, die nur dem Namen nach herzogliche Beamte, in Wahrheit die Häupter einer Adelsrepublik waren, so hatte das Kurhaus doch in dem alten Ordenslande Fuß gefasst, um nicht wieder daraus zu weichen.

Indessen der politische Aufschwung, der durch diese Ereignisse des Jahres 1605 bezeichnet wird, war nicht von langer Dauer. Schon im Jahre 1606 ging der Kanzler Löben mit seinen Anhängern, zu denen außer den alten Räten jetzt auch Waldenfels gehörte, zu einem erfolgreichen Angriff gegen Bylandt und den hinter ihm stehenden Kurprinzen vor, der jetzt zur Besetzung Jülichs im Bunde mit Frankreich und den Niederlanden drängte. Als im Oktober 1606 Christian von Anhalt, der diplomatische Agent der protestantischen Partei, nach Berlin kam, um für den Anschluss an einen evangelischen Bund zu werben, der auch mit Frankreich in Fühlung treten sollte, da wurde Bylandt von den Beratungen ferngehalten, und der Bescheid, den Christian von Anhalt erhielt, lautete ausweichend. Der Vertrag mit den Niederlanden, den Löben bekämpfte, verlor seine Bedeutung, weil die darin ausgemachten Geldzahlungen nicht geleistet werden konnten. Joachim Friedrich kehrte noch einmal zu dem aussichtslosen Plan zurück, durch eine gütliche Verhandlung wegen der Jülicher Erbschaftssache sich mit den anderen Beteiligten auseinanderzusetzen.

Während man am brandenburgischen Hofe von einer so kleinmütigen Auffassung der Lage beherrscht war, versuchte auf dem Reichstage von Regensburg 1608 die katholische Partei einen entscheidenden Schlag gegen den Protestantismus zu führen, indem sie sich anschickte, Ernst zu machen mit der Rückforderung der geistlichen Güter, die auf Grund des Vorbehalts von 1555 den Protestanten bestritten wurden. Das führte zur Zerreißung des Reichstags. Dr. Pruckmann, der die brandenburgische Reichstagsgesandtschaft führte, einer von den alten Räten Joachim Friedrichs, berichtete nach Berlin, es tue Not, einen neuen Schmalkaldischen Bund zu schließen, und Joachim Friedrich stimmte, wenn auch nicht ohne Vorbehalt, zu. Daraufhin schlossen zunächst Kurpfalz, Pfalz-Neuburg, Württemberg, Baden, Ansbach und Kulmbach Anfang Mai 1608 eine Union, zu der auch die übrigen protestantischen Stände eingeladen wurden. Joachim Friedrich schloss sich noch nicht an; er suchte erst zum Einverständnis mit Sachsen zu gelangen, das wieder beiseite stand und eine vermittelnde Stellung einnahm. Vergeblich hatte der Kurprinz in dieser kritischen Zeit versucht, den Kanzler Löben von der Leitung der Geschäfte zu verdrängen; der Kurfürst hatte das Entlassungsgesuch des Kanzlers in gnädigster Weise abgelehnt. Noch ehe eine endgültige Entscheidung in der Unionsfrage getroffen war, ist Joachim Friedrich gestorben; 62 Jahre alt, erlag er einem Schlaganfall im Reisewagen zwischen Köpenick und Berlin an der Seite seines alten Freundes, des Oberkämmerers Grafen von Schlick, 28. Juli 1608.

Die schwankende Haltung seiner 10 jährigen Regierung als Kurfürst hat die Hoffnungen enttäuscht, die tatkräftige Protestanten früher auf ihn gesetzt hatten. Aber bedeutende, epochemachende Veränderungen waren in Politik und Verwaltung unter ihm angebahnt worden: die Familienverbindung mit dem reformierten pfälzischen Hause, die Anknüpfung mit den Niederlanden, eine festere und zeitgemäßer Form in der Führung der Regierungsgeschäfte, die Erwerbung der preußischen Kuratel. Für sein Ansehen in der Fürstenwelt spricht es, das König Christian IV. von Dänemark sein Schwiegersohn geworden ist. Auch für die Wohlfahrt seines Landes hat der einsichtige und wohlwollende Fürst manches Gute gewirkt. Die Anfänge eines Finowkanals gehen auf ihn zurück; in Joachimsthal bei dem Jagdschloss Grimnitz in der Uckermark hat er die Fürstenschule begründet, die bis auf den heutigen Tag sein Andenken lebendig erhalten hat: im Sommer 1607 ist diese Studienanstalt mit reicher Ausstattung durch Mittel aus kurfürstlichen Domänen und säkularisierten Kirchengütern ins Leben getreten.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert