0.2 Vorwort von Otto Hintze vom 17. Juli 1915

0.2 Vorwort von Otto Hintze vom 17. Juli 1915

Die Veranlassung zu diesem Buche ist durch das bevorstehende Hohenzollernjubiläum gegeben. Es sind jetzt 500 Jahre, das die Hohenzollern in der Mark Brandenburg und im preußischen Staate regieren. Am 30. April 1415 erhielt der Burggraf Friedrich von Nürnberg, der seit 1412 als oberster Hauptmann und Verweser in der Mark Brandenburg waltete, durch eine Urkunde von König Sigmund die Markgrafschaft samt der Kurwürde übertragen und wurde damit erst zum wirklichen Landesherrn; und am 21. Oktober desselben Jahres empfing er in Berlin die feierliche Erbhuldigung der märkischen Landstände. Infolge der Zeitumstände ist der letztere Tag für die Feier dieses Jahres bestimmt worden.

Der Verfasser hat geglaubt, sich der an ihn ergangenen Aufforderung, zu dieser Erinnerungsfeier eine kurze preußische Geschichte in einem Bande zu schreiben, nicht entziehen zu sollen, obwohl ihm die Schwierigkeit, zugleich den wissenschaftlichen Anforderungen und den Ansprüchen eines weiteren Leserkreises gerecht zu werden, nicht verborgen war und im Fortschritt der Arbeit sich oft als fast unüberwindlich zu erweisen schien. Leichter und auch befriedigender wäre es wohl gewesen, den Gegenstand in 3 – 4 Bänden, statt in einem, zu behandeln, oder, bei der gebotenen Beschränkung auf einen Band, sich in allgemeinen historisch-politischen Betrachtungen zu ergehen, die das Tatsächliche mehr nur andeuten oder voraussetzen, als wirklich erzählen. Dem Verfasser schien es indessen nützlicher, den Versuch zu machen, soweit es der Raum gestatten wollte, Erzählung und Betrachtung miteinander zu verknüpfen, um nicht den Leser zu zwingen, sich über das Tatsächliche noch anderswo zu unterrichten. Dass er dabei bemüht gewesen ist, sich in möglichst enger Fühlung mit den Quellen zuhalten, wird hoffentlich auch ohne Noten zu spüren sein; der Kundige weis, in welchem Maße und mit welchen Beschränkungen dies bei der Ausdehnung des Gegenstandes und bei der Art und Masse des Quellenstoffes überhaupt möglich ist. Der Gedanke, fortlaufende Nachweisungen quellenkritischer und bibliographischer Art beizufügen, wie es etwa in dem vierten Bande von Hofers Friedrichbiographie in vorbildlicher Weise geschehen ist, musste aufgegeben werden, weil der Rahmen des Bandes dadurch gesprengt worden wäre. Der Verfasser hofft indessen, das das Buch auch so beim Fachstudium mit Nutzen gebraucht werden kann; an Quellen- und Literaturnachweisen mangelt es ja für die preußische und deutsche Geschichte nicht. Das Werk war schon im Satz und zum großen Teil auch im Druck vollendet, als der Krieg ausbrach. Der Verfasser hat sich nicht veranlasst gesehen, mit Rücksicht auf die veränderten Zeitverhältnisse irgend etwas daran zu verändern. Nur im Schlusswort musste auf die Ereignisse der Gegenwart Rücksicht genommen werden.

In ernster, schwerer Zeit geht nun das Buch in die Welt hinaus. Der Staat und das Fürstengeschlecht, von dem es redet, kämpft um sein Dasein in einem Kriege, wie ihn schwerer, gewaltiger, großartiger die Weltgeschichte bisher nicht gesehen hat. Die politische Eigenart unseres Volkes, die straffe militärisch-monarchische Zucht, die Preußen und Deutschland allein befähigt hat, in der Mitte des europäischen Festlandes, umdrängt von starken und oft missgünstigen Nachbarn, sich ein selbständiges Dasein zu erringen und dem deutschen Namen Achtung in der Welt zu verschaffen — dieser politische Charakter, der die Frucht eines langen historischen Erziehungsprozesses darstellt, ist in dem Kampf der Geister, der heute über den Schlachtfeldern geführt wird, namentlich in einer massenhaften aber eintönigen englischen Literatur zum Gegenstand einer so giftigen und hasserfüllten Anfeindung und Verleumdung gemacht worden, das uns dadurch erst recht die Augen geöffnet worden sind zur Erkenntnis der Bedeutung, die dem preußischen und deutschen Wesen und dem Werke der Hohenzollern in der Weltgeschichte und in dem Völkerleben der Gegenwart zukommt.

Ein englischer Schriftsteller hat wohl gemeint, die preußische Geschichte sei unendlich langweilig, weil darin so viel von Kriegen und so wenig von Revolutionen die Rede sei. Wir verzichten gern auf den pikanten Reiz, welchen der englische Autor an unserer Geschichte vermisst. Ein denkender Kopf wird mehr Befriedigung dabei empfinden, sich klar zu machen, wie unsere inneren Zustände in Verfassung und Verwaltung geworden sind, und warum sie so und nicht anders werden mussten. Jedes Volk muss sich vernünftigerweise mit der inneren Struktur seines Staatswesens den äußeren Bedingungen seiner politischen Existenz anpassen. England in seiner insularen Sicherheit kann unter gewöhnlichen Umständen mit einem sehr geringen Maß von Staatszwang auskommen und hat daher die parlamentarische Regierungsform ausgebildet, die fälschlicherweise für das allgemeingültige Schema der Regierung eines freien modernen Volkes überhaupt ausgegeben worden ist. Wir dagegen haben bei unserer gefährdeten Mittellage zwischen den stärksten Mächten des Kontinents eine andere Art von Regierungsverfassung nötig gehabt, eben die monarchisch-militärische, die in der Hauptsache ein Werk der Hohenzollern ist, und die der Unverstand und die Böswilligkeit unserer Gegner, unterstützt durch den demokratischen Fanatismus in allen Ländern, als eine Gefahr für die Welt, als etwas schlechthin Böses und der Zerstörung Würdiges verleumdet und brandmarkt. Allerdings erleben wir die Genugtuung, das der „Militarismus“, den man bei uns ausrotten will, vielmehr auch seinen prinzipiellen Gegnern allmählich anfängt, im Lichte einer bitteren, aber vielleicht unvermeidlichen Notwendigkeit zu erscheinen.

Bei dieser Lage der Dinge mag es heute besonders nötig sein, das Werk der Hohenzollern, so wie es ist, der Welt vor Augen zu stellen. Das geschieht hier in einer schlichten, leidenschaftslosen Darstellung. Es ist keine Apologie, die hier geboten wird, sondern eine einfache Geschichtserzählung. Es ist auch kein Panegyrikus, trotz des festlichen Anlasses, sondern ein Buch, das vor allem nach wissenschaftlicher Wahrhaftigkeit strebt. Wir hoffen, das auch in der Erregung der Gegenwart der Sinn für die vorurteilslose Betrachtung der Vergangenheit nicht verloren gegangen ist; er wird auch dazu helfen, die großen Dinge, die wir erleben, recht zu verstehen und in guten und schlimmen Tagen mit dem Glauben an die Zukunft unseres Volkes und unseres Vaterlandes auch die Treue gegen das angestammte Herrscherhaus zu stärken, das jetzt ein halbes Jahrtausend hindurch mit seinen Schicksalen verbunden ist.

Berlin, den 27. Juli 1915.

Otto Hintze.

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